Ist "klassische Musik" elitär ?

  • Zitat

    Original von Carola


    Zwischen Anbiederung und Dünkelhaftigkeit ist aber noch eine Menge Platz. Für ein ruhiges Selbstbewusstsein beispielsweise, das sich weder versteckt und künstlich klein macht, noch auf einen Sockel stellt.


    Ja, klar. Das ist sicher das Ideal, dem man versuchen sollte, sich anzunähern. Zumindest versuche ich persönlich das. Ich habe nur manchmal den Eindruck, dass es eher zu einem Pendeln zwischen den Extremen kommt. ?(

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Tag erneut,


    wollte man die Tatsache festhalten, es sei aber doch um die Klassische Musik herum ein besonderer Kreis von Personen im gesellschaftlichen Verkehr miteinander verbunden, auch im Sinne von gesellschaftlich abgegrenzt, herausgehoben, dann gibt es durchaus eine Lösung ohne den ganz hohen Ton des Nomens 'Elite'.


    Also: Im Hinblick und in Anerkennung des hier gegebenen Unterscheidungsinteresses (Distinktionsinteresses) sollte man fragen können "Ist Klassische Musik exklusiv?" - Das 'exklusiv' anerkennt sowohl das Emotionale als auch das Geistige in der Klassischen Musik und der Rede von und über diese sowie das Bedürfnis und das Selbstverständnis, man gehört eben doch bei aller Gleichheit einem Zirkel an, der Geltung beansprucht als gesellschaftlich abgegrenzt, herausgehoben.


    Das ist noch immer ziemlich viel Choreografie des Alltags, Theatrikalität, aber die ganz hoch gegriffene Weihe des Tuns ist aufgegeben.


    Ist Klassische Musik exklusiv? - Ja, da ist etwas dran.


    Freundlich
    Albus

  • Exklusiv ist ein guter Gedanke, wirft aber bei intensiverem Nachdenken nicht weniger Probleme auf. Deshalb mal ein anderer Ansatz:


    Irgendwie scheint jeder, mich eingeschlossen, bei der Threadfrage weniger an die Musik als spontan an den Liebhaber oder Konsumenten von klassischer Musik zu denken, frei nach dem Motto: ist der Liebhaber klassischer Musik elitär? Dass das an Enpfindlichkeiten rührt, sollte nicht verwundern.


    Die Frage heißt aber: ist klassische Musik elitär?


    Da könnte man durchaus differenzierter heran gehen, denn bestmmte Musiken sind ganz bewusst nur für eine ausgewählte Hörerschicht geschrieben worden, die in ihrer Zeit oder vom Komponisten selbst als eine Elite betrachtet wurde. Die Hofkomponisten des Barock schrieben mit Scherheit "elitäre" Musik. Dito, so unterstelle ich zumindest, Stockhausen am anderen Ende des Zeitspektrums, aber auch Schönberg hätte sich zwar mehr Anhänger gewünscht, seine 12-Ton - Musik wandte sich aber für meine Begriffe mindestens vorerst nur bewusst an eine von ihm sicher so betrachtete Elite von Musikverständigen.


    Die klassische Musik dazwischen, und spätestens hier verallgemeinere ich natürlich fast sträflich, ist aber spätestens seit Mozart und Beethoven, die von dem Publikumserfolg ihrer Musik leben mussten, vielleicht anspruchsvoll, aber nicht bewusst elitär in dem Sinne, dass sie mit weiten Teilen des Publikums nicht zu schaffen haben wollte.


    Wäre also vielleicht eine konstruktivere Frage die: Welche Musik elitär, oder besser noch: unter welchen Voraussetzungen ist Musik elitär?


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Albus
    Ist Klassische Musik exklusiv?


    Zitat

    Original von Rideamus
    Die Frage heißt aber: ist klassische Musik elitär?


    Die beiden Fragen ergänzen sich doch insofern prima, als eine Musik, die sich an eine tatsächliche gesellschaftliche Elite (wie den Fürstenhof) oder eine bestimmte Rezipientengruppe (etwa einen kleinen Kreis von eingeweihten Spezialisten) richtet, exklusiv ist, weil sie eben weite(re) Hörerkreise explizit oder implizit ausschließt.


    Ich finde in diesem Zusammenhang den Begriff des »Exklusiven« übrigens insgesamt erheblich interessanter und womöglich erhellender als den Begriff der »Elite« oder des »Elitären«. Denn die Frage nach »Exklusivität« fragt zuvorderst nach den Bedingungen der Zugänglichkeit und nicht nach dem sozialen Status oder der sozialen Funktion der Trägergruppe.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Impressionen zu Konnotationen


    Es fragt sich ein mancher, ob's stets noch so wär',
    daß der klassische musische Klang elitär.
    Vielleicht meint's Pierre Boulez,
    Guldas Happ'nings indes
    lassen Zweifel, ob's Wahrheit ist oder nur Mär.


    Was auch immer die klassichen Protagonisten
    oder Jünger im Schlepptau von Termini wüßten,
    ist wohl doch einerlei
    angesichts der Partei,
    die als zahlendes Klatschvieh ihr Dasein nur fristen.


    Denn ein einziger Gang in Konzerthäuser lehrt:
    Der Eliten-Begriff ist hier bloß eins: verkehrt!
    Wo der Bausparvertrag
    und der Eigenverlag
    zur Kulturbourgeoisie seinen Status verklärt.


    Auch die Bussi-Volee darf nicht fehlen, i wo:
    heute abend ist Gala am Gasteig: Ach so!
    Und noch beim ersten Kusse
    halten schon Reisebusse:
    S'ist der zahlende Pöbel, mancher im Paletot.


    Hübsch hat sich das Wrack für die Oper gemacht,
    auch an türkisen Lidstrich hat es prompt noch gedacht.
    Neben ihr schwankt ihr Gatte,
    der zuvor zuviel hatte.
    Egal, jetzt wird Stimmung und Wohlsein entfacht!


    Tja, so schwindet der klassischen Hochbildung Dünkel
    vor der Realität in manch finsterem Winkel.
    Ob Netrebko im Bade
    oder'n Requiem: Schade!
    Klassik ist halt Kommerz, trotz 'ner Bühne von Schinkel.


