Eine Klasse für sich - Simon Keenlyside

  • Simon Keenlyside hat seine „Babypause“ beendet und setzte seine Recital-Tournee durch diverse Musikzentren Europas fort. Am 20. November machte er Halt im Wiener Konzerthaus.
    Begleitet wurde er am Piano wieder einmal von Malcolm Martineau.


    Im ersten Teil des Abends präsentierte Keenlyside mit ausgewählten Liedern der beiden französischen Komponisten Gabriel Fauré und Maurice Ravel weniger bekanntes Repertoire.
    Keenlyside überzeugt schon bei seinem ersten Lied aus dem Fauré-Repertoire, Mandoline, mit seinem Gespür für die Französische Sprache, singt sensibel und gefühlvoll bei Notre amour, und steigert seinen farbenreichen Bariton bei Fleur jetée zu charaktervoller Expressivität. Die Wandlungsfähigkeit in seiner Stimme macht diese Lieder erst zum Erlebnis und sorgen für die notwendige Abwechslung.
    Einen Höhepunkt des Abends boten sicher die Histoires naturelles von Ravel. In den teilweise sehr humorvollen Liedern setzt der Sänger gekonnt seine verschiedenen Stimmfarben ein und gestaltet die Inhalte dieser Lieder über verschiedene Tiere auch durch Gestik und Mimik wie bei Le paon (Der Pfau) und Le cygne (Der Schwan).
    Es macht nicht nur Freude ihm zuzuhören, sondern ihn während des Singens auch zu beobachten. Ich plädiere dafür, daß so ein Liederabend von ihm auch mal mitgefilmt und auf DVD veröffentlicht wird. Denn auch das ist ein Erlebnis, weil der Mann auch bei einem Liederabend nicht nur singt sondern eben auch agiert. :yes::yes::yes:


    Im zweiten Teil des Abends trug Keenlyside die Dichterliebe von Schumann vor. Neben der ausgezeichneten Textverständlichkeit der Deutschen Sprache präsentierte er diesen Liederzyklus mit unglaublicher Intensität, die bei Ich grolle Nicht einen Höhepunkt fand. Neben seiner wunderbaren Höhe und Mittellage scheint die Stimme inzwischen auch mehr an Tiefe gewonnen zu haben, auch wenn diese nach wie vor nicht so ausgeprägt erscheint wie eben seine Höhe.


    Bei Allnächtlich im Traume hatte er eine kleine Gedächtnislücke, als er vergaß wie es im Text weiterging. Nachdem er sich schnell Martineau zuwandte, half dieser ihm rasch auf die Sprünge. Das witzige an der Sache war, daß eben jenes Lied mit den Worten „Und’s Wort hab ich vergessen“ endet. Kaum diese Worte gesungen, schloß er die Augen und setzte ein verschmitztes Lächeln auf. Natürlich konnte sich das Publikum auch nicht zurückhalten, und wir mußten mit ihm mitlachen. Siegmund Freud läßt grüssen. ;)
    Aber gerade dieser kleine Aussetzer machte den Abend perfekt und ihn gleich noch sympathischer. Bei hunderten Liedern die er auswendig im Kopf hat, kann das schon mal passieren. :faint:


    Als Zugaben gab er unter anderen Lieder von Hugo Wolf und Franz Schubert zum Besten. Von letzterem Himmelsfunken und Ständchen. Von mir aus hätte es noch mehr Schubert sein können, denn die Lieder dieses Komponisten singt er wie kein anderer. :jubel::jubel::jubel:


    Gregor


    P.S. Viel Glück, Gabi, beim Kartenkauf für das Recital in der Frankfurter Oper. Das Programm wird da wieder ein bißchen anders sein. Mit diesem Liederabend endet dann auch seine Tournee.

  • Tja, dem kann ich nichts mehr hinzufügen, ich war ebenso begeistert wie Gregor! Für mich waren die Ravellieder der absolute Höhepunkt, unglaublich, welche Nuancen Keenlyside hier seinen Stimmorganen entlockte.
    Ja, und nach dem abschließenden Schubert wünsche ich mir jetzt dringend die Winterreise von ihm!! :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Keenlyside ist für mich das Paradebeispiel, wie man absolut wortdeutlich singen kann, ohne aber manieriert zu wirken. Und immer wieder fasziniert es mich, wie sehr er sich die deutsche Sprache zu eigen gemacht hat. Man hat bei ihm wirklich nie den Eindruck, er wüsste nicht 100%ig - und zwar auf allen Bedeutungsebenen - was er da singt.
    lg Severina :hello:

  • Ein phantastisches Programm und wenn Keenlyside das wirklich so überzeugend gesungen hat, hat er nur noch einen Meister: Gerard Souzay!


