Musik der Moderne - Eine Sackgasse (?)

  • Liebe Forianer


    Zum einen um den Thread:


    Beethovens Sinfonien: Interpretationen und Irrwege


    zu entlasten, zum andern auch mal heiklere Themen zur Sprache zu bringen, ist dieser soeben von mir gestartete Thread gedacht, der ein Versuch ist auch mal (moderat) härtere Diskussionen zuzulassen, wobei ich um eisernste Selbstdisziplin ALLER Beteiligten bitte - und um höchste Aufmerksamkeit der Moderation mit hoher Löschbereitschaft bei Entgleisungen jeglicherArt (darunter sind persönliche Beleidigungen und Herabsetzung von Personen gemeint) Moderatoren haben natürlich auch eine Meinung zu diesem Thema, jedoch werden sie unabhäng von persönlichen Vorlieben und Abneigungen vor allem die Form im Auge behalten in der formuliert wird.



    Worum geht es?


    Liebestraum hat in ungewöhnlich scharfer Form die Musik der Moderne angegriffen, andere haben sie verteidigt.


    Wir müssten sicher mal definieren ab wo die Moderne (nicht die "klassische" Moderne") anzusetzen ist, aber das mag von Fall zu Fall verschieden sein.


    Ich bin in dieser Sache durchaus parteiisch - und schließe mich der Meinung von Liebestraum an, daß die Musik der Moderne mehrheitlich abgelehnt wird, wobei dieses Forum kein Maßstab sein kann - weil es "radikale Musikfreunde" aller Lager vereint.


    Halten wir uns immer vor Augen, daß unsere persönlichen Geschmäcker nichts mit unserer gegenseitigen Wertschätzung zu tun haben, ich schätze etliche Bewunderer der Moderne ob ihres Geistes, ihrer Art, ihres Humors, ihres Schreibstils - ohne jedoch je ihre Meinung auch nur in Ansätzen zu teilen.


    Kommen wir zum Threadtitel und zum Inhalt dieses Threads (er wird bei Übergriffen streng moderiert - und notfalls auch geschlossen)


    Es gäbe viele Möglichkeiten dieses Thema zu eröffnen - Ich greife hier Liebestraums Credo auf, der behauptet, moderne Musik werde von einigen wenigen mit Gewalt am Leben erhalten, ohne je den Beifall der Mehrhaeit (hier meine ich der Klassikwelt !!) erringen zu können. Diesem Standpunkt kann ich mich anschliessen


    Er meint, diese Musik werde dereinst vergessen sein- und in den Archiven verschwinden - Hier nehme ich zwar an, daß es so sein wird - wage aber keine Prognose.


    Ich weise darauf hin, daß ein weiterer Thread geplant ist, der den Titel
    "Die Moderne - Was kommt danach" tragen soll, welcher sich mit der Postmoderne, bzw Alternativen dazu, befassen soll.


    Ich hoffe auf einen gehaltvollen und interessanten Thread.


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • hallo, alfred,


    hatten wir diese thematik über die jahre nicht schon zu genüge? ?(


    mich langweilt bzw. nervt das langsam gewaltig - wie diese ewige karajanitis in so vielen threads oder die pro/contra-regietheaterei ...immer und immer wieder der austausch der gleichen argumente ... :kotz:


    aber, wenn das bedürfnis zur diskussion eben da ist ...will ich nicht dagegen stehen ... :no:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber Alfred,
    ich bin nicht der Überzeugung, daß Musik oder Kunst im Allgemeinen mehrheitsfähig sein muß. Das ist kein Kriterium. Die Musik von E.T.A. Hoffmann wird es ebensowenig werden wie die von Ries. Warum sollte es die von Nikolai Peiko, Aulis Salinen oder Andrzej Panufnik werden?


    Wir werden es wohl kaum verhindern können, daß wir zuweilen Musik hören, die wir grauslich finden. Das Radio können wir ausschalten, Konzertprogramme sind da schon schwieriger.


    Tatsächlich ist aber jedes Musikhören ein Appell an unsere eigene Flexibilität zur Auseinadersetzung. Das zeigt je allein der Beethoven-Thread.


    Ich glaube auch nicht, daß Wertschätzung von Musik ausschließlich etwas mit Geschmack zu tun hat Eher mit Hörsozialisation und Hörpsychologie. Sonst könnte die Diskussionen hier gar nicht so hoch kochen.


    Und ich glaube schon, daß beharrliches Vorstellen von nicht ganz so prominenter Musik Interessen weckt: Riquaforts Requiem habe ich mir dank Thomas Salisburgensis zugelegt.


    Daß es Musik geben mag, die über uns hinausweist und die wohl erst unsere Enkel verstehen werden, nun das wäre nu wirklich nicht neu.


    Eine Sackgasse sehe ich jedenfalls nicht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hm...


    Also zunächst mal glaube ich, dass "Musik der Moderne" ein sehr weites Feld ist, also wachsen auf diesem Feld naturgemäß auch viele ziemlich unschöne Pflanzen. Aber eben nicht nur.
    Es wäre vielleicht übertrieben, wenn man behaupten würde, dass die Musik nach 1950 dermassen vielfältig ist, dass man bei allem, was man über sie sagen kann, auch immer das Gegenteil behaupten könnte.
    (Wie das etwa bei "der klassischen Musik" an sich der Fall ist.)


