Ist "klassische Musik" elitär ?


  • Das klingt ja furchtbar. 8o
    Ich sage lieber nicht, wo ich diejenigen Subjekte gerne sähe, die zu sowas fähig waren ... :stumm:


    Solche Erlebnisse hatte ich - Gott sei gelobt! - nicht.
    Ich verstehe derartige Proleten in keinster Weise.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Merci vielmal. Positiv korrigierend merke ich an, daß die Deutsche Bank in der Suprime-Krise erstaunlich wenig Federn lassen musste. Weiters wird bei Joe Ackermann stets nur erwähnt, wenn er Stellen reduziert (was nicht zwangsläufig Entlassung bedeutet). Die indländisch geschaffenen neuen Arbeitsplätze werden indes nur im Kleingedruckten oder in der Wirtschaftspresse erwähnt. Wenn man sich die momentane Schieflage der Landesbanken anschaut kann man sich eigentlich freuen, daß Deutschland dank Joe Ackermann eine Großbank hat, die auch weiterhin unsere heimische Industrie attraktiv bei Investitionen begleiten kann (auch dafür muß Kapital erst einmal geschaffen werden).


    Tut mir leid, dass ich mich jetzt ebenfalls auf das Feld der OT-Diskussion begebe, aber ich finde es völlig unangebracht, wenn man auf "billige, populistische Manager-Schelte" (die ich bei Johannes nun wirklich nicht zu entdecken glaube), mit ebenso billiger Glorifizierung eines Ackermanns reagiert.


    Beides sind keine Gegensätze sondern nur die zwei Seiten ein und derselben Medaille, und es wäre das beste, die ganze Münze in den Gulli zu werfen, auf dass der Blick für eine vorurteilsfreie und kritische Reflexion frei wird.
    Dazu würde auch gehören, das Debakel um die Subprime-Ramsch-Kredite (und dieses Debakel wird 2008 erst richtig beginnen!) nicht so direkt mit den Tätigkeiten Ackermanns in Verbindung zu bringen.
    Wenn, dann gebührt diese zweifelhafte Ehre Greg Lippmann, obgleich man sagen muss, dass die DB bezüglich ihrem Subprime-Engagement geschwiegen hat - und dass es ebenso andere Kriterien zur Beurteilung eines J.A. geben kann, da man kein alternativer Linker seien muss, um den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsaktionismus und Ethik zu betonen.


    Es ist heute nunmal so, dass unsere Ethik unklar und komplex ist, obgleich eine einfache und verständliche Form gewünscht wäre. Aber: die gibt es eben nicht mehr, und so muss sich auch ein Ackermann ethischen Beurteilungskriterien unterziehen.
    Wir stehen heute nicht mehr vor der Wahl, einfach ein etrinkendens Nachbarskiind aus einem Brunnen zu retten, oder an ihm vorbeizugehen, sondern sind mit einer höchst komplexen Form der Ungleichheit konfrontiert, die so system-immanent zu seien scheint, dass Ackermann -und auch da würde ich Johannes Recht geben- nicht Ursache, sondern Folge ist.


    Aber: auch der funktional handelne Akteur innerhalb dieses Systems ist von einer ethischen Betrachtung nicht frei gesprochen, und es ist meiner Meinung nach völlig falsch, diese Sichtweise als links-populistisch zu diskreditieren, weil man beispielsweise auch aus der Perspektive der Enzyklia Leo XIII. über die soziale Mission des Evangeliums argumentieren kann.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Ich überlege mir gerade, den Begriff "elitär" mal ganz simpel auf seine Wortbedeutung abzuklopfen: ausgewählt bzw auserwählt und komme dann zu dem Schluss, das jeder Mensch in irgendeiner Weise elitär ist.


    Jeder Mensch, der von einem anderen Menschen als etwas Besonderes angesehen wird, für einen oder mehrere andere Menschen wichtig ist ,ist bereits elitär. Und möchte nicht jeder in irgendeiner Weise, mit irgendeiner Gabe, "elitär" sein?
    Ich werde auch manchmal den Verdacht nicht los, dass das Schimpfen über und das moralische Verdammen von "Eliten" eine ganze Menge mit Neid zu tun hat. Die Trauben, die zu hoch hängen, haben damit auch etwas zu tun.
    Wobei ich den Begriff Elite genauso definiere wie Klingsor.
    Eine Elite, die diesen Namen nciht verdient und füllt, sondern nur durch Geburt oder Geld dazu geworden ist, ist keine Elite sondern eine leere Hülle.
    Ich vermag ganz und gar ncihts Schlimmes in den Begriff Elite zu sehen, wenn er mit Inhalt gefüllt ist.
    Jemand der sich seines Wertes bewusst ist und weiss, dass er für eine "bestimmte Sache oder von einer bestimmten Person"auserwählt" ist, wird das im Gegenteil als Riesengeschenk betrachten.
    Ein beschenkter und sich beschenkt fühlender Mensch ist aber viel besser in der Lage, mit Anderen zu teilen, sie an seinem Glück teilhaben zu lassen, als soclhe, die sich ewig zu kurz gekommen fühlen und das verdammen müssen, was ihnen selbst versagt bleibt.
    Die Leute, die M.S. in seiner Kindheit gequält haben, konnten wahrscheinlich das "Elitäre" eines mozartliebenden Kindes deshalb nciht ertragen, weil sie instinktiv gespürt haben, dass ihnen da etwas Wesentliches abgeht.
    Das macht die Sache für das Opfer selbstverständlich nicht besser und ist nur als pothume Betrachtung gedacht..
    Ich habe ebenfalls als Kind zur Aussenseiter-Fraktion der Klassik-Fans gehört, da aber gottseidank etwas andere Erfahrungen gemacht. Wie grausam in Schulen manchmal "gefoltet" wird, habe ich aber in anderer Weise auch erlebt.