    Es erübrigt sich also das weitere Rechten,
    wie gesellschaftlich sich die Musiken verflechten.
    Ob nun erwählte Klasse
    oder kaufende Masse,
    letztlich richtet's der Markt, schneller, als manche dächten.


    Und zu Markte, da tragen sie alle die Haut,
    ob der Neutöner oder Rieu, der erbaut!
    Keiner möchte es missen,
    sein gemütliches Kissen.
    Unser Anspruch? Tantiemen! Wer spricht da von versaut?


    LG,


    Christian

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  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    Impressionen zu Konnotationen


    Es fragt sich ein mancher, ob's stets noch so wär',
    daß der klassische musische Klang elitär.


    auch :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Wie schön, dass man auch unfähig sein kann, eine Diskussion weiter zu führen, weil man immer nur lachen muss, kaum dass man an so einen Beitrag denkt.


    :hello: Rideamus

  • Tag erneut,


    mit Absicht (und mit Vorsicht) hatte ich die Sache der Klassischen Musik bereits abgetrennt. Das Interesse der Eröffnung galt ganz und gar dem Nachdruck der ungeselligen Geselligkeit. Die Wenigen und die Vielen.


    Aus der Sackgasse verhilft dann der Gesichtspunkt der Exklusivität. Um die Musik ging es anfangs nicht. Die Wendung der Fragerichtung könnte man aber fruchtbar machen.


    Freundlich
    Albus

  • Meine Lieben


    Ich las mit Interesse und intellektuellem Staunen die vielen lehrreichen Beiträge zum Elite-Begriff und dachte eigentlich, der Grande Inquisitore hätte alles gesagt (grossartig!).


    Nun sendet der werte Albus aber einen hilfreichen Impuls: "Die Wenigen und die Vielen".
    Damit sich die Wenigen (Klassiker) behaupten können, müssen sie sich abheben und abgrenzen und ausschliessen (lat. excludere). Die Exklusivität ist immer eine (legitime) Reaktion auf die erdrückende Normalität.


    Ich höre klassische Musik seit ich 6 Jahre alt bin und mir damals mein Vater erlaubt hat, seine 78-er Schellackplatten mit Cortots Interpretation von Schumanns Klavierkonzert unter den raspelnden Diamanten zu legen ... Das war für mich einfach normal.


    Erst in der Schule merkte ich, dass die anderen anders waren, oder vielmehr offenbar die anderen „normal“ und ich irgendwie „anders“, und so kam es, dass auch ich von „schlechtriemschen“ Erlebnissenen nicht verschont wurde. Ich wurde ausgeschlossen, oder schloss mich (als Selbst-Schutz) selber aus.


    Ich hatte das Glück, meine Klassikliebe auf dem Gymnasium mit einem Kommilitonen teilen zu können. Er war auch „anders“, auch ein Sensibelchen. Zusammen ist man nicht alleine. Wenn auch immer noch sehr wenige gegen sehr viele. Wir waren ein exklusives Duo, das den Verlockungen der "rollenden Steine" (leider) nicht erlag ...
    Ich gehe davon aus, dass auch Tamino von einer solchen Strategie lebt. Tamino ist elitär im Sinne von exklusiv.


    „Draussen“ schauen die Vielen den „Musikantenstadl“ und drinnen diskutieren einige wenige die neuste Opern-Sendung auf ARTE.


    Jetzt ist mein erster Gedanke, so schnell wie möglich anzuhängen, dass ich mit obiger Bemerkung mitnichten die LiebhaberInnen dieses einschlägigen Genres verunglimpfen will, und zu versichern, dass ich deren Musikgeschmack vollumfänglich und ohne Wertung respektiere.
    Aber Hand aufs Herz: Stimmt das denn wirklich?
    Ist nicht gerade diese Floskel (im Sinne der political correctness) paradoxerweise geradezu das Bemühen, sich von solchem Musikgeschmack zu distanzieren?


    Ich komme zurück auf die „schlechtriemschen“ Verletzungen: Diese generieren doch die Notwendigkeit, sich zu wehren und sich abzugrenzen, etwa durch die gefährliche, (political non-correkte) Mutmassung, dass die Liebhaber der Trivialmusik wohl eher dem bildungsmässig bescheidener ausgestatteten Bevölkerungssegment angehören, welches andererseits auf dem Pausenplatz (oder wo auch immer) mit mehr Muskeln glänzt, was den „Mozartscheissern“ nicht gut bekommt ... Das sind halt so Lebenserfahrungen.

    Das Elitebewusstsein der KlassikliebhaberInnen ist also vielleicht nur ein überlebensnotwendiger Reflex, nach dem primitiven Motto: Ihr „Stadlscheisser“ könnt mich mal!
    Das sind zwar pubertäre Abgrenzungsstrategien, aber unser Reptiliengehirn hat sich halt noch nicht aufgelöst.

    Mit der Realität hat das selbstverständlich nichts zu tun: als Klassikliebhaber empfinde mich doch nie als eltär im Sinne von besser, gebildeter, mit effizienteren Fähigkeiten ausgestattet und dadurch ausgezeichnet, die Funktion eines Kulturhüters innehabend, usw. ... Wirklich nicht? Nein wirklich nicht! (oder?)


    Aber die klassische Musik ist wirklich „anders“.
    Im Verhältnis zur Gebrauchsmusik (ich nenne sie jetzt mal so) ist die Klassik erstens eine quantité négligable und zweitens in unserer macdonaldisierten Gesellschaft gleichsam etwas „Exotisches“: Ohne Zweifel ist sie exklusiv.


    Insofern in der Klassik das Artifizielle auf die Spitze getrieben ist, könnte man ihr zumindest in der „Hierarchie der Musikstile“ etwas Elitäres zusprechen. Aber eine solche zu postulieren ist ein heisses Eisen, und ich zögere heftig, es zu tun.


    Wie auch immer : Der Begriff der Exklusivität ist tatsächlich hilfreich.
    Das Anderssein der Klassiker darf ja wirklich keine moralisch-elitäre Enthebung von der (ohne Liebe als „dumpf und grau“ konnotierten) grossen Masse sein.
    Aber dieses Anderssein der Klassiker generiert durchaus eine Exklusivität im Sinne des Ausgeschlossenseins (wie das Sensibelchen auf dem Schulhof) und des Ausschliesslichen.