    Aber ... trotzdem müsste man, denke ich, zunächst mal darauf hinweisen, dass nicht alles, was man der Moderne zuordnen kann, deren Clichees entspricht. Also zwischen Messiaen und Ligeti liegen doch ein paar Welten, oder? Geschweige denn zwischen Silvestrov und Stockhausen.
    Wobei ich jetzt nicht in eine "Moderne Musik, die noch halbwegs eingängig ist"-Liste rennen will.
    (Notiz für mich: "Schlagzeug-Symphonie" von Tüür kaufen.)


    Aber nunja:
    Dass die Formen der Moderne mehrheitlich abgelehnt werden, glaube ich auch. Beispielhaft dafür wäre, dass einem ja teilweise nicht mal geglaubt wird, dass man "diese Musik" mögen würde. :D


    Und ... ich glaube auch, dass die Halbwertszeit der Mozart-Sonaten ins Unendliche geht, die der Boulez-Sonaten aber nicht unbedingt. Wobei es auch hier der Fall seien könnte, dass es immer eine kleine Minderheit innerhalb der Minderheit geben wird, die auch daran Gefallen finden werden.


    Wenn man diese zwei Ansichten teilt, dann stellt sich natürlich die Frage, warum das so ist.
    Man könnte behaupten, dass jemand, der Boulez nicht mag, einfach zu dumm ist, um ihn zu verstehen. (Sollte sich dabei aber komplizierter Ausdrücken.) Ich würde ein Argument, dass in die Richtung Beschäftigung, Konzentration, Vorbildung et cetera geht niemals per se als "arrogant" abtun, aber ich glaube, dass viel Schlimmer als Arroganz (die ja trotz der Tatsache, dass sie wenig sympathisch bleibt, einen richtigen Sachverhalt ausdrücken kann) einfach die Behauptung von etwas Unwahrem ist und ... naja. Es gibt sicher Operngänger, die ein paar wohlklingende Namen aufschnappen und sich von süßlichen Melodien, deren Schöpfer sie nicht so genau kennen und nicht kennen wollen, etwas verzaubern lassen wollen. Bleibt aber die Frage, wie groß dieser Anteil ist und ... bei jemand wie dir Alfred (du musst jetzt leider mal als Beispiel herhalten) kann man ja davon ausgehen, dass du dich schon zu Genüge mit der klassischen Musik auseinandergesetzt hast und bis zu einer gewissen Grenze (1950?) viel mit ihr beschäftigt hast, sie auch lieb gewonnen hast und daraus kann man wohl schließen, dass die Lektüre irgendeines "Keine Angst vor neuen Töne"-Buches nicht für ein musikalisches Heureka! sorgen würde.
    Und der Anteil an Leuten, die ebenso als Beispiel herhalten könnten, ist sicher nicht gering, wobei man an der Stelle über die Zukunft der Klassik-Hörer diskutieren könnte und ob es unter Umständen eine Entwicklung gibt, dass Menschen entweder gar keine Klassik hören, oder dass sie richtige Liebhaber werden. Die Grauzonen und die in der Mitte verschwinden ja momentan auch in ganz vielen anderen Bereichen.


    Und ... ich gebe zu, dass ich manchmal denke: Le Nozze di Figaro ist nicht einfach nur "anders" als die Elegie für junge Liebende, sondern sie ist BESSER und insofern völlig zu Recht berühmter und beliebter.


    Eine Sackgasse ist ja auch etwas, das nicht weitergeht, aber ... möglicherweise kommt das Problem von genau der anderen Seite, ist sozusagen eine Paradox, weil der permanente "Fortschritt" die eigentliche Sackgasse darstellt. In der nicht-klassischen Musik gibt es relativ geringe Weiterentwicklungen und die größten Erfolge haben Bands, die ähliche Stilprinzipien anwenden wie beispielweise die Rolling Stones.


    Und ich glaube, dass große Teile der Moderne den vermeintlichen "Fortschrittsgedanken", das permanente Streben nach etwas "Neuem" überbewertet haben, denn etwas Neues ist nicht per se zu begrüßen und man sieht ja auch ausserhalb der Musik, dass das ständige Streben nach (vermeintlicher) "Erneuerung" nicht immer nur gute Konsequenzen hat.
    Oje. :D Äh: Bevor ich jetzt ein kulturpessimistisches Pamphlet verfasse, worauf ich hinauswill: bestimmte Erfindungen, besser: Entdeckungen innerhalb der Moderne zollen vielleicht Respekt, aber ... obwohl ich glaube, dass ein Verlangen nach Rhytmus und Melodie unglaublich komplexe Formen annehmen kann und zu unser aller Glück nicht bei afrikanischem Trommelgewirbel und Ghetto-Hip-Hop stehen bleiben muss, gibt es bestimmte Grenzen, über die nur die Wenigsten hinaus möchten.