    Wenn hier so political correct von Bescheidenheit im Gegensatz zu "elitär" geredet wird: da muss man sehr deutlich unterscheiden!
    Echte Bescheidenheit entspringt einer inneren Ausgeglichenheit, der erfüllten Zufriedenheit, die aus dem Bewusstsein des eigenen Wertes kommt.
    Jemand der "elitär" ist und diese Bezeichnung verdient, sollte gerade im Bewusstsein dieser "Erwähltheit" eine gesunde Dankbarkeit und Demut an den Tag legen. Beispiele dafür kenne ich genug, auch unter scheinbar exzentrischen "elitären" Künstlern.
    Wenn wir das Elitäre als "arrogant" verdammen und verteufeln, tun wir im Grunde doch ncihts Anderes als Michaels Lehrer, nur deutlich zivilisierter natürlich.



    Ich finde es auch daher überhaupt nciht schlimm, wenn klassische Musik als elitär angesehen wird. Wenn Auserwähltes sich vom "primitiven Proletentum" (das Wort wurde hier genannt und ich benutze es nun nciht im politischen Sinne, also bitte keine sozialsitischen Manifeste auspacke :D) unterscheidet und abhebt, ist es doch nur ein Gewinn elitär zu sein.
    Ich würde es vielmehr als Kompliment empfinden, wenn mich jemand elitär nennt, weil ichz.B. klasssiche Musik liebe. Irgendwie verstehe ich das Problem nciht. :no:
    Es scheint evtl an der Begrifflichkeit zu liegen ?(


    F.Q.

  • Dem elitären Element, besonders im Bereich der klassischen Musik, wie auch immer man es betrachten möchte, ist nach meiner Meinung in den Augen vieler (Außenstehender) eines immanent, nämlich ein gewisser schlechter Ruf (von einem anderen Standpunkt kann dies natürlich auch als Vorurteil betrachtet werden).


    In den Augen vieler ist das Klischee möglicherweise sogar so groß, dass es von vornherein die Auseinandersetzung mit klassischer Musik verwehrt.


    Meiner Meinung nach gibt es dieses Element, was Theophilus eingangs so schön anhand der Streichquartette Beethovens und des Satzes von Mann oder Kant schilderte, in vielen Bereichen - und das sollte man sich vor Augen halten. Kunst sollte immer ein Stück weit objektiv betrachtet werden und nicht in einem wertenden Sinne im Vergleich zu anderer Kunst.


    Sicherlich gibt es innerhalb des Genres Unterschiede. Am leichtesten ist das sichtbar auf dem Sektor, der zu gerne zu allgemein als Pop/Rock betrachtet wird. Wenn Radiohead alle Jahre ein Album ausspucken, z. B., tue ich mich damit auch nie einfach.


    Es ist am Ende alles eine Einstellungsfrage und eine Frage nach dem maximalen Genuss - auf jedem Sektor - der eben individuell erarbeitet werden will. Hilfestellung bietet z. B. dieses Forum.


    Aus diesem Grund tu' ich mich mit dem Begriff der Elite äußerst schwer, da dem Vorstehenden folgendend jeder für sich eine "eigene Elite" ist. Der eine mehr, der andere weniger ;)

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Wobei ich den Begriff Elite genauso definiere wie Klingsor.


    Vielleicht ist es aber gar nicht so relevant, wie klingsor, Fairy Queen oder Klawirr den Begriff »Elite« definieren, sondern wie er dort definiert wird, wo er als einigermaßen feste Kategorie fungiert: in den Geschichts-, Sozial- und Politikwissenschaften. Das könnte, darauf hat Christian ja weiter oben bereits hingewiesen, in jedem Fall zu einer Klärung beitragen, vielleicht aber auch zu einer Entspannung der Diskussion.


    Schauen wir doch mal, was in politik- und sozialwissenschaftlichen Wörterbüchern so über den Begriff zu finden ist. Nur mal eine kürzere und eine längere Definition:


    Zitat

    Eliten Politisch-soziologischer Begriff für einen besonders hervorgehobenen Teil einer Bevölkerung, einer Organisation, eines sozialen Systems (z.B. Meinungs-, Einkommens-, Führungs-, Partei-, Militär-, Unternehmens-E.).


    Klaus Schubert / Martina Klein: Das Politiklexikon, Bonn 1997, S. 83.




    Eins wird damit in jedem Fall klar: »klassische Musik« ist nicht elitär. Hörer klassischer Musik sind keine Elite, denn sie besetzten keine zentralen oder herausgehobenen Positionen in irgendeinem sozialen System (nicht einmal im Kunstsystem). Allerdings gibt es im Kontext der Klassikhörer Eliten – hier im Forum ist das, wenn man den Definitionen folgt, das Administratoren-Moderatoren-Team.


    Und noch eins: legt man die obigen Definitionen zugrunde, gehört Joe Ackermann auf jedenfall zur Elite - ganz gleich ob er ein guter oder schlechter Manager ist, ob er sich selbst als Teil der Elite sieht, ob ihm dies wichtig ist oder nicht, ob er die russische ANNA hört oder doch lieber die schwedischen ABBA, ob er ethisch gut oder schlecht handelt...


    Ganz herzlich,
    Medard

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  • Lieber Medard, wenn du eine solche Definition als Massstab für diese Diskussion anlegst, dann erübrigt sich natürlich alles Weitere.
    DAS war aber bis dato nciht der fall und daher konnte sich jeder erlauben, seine eigene Definition von "elitär" hier anzuführen.
    Mir hilft es im Allgemeinen sehr, Worte auf ihren eigentlichen Sinn zurückzuführen und daraufhin abzuklopfen. In deisem Wort-Sinne kann ich sehr gut mit dem Elitebegriff für klassische Musik und deren Hörer leben und finde es sogar ausgespriohen erfreulich, elitär zu sein.
    Da ich mich hier nicht im Oberseminar der Soziologie oder Politikwissenschaften sondern bei Tamino befinde,habe ich das mal einfach als erlaubt betrachtet...... :D ;)


    F.Q.

  • Liebe Fairy,


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Medard, wenn du eine solche Definition als Massstab für diese Diskussion anlegst, dann erübrigt sich natürlich alles Weitere.


    Das finde ich überhaupt nicht! Aber solange jeder mit einer eigenen Definition von »Elite« und »elitär« operiert, wird man aneinander vorbeireden - das unterscheidet sich dann nicht von einer Diskussion über »Vibrato«, bei der jeder etwas anderes unter dem Wörtchen versteht. ;)


    Zitat

    DAS war aber bis dato nciht der fall und daher konnte sich jeder erlauben, seine eigene Definition von "elitär" hier anzuführen.