    Ich beneide euch um dieses Erlebnis! :yes: :jubel:


    F.Q.

  • Ich hab die Karten! :pfeif: :pfeif: :pfeif:


    Ach, ich freu mich drauf! Danke für den ausführlichen Bericht, das steigert die Vorfreude.
    Übrigens: nicht Alte Oper, sondern Städtische Bühnen! :O

  • Hier ist das Programm in der Oper Frankfurt


    Liederabend mit Simon Keenlyside, Bariton, am 2. Dezember 2008


    Robert Schumann (1810 – 1856)
    Dichterliebe


    P a u s e


    Hugo Wolf (1860 – 1903)
    Gesang Weylas (Mörike)
    Heimweh (Mörike)
    Auf eine Christblume Il (Mörike)
    Lied vom Winde (Mörike)


    Franz Schubert (1797 – 1828 )
    An Sylvia (Shakespeare)
    Die Einsiedelei, 1. und 3. Vers, (Salis-Seewis)
    Verklärung (Herder)
    Freiwilliges Versinken (Mayrhofer)
    Gruppe aus dem Tartarus (Schiller)
    Himmelsfunken, 1. und 2. Vers, (Silbert)
    Ständchen (Rellstab)
    Die Sterne (Leitner)
    Auf der Bruck (Schulze)


    Vielleicht gibt es ja Fauré oder Ravel hier als Zugabe.


    Ich freue mich auch darauf :yes:


    :hello:


    Emotione

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  • Zitat

    Original von Severina
    Ja, und nach dem abschließenden Schubert wünsche ich mir jetzt dringend die Winterreise von ihm!! :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:


    Die Winterreise hat er in Wien schon einmal gesungen. Das war vor vier Jahren im Musikverein.
    Ein gelungenes Experiment war ja die von Trisha Brown choreographierte Winterreise bei der Keenlyside gemeinsam mit ein paar Tänzern diesen Liederzyklus auf die Bühne gebracht hat. Die besondere Herausforderung war eben, daß Keenlyside während des Singens selbst einige Tanzbewegungen mit den Tänzern ausgeführt hat. Du hast vielleicht von dieser Winterreise gehört. Leute, die sie gesehen haben, schwärmen von dieser Darbietung.


    Fairy,
    du scheinst dich ja gerade mit dem Französischen Liedrepertoire gut auszukennen. Ich muß gestehen, ich habe von den histoires naturelles zuvor noch nichts gehört, aber genauso wie Severina war ich besonders angetan von diesem Zyklus. Die Fauré-Lieder waren auch sehr interessant.


    Dann gibt es da ja noch Kompositionen von Debussy oder Poulenc. Auch schon von Keenlyside gehört. Ich hab ihn ja schon oft gesehen.


    Ad Gabi und Emotione: Vielleicht könnt ihr dann über den Frankfurter Liederabend und eure Eindrücke berichten.
    Das Programm weicht ja doch etwas ab.


    Gregor

  • Zuerst sei gesagt, daß es großen Respekt verdient, sich als Ausländer an deutsche Kunstlieder heranzutrauen und dann noch so beachtlich vor zahlreichem Publikum (der Abend war nahezu ausverkauft) abzuliefern. Simon Keenlyside ist als Opern - Bariton gut im Geschäft und wird, zumal auf diesem Forum, als Liedersänger stets gelobt. Der Mann kann zweifellos mit seiner Stimme umgehen, spricht gut deutsch und ist auf der Bühne ein "mittelalter Hase". Genau aus diesem Grund seien einige kritische Anmerkungen erlaubt:


