Ist "klassische Musik" elitär ?

  • Erstmal Zustimmung zu den Folgen von Privatfernsehen (bezeichnenderweise eingeführt im Zuge der "geistig-moralischen Wende" des Dicken und des vorbestraften Grafen). Leider wurde inzwischen das öffentlich-rechtliche Fernsehen weitgehend auf dieses Niveau heruntergezogen. :kotz:
    Bezeichnend ist vermutlich auch die Verwendung klassischer Musik in Fernsehkrimis; den Soko-Beamten habe ich jetzt nicht präsent, aber die komische Figur des betont bildungsbürgerlichen Gerichtsmediziners Prof. Börne (im Münsteraner "Tatort") hat ein riesiges Konterfei Mahlers im Seziersaal hängen und delektiert sich häufig an spätromantischer Musik. Es sind auch hier skurrile Solitäre, die Klassik hören, keine elitäre Gruppe.


    Ich wage solche museumspädagogischen Experimente wie das in Kassel nicht zu beurteilen, würde das aber keineswegs rundheraus verwerfen. Wenn man so etwas gut macht, kann es durchaus Leute begeistern, die der "Hochkultur" fernstehen.


    Man muß, glaube ich, in der Entwicklung der letzten ca. 40 Jahre mehrere Dinge unterscheiden: Zunächst ist die Mittelschicht und ihr Wohlstand gewachsen (bis ca. 1980 und danach auch noch jahrelang auf hohem Niveau stabil geblieben). Das hat aber nicht zu einem entsprechenden Wachstum der an Klassik etc. interessierten geführt, weil gleichzeitig mit dieser Verbreiterung die alte Mittel- und Oberschicht kulturell massiv an Bedeutung verloren hat, besonders eben das typische "Bildungsbürgertum". In den 50ern und 60ern, als dieser Aufstieg in die Mittelschicht begann, war das noch anders. Auch im Fernsehen. Ich erinnere mich, daß meine Eltern noch ca. Mitte der 1980er zwei MCs zu irgendeinem Jubiläum des Moderators Kulenkampff geschenkt bekamen; mit musikalischen Gästen seiner Show: Eine enthielt Schlager, Chansons usw., die andere durchweg Oper und Operette. Klar, beschränkten sich viele kulturelle und soziale Aufsteiger mit derlei Potpourris, Wunschkonzertrepertoire usw. Letztlich hat sich dann aber sozialer Aufstieg anscheinend von einem "kulturellen" weitgehend entkoppelt.
    Vielleicht war das nur zu erwarten, vielleicht lag es eben auch daran, daß Schule, Fernsehen usw. ihren Bildungsauftrag zunehmend weniger nachgekommen sind, jedenfalls keine Chance gegen die Popkulturindustrie hatten. Und die moderne "Oberschicht", die "Promis" besteht ja zu einem guten Teil aus Repräsentanten der Popkultur (man nehme als bezeichnend Elton John auf Lady Dis Trauerfeier oder Aretha Franklin (?) bei Obamas Inauguration, womit nichts gegen diese Künstler gesagt sein soll) .
    (Inzwischen, also in den letzten 25-30 Jahren, ist es ja auch mit dem sozialen Aufstieg durch Bildung weitgehend Essig, im Gegenteil schrumpft die Mittelschicht, ob das aber wieder Einfluß auf die Wertschätzung der "Hochkultur" hat und welche, keine Ahnung.)


    Schon vor den "rechten" Strategien der Volksverdummung, gab es allerdings seit den 70ern eine "linke" Infragestellung der traditionellen bürgerlichen "Hochkultur". Nicht zu Unrecht, denn die wurde ja häufig sehr erstarrt und dünkelhaft gepflegt, als letztlich beliebiges soziales Distinktionsmerkmal, was letztlich auch ein Mißbrauch dieser Kunstwerke gewesen ist. Aber wie so oft hat hier Emanzipation gegenüber repressiven Strukturen dazu geführt, daß oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden ist. Statt Ablehnung hätte ja eine Besinnung auf die ursprünglichen Kontexte vieler Kulturprodukte ausgereicht, um diese dem dumpfen Establishment zu entziehen.



    viele Grüße


    JR (gespalten zwischen politisch progressiv und kulturell konservativ ;))

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich würde die Eingangsfrage mit einem entschiedenen "Jein" beantworten: das resultiert aus der Asymmetrie der angesprochenen Gruppen "Klassikhörer" zum einen und "Gebildete" zum anderen.


    Leute, die Klassik hören, sind vermutlich eher älter, eher gebildet, eher mit überdurchschnittlichem Einkommen versehen als der Rest, aber es scheint mir eine insgesamt kleine Gruppe zu sein.


    Im Schnitt hören die "Gebildeten" wohl keineswegs überwiegend Klassik, sondern haben häufig ohnehin wenig Zeit zur Aufnahme von Kunst allgemein, und wenn sie Zeit für Entspannung brauchen, wenden sie sich eher der Literatur zu - oder Film und Video.


    Die Nichtklassikhörer verspüren kein Defizit. Musik ist immer und ausreichend verfügbar, und die Musik ist ja nicht schlecht, resp. wird nicht als schlecht empfunden, auch nicht von den aktuellen Leistungseliten, die mit den Beatles, den Rolling Stones, Deep Purple und Udo Jürgens, Alexandra und Daliah Lavi aufgewachsen sind.


    Der Musikunterricht in der Schule muß in seiner Wirkung ebenfalls relativiert werden, Musik ist wie auch Sport, Kunst oder Religion für viele Schüler eine Periode, in der sie sich von den anstrengenden und als wichtig empfundenen Fächern erholen. Da kriegt man dann nicht so viel mit.


    Eine wenige meiner Freunde (die formal nicht ganz ungebildet sind) hören aktiv Klassik, aber dann auch nur in geringen Dosierungen, Pop Jazz, Blues überwiegt. Und meine Versuche, ihnen dann und wann mal eine Prise Klassik zu Gehör zu bringen, werden eher mitleidig belächelt, wenn auch nicht aktiv abgelehnt. Aber nach einer Weile wird dann doch schon mal gefragt, ob man jetzt nicht mal wieder "Musik" hören könne.


    Wie gesagt, kein Defizitempfinden. Hatten die Zeitgenossen Mozarts auch nicht, als sie sich vom Barock ab- und der Wiener Klassik zuwandten. Wurde vermutlich schon damals von einigen dem Sinne nach als "Klassikkrise" apostrophiert, hieß aber wohl anders....

  • Lieber m-mueller,


    Dein Text spricht mir aus dem Herzen. Da ich als unermüdlicher Wanderprediger in Sachen Musik unterwegs bin, möchte ich meine Gäste immer wieder mit schönen Melodien beglücken. Wenn schon nicht Oper, dann wenigstens Operette !


    Aber nach unterschiedlich kurzer Zeit möchte man wieder "etwas anderes" hören. Schade ! :rolleyes:


    Aber ich gebe nicht auf !!!


    Liebe Grüße -


    vom Operngernhörer :hello:

  • Die Korrelation zwischen "Bildungsstand" und "Präferenz für klassische Musik" besteht zwar noch. Allerdings äußert sie sich wohl oft so, daß (formal) höher Gebildete insgesamt mehr unterschiedliche Sorten von Musik hören, darunter eben auch Klassik.
    Insgesamt ist das sog. "Bildungsbürgertum" ja in den letzten 5 Jahrzehnten zunehmend durch "technokratische Eliten" abgelöst worden. Entsprechend hat formale oder spezifische fachbezogene Bildung, "Bildung" im emphatischen älteren Sinne stark zurückgedrängt. Da weder in der Schule noch in den meisten Elternhäusern (klassische) Musik eine größere Rolle spielt, ist es kaum verwunderlich, daß die Schnittmenge hier kleiner wird.


    Es bleibt abzuwarten, ob sich das mit der vielbeschworenen "Neuen Bürgerlichkeit" vielleicht wieder ändert. Meines Wissens können sich Musikschulen jedenfalls nicht über Nachfrage beklagen und in weiten Kreisen gehört das Erlernen eines Musikinstruments in der Kindheit nach wie vor zum "guten Ton".


    :hello:


    JR

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  • Lieber Operngernhörer,


    ich muß gestehen, daß ich Opern auch nicht so gern höre (Königin der Nacht pfeife ich mir ab und zu mal rein, vorzugsweise von Florence Foster Jenkins...)


    Aber ich könnte Dir gern mal eine Prise Albinoni vorsetzen, wenn Du vorbeikämst, jede Menge wunderbare Melodien.


    Was uns natürlich vereint, ist das Missionarische für die große gemeinsame "Religion", wenn wir auch anscheinend unterschiedlichen Detailbekenntnissen angehören - aber das Verbindende ist sicherlich stärker als das Trennende!


    Und dann gibt es ja noch die Opern von Händel, die ich in der Tat sehr schätze. Was hältst Du von denen?


    :hello:

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  • Zitat

    Ist Klassik hören und Bildung subversiv?


    In gewisser Hinsicht ja, diese Leute sind oft unangenehm, hinterfragen so ziemlich alles und jedes - und sind eigentlich keine idealen Konsumenten.


