ZitatOriginal von Theophilus
Den zweiten Teil des Satzes unterschreibe ich sofort, aber der erste darf nicht unkommentiert bleiben.
"Moderat" nur in dem Sinne, dass Böhm sich primär an die Partitur hielt und zu ergründen versuchte, welches Tempo dem Komponisten vorgeschwebt haben könnte, bzw. welches Tempo in der Praxis am plausibelsten war. Böhm hat nie aus sekundären Gründen heraus extreme Tempi gesucht, aber verwendete selten langsamere als gewohnt - worauf "moderat" hindeuten könnte. Im Gegenteil, er war gerne eher zügig unterwegs, was aber oft gar nicht auffiel, da er sehr organisch mit sauberen Spannungsbögen und schönen Übergängen arbeitete.
Hallo Theophilus,
ich wollte "moderat" nicht in Bezug auf "Gewohnheit" verwenden, denn: was sind gewohnte Tempi?
Bei wenigen Komponisten sind die Tempounterschiede in verschiedenen Interpretationen derart groß wie bei Beethoven. In sofern kenne ich keine Gewohnheit, zumindest nicht im Sinne von "routiniert" oder "üblicherweise".
Im Beiheft zu den drei Beethoven-Sinfonien wird recht ausführlich auf die Tempofrage eingegangen. Entscheidend ist für mich die Aussage, daß Böhm eine Sinfonie als "dramaturgisches Ganzes" betrachtete. In sofern gilt es natürlich insbesondere Temporelationen zu beachten.
"Moderat" möchte ich in etwa mit "Vermeidung von Extremen" verstanden wissen. Keinesfalls sollte damit eine eher negative Wertung gemeint sein.
ZitatDass es das eine oder andere Beispiel für heute als eher gemächlich empfundene Tempi gibt, hat mit der Arbeitsweise von Böhm zu tun. Er hat das einmal ausführlich dargelegt. Er entwickelte das endgültige Grundtempo eines Satzes immer aus dem Detail heraus. Er suchte zum Einen nach Wendungen in der Partitur, die spieltechnisch heikel sind und nur bis zu einem gewissen Tempo vom Orchester sauber oder schön genug gemeistert werden können, und zum Anderen nach Stellen, die so charakteristisch nach einem bestimmten Tempo "verlangen", dass daraus über die richtigen Relationen das Grundtempo bestimmt werden kann. Daher ist es z.B. nicht verwunderlich, wenn HIP-geeichten Mozart-Hörern seine frühen Mozart-Symphonien mit relativ groß besetzten Berlinern eher gemächlich anmuten. Aber das liegt mehr an einem Wandel der Hörgewohnheiten als an wirklich "moderatem" Musizieren Böhms.
In der Arbeitsweise war Böhm Eugen Jochum nicht unähnlich. Auch Jochum suchte nach einem "Grundtempo", das er allerdings stellenweise modifizierte.
Ich halte die Herangehensweise von Böhm und Jochum für eine richtige, denn nur so schafft man es, aus einem Musikstück (hier: Sinfonie) ein "organisches ganzes" zu schaffen.
Ach ja, nebenbei höre ich auch etwas:
-mit Dank an einen Taminoraner...