    An der "Dichterliebe", die den ersten Teil des Abends ausmachte, ist auszusetzen, daß der Sänger die deutsche Aussprache sicher beherrscht, aber den Duktus, den Fluß, die Spannungsbögen der poetischen Sprache im Detail nicht nachvollziehen kann. Schumanns Lieder haben den Vorteil, daß sich die Musik besonders eng an die Text-Aussagen schmiegt. Mit der Musik mitzufühlen, bedeutet also schon fast, eine Interpretation abzuliefern. Die Musik gewinnt aber an Aussagekraft, wenn es dem Sänger gelingt, den Text zu interpretieren und dies in seine musikalische Gestaltung einzubauen. Und das gelingt Simon Keenlyside eben nicht. Seine Unsicherheit, was aus der deutsch-romantischen Tiefgründigkeit denn nun auszudrücken sei, wird auch an seiner Gestik deutlich. Zunächst hielt ich sein unstetes Hin- und- Herwackeln, die verlegenen Griffe an den Flügel für Teil einer überlegten Darstellung des liebesleidenden und zweifelnden Poeten. Die Gestik änderte sich jedoch im Verlauf des Abends nicht wesentlich. Der geübte Hörer konnte auch bemerken, daß die Stimme hie und da belegt klang und die wenigen tiefen Stellen, (die auch nicht wirklich tief liegen) keinen Klang entwickelten.


    Das kann an einer leichten Erkältung liegen, oder aber daran, daß hohe Stellen kräftig gesungen wurden und die Stimme in der Tiefe nicht mehr entspannen kann. Piano und sotto voce des Sängers sind durchweg zu loben, weil sie nie die Verbindung zum Köper verloren. Diese Passagen waren eigentlich die schönsten des Abends!


    Im zweiten Teil des Konzertes, der Liedern von Wolf und Schubert gewidmet war, verstärkte sich die zunächst nur stellenweise hörbare "FiDi-isierung" enorm: Keenlyside verwandte die meiste Energie darauf, seine an sich wohlklingende Stimme sehr nasal in die "Maske" zu pusten. Der Bariton übertrieb dieses gesangstechnische Detail, ähnlich wie es Fischer-Dieskau getan hat. Das hatte zur Folge, daß praktisch alle Konsonanten außer den klingenden, nasalen (m,n,ng) zu kurz kamen. Worte mit g und k waren praktisch nicht zu verstehen, auch weil die meisten Lieder und damit die Texte wenig bekannt waren. Im Wesentlichen war also zu hören, wie der Sänger seinen nasalen (und nur an forte-Stellen kräftigen und leicht kernigen) Stimmklang duch die Tonlagen trieb. Dafür gab´s ab und zu eine übertriebene t-Absprache, die dann als Ausdruck gelten mußte.


    Der zweite Teil des Abends war also nicht durchweg ein Genuß. Zu loben ist noch, daß Keenlyside bis zum Schluß stimmliche Reserven hatte, was nicht selbstverständlich ist.


    Der Pianist, Malcom Martineau, begleitete den ganzen Abend souverän. Aber auch ihm kann man nicht bescheinigen, daß er die textlich-sprachliche Dimension der Lieder voll umsetzen konnte. Immer wieder störten kleine, oberflächliche Manirismen und Effekte.


    Beide Musiker sind beim Publikum hervorragend angekommen, und so bleibt noch die Bemerkung, daß man über Geschmack trefflich streiten kann... :)

  • Liebe Gabi,
    danke für Deinen sehr professionellen Bericht vom gestrigen Liederabend. Dass ich dabei nicht in allen Punkten mit Dir übereinstimme hat natürlich seinen Grund in meinem mangelnden musikalischen Wissen. Daher habe ich auch einige Punkte, die Dich störten, anders gedeutet.


    Zunächst fand ich einmal sein Deutsch phänomenal. Bei der Dichterliebe hatte ich den Eindruck, dass er bewusst eine Interpretation wählte, die die sarkastischen und ironischen Momente mehr betonte. Ich habe heute zum Vergleich noch einmal meine Einspielungen angehört und musste jetzt tatsächlich feststellen, dass er dem Vortrag von Fischer-Dieskau in einigen Punkten ziemlich ähnlich ist.
    Beim zweiten Teil mit 4 Mörike-Vertonungen von Hugo Wolf, von denen mir nur das Lied vom Wind und 9 Schubert-Liedern, von denen mir auch nur wenige bekannt waren, sind mir natülich die technischen Details nicht aufgefallen. Dazu sind meine Ohren zu ungeschult.


    Dass die Stimme in der tiefen Lage merkwürdig blass klang, bemerkte ich allerdings auch schon bei der Dichterliebe. Seine Gestik hielt ich eigentlich nicht für Unsicherheit. Meines Erachtens - da Keenlyside ja auch Wert auf Darstellung legt - sollte das die Aussage des Gesangs lediglich noch einmal unterstreichen.


    Ich müsste das Ganze noch einmal hören, denn auch das Spiel von Martineau fand ich großartig.