    Mit liebem Gruss von Walter

  • Ich halte die Klassik nicht für exklussiver, als andere Musikrichtungen. Besonders ist bei der Klassik natürlich der Aspekt, dass hier vieles daran hängt, was mit der jeweiligen Epoche zu tun hat und da sie viele Epochen umspannt, ist das natürlich schon ganz schön viel "drumrum". Sobald es nur um die pure Musik geht, gibt Sparten, die reichlich faszinierend und nicht weniger von Substanz im künstlerischen Sinne sind.


    "Elitär" ist ein Begriff, der Barieren schafft bzw. solche untermauert, dies freilich nicht nur von "oben" nach "unten", sondern auch andersherum.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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  • Weil hier auch so oft die Rede ist von den Kindern, die z. B. mit ihrem Musikgeschmack "anders" sind/waren:


    Der Musikgeschmack alleine ist es sicher nicht, der diese oft bis zur Stigmatisierung gesteigerte Ausgrenzung bewirkt (hat), sondern hier spielen Gesamtcharaktere eine Rolle und auch andere "abseitige "Vorlieben (sog. "Streber", Künstlertypen verschiedener Art, die nicht gerade in sind usw) führen in einem Klassenverband zu einem schäbigen Umgang mit Kindern, die einerseits eine ausgeprägte Individualität , aber gleichzeitig ein eher introvertiertes Wesen besitzen, das ihnen erschwert, sich wenn auch mal nötig, durchzusetzen.


    Derjenige, der die Klappe auf dem Schulhof am weitesten aufreisst, fühlt sich sicher elitär, denn er meint, alle beeindruckt das und oft ist das ja auch so. Die anderen, angegriffenen Kids ziehen sich dann wiederum oft mit gerümpfter Nase zurück im Bewustsein, geistig überlegen zu sein und es nicht nötig zu haben, solche Primitivo - Mittel anzuwenden. Beides ist provokant.


    Jugendlichen muss man, finde ich, solche recht archaisch anmutenden Revierbestimmungen zugestehen, denn sie suchen ihren Platz. Schwächere dabei ernsthaft mit Gewaltakten zu schädigen, darf allerdings nicht geduldet werden. Kinder, die hier entschieden über das normale Maß an Streitlust hinausgehen, haben und hatten Defizite, um die man sich kümmern muss.


    Es ist ein Jammer, dass die beiteiligten Erwachsenen immer noch nicht ausreichend ihre Aufgaben einer adäquaten Intervention in solche Prozesse wahrnehmen, obwohl die rauen Sitten zuweilen besorgniserregende Dimmensionen annehmen.


    LG


    Ulrica

  • Liebe Ulrica,
    Sehe ich genauso - es ist nicht die klassische Musik allein, manchmal hat sie auch gar nichts damit zu tun. Da kommen eine Vielzahl von Faktoren zusammen, wobei die Vorliebe fuer "Minderheitenprogramm" ;) natuerlich sehr oft verstaerkend wirkt. Stimme Dir auch ansonsten voellig zu ...



    Lieber Walter,
    ich habe ja auch so meine Erfahrungen mit "being bullied" (wie man das hier so schoen sagt) gemacht. Wobei die bei mir vorrangig mit meinem Aeusseren zu tun hatte, denn bis ca. 14/15 sah ich wirklich aus wie ein Junge - glaubt mir heute auch keiner mehr. :D


    Komischerweise hat die klassische Musik, obwohl auch bei mir seit dem Grundschulalter ein Thema, da nie eine Rolle gepielt. Und ich habe das nicht versteckt oder im stillen Kaemmerlein ausgeuebt. Seltsamerweise hat das irgendwie bei meinen Mitschuelern Respekt erzeugt (da gab es NIE einen einzigen Witz oder bloeden Kommentar zu, ganz im Gegenteil), wenn sie den auch in anderen Breichen teilweise nicht walten liessen. Vielleicht hat das auch was mit maennlich/weiblich zu tun, und Musizieren oder sich fuer klassische Musik interessieren wird bei Maedchen in dem Alter irgendwie mehr "geduldet", waehrend Jungs sich angeblich fuer Fussball/Sport zu interessieren haben (das waere ja heute, in Zeiten von Playstation und X-Box, geradezu ein Wunschtraum)? Keine Ahnung, nur so ein bloeder Gedanke ...


    Das mit dem "Draussen" und "Drinnen" habe ich im Leben sehr oft in verschiedenen Situationen so empfunden (nein nein, ein Schelm, wer Boeses dabei denkt :D:stumm: ), aber komischerweise nie, was klassische Musik oder das Musizieren selbst angeht - auch nicht in meinem Umfeld, und das setzt sich nicht nur aus (klassischen) Musikern zusammen. Ich hatte mal so eine Art "Identitaetskrise", die sich auch auf mein Musizieren ausgewirkt hat, aber das hatte andere Gruende ...


    Anyway: Ist die Klassik wirklich exklusiv? Ja und nein.
    Ja, weil alle von Dir und anderen angefuehrten Kritierien natuerlich zutreffen. Nein, weil man das von vielen anderen Musikstilen auch behaupten kann, auch im Bereich der Popmusik und des Jazz.
    Klassik ist also exclusiv, allerdings nicht allein, wenn das irgendwie Sinn macht?


    Auch die Masse (ob nun Mensch oder Kaninchen ;) ) ist fuer mich nicht dumpf und grau - das empfindet man glaube ich nur so, wenn man generalisiert und vor allem NICHT GENAU hinsieht - oder vielleicht auch gar nicht hinsehen will ...