    Es kann ja auch jeder tun und erlaubt ist es ohnehin. Außerdem war das Anführen der beiden Definitionen meinerseits kein wildes Herumfuchteln mit Herrschaftswissen ( ;) ), sondern war als Beitrag zur Annäherung an eine konsensuelle Definition gedacht.


    Zitat

    Mir hilft es im Allgemeinen sehr, Worte auf ihren eigentlichen Sinn zurückzuführen und daraufhin abzuklopfen.


    Mir ebenfalls! Die zweite Definition tut das übrigens doch auch.


    Zitat

    In deisem Wort-Sinne kann ich sehr gut mit dem Elitebegriff für klassische Musik und deren Hörer leben und finde es sogar ausgespriohen erfreulich, elitär zu sein.


    O.K. - ich kann da auch mit leben. Abgesehen davon sind dann allerdings die Hörer von »Tool« oder die von »Wizards of Ooze« oder die von »Yo la Tengo« ebenfalls elitär. Gewissermaßen sind sogar die Hörer von »Tokio Hotel« elitär, wenn man die Kriterien der Zugehörigkeit bzw. Nicht-Zugehörigkeit zur Elite entsprechend definiert. Und wenn dann schließlich jeder zur Elite gehört, ist der Begriff selbst ad absurdum geführt.


    Zitat

    Da ich mich hier nicht im Oberseminar der Soziologie oder Politikwissenschaften sondern bei Tamino befinde,habe ich das mal einfach als erlaubt betrachtet...... :D ;)


    F.Q.


    Ich hoffe doch nicht, daß wir uns durch zwei kleine Definitionen gleich in ein elitäres Oberseminar katapultiert sehen, oder? ;):D


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Lieber Medard,


    Zitat

    Original von Klawirr
    solange jeder mit einer eigenen Definition von »Elite« und »elitär« operiert, wird man aneinander vorbeireden


    durchaus einverstanden, aber nachfragen muss man dann doch, aus welchem Bereich man nun die Definition nehmen kann. Geht es um eine "Bildungselite" - und das liegt ja nahe -, werden Definitionen der "Leistungselite" allenfalls vermittelt zutreffen.


    Musik ist in der Regel für Kenner geschrieben worden und setzt Kenner voraus, wenn man von Ausnahmen - die nicht selten genug als solche auch gekennzeichnet wurde - einmal absieht. Kunstmusik ist auch für Nichtkenner zugänglich, man muss aber doch mit Missverständnissen (die wiederum gesellschaftlich determiniert sind) rechnen, die auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt sind, als die der Kenner.


    In diesem Sinne ist hier "Elite" nicht als eine Herrschaftselite zu bestimmen, sondern als eine Gruppe von Menschen, die in besonderer Weise prädestiniert, ausgebildet und bereit ist, sich mit Kunst zu beschäftigen - die die Fähigkeit der (nach)schöpferischen Wahrnehmung hat.


    Zitat

    Und wenn dann schließlich jeder zur Elite gehört, ist der Begriff selbst ad absurdum geführt.


    Ich vermute mal, dass jeder besondere Fähigkeiten haben kann, die ihn zu einer, aber nicht der Elite qualifizieren, dass man aber da sicher wertende Unterschiede machen kann, ob es sich um die Elite der deutschen Handballspieler oder um die genannten Kenner von Literatur & Musik handelt.


    Liebe Grüße Peter

  • Meyers Lexikon online bietet für den Begriff "elitär" [französierende Ableitung von »Elite«] zwei Definitionen an:


    a) einer Elite angehörend; auserlesen;


    b) auf die (vermeintliche) Zugehörigkeit zu einer Elite begründet (und daher dünkelhaft-eingebildet).


    Ich bin der Meinung, dass entweder a) oder b) auf jeden einzelnen Hörer klassischer Musik zutrifft - tertium non datur. Ich selbst bin dabei übrigens ein Dandy in dem von FQ beschriebenen Sinne :D.


    Loge


  • Lieber Peter,
    ich glaube, wir sitzen da einem kleinen Irrtum auf. Denn die genannten "Kenner von Literatur und Musik" erscheinen nur aus einer bestimmten Perspektive als elitär. Zudem qualifiziert das »Kennertum in kulturellen Dingen« heutzutage keineswegs länger zu einer Partizipation an der Elite. Das können wir gerne einfach ignorieren und so tun, als gebe es aktuell soetwas wie das Bildungsbürgertum überhaupt noch als eine relevante/einflußreiche soziale Größe.


    Selbstverständlich kann ich einfach für jeden Bereich bestimmte Parameter definieren, die ich als Einschluß- bzw. Ausschlußkriterien für das »Elitäre« anlege. Die sind aber kontingent - und zwar nicht nur in diachroner Perspektive sondern auch in synchroner.


    Darum halte es da in diesem Fall lieber mit Loges Dandytum - und den Elitenbegriff in diesem Zusammenhang für relativ unsinnig.


    Ganz herzlich,
    Medard

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  • Ich glaube, dass es genau das ist, was bei manchen so ein Unbehagen auslöst: Dass "Elite" immer ein bisschen der Geruch anhaftet, in ihren Reihen stünden die "besseren", "wertvolleren" Menschen, die mit dementsprechender Arroganz auf die Masse der Unbedarften herabblicken. Selbst innerhalb von Tamino orte ich ja gelegentlich eine Elite, die für sich den Anspruch erhebt, als Einzige zu wissen, was "richtige Musik" ist... Aber lassen wir das :wacky:
    Elite in dem Sinn, wie Fairy es empfindet, wäre völlig wertfrei, aber genau das ist es in der Realität eben nicht. In der Realität steht das Elitäre eben immer eine Stufe höher als das "Normale", und diese Wahrnehmung führt eben oft (nicht immer) zu gewissen Animositäten, weil halt Menschen (und da schließe ich mich nicht aus) dazu neigen sich im Besitz der einzigen Wahrheit zu glauben...
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Nach der Sportstunde gab es dann übrigens regelmäßig noch die Dreingabe von meinen Mitschülern, welche mich auf dem Nachhauseweg immer abfingen, mich zu Boden warfen, festhielten und dann vollspuckten.
    Das war in der 4.Klasse , ich war 10 Jahre alt.
    Was hätte ich machen sollen?