    Enttäuschend für mich waren dann lediglich die Zugaben, da ich mir hier Ravel gewünscht hätte. Vielleicht war Gioachino ja auch beim Liederabend? Dann hätten wir noch eine zweite fachmännische Beurteilung.


    Liebe Grüße


    Emotione

  • Hallo Emotione,
    ich kann natürlich den von Gabi geschilderten LA nicht beurteilen, bin aber mehr als erstaunt, dass sie Keenlyside Einfühlungsvermögen und Stilempfinden für die von ihm vorgetragenen Lieder abspricht, denn gerade das sind in meinen Augen seine Stärken. ?( Für mich klingen seine Interpretationen absolut glaubwürdig, ich habe noch keine Sekunde gezweifelt, dass er genau weiß, was er singt, um welche seelischen Zustände es sich dabei handelt. Auch Unsicherheit konnte ich noch nie feststellen. Wie du richtig sagst: Keenlyside ist in erster Linie Opernsänger, er versucht daher automatisch auch seine Körpersprache einzusetzen, er kann einfach gar nicht anders.
    Und was die Wortdeutlichkeit betrifft: Ich musste kein einziges Mal in mein Programmheft schauen und habe jedes Wort verstanden. Von verschluckten Konsonanten etc. keine Spur.
    Das Einzige, was mich manchmal stört neben der von euch beiden bemäkelten Schwäche in der Tiefe: Keenlyside kann eben den Opernsänger nicht immer ganz verleugnen, manches gerät daher für meinen Gechmack zu expressiv, z.B. die Faurélieder. Anderen hat gerade das gefallen. Ich schwelge lieber in subtilen Zwischentönen, und an denen war zumindest in Wien kein Mangel.
    lg Severina :hello:


    PS: Allerdings muss ich zugeben, dass mir der LA von Christian Gerhaher eine Woche später doch insgesamt besser gefallen hat, aber das ist ein anderes Thema! ;)

  • Emotione, Dein Bericht ist doch durchaus professionell! Wir beurteilen halt, was wir wahrgenommen haben.


    Severina, ich spreche dieses Vermögen dem Sänger nicht ab. Ich habe ihn nur dieses eine Mal erlebt, und da war es so, wie ich berichte. Wir trafen anschließend noch einige Sänger-Freunde im Foyer, die die Dinge ganz ähnlich sahen. Vielleicht hatte er einen schlechten Tag, das kommt ja vor, und ich würde ihn auf keinen Fall nach einer Erfahrung abschließend beurteilen .

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  • Weihnachtliches mit Simon Keenlyside bietet ein Mitschnitt des Adventskonzertes aus der Dresdner Frauenkirche von 2006 der von SonyBMG veröffentlicht wurde. Neben Keenlyside singt Christine Schäfer. Die Staatskapelle Dresden wird dirigiert von Peter Schreier. Zu hören gibt es Musik von Händel, Bach, Guilmant, Mozart und Mendelssohn-Bartholdy.


    Das Konzert wurde als CD und auch als DVD veröffentlicht. Die Dresdner Frauenkirche ist natürlich auch optisch sehr beeindruckend. :yes:




    Höhepunkt des Konzertes ist für mich Keenlyside's Interpretation von Ja, es sollen wohl Berge weichen aus Mendelssohn's Oratorium Elias. Wunderschön, etwas für die Endlosschleife. :jubel:


    Gregor

  • Bei youtube sind zwei Ausschnitte der Richard Tucker Gala 2007 aus New York erschienen. Im ersten Video singt Keenlyside für ihn eher untypisches Repertoire, obwohl auf seiner Arien-CD enthalten - den Prolog aus Leoncavallo's Bajazzo.


    Keenlyside - Prolog Bajazzo



    Das zweite Video ist für Fairy und alle Liebhaber von Bizet's Perlenfischer. Das Tempelduett gemeinsam mit Matthew Polenzani.


    Keenlyside/Polenzani - Au fond du temple saint



    Das restliche Lineup ist auch beeindruckend, bestehend unter anderen aus D'Intino, Damrau oder DiDonato, die auch die Beiträge fürs Amerikanische Fernsehen kommentiert. Sowas kommt wohl eher nicht ins Europäische Fernsehen, aber bei youtube kann man einiges davon ansehen.


    Gregor

  • Lieber Gregor, danke, das Duett ist wunderschön gesungen!