    Aber das ist sicher nicht die Hauptsache warum sie (wir?) oft abgelehnt werden. Wie schon des öfteren angeschnitten sitzen zahlereiche Partiell gebildete oder besser gesagt ausgebildete in Schlüsselpositionen. Sie beherrschen ihr Fach und einige Spezialkenntnisse, die sie vom alten Typus des Fachidioten grundlegend unterscheiden, aber von echter Bildung sind sie weit entfernt. Sie wurden mittels Personal Coaching auf alle Bereiche ihrer Tätigkeit vorbereitet - aber auf mehr auch schon nicht. Sie verfügen eigentlich nicht über das was man Persönlichkeit kennt, sondern stellen einen lenkbaren und gleichzeitig lenenden Prototyp Mensch dar, der gerad soviel aus der breiten Masse herausragt, wie für seine Aufgabe notwendig ist.
    Diese Leute sind trainiert - aber sie haben keinen Kern, keinen Eigencharakter, keinen Geschmack und keine eigenen Ansichten. Sie sind auf Leistung getrimmt die man ausnützen und vermarkten kann - aber nicht auf entwicklung der eigenen Persönlichkeit.


    Diese Menschen fühlen sich unbehaglich, wenn ihnen jemand begegnet, dessen Überlegenheit sie jede Sekunde spüren, und sie dessen stets präsente Überlegenheit nicht ertragen können - notaben dann wenn es sich um einen Untergebenen oder einen Kunden handelt. Letzteres ist besonders pikant, wenn beispielsweise in der Werbung eines Tonträgerproduzenten kristallklar durchleuchtet, daß der Vermarkter von jener (klassischer ?) Musik, die er vermarktet überhaupt keine Ahnung hat.


    Oj ja - klassische Musik ist elitär - so wie es einst Lesen und schreiben war - und bald wieder sein wird...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber m-mueller,


    danke für Deine Zeilen, ich habe mich darüber gefreut.


    Albinoni ist hörenswert, gelegentlich kommt ein Stück von ihm bei Radio Stephansdom, das ich immer im Auto höre.


    Wenn Du bei mir vorbeikommen würdest, hätte ich jede Menge schöner und aufregender Musik von Bellini, Donizetti und Verdi, die besser rüberkommen als bei Foster-Jenkins !


    Das Zeitalter von Händel, Gluck, etc. höre ich gelegentlich scheibchenweise - muß ich zu meiner Schande gestehen. :untertauch:


    Liebe Grüße -


    vom Operngernhörer :hello:


  • tja genauso hab ich das auch bisher erfahren.
    Allerdings bin ich kein unangenehmer Mensch, es sei denn man provoziert (aber bei wem ist das nicht so ? )


    Aber wie heißt es so schön, Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz :angel:



    Zitat

    Aber nach unterschiedlich kurzer Zeit möchte man wieder "etwas anderes" hören. Schade !


    Die Reaktion kennt wohl jeder.


    Beliebt ist auch "Man kann ja nicht nur Klassik hören"


    ich sage dann immer, warum - ich habe fast 2000 Jahre Musikgeschichte zur Verfügung - das sehe ich nicht gerade als einen eingeschränkten Musikgeschmack :D

  • Interessant finde ich auch folgende Beobachtung:


    Viele gebildete, kulturbeflissene Leute (darunter auch Literaten, Architekten, bildende Künstler, aber auch einfach Interessierte, Sammler etc.) achten bei allem darauf, daß es hohen Standards entspricht. Man liest selbstverständlich nur niveauvolle Literatur, man schaut im Kunstmuseum feinsinnig und differenziert hin, man richtet sich die Wohnung geschmackvoll und eventuell teuer ein etc. pp. Es ergibt sich das Bild eines rundum feinsinnigen, geschmackssicheren Menschen.


    Aber bei Musik ist es dann in sehr vielen Fällen ganz anders! Da hören sie die gleiche öde Popmusik wie die meisten anderen! Und interessieren sich auch gar nicht dafür, was es vielleicht Besseres geben könnte! Es wirkt so, als wäre genau dieser eine Bereich ausgespart in ihrem "Geschmacks-Universum"!


    Bei Literatur gibt's z.B. so einen wie Marcel Reich-Ranicki, der von den Leuten beachtet wird und (auch wenn man natürlich sehr geteilter Meinung über ihn sein kann) Hinweise gibt, was relevante Literatur ist oder nicht. Bei Musik gibt es Vergleichbares nicht - im Gegenteil, in der Spiegel-Online-Kolumne "Abgehört - die wichtigsten CDs der Woche" werden ausschließlich (!) Pop-Rock-CDs vorgestellt, dem Leser wird dadurch also die komplette Nicht-Relevanz oder gar Nicht-Existenz der in Wirklichkeit viel wichtigeren Neuerscheinungen auf dem Klassik- oder Jazzsektor suggeriert!


    Es scheint also in weiten Teilen der Kulturlandschaft einen "blinden Fleck" des Qualitätsbewußtseins ausgerechnet bei der Musik zu geben.


    Vielleicht weil die Leute, von denen ich oben sprach, in der Kindheit und Jugend "gelernt" haben, daß sie "unmusikalisch" sind und sich deswegen an diesen Bereich als einzigen nicht rantrauen?


    LG,
    Hasenbein

  • Zitat

    Wie schon des öfteren angeschnitten sitzen zahlereiche Partiell gebildete oder besser gesagt ausgebildete in Schlüsselpositionen. Sie beherrschen ihr Fach und einige Spezialkenntnisse, die sie vom alten Typus des Fachidioten grundlegend unterscheiden, aber von echter Bildung sind sie weit entfernt. Sie wurden mittels Personal Coaching auf alle Bereiche ihrer Tätigkeit vorbereitet - aber auf mehr auch schon nicht. Sie verfügen eigentlich nicht über das was man Persönlichkeit kennt, sondern stellen einen lenkbaren und gleichzeitig lenenden Prototyp Mensch dar, der gerad soviel aus der breiten Masse herausragt, wie für seine Aufgabe notwendig ist.
    Diese Leute sind trainiert - aber sie haben keinen Kern, keinen Eigencharakter, keinen Geschmack und keine eigenen Ansichten. Sie sind auf Leistung getrimmt die man ausnützen und vermarkten kann - aber nicht auf entwicklung der eigenen Persönlichkeit.


    Diese Menschen fühlen sich unbehaglich, wenn ihnen jemand begegnet, dessen Überlegenheit sie jede Sekunde spüren, und sie dessen stets präsente Überlegenheit nicht ertragen können - notaben dann wenn es sich um einen Untergebenen oder einen Kunden handelt. Letzteres ist besonders pikant, wenn beispielsweise in der Werbung eines Tonträgerproduzenten kristallklar durchleuchtet, daß der Vermarkter von jener (klassischer ?) Musik, die er vermarktet überhaupt keine Ahnung hat.


    Oj ja - klassische Musik ist elitär - so wie es einst Lesen und schreiben war - und bald wieder sein wird...


    Ja! Ja! Ja!


    Das einzige Problem, das ich in diesem Zusammenhang mit dem Begriff "Elite" habe, ist, dass dieser eine bewußte Gruppenhomogenität voraussetzt, die m. E. im Klassiklager so noch nicht gegeben ist. Im Moment sind wir immer noch eine Anzahl von Individualisten, die in die gleiche Richtung argumentieren, das Argument aber noch nicht absolut gestellt haben. D. h. es mangelt uns noch an der Verbindlichkeit des Arguments, so dass wir uns Richtung Elite bewegen - eher zufällig - diese aber noch nicht sind.


    Die vom großen Dicken initiierte "geistig-moralische Erneuerung des dt. Volkes" hat sich letztendlich als Absenken des geistig-kulturellen Niveaus in der Gesellschafft entpuppt, mit der Folge, dass sowohl bürgerliche als auch nicht bürgerliche Kulturliebhaber darunter leiden und auch der linkeste bzw. fortschrittlichste Klassikliebhaber sehr viel dransetzen muss, das erreichte Niveau überhaupt noch zu halten und von dem her also durchaus konservativ im wahrsten Sinne des Wortes ist.
    Im Zuge dieser ganzen Ummodelversuche in der Gesellschaft ist es duchaus absichtlich zu einer Begriffsverwirrung bzw. Umdeutung von Begriffen gekommen: Das was heutzutage als Fortschritt ausgegeben wird ist reaktionär, derweil die Positionen, die ein erreichtes Level halten oder ein selbiges weiterentwickeln wollen, als veraltet, als gestrig als nach rückwärtsgewandt und fortschrittsfeindlich dargestellt werden.


    Dass dabei die Kultur, respektive die klassische Musik, eines der ersten Opfer ist, versteht sich von selbst, da sich der Gewinn, den man aus ihr zieht, eben nicht in Bilanzen niederschlägt.


    Zitat

    Beliebt ist auch "Man kann ja nicht nur Klassik hören"
    ich sage dann immer, warum - ich habe fast 2000 Jahre Musikgeschichte zur Verfügung - das sehe ich nicht gerade als einen eingeschränkten Musikgeschmack


    Auf 2000 Jahre komme ich nicht, mir reichen die letzten 400 schon, aber die ausschließlich!
    Etwaige Beschwerden darüber bitte ich schriftlich ausformuliert bei meinem Hund abzugeben. Hat bloß noch keiner gemacht, vielleicht weil´s ein Rottweiler-Mix ist.
    :D


    Viele Grüße
    John Doe

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  • Ich teile diese Diagnose. Selbst wenn man wohl heute Pop etc. nicht mehr völlig ignorieren kann, finde ich irritierend, wieviel Raum die Popkultur in den Feuilletons selbst traditionell-konservativer Blätter erhält (und auch wieviel flacher Unsinn über klassische Musik verzapft wird, wenn nicht gerade eine(r) der wenigen Kundigen darüber schreibt, s. etwa mein posting neulich zu einem Artikel über "junge Wagnerfreunde")


    Zitat


    Vielleicht weil die Leute, von denen ich oben sprach, in der Kindheit und Jugend "gelernt" haben, daß sie "unmusikalisch" sind und sich deswegen an diesen Bereich als einzigen nicht rantrauen?