    Daher: Manche Musik mag exclusiv sein, das gilt aber nicht nur fuer Klassik. Zum anderen Wort sag' ich jetzt lieber nuescht mehr :angel:


  • Scahde, dass ich erst heute auf diesen Thread gestoßen bin. Zum elitären Gebahren mancher Klassikliebhaber möchte ich das wohltuend bescheidene Verhalten vieler Klassikprotagonisten entgegen halten. Bruno Meier zum Beispiel treibt ein Lob über seine Virtuosität die Schamesröte ins Gesicht, Johannes Moesus freut sich wie ein Schneekönig über Lob ob seiner Enteckungsfreude und auch Pavel Serbin vom Pratum Orchester ist die Unkompliziertheit in Person.
    Zum Vorwurf, dass heute nur Müll produziert wird möchte ich vielleicht ie Einschränkung entgegenhalten: Ein sehr großer Teil ist wahrlich Müll, aber man findet doch immer wieder erstaunliches im sogenannten Independent Bereich, was einem dann Anlaß zur Hoffnung gibt. Vielleicht ist es auch eine Frage von Berührungsängsten. Ich hatte das große Glück in meiner Kindheit Viele musikalische Eindrücke zu erhalten und zu verinnerlichen, und somit hat sich mein Musikgeschmack parallel und mit gleicher Begeisterung für Klassik (vornehmlich 18. / Anfang 19. Jhd.) und Independent / Punk (Jawohl!) entwickelt. Einen Widerspruch, den ich nicht missen möchte und dem ich sehr viel verdanke.
    Unwidersprochen bleibt die Verachtung für alles was den vermeintlichen Massengeschmack entspricht. Volkstümliche Musik, auch wenn sie ihre Berechtigung habe mag ist wahrlich nicht zur Hebung den musikalischen und allgemeinen Bildungsniveaus gegeignet (die Texte alleine schon - also nein!). Und auch das, was im Bereich der Popmusik unters Volk geworfen wird entpricht selten Minimalansprüchen.

    HERNEN

  • Ein Großinquisitor aus Berlin
    Gab einem Thread nachträglich den Sinn –
    Jede weitere Post
    Fällt notwendig nun durch das geistige Rost -
    Man liest sie nicht mehr mit Gewinn!



    Eine der wenigen Gelegenheiten, bei der ich einem Inquisitor meinen uneingeschränkten Respekt zolle !!


    :jubel:

  • Ich habe meine Meinung in den letzten Tagen völlig geändert.


    Alfred Du hast recht, Du hast es aber noch nicht scharf genug formuliert.



    klassische Musik und vor allem Kunst muss elitär sein.


    Es ist ein Fehler sie jedem frei zugänglich zu machen, oder sie zu mißbrauchen.
    Durch meine Erfahrung die ich in der Kasseler Museumsnacht gemacht habe, bin ich von dem Pöbel der sich die großen Schätze nebenbei ansieht zutiefst angewidert - und ich kann nur sagen: Nein, das primitive Pack darf diese Kulturschätze weder mit ihrer Anwesenheit noch mit ihrem tumben Geist besudeln.


    Es hatte schon seinen Grund warum die ganze Kunst nur einem gewissen Kreis vorbehalten war - und das muss auch so bleiben.
    Eine Öffnung für die breite Masse kann nur in ein völliges Verflachen enden.


    Ich war zu wenig unter dem normalen Volk um mitzubekommen, wie primitiv, ungebildet und dumm der Großteil der Bevölkerung ist - es ist eine Schande - man schämt sich fast Mensch zu sein.


    Ich möchte gar nicht daran denken, welche Empfindungen ich gehabt hätte, wenn ich das Oktoberfest oder Malle besucht hätte :faint:
    Das war ja noch eine Veranstaltung mit einem kulturellen Schwerpunkt.



    Nein, diejenigen denen es in die Wiege gelegt wurde für Kunst und Kultur entsprechend sensibel zu sein, die finden auch den Weg dahin.
    Und ich bin fest davon überzeugt, dass dies keine erlernte Vorliebe ist, sondern so wie ein gewisses Talent uns mitgegeben wird, oder auch nicht.


    Dazu braucht es solche Veranstaltungen nicht.





    Ich denke ich werde meine eigenen Arbeiten auch nur noch einem ausgewählten Kreis präsentieren, wenn überhaupt - ich als Publikum genüge völlig.
    Ebenso wenn ich Konzerte finanziere oder veranstalte - es wird nur für mich gespielt.
    Jede Person die diese Musik nicht genauso wertschätzt wie ich, ist ein potentieller Störfaktor.



    Ludwig II. von Bayern war kein Spinner, er hatte den Mut das einzig richtige zu tun - was für ein Visionär und Genie !
    Ich ziehe meinen Hut in völliger Demut.
    Er hatte Recht. :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:

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  • Zitat

    Original von der Lullist
    Es hatte schon seinen Grund warum die ganze Kunst nur einem gewissen Kreis vorbehalten war - und das muss auch so bleiben.
    Eine Öffnung für die breite Masse kann nur in ein völliges Verflachen enden.


    Danke für diese Worte. Ich hätte nicht gewagt, es so deutlich auszusprechen.


    Zitat

    Original von der Lullist
    Ich war zu wenig unter dem normalen Volk um mitzubekommen, wie primitiv, ungebildet und dumm der Großteil der Bevölkerung ist - es ist eine Schande - man schämt sich fast Mensch zu sein.


    Eine Fahrt mit der Straßenbahn in den späteren Abendstunden, wo man genügend Mob beobachten kann, genügt, um dem ebenfalls ohne Umschweife zuzustimmen.


    Zitat

    Original von der Lullist
    Ludwig II. von Bayern war kein Spinner, er hatte den Mut das einzig richtige zu tun - was für ein Visionär und Genie !


    Mein Held. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mit Sicherheit ist das alles eine Überreaktion meinerseits, aber über das erlebte komme ich einfach nicht hinweg.


    Eigentlich war ja das Barockkonzert ziemlich Barock, kaum einer hörte hin, es wurde nur gequatscht, es interessierte nicht.... vor nicht allzu langer Zeit wollte ich mal eine Oper so erleben, mit den Bauchladenverkäufern, mit dem Essen und Trinken in der Loge usw.



    Nee.... gerade wenn es einem um die Musik geht, dann ist sowas einfach unerträglich. Wir sind einfach anders sozialisiert und ich glaube das die Musiker das als sehr negativ empfunden haben, denn das Desinteresse nimmt man doch sicherlich war.