    Die "Unendliche Geschichte" lesen?


    Zitat

    Übrigens bin ich als Klassikliebhaber bereits im Kindergarten verprügelt worden.
    Und zwar von allen.


    Natürliche Auslese von Andersartigen?


    Zitat

    Meine früheste Erinnerung an den Kindergarten ist, daß zwei mich festhalten und ein dritter dann zuschlägt.
    Von der 1. bis zu 3. Klasse wurde ich in meiner Eigenschaft als Klassikliebhaber in jeder Schulpause in die Ecke gedrängt und alle prügelten auf mich ein.


    Ui. Ich muß mir wohl einen ans Cello genagelten Michael Schlechtriem an die Wand hängen und künftig Klassik- anstelle der Kirchensteuer zahlen...


    :hello:


    vom
    Mozartscheißerle

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von severina
    Elite in dem Sinn, wie Fairy es empfindet, wäre völlig wertfrei, aber genau das ist es in der Realität eben nicht. In der Realität steht das Elitäre eben immer eine Stufe höher als das "Normale", und diese Wahrnehmung führt eben oft (nicht immer) zu gewissen Animositäten, weil halt Menschen (und da schließe ich mich nicht aus) dazu neigen sich im Besitz der einzigen Wahrheit zu glauben...


    So ist es.
    Den Begriff "auserwaehlt" von der etymologischen Seite hatte ich ja auch schon angefuehrt, war aber auch nicht ganz eindeutig, da mehr als Witz verpackt ;)
    Auch, dass nach heutiger Deutung Eliten sich gemeinhin in irgendeiner Machtposition befinden, ist hier schon mehrfach angefuehrt worden, von daher finde ich auch nicht, dass es diese Definition hier noch NICHT gab, die gab es naemlich sehr wohl. Alles lesen kann man bei diesem Mammutthread aber vielleicht auch nicht mehr ;)


    Aber natuerlich muss man Begriffe erst mal definieren oder zumindest doch schreiben, was man selber darunter versteht, denn sonst eruebrigt sich die Diskussion ja erst recht.


    Die "wertfreie" Elite existiert fuer mich ganz persoenlich einfach nicht mehr, und ich glaube, dass das auch bei den meisten anderen so ist. Auf welcher Seite man sich da befindet, ist dabei erst mal voellig zweitrangig.


    Wenn es nur darum ginge, dass ich z.B. fuer irgendeinen Menschen, meinen Partner, meine Eltern oder wen auch immer, "auserwaehlt" oder etwas Besonderes bin, kann sich natuerlich jeder einer Elite zugehoerig fuehlen. Ich glaube aber, dass diese Deutung von "elitaer" doch zumindest von 95% der Bevoelkerung anders gesehen wird (damit koennen sich die 5% ja dann gerne wieder einer Elite zugehoerig fuehlen :D ) und der Begriff geschichtlich und auch soziologisch eigentlich noch nie so gedeutet wurde.


    Den Beschenktheitsgedanken z.B. kann ich selber sehr gut nachvollziehen, den Neid- oder "Trauben-zu-hoch"-Gedanken schon wieder weniger.


    Obwohl Neid irgendwie jedem Menschen immanent ist (je nach Lebenssituation mal mehr, mal weniger), ist gerade der Gedanke, dass jemand sich nicht als elitaer fuehlt, nur, weil er irgendwas vermeintlich nicht kann oder auf irgendwen neidisch ist, schon wieder genau in die Richtung gehend, die fuer mich ganz persoenlich den "Erhabenheitsgedanken" nur bestaetigt. Das fuehrt fuer mich z.B. genau dazu, dass ich den Begriff ablehne. Das ist auch so eine Deutung, die man mal ganz gerne hoert, die fuer mich absolut absurd ist. Man kann sich sehr wohl seines Wertes bewusst sein, ohne sich einer Elite zugehoerig zu fuehlen, und Exzentrik hat fuer mich mit Elite auch erst mal wenig zu tun, aber das fuehrt hier vielleicht zu weit.


    Ich lehne Menschen z.B. auch nicht ab, weil sie zu irgendeiner vermeintlichen Elite gehoeren. Ich lehne gewisse Gesinnungen und Verhaltensweisen ab, aber ob jemand jetzt Klassik oder Rock hoert, Manager oder Strassenkehrer ist, liest oder vornehmlich TV glotzt, ist mir dabei erst mal voellig wurscht. Da bedarf es schon mehr ...


    Beschenkt fuehlen kann ich mich aber sehr wohl und tue das auch. Das Problem, nach dem gefragt wurde, ist auch nicht so sehr, dass das nicht der Fall sein darf, weil man z.B. klassiche Musik hoert. Das Problem faengt da an, wo man sich dadurch anderen ueberlegen fuehlt - und das Problem existiert und kann auch nicht wegdiskutiert werden.


    Ich koennte mich dann z.B. einigen meiner Schuler ueberlegen fuehlen, die erst mal nur an Pop interessiert sind. Ich denke, das ist aber eine recht schlechte Voraussetzung fuer paedagogische Arbeit (wobei wir wieder bei dem von Michael so eindruecklich beschriebenen Problem sind, denn das gibt es durchaus, und gar nicht mal selten).
    Stattdessen akzeptiere ich sie so, wie sie sind, versuche, ihnen alle Aspekte der Musik naeherzubringen und erlebe da manchmal sehr schoene Ueberraschungen. Haette sie natuerlich auch von vornherein "Popscheisser" nennen koennen :D

  • Meine paar Groschen dazu anlässlich des gelegentlichen Hineinlesens in diesen Thread (bin mindestens diese Woche zu überlastet um den ganzen oder viel anderes zu lesen und gar zu kommentieren):