    Ich teile die Unsicherheit bezüglich der Ursachen dieses Zustands. Ich glaube aber nicht, daß es mit Unmusikalität zu tun hat. Es gibt ja sehr musikalische Leute, die etwa selbst Pop/Rockmusik etc. machen und kein oder kaum Interesse an Klassik haben. Es gibt natürlich auch Leute, die entweder unmusikalisch oder musikalisch sehr wenig interessiert sind; die hören dann entweder das, was gerade "in" ist, und/oder sie bleiben mehr oder minder bei der Musik ihrer Jugendzeit.


    Es bringt zwar nichts pauschal kulturpessimistisch den (m.E. unbestreitbaren) Niedergang der Allgemeinbildung zu beklagen. Aber als ich noch regelmäßig Quizsendungen geschaut habe, war mein Eindruck, daß, selbst wenn Lücken in Geographie oder Geschichte schauerlich genug sein mögen, die vollkommene Ratlosigkeit, auch bei sonst findigen Kandidaten, gegenüber m.E. sehr einfachen Fragen aus Bereichen wie Mythologie (inkl. Biblischer Geschichte) und klassischer Musik geherrscht hat.
    Das ist irgendwie ein anderer Planet... (oder wir sind auf anderen planeten ;))
    Freilich ist bloßes Quizwissen über Musik oder Komponisten noch etwas ganz anderes als Kenntnis und Wertschätzung der Musik. Es zeigt m.E. aber, daß, anders als vor wenigen Jahrzehnten, nicht einmal eine Fassade da ist. Es ist einfach völlig irrelevant. Es mag ein wenig peinlich sein, nicht zu wissen, wie die Hauptstadt von Rumänien heißt oder in welchem Jahrhundert der siebenjährige Krieg stattgefunden hat. Aber Priamos, Esau oder Beethoven wenigstens grob in den entsprechenden Kontext einordnen zu können, ist anscheinend ein völlig exotisches Wissen, von dem man nicht mal merken soll, daß es einem fehlt.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • also ich gebe zu, dass ich was Musik vor 1600 angeht auch eher der Unterhaltungsmusik zugeneigt bin :D - die geistliche Musik dieser Zeit bzw. sehr anspruchsvolle Madrigale, Ricercare etc. sind doch noch etwas anstrengend.



    aber dem bisher geschriebenen kann ich nur zustimmen.



    In vielen Fällen - gerade an den Opernhäusern - wird ein Pflichtprogramm durchgezogen. Und das nur aus einem Grund, so kann man einigermaßen sicher sein, dass das Haus voll ist.
    Es geht nur ums Geld.
    Mit einem außergewöhnlichen Programm (und ich bin schon mehr als verdutzt darüber, was schon als außergewöhnlich gilt) kann man kein Geschäft machen.


    Leider ist es so das der Wunsch nach neuen Entdeckungen oder ganz neuen Opern bei dem breiten Publikum nicht da ist.
    Die wollen eben immer die gleichen Stücke.



    Wir hier sind Freaks - das muss man einfach einsehen. Diejenigen denen Musik eben nicht soviel bedeutet - und das können selbst Musiker sein ! - werden es nie verstehen warum wird im Schnitt 5000 CD's zu Hause stehen haben, warum ein Teil von uns alles daran setzt bestimmte Opern wenigstens einmal hören zu dürfen.


    Der Großteil will eben Musik die nicht wirklich berührt, da sucht man Unterhaltung nicht mehr.



    Ich hoffe, dass man irgendwann dahin kommt, dass Kunst und Musik kein Geschäft mehr sein muss, sondern es als eine Investition in die Seele begreift.
    Dass es unwichtig ist, ob sich das Konzert finanziell rentiert - sondern das einzig und allein das Erlebnis zählt.
    Aber ich fürchte, das werde ich nicht erleben :no:

  • Zitat


    Original von Operngernhörer
    Da ich als unermüdlicher Wanderprediger in Sachen Musik unterwegs bin, möchte ich meine Gäste immer wieder mit schönen Melodien beglücken. Wenn schon nicht Oper, dann wenigstens Operette !



    Das habe ich schon seit langem aufgegeben...ich will auch gar nicht mehr mein "Allerheiligstes" mit anderen Leuten teilen, die es nie gelernt haben, was "Zuhören" bedeutet.
    In meinem Bekanntenkreis gibt es ausser meiner Frau nur einen Menschen, den ich für "würdig" erachte, zusammen mit mir "meine" Fugen, Ricercare, Passionen, Oratorien, Konzerte und Kantaten aus dem 17. und 18. Jahrhundert anzuhören.
    Von Beruf ist der Komponist, Orgeimprovisator, Chorleiter...etc...ein Kantor eben.
    Wenn möglich, dann hören wir mit Partitur und diskutieren auch über verschiedene Aufnahmen.
    Aber sonst...wenn ich schon bei den meisten Anderen am Gesicht sehe, wie einer in Gedanken abschweift und eigentlich so gut wie nichts von dem mitbekommt, was ich ihm gerade vorspiele, dann steigt in mir so etwas sehr Unangenehmes hoch. Ausserdem will ich ja niemanden langweilen.
    Da lege ich dann lieber einen Film ein und lasse mit dem Nubert-Subwoofer die Hosenbeine meiner Gäste flattern... :D das finden die immer sehr beeindruckend.


    Meine eigenes, elitäres Verhalten? Womöglich...aber man will ja auch nicht verletzt werden, nicht wahr...


    In irgendeinem Interview sagte Gustav Leonhardt einmal sinngemäss, dass es ihm überhaupt nicht darum ginge, seine Musik quasi missionarisch in der Masse der Bevölkerung populär zu machen.
    Wenn die Massen vor der Kirche anstünden, so dass der Kirchenvorplatz schwarz von Menschen wäre, die ihm alle beim Frohbergerspielen auf dem Cembalo zuhören wollten, dann sei ihm das zwar auch recht; aber erstens glaube er nicht daran, dass das jemals passieren könnte, und zweitens wolle er das auch gar nicht erreichen.


    Der Mann hat Realitätssinn...


    Aus Musikersicht kann man nur hoffen, dass ein gewisser Bodensatz an Klassik/Barock/Opernpublikum immer erhalten bleibt, damit es überhaupt noch jemanden gibt, der bereit ist, einen dafür bis zur Rente zu bezahlen. So schön die Musik ja auch ist- auch der hingegebenste Musiker muss seine Brötchen mit schnödem Bargeld bezahlen.
    Mit anderen Worten: Er braucht Leute, die sich für das, was er da treibt, wirklich interessieren. Da sieht es ja heute schon nicht gerade rosig aus. Vor einiger Zeit las ich ( Fonoforum..?) einen Artikel, der nach dem Sinn fragte, warum hervorragend ausgebildete klassische Musiker hinterher froh sein könnten, wenn sie bei McDonalds o.ä. unterkommen könnten....


    Das ist ja auch ein Zeitphänomen, wohl auch durch das Internet gefördert: Kulturelles soll am liebsten umsonst sein. Ob das für die Musik langfristig gut ist, darf man sich fragen - da gibt es einige gute, aber eben auch viele weniger gute Aspekte.
    Wenn ich eine gute CD plötzlich billig von Apex oder Brilliant bekomme, dann freue ich mich natürlich auch...


    Zitat


    Original von der Lullist
    Der Großteil will eben Musik, die nicht wirklich berührt, da sucht man Unterhaltung nicht mehr.


    Das ist einfach so.
    Ich glaube auch, dass der Wille und die Fähigkeit, wirklich zuzuhören, sehr selten (geworden??) ist.
    Selbst im Gespräch stellt man das immer wieder fest - am liebsten redet jeder von sich und seinen Dingen.
    Wieviel mehr gilt es dann für klassische Musik? Sind die Konzerte für einen Grossteil der Zuhörer eigentlich nur Geduldsproben, wenn nicht auch eine gewisse gesellschaftliche Dimension vorhanden wäre?


    Du hast da einen wichtigen Punkt angesprochen: Die Tendenz zur allgemeinen Verflachung. Ich beklage das nicht einmal, aber ich komme nicht umhin, es festzustellen.


    ;) ;)
    Manchmal beobachte ich das selbst bei Klassikliebhabern, die diese Musik nur geniesserisch auf unterhaltende, erheiternde Aspekte reduziert hören wollen...jaja :P
    Einem wahren Künstler wie z.B. Mozart ging es aber darum, die Leute nicht nur zu erheitern, zu trösten, in eine andere, harmonischere Welt zu entrücken, sondern sie eben auch zu erschüttern, aufzuschrecken und tief zu ergreifen - je nach Werk unterschiedlich.
    Das wird dann von manchen gerne und vorschnell als "ungeniessbar" hingestellt - als wenn man diese grosse Kunst auf den einseitigen Blickwinkel eines Gourmets reduzieren könnte. Dabei ist scharfes Essen doch auch sehr schön, vor allem wenn es hinterher ein süsses Dessert gibt... ;)


    Doch diese kleine, spitze und nicht wirklich böse gemeinte Bemerkung nur am Rande... ;)
    ;) ;)


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • puhhh, da habt Ihr ja mal wieder viel Wasser angerührt, müßte man mal ein bißchen Wein reinschütten...



    Aber jetzt geh ich erstmal zum Squaredance.


    Wein (oder Essig) gibt´s dann später.