    Und das ist es was mich so halb verzweifeln lässt und meinen Aufschrei verursachte, dass so viele Menschen diese Schätze überhaupt nicht wert zu schätzen wissen.
    Wie kann man so nur leben ?
    Wie kann man so nur existieren ?


    Mein anfänglicher Ärger wandelt sich langsam aber sicher in Mitleid... aber zum Glück wissen diese Menschen ja nichtmal was ihnen alles entgeht, es ist einfach nur traurig.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Und das ist es was mich so halb verzweifeln lässt und meinen Aufschrei verursachte, dass so viele Menschen diese Schätze überhaupt nicht wert zu schätzen wissen.


    Hast Du das nicht in der Schule gelernt?
    :D

  • Armer Lullist.


    Aber du hast es doch mit dem Barocken. :D Und bei den Römern war es schon immer so mit Brot und Spielen. Veilleicht erleben wir das auch wieder, dass sich Leute im Fernsehen gegenseitig tothauen und man trinkt begeistert oder gelangweilt sein Bier dazu.


    Ich finde aber nicht, dass man als Hörer klassischer Musik elitär sein muss. Man gehört nur einer interessierten Minderheit an. Und je mehr man sich mit seinem Hobby (bei manchen ist es auch der Beruf) auseinandersetzt, umso größer iwrd der Unterschied zum Durchschnitt.


    Der Großteil der Menschen will schlicht unterhalten werden. Bier trinken, Stulle mampfen und ein bisschen Mucke dazu. Das ist nur dann ein falscher Ansatz, wenn man sich überlegt, wieviel Mühe es die musiker kostet, bis Musik so klingt, dass man dafür Geld bekommt.


    Ich rege mich auch oft über die anderen Zuhörer im Konzert auf. Sind scheiße angezogen, reden, lesen im Programmheft und sind eigentlich nicht interessiert, was da auf der Bühne passiert.
    Andererseits: Ohne dieses Volk wäre klassiche Musik nicht finanzierbar. Und so muss man sie eben hinnehmen.

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Aber du hast es doch mit dem Barocken. :D Und bei den Römern war es schon immer so mit Brot und Spielen. Veilleicht erleben wir das auch wieder, dass sich Leute im Fernsehen gegenseitig tothauen und man trinkt begeistert oder gelangweilt sein Bier dazu.


    Gibt es doch schon, oder? Fußball, Nachrichten, Big brother, Musikantenstadl...


    Zitat

    Ich finde aber nicht, dass man als Hörer klassischer Musik elitär sein muss. Man gehört nur einer interessierten Minderheit an. Und je mehr man sich mit seinem Hobby (bei manchen ist es auch der Beruf) auseinandersetzt, umso größer iwrd der Unterschied zum Durchschnitt.


    Und das nennt man IMO elitär...


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Das finde ich nicht. Ich sehe mich zumindest nicht als Elite. Ich frage mich gerade, ob sich die Elite als Elite sieht oder von außen dazu gemacht wird.
    Wenn man ein Hobby pflegt, ist man nicht, nur weil es ein eher verstandesbezogenes Hobby ist, elitär. Ich will ja v. a. Spaß an der Musik haben und nicht alles zerpflücken und mir über jede Note Gedanken machen. Da ist das eigene Musizieren wieder was anderes. Aber da steht die technische Problematik im Vordergrund.
    Ich finde, dass Elite - nachdem ich drüber nachgedacht habe - aus einer Gruppe kommt. Wenn sich eine Gruppe als elitär begreift, wird sie als solche wahrgenommen. Ich möchte aber nicht, dass Klassikhörer Elite sind. Alle sollen schöne Musik hören. Und dafür lieber den Schund der Pop- und Rockwelt sein lassen. Klassische Musik hat ja keinen elitären Grundanspruch. Und wenn ich mir das Opernpublikum in München so ansehe, dann denken viele, weil sie in der 2. Reihe Parkett für 180€ sitzen, sie seien elitär. Aber nicht wegen der Musik, sondern wegen ihres Kontos.

  • Elitär zu sein, zur Elite zu gehören ist ein rein subjektives Gefühl. :yes:


    Schauen wir doch einmal hinter das Wort: Es ist verwandt mit fr. "élire" = auserwählen. Elite ist also etwas Auserwähltes.


    Fühlt sich ein Golfspieler/Tennisspieler nicht auch zur Elite gehörig? - Fühlt er sich nicht auserwählt für diese besondere Sportart?


    Normalerweise ist der Klassikliebhaber ein eher Intellektueller. - Selten wird ein Handwerker die Klassik lieben, denke ich.


    Umgekehrt ist nicht jeder Akademiker gleichzeitig auch Klassikliebhaber!


    Nur ein paar spontane Gedanken zum Thema. - Habe nicht allles gelesen.


    Sonnige Grüße aus München,


    Melisma :hello:

  • Zitat

    Danke für diese Worte. Ich hätte nicht gewagt, es so deutlich auszusprechen.


    Ich habe das immer schon so ähnlich formuliert - vielleicht ein wenig ironischer und zurückhaltender - aber sicher in diese Richtung


    Dass hat etliche Proteste hervorgerufen, vor allem bei jenen die gar nicht betroffen waren - aber auch daran habe ich mich gewöhnt.


    Früher gab es wenigsten das Bildungsbürgertum, das nach Bildung strebte und sich mit ihr brüstete - in totaler Fehleinschätzung der Situation, daß man nämlich mit Bildung und Kultur keinen Hund hinter dem Ofen hervorlockt und noch weniger einen Durschnittsmenschen...


    Zitat

    Ich war zu wenig unter dem normalen Volk um mitzubekommen, wie primitiv, ungebildet und dumm der Großteil der Bevölkerung ist


    Aber ich bitte Dich - das zu wissen gehört doch zur Allgemeinbildung - er aber nicht auszusprechen zur Diplomatie


    Zitat

    Es ist eine Schande - man schämt sich fast Mensch zu sein


    Die Frage ist nur : Schämen gut und schön - aber VOR WEM ??


    Zur Elite:


    Es ist die Frage als was man gesehen wird, oder gesehen werden will:


    Als hässliches Entlein oder als Schwan ?