    Der Konflikt scheint mir von einem mehr oder weniger absichtlich beförderten Missverständnis her zu rühren. Elite ist erst einmal nichts anderes als eine Auswahl von (in diesem Falle) Menschen, die besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten haben. Das verführt manche Mitglieder derartiger "Eliten" dazu, sich auch für bessere Menschen zu halten, obwohl sie in der Regel "nur" über eine bessere Bildung, besonderes Fachwissen, bestimmte Fähigkeiten und manchmal auch (z. B.) über mehr Intelligenz verfügen als die sogenannte Masse. Mindestens ein erheblicher Teil dieser Eliten verdankt ihre Zugehörigkeit eher der Gnade der Geburt in bestimmte Verhältnisse als eigenem Verdienst. All das ist sicher ein Grund, darüber glücklich zu sein, wird aber erst dann einer, der auch zum Stolz berechtigt, wenn man sich auch der Verpflichtungen dieses Privilegs bewusst ist und es konstruktiv und möglichst kreativ nutzt statt z. B. einfach nur Besserwisserei abzulassen. Erst der auf der Zugehörigkeit zu einer solchen Elite aufbauende Dünkel bringt das Elitebewusstsein und damit den Begriff Elite überhaupt in den (oft berechtigten) Verruf.


    Bezeichnenderweise ist die Mehrzahl der wahren, also selbst verdienten Elite, die es durchaus gibt und die deshalb auch einen Sonderstatus verdient, eher frei davon. Starallüren beobachtet man eher bei Leuten, die als Stars gelten wollen, obwohl sie es nicht wirklich sein können. Die wirklichen Künstler sind oft überraschend frei davon. Das ist wohl auch eine Frage des Selbstbewusstseins, das in der Regel auch ein Bewusstsein von der eigenen Leistung ist.


    In diesem Sinne ist die Ausgangsfrage des Threads mit einem eindeutigen "ja" zu beantworten. "Klassische", also aus heutiger Sicht ambitioniertere Musik wendet sich schon von ihrem Selbstverständnis her an eine Auswahl von Menschen, welche die Bildung oder (ggf. rein emotionale) musikalische Intelligenz haben, mit deren Gesetzen und Ergebnissen etwas anfangen zu können. Das muss nicht auf Vielwisserei beruhen. Ein musikalisch völlig ungebildeter Mensch, dem z. B. bei dem langsamen Satz von Mozarts Klarinettenkonzert die Gefühle davon schwimmen oder bei Brahms' ALT-RHAPSODIE die Tränen kommen, hat sie womöglich besser verstanden als jemand, der die Qualität der verschiedenen Sängerinnen beschreiben und bewerten kann, das Stück selbst aber ungerührt zur Kenntnis nimmt. Dennoch gehören beide einer bestimmten Elite an, die im Gegensatz zu der (unterstellten) Mehrheit etwas Besonderes auch besonders zu schätzen weiß.


    Diese Feststellungen sind aber zunächst einmal rein quantitativ. Daraus kann sich zwar u. U. eine qualitative zum Wissen und Können des jeweiligen Mitglieds der "Elite" ableiten lassen, nicht aber eine Bewertung der ganzen Person. Ein solcher Kurzschluss wird aber immer wieder gemacht, wenn jemand sich oder andere für etwas Besseres hält, nur weil der - mehr oder weniger zu Recht - einer solchen Elite angehört oder zugehörig fühlt.


    Erst diese unstatthafte Vermischung schafft das Problem und den Hautgout, der mit dem Begriff zu Unrecht verbunden ist.


    :hello: Rideamus

  • Ich oute mich dann mal als weiblichen Dandy,( :hello:Loge) und zwar im strikt Baudelaire'schen Sinne, denn die Franzosen haben da offensichtlich einen reichlich anderen Zugang als die Engländer, fühle mich mit meinem Vincenzo und Giovanni Bellini, nebst gleichnamigem Cocktail, mit Reynaldo Hahn, mit Corregio und Else Lasker-Schüler und Hunderten mehr unglaublich elitär und habe damit nicht das geringste Problem. :D :angel:
    Für mich ist das überhaupt kein moralisches Wertesystem im Sinne von gut oder böse, oder gar political correct. Wer das als Solches ansehen muss oder will, dem sei das unbenommen. Ich bin so elitär, dabei einfach nciht mitzuspielen.
    Ich bin glücklich und dankbar , dass das Leben und meine nicht geringen eigenen Anstrengungen mich in eine solch elitäre Situation gebracht hat, Bellini , Reynaldo Hahn und so weiter und so fort zu kennen und gerade deshalb jederzeit bereit, mein Glück mit Anderen zu teilen, diese daran teilhaben zu lassen und für elitäre Dinge zu begeistern.
    Honi soit qui mal y pense.
    Arroganz im Sinne von Klingsors letzten Postings (die ich in diesem Thread ohnehin fast deckungsgleich teile) lasse ich mir dann ebenfalls gerne vorwerfen!


    Fairy Queen

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  • Wie jetzt? Du musst Deinen Lebensekel und Deine Langeweile mit Kunst betaeuben und glaubst zudem noch, den allein geistigen Zugang gepachtet zu haben? :D


    Sorry, der musste jetzt aufgrund Deiner eigenen Interpretation von Dandyism einfach sein :baeh01: :lips:


    Beim Begeistern von anderen Menschen fuer die Kunst muss man auch wieder aufpassen, dass der Andrang auf den obersten Stufen der Elite nicht zu dicht wird :baeh01:


    Spass beiseite, Rideamus hat es eigentlich gut auf den Punkt gebracht: Der Begriff ist leider aufgrund des Verhaltens der Mitglieder der vermeintliche Elite heute oft so negativ bestzt, dass man ihn wirklich kaum noch wertfrei nehmen kann. Das Problem faengt eben da an, wo auch der Duenkel anfaengt ...

  • Zitat

    Original von Eponine
    Das Problem faengt eben da an, wo auch der Duenkel anfaengt ...