  • Es gibt sicher noch ein Publikum, es muß ja nur selten vor leeren Sälen gespielt werden. Aber es ist vermutlich richtig, daß das Wachstum des Publikums keinesweg mit der (jedenfalls zwischenzeitlichen) Verbreiterung wohlhabender Schichten gewachsen ist, eher im Gegenteil. Und, das wird an deinen Beispielen deutlich, daß ein "mittleres Publikum" teilweise fehlt: Es gibt Deinen professionellen Kantor und dann die vielen, die man vielleicht mit populären Mischprogrammen a la Wunschkonzert locken kann, oder mal ausnahmsweise in der Weihnachtszeit; aber die eigentliche Trägergruppe sollte ja aus interessierten, enthusiastischen Laien bestehen. Nur Profis einerseits und Gelegenheitshörer andererseits ist zu dünn.


    Zitat


    Das ist einfach so.
    Ich glaube auch, dass der Wille und die Fähigkeit, wirklich zuzuhören, sehr selten (geworden??) ist.
    Selbst im Gespräch stellt man das immer wieder fest - am liebsten redet jeder von sich und seinen Dingen.
    Wieviel mehr gilt es dann für klassische Musik? Sind die Konzerte für einen Grossteil der Zuhörer eigentlich nur Geduldsproben, wenn nicht auch eine gewisse gesellschaftliche Dimension vorhanden wäre?


    Ja. Und diese Fassade ist eben auch schon abgebröckelt. Gewiß ist es erstmal nicht Sinn der Sache, ein Konzert aus Höflichkeit "abzusitzen". Andererseits bin ich gewiß nicht der einzige Anfänger gewesen, der früher viele (spätere Lieblings-)Werke als arge Geduldsproben empfand: der Trauermarsch der Eroica, Hammerklaviersonate, die Matthäuspassion, Wagner sowieso. Oft aufgrund der schieren Länge, aber auch aufgrund Dichte und Anspruch, und weil man eben hauptsächlich auf "schöne Stellen" gewartet hat. Selbst wenn man aber zuerst bloß aus Konvention oder Tradition (oder warum auch immer) die Geduldsprobe auf sich nimmt, so lernt man eben mit der Zeit die Konzentration und dann ist es irgendwann keine Geduldsprobe mehr.


    :hello:


    JR

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  • Zitat

    Original von John Doe


    Vor ca. 25 Jahren wurde mit der Einführung des Privatfernsehens damit begonnen, die Gesellschaft zu entpolitisieren und zu entbilden, um ideale Konsumenten und ideale Untertanen zu erhalten, oder anders formuliert, vor ca. 25 Jahren wurde damit begonnen, unsere Gesellschaft schlicht und einfach zu idiotisieren (in klassisch griechischem Sinne).


    John Doe


    Oh my...


    Privatfernsehen hat einfach mehr Optionen gebracht - wenn die breite Masse lieber Seifenopern und Spielfilme statt Dokumentationen, Weltuntergangsszenarien oder Polittalk sieht, dann ist sie nicht verblödet worden, sondern hat allenfalls endlich die Chance erhalten, ihre "Blödheit", die schon immer bestand, auszuleben.


    Bei mir verliert jedenfalls auch jedes Literarische Quartett und seine immer gleichen öden Erörterungen gegen einen beliebigen James Bond, der möglicherweise auch nicht so unglaublich varianterneiche Themen hat, diese aber sehr viel besser verpackt.


    Zitat GLockenton
    Manchmal beobachte ich das selbst bei Klassikliebhabern, die diese Musik nur geniesserisch auf unterhaltende, erheiternde Aspekte reduziert hören wollen...jaja
    Zitat Ende


    jawoll, ich zum Beispiel. Ich habe keinerlei Lust, mir von Musik, sogenannter bildender Kunst, Malerei, Theater oder sonstwem irgendeine Art von Sichtweise auf irgendwas aufdrängen zu lassen. Ich höre Musik - auch klassische - ausschließlich zum Vergnügen.


    Zitat Johannes Röhl
    Aber Priamos, Esau oder Beethoven wenigstens grob in den entsprechenden Kontext einordnen zu können, ist anscheinend ein völlig exotisches Wissen, von dem man nicht mal merken soll, daß es einem fehlt.
    Zitat Ende


    Bei Beethoven würde ich Dir ja noch zustimmen.


    Aber Esau oder Priamos haben keinerlei Relevanz in der heutigen Zeit, um die Tageszeitung zu verstehen, sollte man vielleicht besser wissen, was Quasare, Isotopen, Ionen, Deuterium und Exo-Planeten sind - und es ist sehr viel wichtiger, zu wissen, was ein Large Hadron Collider macht, als Cicero im Original lesen zu können.


    Klassische Bildung ist zum Großteil Gerümpel !!!


    Latein ist völlig über, Alt-Griechisch eh, und ich entbiete jedem Spezialisten, der seinen Job tut, meine Reverenz, gebildet oder nicht - Faselhänse gibt es fürwahr genug !!



    Zitat Lullist
    Wir hier sind Freaks - das muss man einfach einsehen. Diejenigen denen Musik eben nicht soviel bedeutet - und das können selbst Musiker sein ! - werden es nie verstehen warum wird im Schnitt 5000 CD's zu Hause stehen haben, warum ein Teil von uns alles daran setzt bestimmte Opern wenigstens einmal hören zu dürfen.
    Zitat Ende


    Ja, d´accord. Aber kein Grund, irgendeine Nase sowas von weit in die Wolken zu stecken, daß die Luft da oben schon verdammt dünne wird !!



    Zitat Hasenbein
    Es scheint also in weiten Teilen der Kulturlandschaft einen "blinden Fleck" des Qualitätsbewußtseins ausgerechnet bei der Musik zu geben.
    Zitat Ende


    Nicht d´accord. Es gibt durchaus Qualität in der nichtklassischen Musik. Die neue nichtklasssiche Musik ist zudem der aktuellen E-Musik gleich um Lichtjahre überlegen, was Unterhaltungswert, Emotionalität und Hörbarkeit angeht. Da darf man als "Klassiker" durchaus schon mal ein Stück Bescheidenheit üben.


    Wenn ich die Wahl hätte, dauerhaft entweder auf klassische Musik oder aber auf Pop, Rock, Blues und Jazz zu verzichten, würde ich mich GEGEN die Klassik entscheiden. Wie gut, daß es diese Alternativenwahl nie geben wird !!!


    Mir ist auch nicht so ganz klar, warum plötzlich so ein scharfer Gegensatz nötig zu sein scheint zwischen Klassik und "gebildet" zum einen und Nichtklassik und "blöd" oder allenfalls "scheingebildet" zum anderen. Das eine hat so gut seine Existenzberechtigung wie das andere. Sicherlich jedenfalls müssen sich Pop und Jazz weniger fragen, warum sie denn auf dieser Welt sind, als 12-Ton-Musik und Derivate.


    Zudem bin ich diesen elenden Kulturpessimismus gründlich leid. Scheinbar geht seit Jahrtausenden alles immer nur den Bach runter. Die alten Griechen müssen alle wahre Giganten gewesen sein. Und erstmal Ötzi !!


    Zugegeben, man kann man beobachten, daß in der jungen Generation durchaus überlebenswichtige analytische Fähigkeiten nicht mehr so ausgeprägt sind, wie das vielleicht wünschenswert wäre. Aber dafür haben unsere Kinder andere Qualitäten, sei es im kommunikativen Bereich (einen "erfolgreichen" Chat muß man auch erstmal hinkriegen), sei es bei der scheinbar mühelosen Bewältigung hochkomplexer visueller Strukturen (World of Warcraft).


    Gäbe es morgen keine klassische Musik mehr, die Welt würde sich dennoch weiterdrehen, der Regen würde weiterhin fallen, das Korn würde weiterhin wachsen und die Leute wären weiterhin fröhlich und fidel und würden Musik machen und hören. WIRKLICH fehlen würde tatsächlich NICHTS.


    Insofern sollte man den Stellenwert dessen, was wir hier immer wieder so ausführlich besprechen, vernünftig einzuordnen wissen.


    Eine "Pasttime", etwas, das man nach getaner Arbeit genießen kann, in das man sich hineinfallen lassen kann, das uns aufbaut und vielleicht sogar verzückt, das uns berührt und begeistert.


    Aber es ist dann im Endeffekt doch nur EINE von vielen Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Und es steht "us" nicht an, über die "them" die Nase zu rümpfen.

  • Oh my....


    Deine Aussage ist in weiten Strecken einfach nur erschreckend.



    Zum Glück sehen das doch viele völlig anders.... meine Güte. :no:



    aber ich versuche einmal darauf zu antworten




    Zitat

    Bei mir verliert jedenfalls auch jedes Literarische Quartett und seine immer gleichen öden Erörterungen gegen einen beliebigen James Bond, der möglicherweise auch nicht so unglaublich varianterneiche Themen hat, diese aber sehr viel besser verpackt.


    ja schade dass Du nicht beides wertschätzen kannst.
    Ich mag beides - ich habe meinen Spaß auch bei Al Bundy oder Bud Spencer und ne Stunde später erfreue ich mich an Händel oder Haydn.
    Ich hab da kein Problem mit.


    Zitat

    jawoll, ich zum Beispiel. Ich habe keinerlei Lust, mir von Musik, sogenannter bildender Kunst, Malerei, Theater oder sonstwem irgendeine Art von Sichtweise auf irgendwas aufdrängen zu lassen. Ich höre Musik - auch klassische - ausschließlich zum Vergnügen.


    Ich glaube ein Basiskurs in Sachen Kunst / Kultur wäre wohl doch mal nötig, da man es immer wieder spürt, das ein Großteil einfach nicht versteht was Sache ist - und das ist in der Tat schockierend.


    Es geht nicht darum eine Sichtweise aufzudrängen - soetwas tuen Kritiker, aber z. B. in der Kunst geht es darum, ein Stück der eigenen Welt zu zeigen, zu kommunizieren, Denkanstöße zu geben.
    Hier geht es nicht um Meinungen oder um gewaltsam etwas aufzudrängen, sonder einfach um einen Einblick in die Seele und die Gefühlswelt eines Menschen zu bekommen.