    Leider komme ich gerade aus mener ersten Erfahrung mit Berlioz Troyens und du hast mir gerade noch den Rest gegeben.
    Akuter Anfall der Maladie du Stendhal und einziges Heilmittel dagegen ist Schönheitsentzug.
    Den Rest der Woche gibt's bei mir nur noch Puccini, Wagner und R. Strauss, um diese Franzosen-Krankheit zu kurieren. :D


    Bonne nuit!

  • Am Rande der Eugen Onegin-Matinee an der Wiener Staatsoper gehört: Keenlyside's Liederabend vom 20. November 2008 aus dem Wiener Konzerthaus wird auf Ö1 ausgestrahlt. Natürlich wird auch die Tschaikowsky-Premiere live übertragen.



    Termine:


    OE 1, Do., 05.03.2009 19.30 Uhr
    Aus dem Konzertsaal


    LIEDERABEND
    SIMON KEENLYSIDE


    Gabriel Fauré - Ausgewählte Lieder
    Maurice Ravel - Histoires naturelles
    Robert Schumann - Dichterliebe


    Simon Keenlyside, Bariton
    Malcolm Martineau, Klavier
    Aufzeichnung vom 20. November 2008, Mozart Saal, Wr. Konzerthaus



    OE1, Sa., 07.03.2009 19.00 Uhr
    Live aus der Wiener Staatsoper


    Peter I. Tschaikowsky
    EUGEN ONEGIN


    Simon Keenlyside (Eugen Onegin)
    Tamar Iveri (Tatjana)
    Ramon Vargas (Lenski)
    Nadia Krasteva (Olga)
    Ain Anger (Fürst Gremin)


    Chor und Orchester der Wr. Staatsoper
    Dirigent Seiji Ozawa



    Gregor

  • Lieber Gregor,


    das ist ja wunderbar. Der Liederabend wäre mir sicher entgangen. So kann ich ihn wenigstens im internet mithören. Danke


    LG
    Jolanthe

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  • Nachdem Hampson alle zukünftigen Auftritte an der Wiener Staatsoper abgesagt hat, soll Keenlyside Ende 2009 die Partie des Macbeth in der Neuinszenierung von Verdi's Oper übernehmen. :jubel: Wenn das kein Ersatz ist. :yes:


    Das ist mir schon vor einigen Tagen aus sicherer Quelle zu Ohren gekommen. Keenlyside selbst spricht nun auch darüber in einem neuen Kurier-Interview.



    Interview - Ein Stimmschauspieler im dunklen Ozean



    Gregor

  • Nun ich will mich hier ja nicht unbeliebt machen: Jedenfalls war ich nach all euren Lobeshymnen urgespannt auf den Onegin, den ich allerdings "nur" im Radio verfolgte.
    Und - naja - ich weiß nicht. Eine gut geführte, kultivierte Stimme, die bei den dramatischeren Stellen deutlich an ihre Grenzen stößt. Irgendwie ganz nett. Ein bißchen kühl und flach das Ganze. Vielleicht als Liedsänger wirklich toll - da muß ich erst reinhören. Wohl auch als Figaro. Sogar Billy Bud kann ich mir vorstellen.
    Aber Onegin? Da fehlt voll die Power, da fehlt der etwas erotische, virile Anstrich, den diese Rolle verlangt. Tschaikowsky kann man nicht "educated" anlegen.
    Und gar Macbeth, was ja angekündigt ist. :wacky: Hm.


    Vielleicht sind die Geschmäcker einfach verschieden. Ich bin ja bekanntermaßen ein extra Baritonfan. Und verfolge das Erscheinen jedes neuen "Stars" in diesem Fach mit großer Vorfreude. Diese Stimme spricht mich jedoch überhaupt nicht an, da fehlt jegliche Ausstrahlung. Hab auch die YouTube-Ausschnitte angehört: Der Bajazzo-Prolog so irgendwie mariniert, seltsam clownesk, jedoch ohne Wärme, ohne Power, so gar nicht Verismo.
    Insgesamt nicht schlecht natürlich - aber dieser Hype? Jedenfalls sichtlich nicht für diese Rollen.


    Werd schauen, dass ich einen Liederabend erwische....