    Zitat

    Selten wird ein Handwerker die Klassik lieben,


    Das würde ich nicht so sehen.
    Der Unterschied liegt nur darin, daß der Handwerke eher bereit ist seine Inkompetenz in Sachen klassischer Musik einzugestehen (und dieselbe nutfalls auch abzuwerten) wogegen der angebliche Intellektuelle versuchen wird sein Nichtwissen hinter einem Wall von Fremdworten
    zu verbergen....


    HEUTE passiert nicht mal mehr dieses - Klassikignoranz ist salonfähig geworden.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    "For behold, darkness shall cover the earth, and gross darkness the people" Händel: Messiah, No.10


    Vor ca. 25 Jahren wurde mit der Einführung des Privatfernsehens damit begonnen, die Gesellschaft zu entpolitisieren und zu entbilden, um ideale Konsumenten und ideale Untertanen zu erhalten, oder anders formuliert, vor ca. 25 Jahren wurde damit begonnen, unsere Gesellschaft schlicht und einfach zu idiotisieren (in klassisch griechischem Sinne).
    Die Verantwortlichen haben jedoch übersehen, dass sie selbst auch immer älter werden und diese Früchte nicht mehr geniesen können, genauso, wie sie übersehen haben, dass sie ihre Nachfolger, die ja ebenfalls ein Teil dieser Gesellschaft sind, auch dieser Idiotisierung ausgesetzt haben, mit der Konsequenz, dass auf Grund unserer repräsentativen Systeme Halb- und Viertelbildung an verantwortliche Positionen gelangt und nicht nur Klassik- sondern zwischenzeitlich jedwede Ignoranz salonfähig geworden ist.


    Ich persönlich könnte mich als Klassikhörer vor Ort nicht einmal elitär fühlen, weil dieser Begriff eine Gruppenzugehörigkeit impliziert, die konkret nicht mehr gegeben ist. Sollte ich irgendwann einmal elitär gewesen sein, so bin ich als bekennender Klassikliebhaber jetzt definitiv solitär.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Hm.


    Es besteht IMO noch ein Unterschied zwischen den penetranten Klassikhören (wie z.B. mich) und den gelegentlichen Konzertbesuchern, die ansonsten ein ganz normales Leben führen... ich will damit nicht behaupten, elitär zu sein, aber eben... anders...


    :pfeif:


    Aber die Frage zielt ja auf die Musik ab, nicht auf die Hörer.


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von John Doe


    Vor ca. 25 Jahren wurde mit der Einführung des Privatfernsehens damit begonnen, die Gesellschaft zu entpolitisieren und zu entbilden, um ideale Konsumenten und ideale Untertanen zu erhalten, oder anders formuliert, vor ca. 25 Jahren wurde damit begonnen, unsere Gesellschaft schlicht und einfach zu idiotisieren (in klassisch griechischem Sinne).
    Die Verantwortlichen haben jedoch übersehen, dass sie selbst auch immer älter werden und diese Früchte nicht mehr geniesen können, genauso, wie sie übersehen haben, dass sie ihre Nachfolger, die ja ebenfalls ein Teil dieser Gesellschaft sind, auch dieser Idiotisierung ausgesetzt haben, mit der Konsequenz, dass auf Grund unserer repräsentativen Systeme Halb- und Viertelbildung an verantwortliche Positionen gelangt und nicht nur Klassik- sondern zwischenzeitlich jedwede Ignoranz salonfähig geworden ist.


    Traurig, aber wahr. Und sehr gut auf den Punkt gebracht. :jubel:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Elitär?
    Ja, im Sinne von der Notwendigkeit, dass diese Musik sich an ein Publikum richtet, das eine Bereitschaft zum Hinhören und zum Verstehen-Wollen bis zu einem gewissen Grade mitbringen muss, um etwas vom Konzert zu haben.


    Nein, im gesellschaftlichen Sinne. Sie richtet sich heute nicht an "bessere Kreise", sondern ist für alle da.


    Hierzu ein paar Gedanken:


    Tatsache ist ja, dass nur eine gesellschaftliche Minderheit klassische Musik regelmässig und bewusst hört.


    95% meines Bekanntenkreises hört keine Klassik, weder in Deutschland noch in Norwegen.
    Der Rest hört meistens " auch ein bisschen" Klassik, und meint schon Ahnung zu haben... :D
    Ich staune immer, mit wie wenig CDs etc. die auskommen.
    Wenn da ein halber CD-Ständer voll wird, dann ist das schon viel.
    Manche kommen mich mit ihrer gesamten CD-Sammlung (!) besuchen, wohl auch, weil man aus Klanggründen bei mir eben ganz gut hören kann....
    Mir käme das nicht in den Sinn, weil ich da schon mehrere grosse Umzugskartons vollpacken müsste :D
    Nun sagt ja die Anzahl der vollen CD-Schränke auch noch nichts über den Grad des Verstehens und Nachempfindens eines Hörers aus, aber es zeugt ja wenigstens von einem gewissen Interesse, selbst wenn es hauptsächlich nur das eines Sammlers sein mag.


    Mir sind einige Musiker bekannt, die privat auch nicht gerade viel Musik hören, und wenn, dann meistens auch noch mit schlechten Anlagen.
    Wahrscheinlich erinnert es sie zu sehr an den Job...ab einem gewissen Punkt kann ich das auch verstehen.


    Sind nun die Leute, die nahezu täglich Klassik hören Mitglieder einer elitären Gruppe?
    Ja, wenn man hier "Elite" als eine dünne Schicht beschreibt, die sich diese gute Musik tatsächlich so häufig wie möglich anhören.
    Nein, wenn man mit "Elite" die sogenannten "Eliten der Gesellschaft" meint.
    Diese Damen und Herren aus "besseren Kreisen" (Wirtschaft, Politik, TV, Film etc.) hören doch meistens auch keine, oder nur wenig klassische Musik.
    Wenn sie in klassische Konzerte gehen, dann wahrscheinlich nicht immer aus musikalischen Gründen. Ob die Promis, die sich da in Bayreuth ablichten lassen, wirklich aufgrund der hochinteressanten Harmonik und Klanglichkeit der Wagnerschen Musik dort auftauchen, darf ggf. bezweifelt werden.