    Dein Statement ist ein völliges Verkennen von Kunst - das ist schade, dir entgeht soviel.


    Zitat

    Bei Beethoven würde ich Dir ja noch zustimmen. Aber Esau oder Priamos haben keinerlei Relevanz in der heutigen Zeit, um die Tageszeitung zu verstehen, sollte man vielleicht besser wissen, was Quasare, Isotopen, Ionen, Deuterium und Exo-Planeten sind - und es ist sehr viel wichtiger, zu wissen, was ein Large Hadron Collider macht, als Cicero im Original lesen zu können. Klassische Bildung ist zum Großteil Gerümpel !!!



    So eine Einstellung ist ebenfalls traurig, weil anstatt Du einfach Wissen sammelst - erklärst Du vorab alles alte als Mist und schenkst nur dem aktuellen Aufmerksamkeit.
    So stellt es sich da.


    Und dabei sind es gerade die klassischen Werke, das Gerümpel, das dem Menschen seine Ethik, seine Phylosophie, sein Selbstverständnis verliehen hat.
    Und diese Werke sind nach wie vor hoch aktuell - ließ sie mal, dann wirst Du anders denken.
    Diese Werke nicht zu kennen mag nicht weiter schlimm sein, wenn man beabsichtigt ein von Scheuklappen und Bedeutungslosigkeit geprägtes Leben zu führen.
    Will man aber seinen Geist öffnen - auch und gerade um die Kunst besser zu verstehen - oder sich selbst als Mensch - so kommt man an diesen Werken nicht vorbei.


    Zitat

    Nicht d´accord. Es gibt durchaus Qualität in der nichtklassischen Musik. Die neue nichtklasssiche Musik ist zudem der aktuellen E-Musik gleich um Lichtjahre überlegen, was Unterhaltungswert, Emotionalität und Hörbarkeit angeht. Da darf man als "Klassiker" durchaus schon mal ein Stück Bescheidenheit üben. Wenn ich die Wahl hätte, dauerhaft entweder auf klassische Musik oder aber auf Pop, Rock, Blues und Jazz zu verzichten, würde ich mich GEGEN die Klassik entscheiden. Wie gut, daß es diese Alternativenwahl nie geben wird !!!



    Das ist mit Verlaub Blödsinn.
    Du verstehst zeitgenössische Musik nur nicht - dann liegt das Problem aber allein bei Dir :D



    Und wenn Du Dich GEGEN die klassische Musik entscheidest, also über 2000 Jahre Musikgeschichte gegen 40 oder 50 Jahre Pop etc. eintauschen willst, dann bitte...wenn Du unbedingt mußt, aber bist Du dann in diesem Forum richtig ? :lips:


    Mich lässt Rock / Popp / Jazz / Volksmusik etc. emotional völlig kalt, es berührt mich auf gar keine Weise - obwohl bestimmte Emotionen hab ich doch: vor allem langeweile über die teilweise arg primitiven Strukturen, meist ja nur Kinderlied Niveau.
    Und bei Volksmusik eine Art von Ekel, der durch die ganze Performance wachgerufen wird.


    Ich hätte jedenfalls keine Probleme auf diese Art von Musik zu verzichten, nehme ich sie doch ohnehin nur gezwungener Maßen war.


    Zitat

    Mir ist auch nicht so ganz klar, warum plötzlich so ein scharfer Gegensatz nötig zu sein scheint zwischen Klassik und "gebildet" zum einen und Nichtklassik und "blöd" oder allenfalls "scheingebildet" zum anderen. Das eine hat so gut seine Existenzberechtigung wie das andere. Sicherlich jedenfalls müssen sich Pop und Jazz weniger fragen, warum sie denn auf dieser Welt sind, als 12-Ton-Musik und Derivate.



    Ich weiß nicht ob es klug ist so eine Behauptung in den Raum zu stellen
    und über den Wert oder Unwert einzelner Strömungen zu diskutieren.
    Damit wirst Du Dich garantiert in die Nesseln setzen.... aber probiere es ruhig, ich werde mich da raus halten :D


    Zitat

    Zugegeben, man kann man beobachten, daß in der jungen Generation durchaus überlebenswichtige analytische Fähigkeiten nicht mehr so ausgeprägt sind, wie das vielleicht wünschenswert wäre. Aber dafür haben unsere Kinder andere Qualitäten, sei es im kommunikativen Bereich (einen "erfolgreichen" Chat muß man auch erstmal hinkriegen), sei es bei der scheinbar mühelosen Bewältigung hochkomplexer visueller Strukturen (World of Warcraft).


    ich weiß nicht ob man Suchtverhalten (gerade WOW) als eine neue oder andere Qualität sehen sollte.
    Ich sehe das anders. Da diese Programme genau darauf ausgelegt sind.
    Das ist keine Errungenschaft, das ist eine wirkliche Gefahr.
    Zumal in den USA mittlerweile die ersten Entziehungsprogramme laufen (...)



    Das jemand auf Entziehung musste weil er zuviel Voltaire gelesen hätte oder Bach gehört, wäre mir doch neu :pfeif:



    Zitat

    Gäbe es morgen keine klassische Musik mehr, die Welt würde sich dennoch weiterdrehen, der Regen würde weiterhin fallen, das Korn würde weiterhin wachsen und die Leute wären weiterhin fröhlich und fidel und würden Musik machen und hören. WIRKLICH fehlen würde tatsächlich NICHTS.



    das meinst Du doch nicht ernst oder ?


    Wenn man sich dessen nicht bewusst wäre, dass es mal so eine Musik gab, dann würde ganz sicher in den nächsten 2000 Jahren eine ähnliche Musikgeschichte entstehen.


    da nn gieße ich auch mal etwas Öl ins Feuer :D:evil::D


    Wirkliche essentielle Musik und Kunst zu schaffen ist bei einem Teil der Menschen ein tiefes inneres Verlangen.
    Aber ich habe die Erfahrung gemacht, das gerade Mathematiker, analythische Wissenschaftler diese Art von Sinnlichkeit und Verlangen nicht verstehen. Das ist zwar pauschalisiert, natürlich mag es auch das gegenteil geben, aber so ist eben meine bisherige Erfahrung.




    Oder wie ich es mal sehr böse, stravinskymäßig formuliert habe:


    "Mathematik ist die Kunst der Phantasielosen" :untertauch:




    Nun ich nehme mal Deinen Beitrag als große Provokation um den Laden hier aufzumischen, aber ernst nehmen kann ich es nicht :beatnik:

  • Zitat

    Original von der Lullist



    Und wenn Du Dich GEGEN die klassische Musik entscheidest, also über 2000 Jahre Musikgeschichte gegen 40 oder 50 Jahre Pop etc. eintauschen willst, dann bitte...wenn Du unbedingt mußt, aber bist Du dann in diesem Forum richtig?


    Genau darauf habe ich gewartet.


    Wer nicht komplett für "uns" ist, muß offenbar gegen uns sein. Das ist exakt die Art von Inbrunst, die ich für falsch und teilweise auch für gefährlich halte. Wenn man seinen Erkenntnisgegenstand als alleinseligmachend betrachtet, wird man leicht zum Sektierer.


    Und auch inhaltlich liegst Du mit dem ja nicht ganz unbeeindruckenden Vergleich 2000 gegen 50 ein wenig schief - erstens sind es schon an die 100 Jahre, die der Jazz jetzt alt ist, zweitens dürfte die schiere Anzahl der Stücke, die in diesen 100 Jahren entstanden sind, durchaus mit der Anzahl der Stücke konkurrieren, die in den 2000 Jahren entstanden sind. Und längst nicht alles ist WDR 4 - Niveau (für die Nicht-Nordrheinwestfalen: unser Heimarmusiksender), schon gar nicht der Jazz.

  • nun ganz so böse wie Du das empfindest hab ich das gar nicht gemeint.


    Zitat

    Wenn man seinen Erkenntnisgegenstand als alleinseligmachend betrachtet, wird man leicht zum Sektierer.


    ja aber genau das tust Du ja gerade.
    Ich hingegen versuche meinen Erkenntnisstand ständig zu erweitern - und für mich ist das beständige lernen, das ansammeln von Wissen und Erfahrung in der Tat das wichtigste in meinem Leben.






    Ob eine Sekte gründe weiß ich noch nicht, mal sehen, ich lass es Dich wissen :D



    Zitat

    Und auch inhaltlich liegst Du mit dem ja nicht ganz unbeeindruckenden Vergleich 2000 gegen 50 ein wenig schief - erstens sind es schon an die 100 Jahre, die der Jazz jetzt alt ist, zweitens dürfte die schiere Anzahl der Stücke, die in diesen 100 Jahren entstanden sind, durchaus mit der Anzahl der Stücke konkurrieren, die in den 2000 Jahren entstanden sind. Und längst nicht alles ist WDR 4 - Niveau (für die Nicht-Nordrheinwestfalen: unser Heimarmusiksender), schon gar nicht der Jazz.


    ich glaube Du hast keine Ahnung wieviel bisher noch unentdeckt ist.


    allein von der Musik des Barock, die Opern sind gerade mal 10 - 20 % gesichtet.


    fast die gesamte italienische Opernliteratur des 17. Jh. sowie des 18. Jahrhunderts liegt immer noch in den Archiven.
    Einzig und allein sind bisher nur Monteverdi, Lully, Händel, Vivaldi und Rameau in Sachen Oper ausgelotet - und auch noch nicht wirklich vollständig.
    Die wichtigsten Opernkomponisten des 17. Jahrhunderts sind bisher kaum aufgeführt: Cesti, Caldara, Scarlatti, Steffani.... aber das kommt alles noch.