  • Dann wird dir Keenlyside wohl eher nie gefallen, denn diese Art von Bariton ist er sicher nicht. Sein Timbre ist feiner, fragiler, im Gegensatz zu den eher raueren, kraftvollen Stimmen. Ich persönlich ziehe den ersten Stimmtypus vor, da ich generell wärmere Baritonstimmen lieber höre. Das soll aber nicht heißen, das mir die "anderen" Stimmen nicht gefallen. Einen Panerai oder einen Bastianini laß ich mir jederzeit gefallen. :yes:
    Von den gegenwärtigen Sängern finde ich da Lucic herausragend. Mit Cappuccilli kann ich allerdings ehrlich gesagt nichts anfangen. Der ist mir persönlich zu protzig, dieses Timbre reizt mich einfach nicht. Ich kenne ihn allerdings nur durch die Konserve, vielleicht würde er durch eine Live-Erfahrung dazugewinnen. Keenlyside erzählte, daß er gute Ratschläge von Cappuccilli erhalten hat, als er mit ihm zusammengearbeitet hat, und die für ihn bis heute wichtig sind.


    Einen Sänger, den Keenlyside sehr gerne als musikalisches Vorbild heranzieht, ist der - wie er sagt - elegante Robert Merrill. Aber er bewundert eine Menge Baritone, von manchen habe ich noch nie zuvor gehört. :(


    Was Hvorostovsky betrifft, den kannst du gerne behalten. ;) Der singt mir einfach zu farblos, zu langweilig, da kommt mir kein Gefühl rüber, ohne jede Sinnlichkeit, tut mir leid.


    Was Keenlyside's Macbeth betrifft, hatte ich zuerst auch meine Bedenken. Aber es war severina, die mir diese ausgeräumt hat, mit dem Hinweis, daß eine warme Stimme wie die von Simon ideal für die Rolle und deren Anforderungen ist. Nachdem ich festgestellt habe, daß auch Hampson einen wunderbaren Macbeth gesungen hat und der genauso über eine warme Baritonstimme wie Simon verfügt, freue ich mich nun auf diese Verdi-Oper.


    Zu seinen besten Partien zählen sicher der Don Giovanni und auch der Rodrigo in Don Carlo. Einzigartig ist jedenfalls sein Conte Almaviva. Nicht nur auf der tollen Jacobs-Gesamtaufnahme ein highlight sondern gerade live ein Erlebnis. Allein in Wien habe ich ihn einige male in dieser Rolle gesehen.


    Meine Erfahrungen mit ihm beruhen sowieso vorwiegend auf Live-Auftritten. Seine CDs und DVDs kenne ich bis jetzt gar nicht. Kaum zu glauben, was? ;)


    Gregor

  • Lieber Gregor,


    es ist wirklich kaum zu glauben, dass du die CDs und DVDs von Simon Keenlyside nicht kennst. Sein Hamlet ist einfach einzigartig und auch sonst besitze ich eine ganze Menge von ihm. Wenn man ihn natürlich live hören kann........ :rolleyes:


    Als ich ihn Anfang der neunziger Jahre erstmalig im Radio oder auf CD gehört habe, fiel mir sofort sein wundervolles Timbre auf.


    Da ich in Zürich den Macbeth von Thomas Hampson live erlebt habe und davon total begeistert war, kann ich mir Keenlyside auch sehr gut in dieser Rolle vorstellen.


    Zu Hvorostovsky: Da muss ich dir dann doch widersprechen. Ich schätze ihn auch sehr und empfinde ihn absolut nicht als farblos oder als langweilig.


    Viele Grüße
    Jolanthe

  • Zitat

    Original von Jolanthe
    es ist wirklich kaum zu glauben, dass du die CDs und DVDs von Simon Keenlyside nicht kennst. Sein Hamlet ist einfach einzigartig und auch sonst besitze ich eine ganze Menge von ihm. Wenn man ihn natürlich live hören kann........ :rolleyes:


    Wir in Wien haben natürlich Glück in so oft hier zu sehen, und das sollte sich in nächster Zeit nicht ändern, da er einen guten Kontakt zum zukünftigen Chef der Wiener Oper, Dominique Meyer, hat, und auch ein bevorzugter Sänger des neuen musikalischen Direktors, Franz Welser-Möst, ist. :yes:


    Sag bloß, daß du ihn noch nie live gesehen hast? In Deutschland tritt er ja auch immer wieder auf. Diese Saison in München zum ersten mal als Giorgio Germont. In der nächsten Saison soll er - auch in München - den Rodrigo in Don Carlo singen. Das wäre doch vielleicht was für dich.


    Wenn Simon erst mal wieder aus Wien weg ist, werde ich wieder mehr Zeit haben, und dann werde ich mich endlich mal mit seinen CD- und DVD-Veröffentlichungen beschäftigen. So wie es aussieht, muß ich wohl mit dem Hamlet anfangen. Denn jeder erzählt mir voller Begeisterung von dieser DVD.