    Stimmt! - nämlich indem man einen deskriptiven und wertfreien Begriff (nämlich »Elite«) zum Hochwertwort auflädt oder aber zum Kampfbegriff (die böse Elite!) degradiert, um das eigene Selbstbild zu veredeln.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ich môchte mal etwas ganz anderes hier in die Diskussion einbringen und zwar einen elitären Typus, der sich insbesondere in den Künsten tummelt und auch in seiner ursprünglichen Form ein Produkt derselben war: den sogenannten "Dandy".
    Das , was man heute unter einem Dandy versteht, darf dabei keinesfalls mit dem literarischen Topos und dem, was er bei Baudelaire, Oscar Wilde und in seiner auf die Spitze getriebenen Variante in Huysmans Roman "A rebours" war, verwechselt werden. (zu diesem Roman gibt es einen Artikel in "Was lese ich gerade" von vor einigen Wochen)


    Ja, genau, ich hab den damals geschrieben, lese das Buch gerade (bzw. immer noch, weil ich nicht recht Zeit hatte).
    Der Begriff des Dandy ist ja in der Tat älter als die genannten Beispiele (Wilde und Co.), geht zurück ins späte 18. Jh. Musterbeispiele dafür waren u.a. Beau Brummell und der Prinzregent Georg (IV.) von Großbritannien.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Medard,


    da hast Du uneingeschraenkt Recht. Wobei ich gerade bei diesen beiden Extremen auch so ein bisschen die Frage nach der Henne und dem Ei stellen muss (oder sie zumindest mir selbst stelle):
    WARUM wird der Begriff teilweise zum "Kampfbegriff" degradiert? Ist das wirklich nur aus Neid und "niederen Motiven"? Ich glaube kaum, denn im Namen sogenannter Eliten oder durch elitaeres Gedankengut ist historisch schon sehr viel Schaden angerichtet worden. Ohne selbigen auch kein "Kampfbegriff".


    Ich habe mit dem Begriff so ein bisschen das gleiche Problem wie Adorno. Genau kriege ich den Satz jetzt nicht mehr hin, aber es ging so ein bisschen in die Richtung von: "Die Elite gibt vor, Ergebnis eines objektiven Ausleseprozesses zu sein - diese Auswahl hat aber niemand durchgefuehrt als die vermeintliche Elite selbst."
    Wer waehlt denn hier wofuer aus? Wir reden hier nicht ueber Geburtseliten, Machteliten aussen vor zu lassen wird schon schwierig, aber ganz sicher soll es doch um Funktionseliten gehen (also alles, was im weitesten Sinne mit Leistung/Bildung zu tun hat). Die Elite selbst waehlt ihre Mitglieder, keine irgendwie auch nur annaehernd objektive Instanz. Genau da sehe ich das Problem.


    Wo immer geschichtlich der Begriff Elite auftaucht, und das haben wir nicht in Tamino erfunden und das auch nicht so zurechtgebogen, taucht auch immer ein gewisser Unterwerfungs- oder Unterdrueckungszusammenhang auf (oder zumindest wird versucht, diesen zu legitimieren), und man KANN den Begriff eigentlich gar nicht mehr davon losloesen, das waere geschichtlich geradezu ignorant. Mitglied einer Elite zu sein impliziert IMMER, das andere Menschen, aus welchen Gruenden auch immer, darin keinen Platz haben, denn sonst waere es ja keine Elite (da wuerde man den Begriff wirklich ad absurdum fuehren).


    Und eben da schliessen wir den Bogen zum Ausgangsthema: Klassische Musik kann schon allein deshalb nicht elitaer fuer mich sein, weil theoretisch JEDER einen Zugang dazu finden kann. Und ob jemand den findet oder nicht entscheidet NICHT die "Elite" - auch nicht, wer "dazugehoeren" darf oder wer nicht.


    Generell: Ohne den Begriff fuer uns auf die eine oder andere Weise zu definieren, kann man diese Diskussion hier ja nicht fuehren. Dass man sich dabei nicht zwangslaeufig einig wird, ist auch kein Beinbruch, im Gegenteil (waere sonst wahrscheinlich eher oede). Aber es gibt ganz wirklich und ehrlich Menschen, die das "elitaere Gefuehl" nicht kennen, OHNE damit gleich mit massiven Minderwertigkeitskomplexen behaftet zu sein, den Gedanken finde ich schon etwas befremdlich. Wenn man in diese Richtung tendiert, koennte ich polemisch ueberspitzt andersrum ja genauso fragen, ob nicht gerade die, die meinen sie seien elitaer, einen viel groesseren Minderwertigkeitskomplex haben und sich so aufwerten muessen. Das Eine wie das Andere ist hier aber wohl kaum zielfuehrend ...


    Man kann auch einfach in sich ruhen, ohne sich gleichzeitig einer Elite oder einer anonymen Masse zugehoerig zu fuehlen. Die Meisten taeten wohl gut daran, erst mal bei sich selbst anzukommen ;)

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Stimmt! - nämlich indem man einen deskriptiven und wertfreien Begriff (nämlich »Elite«) zum Hochwertwort auflädt oder aber zum Kampfbegriff (die böse Elite!) degradiert, um das eigene Selbstbild zu veredeln.


    Ganz herzlich,
    Medard



    Lieber Medard, gerade die hier andauernde unterschwellige NEGATIVE Wertaufladung des Begriffs macht die Diskussion für mich nun unfruchtbar.
    Wenn denen, die sich für positive Eliten aussprechen und klasssiche Musik für elitär halten , alle möglichen (auch unterschwelligen) Motive angedichtet werden , ist es ncihts mehr mit der Wertfreiheit.


    Rideamus hat die Sache auf den Punkt gebracht.


    Klassische Musik ist auch m.E. heutzutage etwas Elitäres geworden und diejenigen, die dieser Elite angehören(dazu zähle ich eindeutig auch die Taminos, und sehe Tamino durchaus als elitär an!) haben mit diesem Glück auch die Verantwortung, dieses elitäre Gut weiterzugeben und dafür einzutreten.
    . Da ich den Elite-Begriff wertfrei nutze, kann ich nur noch einmal betonen, dass die von mir so benannte"Tamino-Elite" KEINERLEI moralische oder menschliche Überlegenheit besitzt. Aber eine Elite bleibt sie deshalb trotzdem.


    Fairy Queen

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  • Liebe Fairy,
    ich glaube, daß Du mich in diesem Falle mal mißverstehst ;) . Ich sehe den Begriff grundsätzlich wertfrei und deskriptiv, deshalb habe ich auch für die Verwendung weitgehend wertfreier und einigermaßen abgesicherter Definitionen plädiert.