    Eine Stufe darunter, bei den Bildungsbürgerlichen ( die ja eine gewisse Schicht "guter" Bankkunden darstellen, d.h. Rechtsanwälte, Lehrer, Ärzte, Uni-Professoren...), ist es meiner Beobachtung nach so, dass sie sich zwischendurch gerne in Oper und Konzert mit dem Sektglas in der Hand in ihrem edlen Zwirn sehen lassen wollen.
    Man kennt sich, grüsst sich...
    Der Gegenstand des Konzertes ist vielleicht nicht immer die Hauptsache, aber es ist auf jeden Fall ein gesellschaftlicher Anlass.
    Ausserdem kann man bei Bedarf fabelhaft kulturell mitreden.
    Wenn dabei geblufft wird, dass sich die Balken biegen, dann fällt es nicht auf, weil ja kaum einer tiefere Einsicht in die Dinge hat, die da auf der Bühne stattfinden.
    Einerseits müssen die Musiker ja froh sein, dass es dieses Publikum überhaupt gibt, denn von irgendjemanden müssen sie ja schliesslich leben
    (und genau das wissen diese Zuhörer auch)
    Andererseits wäre es ja auch nicht schlecht, wenn weniger gut situierte, dafür aber umso mehr interessierte junge Menschen ( die es vereinzelt gibt) durch eine entsprechend flexible Preisgestaltung bei guten Konzerten die Chance auf einen guten Platz bekämen.
    Und dann gibt es ja auch noch den Markt der sogenannten Gala-Populärklassik; eine Sparte, mit der beispielsweise ich sehr wenig anfangen kann, während ein grosser Teil der mir bekannten Bildungsbürger das durchaus gerne hört.


    Die Bildungsbürgerlichen zeichnen sich für mich also vor allem durch ihr elitäres Gehabe (Standesdünkel etc.) im Hinblick auf die Klassik aus.
    Als "Elite" im Sinne eines musikalisch gebildeten, oder gar "historisch informierten" Publikums (wie man es hier im Forum unlängst als wünschenswert beschrieb) kann man sie m.E. nicht durchweg bezeichnen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Ich füge sicherheitshalber hinzu, dass ich kein reichenhassender "Linker", sondern zunehmend ein generell Unpolitischer bin, wohl auch aus Frustration - nicht dass das hier einer missversteht.


    Nun war ja die Frage, ob die klassische Musik in sich selbst elitär sei, also durch ihren innewohnenden Qualitätsanspruch von vornherein viele Leute mit weniger gutem musikalischem Auffassungsvermögen- bzw. Willen "draussen bleiben müssen".
    Hier finde ich schon, dass man durch ein intensives Hören dieser Musik ge-(oder ver- oder gar einge-)bildeter wird, und das in vielen wichtigen Aspekten.
    Wenn man anfängt, von einer anspruchsvollen Musik etwas zu verstehen, dann wird man es auch zunehmend empfinden können.
    Weil man es deshalb irgendwann anfängt zu mögen und sogar zu lieben, will man mehr davon hören.
    Man beschäftigt sich damit, und irgendwann versteht man auch mehr davon. Vielleicht hat man ja früher Musikuntericht gehabt, oder beginnt neu damit.
    Dadurch, dass die Klassik solche positive Prozesse in Gang setzen kann, ist sie m.E. theoretisch in der Lage, sich ihr Publikum zu "heranzubilden", im wahrsten Sinne des Wortes.
    Ob man das elitär nennen kann, weiss ich nicht. Mit den gesellschaftlichen Eliten kann ich das nicht in direktem, ursächlichen Zusammenhang sehen.


    Dass aber anders herum gesehen die "Idiotisierung" der Gesellschaft durch entsprechende TV-Programme ( man denke nur an Reich-Ranickis Skandaläusserungen) nicht gerade zur weiteren Verbreitung des Liebhaberkreises klassischer Musik beiträgt, liegt wohl im Bereich des Vorstellbaren.
    Ein gewisses Verständnis und eine ziemlich grosse Bereitschaft zum Hinhören erfordert diese Musik nämlich wie gesagt schon - etwas, was man bei einem Big-Brother/Bohlen/Dschungelcamp/Nachmittags-Privat-talkshowdauerseher unter Umständen nicht mehr in jedem Fall voraussetzen kann, wenn ich meinen Vorurteilen glauben schenken darf.


    Wenigstens beim ZDF-TV-Krimi "Soko 5113" gab es ja eine positive Ausnahme ( ja, bestimmte Sachen sehe ich auch, wenn ich Zeit habe) :
    Da hat man dem Kriminalkommissar "Horst Schickl" eine fanatische Wagner-Liebe ins Drehbuch geschrieben. Wenn er zu Hause Wagner hörte, durfte ihn keiner stören...
    Den würde ich nun nicht als "elitär" bezeichnen, aber mir war er immer sehr sympathisch :D



    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Die Bildungsbürgerlichen zeichnen sich für mich also vor allem durch ihr elitäres Gehabe (Standesdünkel etc.) im Hinblick auf die Klassik aus.


    Das finde ich ein wenig zu plakativ und vielleicht ein bisschen zu sehr aus der Sicht des Darbietenden verfasst.
    Das deutsche Bildungsbürgertum (aber nicht nur das) war ja über viele Jahre Triebmotor für die musikalische Entwicklung. Der großbürgerliche Salon, die Soiréen, all das machte das gebildete Bürgerleben aus.
    Heute ist es eher so, dass es mit der Bildung beim Bürgertum nicht mehr so weit her ist. Und dann geht man mehr event-bedingt ins Konzert. WObei das durchaus auch früher so war. Man ging eben ins Konzert, "weil sich das schickt".
    Meine Cellolehrerin erzählt auch von den Kammerkonzerten in Villen, wo sie mit ihrem Streichquartett eingeladen wird. Da sind dann ein paar Interessierte und ein paar (gern Damen), die sich eigentlich schlimm langweilen. Der Rest ist unentschieden. Aber man kann kulturelles Interesse nicht erzwingen. Heute schauen die Leute eben lieber DVD als ins Theater oder ins Konzert zu gehen. Und bei den DVDs auch lieber Action und Komödie als film noire oder Visconti.