    Gregor

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  • Lieber Gregor.


    nein, leider habe ich ihn noch nie live gehört und ich könnte mir nichts schöner vorstellen als meinen Lieblingen hinterherzureisen. Auch nach München habe ich schon eine Entfernung von nahezu 700 km zu überbrücken. Aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht näher erläutern möchte, kann ich mir höchstens ein bis zwei Mal im Jahr ein besonderes Opernerlebnis gönnen. Er wird sicher ein wundervoller Rodrigo sein. Ich weiß, dass er ihn auch in Covent Garden singen wird zusammen mit meinem Lieblingstenor.........ach, wenn ich nur könnte wie ich wollte.


    LG
    :hello:
    Jolanthe

  • Gestern hat Simon mir erzählt, daß er den Eugen Onegin auch in München singen wird. Über die Produktion dort haben wir nicht wirklich gesprochen, aber wie ich gehört habe, soll sie alles andere als konventionell sein. Also, eher modernes Regietheater. Kann jemand verraten, ob es sich um eine gelungene Regie handelt bzw. gibt es vielleicht einen Bericht im Netz, bei dem man sich ein Bild von der Inszenierung machen kann? Das wäre sehr hilfreich.


    Gregor

  • Zitat

    Original von Gregor
    Kann jemand verraten, ob es sich um eine gelungene Regie handelt bzw. gibt es vielleicht einen Bericht im Netz, bei dem man sich ein Bild von der Inszenierung machen kann? Das wäre sehr hilfreich.


    Wir haben einen eigenen Thread zu dieser Produktion, in dem ich im Oktober letzten Jahres auch versucht habe, die Inszenierung kurz zu beschreiben:


    Eugen Onegin in München


    Keenlysides Vorgänger in der Rolle des Titelhelden waren Michael Volle in der Premierenserie und Mariusz Kwiecien in der Wiederaufnahme.



    Einen visuellen Eindruck erhältst Du auf dieser Seite der Bayerischen Staatsoper: Hier gibt's eine Fotogalerie, ein Video und eine Folge des sogenannten Opern-TV mit Stellungnahmen der Beteiligten.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Vielleicht interessiert den ein oder anderen diese Sendung:



    Ö1 heute, 15:06 bis 16:30 Uhr


    Apropos Oper
    Das Wiener Staatsopernmagazin

    mit Michael Blees.


    Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper und Gespräche mit dem Bariton Simon Keenlyside, dem Dirigenten Marco Armiliato und Staatsoperndirektior Ioan Holender




    LG, Elisabeth

  • Durch das Thema Don Giovanni und Leporello im Bryn Terfel-thread habe ich mich an den Don Giovanni unter Abbado aus dem Opernhaus von Ferrara erinnert. Die Inszenierung finde ich in ihrer Minimalistik sehr ansprechend, viel steht auf der Bühne ja nicht herum, abgesehen von einigen Stühlen und Kerzenleuchtern. ;) Ich weiß, dass zeitgleich zu dieser Aufführungsserie eine Studioaufnahme in ähnlicher Besetzung entstanden ist, die Simon übrigens nicht sehr schätzt,





    aber ist dieser Don Giovanni jemals auf DVD erschienen? Ich habe leider nichts Genaues herausfinden können.



    Simon Keenlyside ist hier ein echter Bilderbuch-Giovanni. Im ersten Youtube-Video singt er ein wunderschönes Deh vieni alla finestra. Das singt derzeit kein anderer so betörend. Man achte nur auf den Beginn der zweiten Strophe, wenn er im pianissimo weitersingt. :jubel: Der zweite Ausschnitt ist das berühmte Duett mit Zerlina. Hier finde ich interessant, dass links und rechts vom Bühnenorchester, welches von Abbado dirigiert wird, die Sänger am Orchestergraben vorbeigehen können und dann VOR dem Orchester direkt vor den Zuschauern singen.



    Deh vieni alla finestra


    La ci darem la mano



    Hoffentlich gibt es davon mal eine DVD.