    Ob klassische Musik tatsächlich etwas »elitäres« geworden ist, bin ich nicht so. Die Klientel ist vielleicht klein - das macht die Sache aber nicht unbedingt »elitär« und zwar weder im deskriptiven Sinne (denn dann müßte alles, wofür sich eher eine kleine Gruppe interessiert elitär sein - etwa Curling oder dänische Kreuzstickerei), noch - und erst recht nicht - in einem positiv oder negativ aufgeladenen Sinne.


    Deshalb fand' ich den von Dir eingebrachten Dandy- oder Flaneursbegriff auch ganz treffend, weil er eben nicht mit einem solchen gesellschaftlichen Anspruch verbunden ist, den das Klassikhören einfach nicht erfüllt.


    Ich denke darüber aber nochmal nach und schreibe dann - so mir noch etwas sinnvolles dazu einfällt - später nochmals.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Ob klassische Musik tatsächlich etwas »elitäres« geworden ist, bin ich nicht so. Die Klientel ist vielleicht klein - das macht die Sache aber nicht unbedingt »elitär« und zwar im deskriptiven Sinne (denn dann müßte alles, wofür sich eher eine kleine Gruppe interessiert elitär sein - etwa Curling oder dänische Kreuzstickerei), und erst recht nicht in einem positiv oder negativ aufgeladenen Sinne.
    Ganz herzlich,
    Medard


    Lieber Medard,


    was hast Du gegen Curler/Innen und Sticker/Innen? Natürlich sind diese, gerade rein deskriptiv gesehen, auch eine Elite, nämlich - sicher in unterschiedlichen Graden - die Elite der Curler und Sticker. Der unmusikalische Curlingprofi wird vielleicht umgekehrt empfinden und sich das allenfalls nicht zu sagen trauen, weil Musik immerhin allgemein (noch) eher als Kulturgut sanktioniert ist als das Curling und Sticken.


    Indem Du hier Bedeutungsunterschiede einführst, machst Du das Tor zur unterschiedlichen Wertung von Eliten schon sehr weit auf, also Vorsicht.


    :hello: Rideamus

  • Die Tamino - Foremgemeinschaft ist vor allem eine Internetgemeinschaft, die eine Vorliebe eint, worüber sie sich hier austauscht (und auch zuweilen streitet). Darin unterscheidet sie sich in keiner Weise vom einen Weinkenner-, Kaninchzüchter-, oder Schrebergartenforum (fällt mir gerade so ein).


    Ich sehe keinen Grund, der dagegen spricht, dass auch Kaninchenzüchter auf hohem Niveau im Forum schreiben und auch keinen, der es unmöglich machen würde, dass auch in Foren der klassischen Musik eine Diskussion entgleist (iss uns ja ma´auch nich so ganz fremd, oder :angel:)


    Zugegeben, das "Sujet" an sich betrifft eine Kultursparte auf hoher Ebene, und vielleicht lässt das von außen abgehoben erscheinen, aber, wie schon gesagt, sich das anhören und seinen Senf dazu geben kann im Prinzip jeder, der des Lesens unsd Schreibens mächtig ist.


    Ich bin nun leider wenig bewandert in französischer Literatur, wie hier noch erwähnt, aber einen Begriff von einem Dandy habe ich sehr wohl, und den bringe ich beim besten Willen mit meiner Vorstellung von Leistungselite nicht in Einklang.


    LG


    Ulrica

  • Lieber Medard,


    ich glaube, Fairy hat Dich schon richtig verstanden, sie meinte mit der "negativen Aufladung" wohl eher die "politisch Korrekten" wie mich (wobei ich meist eigentlich alles andere als politically correct bin :D ).


    Hier ging es urspruenglich mal um die Frage, ob klassische Musik elitaer ist. Viele der Taminos haben aus eigenem Blickwinkel beschrieben, warum oder warum nicht das fuer sie persoenlich der Fall ist und was der Begriff "Elite" fuer sie bedeutet. Warum klassische Musik fuer mich nicht elitaer sein kann, habe ich bereits beschrieben und werde das nicht wiederholen.


    Ich moechte niemandem, der klassische Musik als etwas Elitaeres sieht, unterstellen, dass er sich moralisch oder sonstwie erhaben fuehlt oder ein schlechter Mensch sei. Da wird was vermixt, was nicht vermixt gehoert (das Setzen von Smilies gibt uebrigens auch manchmal ganz gute Anhaltspunkte dafuer, was ernst gemeint ist und was nicht ;) ).


    Wohl habe ich gesagt, warum ich ganz persoenlich den Begriff Elite ablehne und ihn nicht wertfrei sehen kann. Dass man das geschichtlich oder soziologisch begruendet, ist naheliegend. Wer das davon abkoppeln kann, kann sich doch freuen. Man muss aber auch akzeptieren koennen, dass viele Leute das vor historischem und soziologischem Hintergrund eben nicht koennen.


    Was mich wunderte war allerdings die Andeutung, dass Leute, die sich keiner Elite zugehoerig fuehlen oder den Begriff ablehnen, Minderwertigkeitskomplexe haben sollen oder sich sonstwie aufwerten muessen. Warum ist es gleich irgendwie "verdaechtig", wenn man das Gefuehl persoenlich nicht kennt und "Elite" im eigenen Wortschatz oder auf einen selbst bezogen keine Rolle spielt?


    Noch mal: Es geht hier um klassische Musik, vorwiegend sogar den passiven Konsum, und das ist als Leistung den meisten Menschen durchaus zuzutrauen. Dass man das nicht will, steht wieder auf einem ganz anderen Blatt ...


  • Lieber Rideamus,
    ich habe überhaupt nichts gegen CurlingfreundInnen und StickerInnen (wie käme ich dazu - und wie kommst Du darauf?) - ich glaube nur das Spezialinteressen und Spezialistentum nicht mit "Elite" zu verwechseln sind. Ich glaube auch, dafür weiter oben auch einige ganz gute Gründe angegeben zu haben. Der Elitenbegriff beansprucht gesellschaftliche Relevanz in funktionaler Hinsicht - und die sehe ich weder bei CurlingspezialistInnen noch bei StickereispezialistInnen noch bei KlassikspezialistInnen. Das ist alles. Eine Wertigkeit zwischen den verschiedenen GebietsspezialistInnen sehe ich erstmal überhaupt nicht.