    Zitat

    Hier finde ich schon, dass man durch ein intensives Hören dieser Musik ge-(oder ver- oder gar einge-)bildeter wird, und das in vielen wichtigen Aspekten.
    Wenn man anfängt, von einer anspruchsvollen Musik etwas zu verstehen, dann wird man es auch zunehmend empfinden können.
    Weil man es deshalb irgendwann anfängt zu mögen und sogar zu lieben, will man mehr davon hören.
    Man beschäftigt sich damit, und irgendwann versteht man auch mehr davon. Vielleicht hat man ja früher Musikuntericht gehabt, oder beginnt neu damit.


    Man darf ja nicht der Musik den Vorwurf machen (was du nicht tust), dass sie zu kompliziert sei. Klassische Musik war ja mal zeitgenössische Unterhaltung. Es hat sicher viel damit zu tun, sich die Zeit zu nehmen und sich auf ein Stück einzulassen. Aber die Vorstellung, die Musik sie nur für eine Elite, schreckt viele ab. Dass viele sie als zu wenig rockig oder zu langsam oder was weiß ich empfinden, hat auch was mit der inneren Uhr zu tun. Heute muss alles schnell gehen, ein Musikstück darf nur 3 min dauern und muss übersichtlich auf dem iPod abgelegt werden können. Dabei sieht man ja, dass gerade Kinder hervorragend für klassische Musik begeistert werden können, wenn man sie ins Konzert mitnimmt, sie an das Musizieren heranführt. Die Elitenbildung beruht da erneut eher auf dem Problem, dass Musikinstrumente und Musikunterricht teuer sind und somit nicht allen Gesellschaftsschichten zugänglich. Aber das ist eben das alte Problem von arm und reich und sollte nicht als Argument herangezogen werden, um sich selbst als Klassikhörer auf einen Elitesocjel zu stellen.

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    ... Klassische Musik war ja mal zeitgenössische Unterhaltung. ...


    Nein, das war sie nie! Sie war vielleicht in Teilen und in gewissem Maße gehobene Unterhaltung (für gebildete und/oder musikalisch interessierte Menschen), aber für diese Art Musik gilt das auch heute noch (wenngleich es mit der musikalischen Bildung wahrscheinlich etwas bergab gegangen ist). Aber die "klassische" Musik hat sich weiterentwickelt und ist in Bereiche vorgestoßen, die dem Begriff "Unterhaltung" eigentlich verwehrt sind. Entweder man ist gezwungen, den Begriff extrem zu dehnen oder man findet sich mit der Tatsache ab, dass es Musik gibt, die gar keine Unterhaltung sein will.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der großen Masse, dem einfachen Volk seine Unbildung vorzuwerfen, ist verständlich, greift aber zu kurz.
    Meiner Meinung nach kann man auch dort durchaus auf Intersse für klassische Musik stoßen; das Problem liegt nur darin, dass dieses Interesse nicht mehr aktiviert wird. Ein immer blasser werdender Musikunterricht, das Verschwinden der Klassik aus dem täglichen Leben (sowohl optisch - physisch aus dem Warenangebot, als auch aus den bevorzugten Mainstream-Medien) bei gleichzeitigem Apell an den Hedonismus der Masse, lässt dieses Interesse schlicht und einfach verkümmern.
    Denn wie soll ein rechtschaffener Proletarier, dem beispielsweise die Eurovisionsfanfare gefällt, herausfinden, was das überhaupt ist? Wohin soll er sich mit seiner Frage wenden? An die CD-Abteilung seines nächstgelegenen Elektrofach- oder Drogeriemarktes? Dort hat man natürlich keine Ahnung, fühlt sich belästigt und durch das dort ausgestellte Warensortiment kommt er sich schon "uncool" vor. Da ihm nun aber dieses Melodiechen nicht aus dem Kopf geht und er durchaus auch noch das Rudiment einer eigenen Meinung besitzt, macht er weiter und wird tatächlich im Internet fündig, um festzustellen, dass das nicht ein Hit von Charpentier und seiner Band ist, sondern dass es wenigstens zwei Charpentiers gibt, wobei beide schon lange unter der Erde sind, und die Melodie zum Te Deum gehört, von dem es an die 50 Aufnahmen gibt, wobei sich sofort wieder ein weiteres Problem ergibt, nämlich welche Aufnahme davon ist gut.
    Sollte unser ubekannter Proletarier nun diesen Weg konsequent zu Ende gegangen haben und ist endlich zu seiner Fanfare gekommen, dann stellt sich wiederum die Frage, ob ihm der Rest des Te Deums so gut gefällt, dass er für weitere Sachen auch wieder diese Mühen auf sich nimmt. Höchst wahrscheinlich nicht!


    Wenn denn nun aber von verantwortlicher Stelle Klassik diskret etwas propagiert werden würde, dann sähe die Situation doch ganz anders aus. Wenn denn unsere Meinungsmacher in ihre Meinungsmache gelegentlich einfließen lassen würden, dass Klassik hören "cool" ist, dann würde sich die Situation doch deutlich ändern. Siehe dazu die diversen Klassiktitel, die es via Film-Soundtrack in das Wohnzimmer von Michel Deutsch geschafft haben, oder für die Sachen, für die Ausnahmsweise und Wunder über Wunder explizit Werbung gemacht wird, wie einmal für eine Mahler 5 geschehen.


    Machbar wäre es, denn auch ein Dieter B. und ein Stefan R. sind letztendlich nur Geld- und Weisungsempfänger, genauso wie es die Redakteure zweier großer Printmedien aus Hamburg auch sind.


    Warum macht man es also nicht?
    Ist was schief gegangen oder steckt Methode dahinter?
    Welche Vorteile bringt Klassik hören? Und wem bringt es welche Nachteile? Wer profitiert von Bildung und wer kann sie nicht brauchen?
    Ist Klassik hören und Bildung subversiv?


    Vor diesem Hintergrund finde ich in so mancher Diskussion Begriffe wie "links" und "rechts" absurd, denn gesamtgesellschaftlich gesehen droht doch der ganze Kahn "Kultur" abzusaufen und ob die letzte Aufführung einer Oper nun eine traditionelle oder eine vom Regietheater war: einerlei, denn es ist die Letzte!


    Viele Grüße
    John Doe

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