    Von Den Stücken für Cembalo, Laute, Gambe, Triosonaten, Kantaten (geistliche wie auch weltliche) Oratorien, Motetten will ich gar nicht erst reden.


    Dann die Musik der Renaissance, des Mittelalters, selbst aus dem 19, Jahrhundert und dem 20. Jahrhundert gibt es so dermaßen viel, was bisher nicht aufgeführt wurde und noch darauf wartet entdeckt zu werden.


    wenn allein Händel schon über 40 Opern schrieb, was ist dann mit den Komponisten Leo, Vinci, Hasse, Porpora, Pergolesi, Latilla, Jommelli, Traetta, Sartorio, Cesti, Caldara, Fux, Hidalgo, Francoeur, Dauvergne, Mondonville, de Mayo, Campra, Piccinni, Sacchini usw. die Liste ist scheinbar endlos


    Die spanische Musik der Barockzeit wird gerade erst sondiert, die russische und schwedische Musik zu erforschen hat gerade begonnen.
    Die Neapolitanische Opera Seria wird wohl jetzt demnächst eine Renaissance erleben.




    Deine Sicht über die Musikgeschichte würde ich also nochmal überdenken, das geht doch sehr an der Realität vorbei. ;)
    Warst Du je in einem Archiv und hast Dir mal nur den Bestandskatalog angesehen ? Solche Archive die also die Bestände alter Bibliotheken beinhalten gibt es in jeder alten Residenzstadt.



    nur weil etwas Heute vergessen ist, bedeutet das nicht gleich dass es Mist ist.



    Du hattest ja mal irgendwo geschrieben, dass Du nie mehr als 5 Euro für eine Klassik CD ausgeben würdest.
    Nun ja mit so einer Grundeinstellung ist es freilich schwer die Hauptwerke der Klassik kennenzulernen - erst recht das was nicht so im Mittelpunkt steht - gerade auch die Opern.


    Aber nur weil Du Dich weigerst in die nächste Straße abzubiegen, heißt das nicht, dass die Stadt da endet.



    Zitat

    Ja, d´accord. Aber kein Grund, irgendeine Nase sowas von weit in die Wolken zu stecken, daß die Luft da oben schon verdammt dünne wird !!


    ist ein Verbrechen auf das selbst erarbeitete Wissen stolz zu sein ?


    Über dünne Luft kann ich mich jedenfalls nicht beschweren, ich bewege mich grundsätzlich nur in solcher Gesellschaft, in der man ähnlich empfindet.


    Vielleicht ist uns auch die Luft in tieferen Gefilden einfach zu schmutzig :D

  • M-Müller, Dein Fehler ist, daß Du die Popmusik mit "Neuer Musik" vergleichst.


    Offenbar hast Du keine Ahnung von Neuer Musik, sonst wüßtest Du, daß es dort die verschiedenartigsten Musiken gibt, nicht nur Zwölftonmusik - und daß (wie in der Popmusik auch) dort Scharlatenerie wie hervorragende Kunst existiert.


    Wie wär's, und Du stellst mal den sinnvollen Vergleich an - nämlich die wirklich große klassische Musik von Bach bis Brahms der Popmusik gegenüberzustellen?


    Dann mußt Du doch auch anerkennen, daß die klassische Musik, wollte man mit Essen vergleichen, einem herrlichen Restaurantmenü entspricht, während Popmusik in der Regel mit einem Döner oder "Pommes Schranke" vergleichbar ist.


    Nicht daß ich nicht ab und zu auch mal ganz gerne Fast Food äße - aber diese heutigen Tendenzen, Niveauunterschiede (die z.T. gewaltig sind) zu leugnen, geht mir gewaltig auf den Keks und ist m.E. ein Teil des hier beklagten kulturellen Niedergangs, der tatsächlich existiert:


    Früher gab es tatsächlich, über die Gesamtbevölkerung gerechnet, "weniger" Kultur als heute, weil nur die obersten Zehntausend Zugang zur Hochkultur hatten.


    Heute hat im Prinzip jeder Zugang zur Hochkultur, dies hat jedoch bewirkt, daß die Kultur "proletarisiert" und nivelliert wird, da nicht das Höchste (wie damals bei den Adligen und Reichen) verbreitet wird, sondern das, was bei den meisten ankommt und am meisten Geld bringt. Außerdem werden die wirklichen künstlerischen Inhalte bei Musik und bildender Kunst immer mehr durch Brainfuck und verbale Messages ersetzt, die mit dem eigentlichen Kern (d.h. bei Musik der Arbeit mit Tönen & Rhythmen, bei Kunst der Arbeit mit Formen und Farben) nicht viel zu tun haben. Daher ist es berechtigt, von einem Niedergang der Kultur zu sprechen, obwohl es scheinbar viel mehr Kultur gibt.


    LG,
    Hasenbein

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    Original von der Lullist


    Du hattest ja mal irgendwo geschrieben, dass Du nie mehr als 5 Euro für eine Klassik CD ausgeben würdest.


    Das kann ich jedenfalls schon mal nicht geschrieben haben - der Durchschnitt meiner (inzwischen weit über 2000, davon mehr als die Hälfte Klassik) CDs wird schon ziemlich drüber liegen, wenn man auch bei so manchem Brillant-Schnäppchen weniger als 1 € pro CD bezahlt. Meine teuersten Einzel-CDs liegen so im Bereich knapp unter 30 €.

  • Zitat

    Privatfernsehen hat einfach mehr Optionen gebracht - wenn die breite Masse lieber Seifenopern und Spielfilme statt Dokumentationen, Weltuntergangsszenarien oder Polittalk sieht, dann ist sie nicht verblödet worden, sondern hat allenfalls endlich die Chance erhalten, ihre "Blödheit", die schon immer bestand, auszuleben.


    Sorry, aber die Hauptintention zur Einführung des Privatfernsehens war eben schlicht und einfach auf die Meinungsbildung innerhalb der Bevölkerung einseitig Einfluss nehmen zu können. Warum? Weil gewisse gesellschaftliche Umbaumaßnahmen durchgeführt werden sollten, die ohne Zuckerüberzug das gemeine Volk wohl so nicht geschluckt hätte.


    Mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen wäre das nicht gegangen, zeichnet sich doch dieses 1. durch einen rechtlich verankerten Bildungsauftrag aus und ist 2. über den Länder- und Parteienproporz demokratisch kontrolliert, was beim Privatfernsehen so nicht der Fall ist.


    Und wenn auch deiner Meinung nach Latein völlig über ist, ist das "cui bono ?" ist in dieser Sache erstaunlich aktuell. :pfeif:



    Zitat

    Aber Esau oder Priamos haben keinerlei Relevanz in der heutigen Zeit


    Wenn man in einer Gesellschaft nicht ihre Wurzeln pflegt, dann wird sie entwurzelt, wenn man nicht ihre Werte pflegt, dann wird sie wertelos als Vorstufe zu wertlos.
    Das was du da zum Besten gibst, lieber m - mueller, ist nihilistisch. :no:



    Zitat

    Klassische Bildung ist zum Großteil Gerümpel !!!


    Dieser Auffassung war man auch in jedweder Diktatur im 20. Jhdt. und in jedweder Dystopie.
    Sollte sie sich durchsetzen, dann rutschen wir alle miteinander auf voraufklärerisches Niveau zurück und dürfen nicht bloß den Kühlschrank sondern auch noch eine ganze Menge sozialer Erkenntnisse neu erfinden. :D



    Zitat

    und ich entbiete jedem Spezialisten, der seinen Job tut, meine Reverenz, gebildet oder nicht


    In der Antike sind diese Leute als "idiotes" bezeichnet worden, im 20. Jhdt. waren sie dann die willfährigen Vollstrecker. D. h. auch Rudolf Höß war seinem Selbstverständnis nach nur ein Spezialist, der seinen Job tat. Ganz konkret nachzulesen in seinen Memoiren als Lagerkommandant von Auschwitz.



    Zitat

    um die Tageszeitung zu verstehen, sollte man vielleicht besser wissen, was Quasare, Isotopen, Ionen, Deuterium und Exo-Planeten sind


    Was liest du für eine tolle Tageszeitung? Im Bayerwald Echo, was die meinige ist, steht so etwas nicht drin!
    Wenn ich mich diesbezüglich informieren möchte, dann schau ich mir Bayern Alpha an, übrigens öffentlich rechtlich! :pfeif:



    Zitat

    Wenn ich die Wahl hätte, dauerhaft entweder auf klassische Musik oder aber auf Pop, Rock, Blues und Jazz zu verzichten, würde ich mich GEGEN die Klassik entscheiden. Wie gut, daß es diese Alternativenwahl nie geben wird !!!


    Dass du heutzutage noch diese Möglichkeit hast, hast du einzig und allein den Zeiten zu verdanken, in denen Klassik einen höheren Stellenwert gehabt hat. Würde dir nur das Zeug der letzten 10 Jahre zur Verfügung stehen, wäre das Angebot schon deutlich schmaler.



    Zitat

    Zudem bin ich diesen elenden Kulturpessimismus gründlich leid. Scheinbar geht seit Jahrtausenden alles immer nur den Bach runter.


    Ist das kulturpessimistisch, wenn man ein erreichtes Level, den status quo halten und auf diesem aufbauen will?
    Ist das kulturpessimistisch, wenn man den status quo ante nicht als Fortschritt, sonder als das was er ist, nämlich als Rückschritt wahrnimmt?


    Genau zu diesem Zweck ist doch Bildung und Kultur da: Dass einem nicht die olle Kamelle von Vorvorgestern als das neueste von Morgen untergejubelt werden kann.