    Alles was ich meine ist, daß man den Elitenbegriff der - ob man es möchte oder nicht - bestimmte Konnotationen mit sich trägt, hier vielleicht eher vermeiden sollte. Aber wenn's denn unbedingt gewünscht ist...


    Ganz herzlich,
    Medard

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  • Zitat

    Original von Klawirr
    Der Elitenbegriff beansprucht gesellschaftliche Relevanz in funktionaler Hinsicht - und die sehe ich weder bei CurlingspezialistInnen noch bei StickereispezialistInnen noch bei KlassikspezialistInnen.
    (...)
    Alles was ich meine ist, daß man den Elitenbegriff der - ob man es möchte oder nicht - bestimmte Konnotationen mit sich trägt, hier vielleicht eher vermeiden sollte.


    Juchhu, endlich einer, der es ausspricht :jubel:

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Lieber Rideamus,
    ich habe überhaupt nichts gegen CurlingfreundInnen und StickerInnen (wie käme ich dazu - und wie kommst Du darauf?) ...


    Alles was ich meine ist, daß man den Elitenbegriff der - ob man es möchte oder nicht - bestimmte Konnotationen mit sich trägt, hier vielleicht eher vermeiden sollte. Aber wenn's denn unbedingt gewünscht ist...


    Ganz herzlich,
    Medard


    Lieber Medard,


    um in Würdigung des beifälligen Publikums einen Anglizismus zu verwenden:
    offensichtlich hatte ich meine Zunge nicht deutlich genug in die Wange gesteckt.


    Deshalb fällt es mir nicht schwer, mich Deinen Schlussfolgerungen anzuschließen. Manche Begriffe können es sich halt nicht aussuchen, wie sie verwendet werden.


    Elite ginge ja noch, aber als elitär möchte ich mich als Klassikliebhaber auch nicht empfinden.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Alles was ich meine ist, daß man den Elitenbegriff der - ob man es möchte oder nicht - bestimmte Konnotationen mit sich trägt, hier vielleicht eher vermeiden sollte. Aber wenn's denn unbedingt gewünscht ist... Medard


    Bingo, genau dieses Medard-Zitat wähle ich als unterstreichungswürdig. Es scheint wenig zielführend, den Begriff "Elite" analog lexikalischer Definition zu fixieren, zumal niemand, der ihn anwendet, mal eben bei Brockhaus nachschlägt, was für ein Wort er da gerade in Gebrauch nimmt.


    In unserem kleinen Tamino-Club - in dem ja unbenommenerweise - jeder sein eigenes Meinungssüppchen kocht, ist es schon recht hilfreich, das Thema so zu diskutieren, wie es der Threadstarter in den Raum stellt. Dessen Auffassung ist ja, wenn man lange genug mitliest (und -schreibt) hinlänglich nachlesbar.


    Das sage ich nun tatsächlich in keiner Weise wertend. Daß er allerdings eindeutig nach unten hin abgrenzend gemeint ist, belegen viele diesbezüglichen Postings.


    Die Fragen an den Begriff verschieben sich allerdings: Gebrauchen Österreicher - in diesem Falle Wiener - den Begriff anders als Deutsche oder Schweizer, gibt es generationsspezifische Verschiebungen in der Begriffsverwendung, oder - eingegrenzt auf Deutschland, gibt es Milieuspezifische Auffassungen von diesem Begriff, wer lädt ihn mit welchem Inhalt auf?


    Die Tatsache, daß Peter und Medard die lexikalische Definitinon von Elite an den Start gebracht haben, verweist deutlich auf die vorgenannten Fragen.


    Als Nicht-Psychologe frage ich mich freilich, woher das Bedürfnis rührt, sich selbst einer Elite zurechnen zu wollen.


    Vielleicht lässt sich tatsächlich über Beethoven einvernehmlicher diskutieren?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas, man kann sich mit demselben Recht fragen, woher das Bedürfnis rührt, unbedingt vermeiden zu müssen, einer Elite anzugehören oder gar- pfui aber auch!- in den Verdacht zu geraten, sich selbst für "elitär" zu halten. ?( ?( ?(


    Aber ich gebe euch insofern Recht, als es sinnvoll ist, solche Reizworte in diesem Zusammenhang besser zu vermeiden.
    Die Missverständnisse siind ganz offensichtlich vorprogrammiert, es ist leider unmöglich ,den negativen Konnotationen des Begriffes zu entgehen und sich "verdächtig"zu machen.
    Das war schon zu allen Zeiten so und wird wohl immer so bleiben.


    Da mir das die Sache nun wirklich nicht wert ist und ich mich nciht zu der Elite der (moralischen) Wahrheitsbesitzer zähle- verzichte ich lieber an diesem Ort auf den öffentlchen Gebrauchs eines Wortes , dessen ursprünglcihe Bedeutung für mich persönlich eine ganz und gar nicht Negative ist.



    Was mich allerdings keinesfalls daran hindert, klasssiche Musik weiterhin als auserlesen zu empfinden und die intensive Beschäftigung damit, sprich Tamino, ebenfalls. :D


    Fairy Queen

  • Hallo.


    Das Wort "Elite" an sich ist für mein Empfinden auch nach wie vor nicht negativ. Hält man sich an die Definitionen, die Medard hier genannt hat, wird das für mein Empfinden deutlich.


    Der Gebrauch erhält meines Erachtens nur dann ein "Geschmäckle", wenn man sich selbst zur Elite erklärt. Dies wird, wie Medards Beiträgen ja auch zu entnehmen ist, schwerlich darüber zu begründen sein, dass man seine Zeit mit etwas verbringt, das einen von einer Mehrheit abgrenzt.
    Oder der Begriff wird dann so weit gedehnt, dass er letztlich auf alle passt und genau genommen keinerlei Bedeutung mehr hat.


    Insofern: Klassische Musik ist für mich nicht "elitär". Dass die Klassikhörer im Vergleich mit den Pop- oder auch Volksmusik-/Schlagerhörern in der Minderzahl sind, glaube ich gern. Nur hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot

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