    Gregor

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  • Lieber Gregor, ich habe gerade die beiden La ci darems (Keenlyside und Terfel noch mal auf youtube verglichen- da prallen Welten aufeinander. Hier werden zwei vollkommen verschiedene Don Govanni Typen verkörpert, was auch in der Inszenierung ganz deutlich wird.
    Keenlyside wirkt allein für sich , ein eleganter und ohne jede Anstrengung verführerischer Don, der nciht einmal körperliche Nähe einsetzen muss ,um Zerlina "rumzukriegen".
    Terfel ist dagegen die naturgewaltige Überroll- Variante, dessen erschlagender physischer Präsenz Zerlina nciht ausweichen kann, u.A auch, weil er sie einfach in die Zange nimmt und festhält. Das Grobschlächtige überdeckt gewollt oder ungewollt die Mozart-Subtilität und er ist insgesamt (nicht nur in diesem Duett) näher am Typ Vergewaltiger als Verführer - vokal wie in seiner Bühnenpräsenz- und das ist der Don Giovanni m.E. bei Mozart nicht!
    Ich finde daher Keenlyide auch viel besser in dieser Rolle.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Gregor, ich habe gerade die beiden La ci darems (Keenlyside und Terfel noch mal auf youtube verglichen- da prallen Welten aufeinander. Hier werden zwei vollkommen verschiedene Don Govanni Typen verkörpert, was auch in der Inszenierung ganz deutlich wird.
    Keenlyside wirkt allein für sich , ein eleganter und ohne jede Anstrengung verführerischer Don, der nciht einmal körperliche Nähe einsetzen muss ,um Zerlina "rumzukriegen".
    Terfel ist dagegen die naturgewaltige Überroll- Variante, dessen erschlagender physischer Präsenz Zerlina nciht ausweichen kann, u.A auch, weil er sie einfach in die Zange nimmt und festhält. Das Grobschlächtige überdeckt gewollt oder ungewollt die Mozart-Subtilität und er ist insgesamt (nicht nur in diesem Duett) näher am Typ Vergewaltiger als Verführer - vokal wie in seiner Bühnenpräsenz- und das ist der Don Giovanni m.E. bei Mozart nicht!
    Ich finde daher Keenlyide auch viel besser in dieser Rolle.


    F.Q.


    Hallo Fairy,
    das ist wohl auch der Grund, warum mir Terfel als Leporello so viel besser gefällt denn als Don. Diesen etwas plumpen, einfachen Diener nehme ich ihm wirklich ab, den Don Giovanni aus den von dir genannten Gründen eben nicht. Ich denke auch, daß Mozart's Titelheld alleine schon mit Worten und Gesten verführen soll, nicht mit groben Körperlichkeiten.


    In Wien hat Terfel die Partie weniger gewaltig gegeben als du es beschreibst, aber trotzdem nicht sehr glaubwürdig. Vor seinem Don Giovanni scheint man sich als Frau ja beinahe fürchten zu müssen.


    Ich habe Keenlyside in mehreren Don Giovanni Produktionen gesehen, und das ist eindeutig nicht sein Verständnis von der Rolle. Er ist entweder der elegante Verführer (Ferrara, Wien), der triebhafte Verführer, der sich mit seinen Eroberungen die Zeit vertreibt (Zürich), oder der schon etwas verlebte Don Giovanni, der trotzdem immer Kavalier ist (London).


    Gregor

  • Ich hatte von dieser Produktion schon Ausschnitte auf Youtube gesehen und mir daraufhin die DVD geholt. Ich bin begeistert, auch wenn Keenlyside in der Champagnerarie etwas daneben wirkt.

  • Am 17. Oktober 2009 sendet der englische Sender BBC Radio 3 einen Mitschnitt der Septemberserie von Verdi’s Don Carlo aus dem Royal Opera House in großartiger Besetzung. Es handelt sich dabei um die fünfaktige italienische Fassung (Modena-Fassung).


    Es singen unter anderen Jonas Kaufmann (Don Carlo), Ferruccio Furlanetto (Philipp), Simon Keenlyside (Rodrigo), Marina Poplavskaya (Elisabeth), Marianne Cornetti (Eboli), Robert Llyod (Carlo V) und John Tomlinson (Großinquisitor); Dirigent ist Semyon Bychkov.


    Die Royal Opera hat einen Trailer, erstellt aus der ersten Serie von 2008 in ähnlicher Besetzung, ins Netz gestellt.



    Don Carlo Trailer





    Simon Keenlyside (Rodrigo) und Jonas Kaufmann (Don Carlo)



    Der Mitschnitt sollte ab 17. Oktober für eine Woche bei Radio BBC 3 abrufbar sein. Der Radiostream befindet sich rechts oben unter Listen Live.


    Man darf gespannt sein, wie sich Kaufmann's dunkel timbrierter Tenor mit dem hellen Bariton von Keenlyside mischt, ganz besonders beim Duett im ersten Akt.



    Gregor

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