    Zitat

    Die alten Griechen müssen alle wahre Giganten gewesen sein.


    Wäre Konstantinopel im Frühmittelalter als Sieger hervorgegangen, wären die Chancen dafür nicht schlecht gestanden, dass die technische Revolution 100 bis 150 Jahre früher begonnen hätte.
    D.h. es ist verdammt viel verloren gegangen, das in späteren Zeitaltern wieder sauer hat neu gelernt werden müssen.



    Zitat

    Gäbe es morgen keine klassische Musik mehr, die Welt würde sich dennoch weiterdrehen, der Regen würde weiterhin fallen, das Korn würde weiterhin wachsen und die Leute wären weiterhin fröhlich und fidel und würden Musik machen und hören. WIRKLICH fehlen würde tatsächlich NICHTS.


    Wow! Ich bin beeindruckt ob dieses Nihilismus. Nehme ich klassische Musik als Platzhalter für irgendeinen anderen Begriff oder für irgendeine Person oder Personengruppe her, dann stimmt deine Aussage immer noch.


    Was bleibt denn, vorausgesetzt dass überhaupt was bleiben soll?
    Was ist denn vom Colloredo geblieben und vom Arco? Was ist denn von der ganzen Epoche geblieben? Doch nur Mozarts Musik (verkürzt dargestellt)! Ölschinken aus dieser Epoche sind in der Regel schon ziemlich rissig, die Bauwerke sind die meisten schon wieder weggerissen und einen Wein aus dieser Zeit würde ich auch nicht mehr trinken. Einzig die Musik ist frisch wie am ersten Tag.
    Und von den Griechen, die ja gänzlich out sind, was ist von denen geblieben? Ein paar alte Säulenstümpfe und zerbröselnde Statuen, die Ilias und die Odyssee (Holywood!), die Sätze vom Pythagoras und vom Thales, die euklidische Geometrie (das ist schon noch aktuell, oder?) und Platos immer noch nicht beantwortete Frage nach der Gerechtigkeit.
    Vorausgesetzt es soll was bleiben, soll nämlich nichts bleiben, dann ist doch grundsätzlich alles wurst, dann kann ich nur noch sagen: Lasst uns die Schuhe ausziehen und rauf auf die Bäume, auf dass wir dort endlich wieder Bananen mit den Zehen essen können! :hahahaha:


    Frage an dich: Kennst du Aldous Huxleys Schöne Neue Welt? Wenn ja nimmst du dieses Buch als eine Utopie oder eine Dystopie wahr?


    Viele Grüße
    John Doe

  • In Eurer arroganten Diskussion fehlt jetzt eigentlich nur noch der Begriff "entartet" :no:


    Ihr tut diesem Forum echt keinen Gefallen.

  • Nein, diese Diskussion ist nicht arrogant.


    Bitte komm nicht mit diesem komischen Totschlag-"Argument" Nazizeit.


    Es stellen hier nur welche fest, daß man deutliche Qualitätsunterschiede bei Musik feststellen kann und daß Klassik in dieser Hinsicht sehr deutlich die Nase vorn hat gegenüber dem meisten, was es im Popsektor so gibt.


    Das ist eine simple Tatsache.


    Ich meine, wenn jetzt jemand hergeht und sagt, die handgefertigten, künstlerisch gestalteten Möbel seiner Lieblingsfirma seien besser (sowohl vom Aussehen als auch von der Fertigungsqualität) als das, was man bei Ikea oder Unger kauft, dann bezeichnest Du ihn ja auch nicht als arrogant.


    Diese Qualitätsunterschiede bei Musik leugnen kann nur einer, der keine Ahnung hat, sorry. Und das sage ich als einer, der selber Musiker ist und weder mit Klassik noch Pop auftrete, sondern mit Jazz (wobei ich mich mit den anderen Musikstilen auch ausführlich auf professionellem Level beschäftigt habe, sie nur in der Regel nicht aufführe).


    Und dieses oft gehörte Argument "Ja, aber diese Musik, die ihr als nicht so hochwertig bezeichnet, gefällt mir nun mal sehr gut und gibt mir sehr viel, deswegen kann man sie doch nicht als schlechter bezeichnen" gilt auch nicht. Denn jemand, der immer am liebsten Pommes, Döner und Fischstäbchen ißt und sich aus Sternerestaurants nichts macht, muß trotzdem anerkennen, daß in Sternerestaurants das bessere Essen gemacht wird.


    LG,
    Hasenbein

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    Original von hasenbein
    Denn jemand, der immer am liebsten Pommes, Döner und Fischstäbchen ißt und sich aus Sternerestaurants nichts macht, muß trotzdem anerkennen, daß in Sternerestaurants das bessere Essen gemacht wird.


    LG,
    Hasenbein


    Guter Vergleich.


    Besser in Bezug worauf? Schmecken tut´s ja offensichtlich nicht so gut. Also besser, weil teurer? Mehr Kalorien?? Ähhh - weniger Kalorien?? Größere Portionen? Ähhh - kleinere Portionen? Mehr Vitamine? Weil der Kellner in Livree rumsaust? Der Somelier ein spezielles Korkenzieherchen hat und der Korken nur leise aus der Flasche ploppt? Der Koch das Fünffache verdient? Der Restaurantbesitzer das Zehnfache? Auf der Speisekarte (täglich neu) irgendein Zeug mit AN irgendeinem anderen Zeug angeboten wird?


    Ich war frisch in meinem ersten Job in der Industrie und wurde gleich zu einer Konferenz nach Madrid geschickt, Konferenz fand im zweitbesten Hotel der Stadt statt. Das Essen bestand tatsächlich aus verschiedenen Hau die Cuisine-Stoffen, die mir nicht schmeckten, insofern schonmal Voraussetzungen erfüllt. Und nach drei Tagen habe ich dann auch die Flucht ergriffen und bin auf Pommesbudensuche gegangen, ein Unterfangen, das in Madrid nicht so schnell mit Erfolg gekrönt wird.
    Hab´s aber offensichtlich überlebt.


    Nun stelle ich möglicherweise ja das Epitom eines Prolls dar. Insofern möchte ich dann doch die Gültigkeit des Restaurantbeispiels für die Musik in Abrede stellen, nicht, daß mir meiner fehlender Geschmack beim Essen als Vorbote des fehlenden Musikgeschmacks ausgelegt wird - gg


    Natürlich kann man nicht die Klassik als Sternerestaurant ausgeben und Pop oder Jazz als Pommesbude. Daß Klassik die Nase vorn hat, ist eine so simple Tatsache nicht. Man könnte die verschiedenen Musikrichtungen allenfalls mit verschiedenen Kochstilen vergleichen, Italienisch hier, Britisch dort (nein, nicht Britisch - sagen wir Französisch...). Widerleg das doch mal mit etwas substantielleren Einlassungen.

  • Klar, jeder Vergleich, und ein solcher schon besonders, hinkt 8)


    Aber Jazz ist auf keinen Fall Pommesbude.


    Jazz ist so dazwischen - sagen wir, der Italiener um die Ecke, bei dem's trotz der recht niedrigen Preise immer lecker schmeckt :D


    Und ich behaupte: Jeder, der sich in seinem Leben ernsthaft mit Klassik beschäftigt hat, wird mühelos anerkennen, daß deren Qualität höherstehend ist. (Nicht der Stil ist höherstehend - sondern die großen Werke der großen Komponisten sowie die großen Klassikinterpreten. Selbstverständlich gibt es unter dem weitgefaßten Label "Klassik" auch schlechte Werke und schlechte Spieler, die meine ich aber natürlich nicht.)


    Nur Leute, die herzlich wenig über Klassik wissen, können das in Abrede stellen.


    Lies mal das überaus empfehlenswerte Buch "Die gestaltenden Kräfte der Musik" von Ernst Toch.


    http://www.amazon.de/Die-gesta…oks&qid=1252865100&sr=8-1


    Übrigens ein sehr schönes, wirklich mit Herz geschriebenes Buch, das Thomas Mann auch sehr gefallen hat!


    Wenn Du das durch hast (bzw. wenigstens die ersten Kapitel gelesen hast, nachher wird's doch ein wenig spezieller), dann können wir gerne über die Qualitätsfrage weiterreden :beatnik:


    LG,
    Hasenbein

  • Ach so, außerdem hätte ich gerne mal von allen, die hier die qualitative Überlegenheit der Klassik gegenüber dem Pop anzweifeln, bitte mal ein konkretes Beispiel für ein Popstück oder auch ein Pop-Album, das ihrer Meinung nach qualitativ genauso hoch anzusiedeln ist wie eine typische Bach- oder Beethovenkomposition!


    Da bin ich mal gespannt! :lips:


    LG,
    Hasenbein

  • Hallo Hasenbein,


    ich kenne da nichts, insofern Zustimmung.



    Zum Thema Pop/Rock/Jazz im Vergleich zur Klassik:


    Es gibt Gemeinsames und Trennendes.


    Zunächst das Gemeinsame:


    Wenn wir über über gute Pop/Rock/Jazzmusik reden, dann gibt es bei der natürlich auch einen hohen Standard hinsichtlich Perfektion, gute harmonische Progressionen, Voicings/Stimmführungen, Groove, Melodie, improvisiertes Solospiel, Stilreinheit- und Vielfalt, Zusammenspiel ( z.B. Bass und Drums) u.v.m.
    An einen guten Jazzer ( z.B. Peter Weniger, Saxophon, Til Brönner, Trompete,.....), Rocker ( z.B. alle TOTO-Leute) oder Popmusiker ( z.B. Dieter Falk bei seinen eigenen Soloplatten) werden ebenfalls enorme Anforderungen gestellt:
    Als Studiomusiker bekommt er "nur" ein Leadsheat ( keine fertigen Noten) und muss nach ein paar Minuten perfekte und inspirierte Musik entsprechend dem geforderten Stil einspielen.
    Viele der Leute, die ich aus dem Bereich kennenlernte, waren den mir bekannten "Nur-Klassikern" gerade in Sachen Timing/Rhythmus weit überlegen. Auch im Bereich des freien Spiels, der Erfindungsgabe als Arrangeur oder Komponist können sie oft mehr - natürlich nicht immer.
    Ich las irgendwann einmal von Pianoprofessoren, die nicht mehr auf Geburtstagspartys gingen, weil sie da immer ohne Noten "Happy Birthday" spielen sollten, was sie ohne entsprechende Übung nicht einfach so konnten. Wenn ich sage, dass mir Leute bekannt sind, die wahnsinnig schwere Chopin-Sachen runterdonnern können, aber für die gleichzeitig ein Klavier ohne Fremdnoten nur noch ein Möbelstück ist, dann übertreibe ich nicht.


    Andererseits müssen und können sich klassische Interpreten viel stärker in die Feinheiten des Vortrags und des "Geistes" einer Komposition einleben und sich darin ausdrücken, als die anderen - was jetzt notgedrungen eine unscharfe, nicht immer treffende Formulierung ist.


    Qualität in handwerklicher und auch künstlerischer Hinsicht kann also sowohl bei der Klassik als auch bei den anderen Genres gefordert sein.


    Jetzt das Trennende:


    Die Klassik will nicht nur unterhalten ( Rossini etc. sind da Ausnahmen) , sondern auch belehren und bewegen, nicht selten sehr tief bewegen.
    Bei allem Anspruch bleibt auch die best gemachteste Jazz- oder Rockplatte doch stärker am Unterhaltungswert. Nicht ohne Grund werden Konzerte guter Jazz- oder Rockbands gerne auch als Shows bezeichnet.
    Diese Musik geht nicht so tief in die Seele wie z.B. das Requiem von Brahms und will das auch nicht.


    Die Kriterien für Qualität sind natürlich schwer zu definieren, ohne das irgendeiner im Internet daherkommt, um es anschliessend anzuzweifeln und auseinanderzunehmen. Trotzdem gibt es sie. Darauf einzugehen würde mir hier aber in Arbeit ausarten....worauf ich jetzt keine Lust habe.


    Soll man handwerkliche Qualität anführen?
    Das 6-stimmige Ricercar aus dem Musikalischen Opfer von Bach ist ein gutes Beispiel von unerreichter, handwerklicher Qualität.
    Über so ein schweres, chromatisches Thema überhaupt Fugen und Kanons zu schreiben, ist ja schon extrem schwer genug. Aber dann das...
    Und es ist auch noch eine enorm ausdrucksvolle Musik, die für eine Finalsteigerung nur Harmonie/Melodie/Rhythmus braucht, jedoch keine Effekte wie Paukenwirbel oder sonst etwas.
    Selbst diese Musik ist für den, der Zuhören kann, sehr unterhaltend - aber eben nicht nur. Da gibt es noch viele andere Ebenen, die es nur hier gibt.


    Wenn es jedoch um billige Chartmusik geht, dann kann man schon erkennen, dass es hier nur ums Geldverdienen, nicht aber um die Produktion von Qualität geht. Solche produzierten Töne sind derart flach, dass mir jeder Gedanke daran als Zeitverschwendung erscheint.


    Ansonsten möchte ich mir ersparen, auf m-muellers Beiträge direkt einzugehen.
    Will er hier nur aufmischen/provozieren, oder was fehlt da eigentlich? Fast fürchte ich, dass er wirklich meint, was er sagt.


    Aus meinem Text hat er jedenfalls einen Abschnitt zitierend herausgezogen und darauf falsch reagiert, was ich schon korrigierend anmerken möchte.
    Ich bezog mich sehr augenzwinkernd auf das gewünschte Bild einer Mozartinterpretation, dass einige mir bekannte Taminos (bekennende Klassikfans) haben.
    Mir davon ausgehend nun eine generelle Verteufelung des Unterhaltenden mehr oder weniger unterschwellig in den Mund zu legen, ist entweder nur ein Missverständnis ( nur oberflächlich gelesen), bewusstes Provozieren durch absichtliche Sinnentstellung, oder noch Irgendetwas....


    Ich höre übrigens niemals privat klassische (barocke etc.) Musik, wenn ich sie nicht auch gleichzeitig sehr unterhaltend finden würde.
    Es ist aber so, dass man bei "der Klassik" meistens nicht nur unterhalten (ergötzt) wird, sondern gleichzeitig auch "belehrt" und "erbaut", um es einmal mit Ausdrücken aus dem typischen Vokabular der Barockzeit zu belegen.


    Doch die eigentliche Frage war ja, ob die klassische Musik in sich elitär sei, bzw. nur von einer gebildeten Elite gehört und verstanden wird.
    Man muss sich schon etwas damit beschäftigen, um sie zu verstehen und zu mögen. Je näher man sich mit guter Musik beschäftigt, umso mehr mag man sie meistens auch. Gerade das, was einem anfangs nicht so eingängig erscheint, wird nach einiger Zeit oft zu den absoluten Lieblingsmusiken gerechnet.

    Im reichen Haus geboren zu sein, ist zum Glück keine elitäre Voraussetzung; wenngleich auch die Tatsache, dass man grundlegende Bedürfnisse befriedigt hat, eine gute Voraussetzung dafür sein wird, dass man überhaupt willig ist, sich mit Kultur etc. zu beschäftigen.
    In vielen Fällen läuft es dann doch darauf hinaus.


    Doch darüber sprachen wir ja schon....


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von hasenbein
    Ach so, außerdem hätte ich gerne mal von allen, die hier die qualitative Überlegenheit der Klassik gegenüber dem Pop anzweifeln, bitte mal ein konkretes Beispiel für ein Popstück oder auch ein Pop-Album, das ihrer Meinung nach qualitativ genauso hoch anzusiedeln ist wie eine typische Bach- oder Beethovenkomposition!


    Da bin ich mal gespannt! :lips:


    LG,
    Hasenbein


    nun gut, ein paar Beispiele:


    Kriterium: Einfach nur gute Musik:
    Eva Cassidy, Over the Rainbow - m.E. auf Augenhöhe mit den besten Arien und ihren Interpretationen (auf youtube in hoher technischer Qualität anhörbar) - und Cassidy´s Alben haben alle eine sehr hohe musikalische Qualität


    Mary Black - Moon River: Daß die Melodie einfach ist und die Begleitung nicht üppig, schadet m. E. nichts, das Stück ist atmosphärisch dicht und sehr emotional.


    Deep Purple: Child in Time


    Man kann diese Stücke natürlich nicht mit dem Ricercare vergleichen. Aber das wäre ja auch Äpfel mit Birnen - mit Arien oder Liedern aus der Schönen Müllerin kann man Cassidy und Black durchaus vergleichen.


    Kriterium komplexe Rhythmen: Unsquare Dance, Dave Brubeck (7/4- Takt) und natürlich das unsterbliche Take five mit Joe Morello am Schlagzeug, Pink Floyd, Atom Heart Mother, Ummagumma,
    das ganze Album von Avishai Cohen: At Home,
    Barbershop



    Kriterium Virtuosität:
    Al di Meola, Paco de Lucia: Friday Night in San Francisco (youtube)



    Liste könnte man beliebig fortsetzen.


    Ich habe jetzt hier natürlich das Problem, das ich auch nicht lösen kann, daß es für die Beurteilung von Musik eigentlich keine vernünftigen Kriterien gibt, außer die eigenen Ohren. Insofern kann man eigentlich grundsätzlich nicht das Ricercare mit irgendetwas vergleichen, da es geschrieben wurde, um den preussischen König zu beeindrucken, und Bach hat dort sicherlich eine seiner reifsten und ausgefeiltesten Arbeiten abgeliefert. In Bezug auf Durchkonstruiertheit und Komplexität kommt ihm wohl nur die Kunst der Fuge gleich. Außerdem bin ich nicht ganz die richtige Person dafür, Bach zu kritisieren oder seine Werke im Vergleich zu anderen auf den zweiten Rang zu setzen.


    Es ging allerdings ursprünglich auch weniger darum, die Popmusik gegen die Klassik zu verteidigen, sondern darum klarzustellen, daß Klassikhörer keinen Grund haben, sich gegenüber Nichtklassikhörern als Elite zu fühlen. Die Popmusik und auch der Jazz haben ihre eigene Qualität, und wenn überhaupt, muß man sie mit den ihnen angemessenen Kriterien beurteilen (wenn es das denn gibt) und kann nicht die Klassikkriterien (die es eigentlich auch nicht konsistent gibt) überstülpen. Die einfache Michelin-Rangreihe "Kein Stern" = Pop, "ein Stern" = Jazz, mehrere Sterne = Klassik halte ich dann doch für ziemlichen Blödsinn.


    Vielleicht noch ein Wort zum Begriff "Unterhaltung". Das schließt durchaus ein, daß man sich gepackt und aufgewühlt fühlt. Das genau ist eh die beste Unterhaltung, eine Film, eine Musik, die einen emotional mitnimmt und bewegt, das hat nichts, aber auch gar nichts mit Heintje, Heino oder Dieter Bohlen zu tun.


    So, jetzt hab ich noch die üblichen Verdächtigen abgewatscht, vielleicht nimmt man mal jetzt meinen Beitrag so, wie er geschrieben und gemeint wurde, nämlich als Petitum für eine etwas bescheidenere Attitüde der selbsternannten Elite.

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