    Wobei dann natürliche die Frage ist, wer will warum über diese Grenze, womit sich der Kreis schließen würde.
    Allerdings wäre dann natürlich die Frage, inwiefern die Atonalität eine logische Weiterentwicklung war, oder ob sie nicht viel mehr war.


    Ich meine: ich liebe (den späten) Schönberg heiß und innig, obwohl -oder gerade weil- ich seine Musik nicht "verstehe", das gleiche gilt etwa für den oben angesprochenen Ligeti, aber auch für die Neo-Klassizisten und natürlich für Messiaen, den zu verorten mir ziemlich schwer fällt.


    Jetzt hör ich mal zu schreiben auf.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Die Meinung, daß die Musik der Moderne von der Mehrheit abgelehnt wird, vertrete ich ebenfalls. Ohne mich zum Verteidiger der Moderne aufschwingen zu wollen (eine Rolle, die mir wohl eh keiner abnehmen würde :D), verweise ich auf das Schiller'sche Zitat, die Mehrheit betreffend: "Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, / Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen." Die Mehrheit kann sich also durchaus irren, wenn sie diese Musik ablehnt. Ich selbst kenne die Musik der Moderne viel zu wenig, als um ein objektives Urteil fällen zu können. Die Sachen, die ich kenne (oft nicht mal namentlich, da sie mich - gelinde gesagt - nicht vom Hocker hauten, um sie mir deswegen einzuprägen), empfang ich meistens als an der Schmerzensgrenze des Erträglichen. Insofern tendiere ich in diesem Fall mal ausnahmsweise zur Meinung der Mehrheit, gleichwohl wissend, daß ich der Moderne damit Unrecht tun könnte. :pfeif:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Möglicherweise gibt es schon längst Auswege aus der (vermeintlichen) Sackgasse. Vielleicht wurde die Musik, welche die Entwicklung vorantreibt schon längst geschrieben. Aber wir kennen sie (noch) nicht, weil bisher niemand dieser Musik wirklich eine Chance gegeben hat, aufgeführt und gehört zu werden.


    "Sackgasse" ist daher für mich das falsche Wort. "Labyrinth" finde ich insoweit zutreffender.


    Viele Grüße
    Frank

  • Zitat

    Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, / Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen.


    Im konkreten Falle war die Mehrheit des Klassikpublikums - also die Mehrheit einer spezifischen Elite (auch wenn das einige nicht so sehen ist es so) gemeint.


    Ich betrachte es übrigens als einen Triumph der Vertreter der Moderne (Chapeau !!) , daß immer wieder gesagt wird, man urteile unter Umständen voreilig wenn man sie ablehne , oder aber diese Musik sei so intellektuell, daß nur wenige sie verstünden, dies seinerseits sei ein intellektueller Kraftakt, den nur wenige imstande zu vollbringen seien.......


    Sophistischer und boshafter hätte selbst ich es nicht formulieren können :untertauch:



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich betrachte es übrigens als einen Triumph der Vertreter der Moderne (Chapeau !!) , daß immer wieder gesagt wird, man urteile unter Umständen voreilig wenn man sie ablehne , oder aber diese Musik sei so intellektuell, daß nur wenige sie verstünden, dies seinerseits sei ein intellektueller Kraftakt, den nur wenige imstande zu vollbringen seien.......


    Sophistischer und boshafter hätte selbst ich es nicht formulieren können :untertauch:


    Keine Ahnung, was das jetzt heißen soll und inwiefern ich mich angesprochen fühlen sollte :D, aber ich fühle "nichts desto trotz" das Bedürfnis darauf hinzuweisen, dass ich zumindest nichts dergleichen behaupten wollte.
    Stattdessen habe ich mich darum bemüht, das Argument zu entkräften, weil es nur in den allerseltensten Fällen greift. :wacky:

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Ich bin in dieser Sache durchaus parteiisch - und schließe mich der Meinung von Liebestraum an, daß die Musik der Moderne mehrheitlich abgelehnt wird, wobei dieses Forum kein Maßstab sein kann - weil es "radikale Musikfreunde" aller Lager vereint.


    Tja, solange es Musiker geben wird, also Menschen, die selbst ein Instrument spielen können, wird die "Moderne" überleben.
    Es ist für die meisten Musiker ein Anliegen, manchmal sogar eine Herzensangelegenheit, modernes Repertoire zu spielen, und da sie ja keine Diener der Musikhörenden (sonder Vermittler) sind, wird also die Moderne nie aussterben.



    Zitat

    Ich betrachte es übrigens als einen Triumph der Vertreter der Moderne (Chapeau !!) , daß immer wieder gesagt wird, man urteile unter Umständen voreilig wenn man sie ablehne , oder aber diese Musik sei so intellektuell, daß nur wenige sie verstünden, dies seinerseits sei ein intellektueller Kraftakt, den nur wenige imstande zu vollbringen seien.......


    Die "Tragödie" der Moderne besteht darin, daß manche noch immer glauben, modernes Repertoire wäre eine intellektuelle Spinnerei. In Wahrheit sagt mir die "Moderne" mehr über mein Leben, zeigt mehr Abgründe auf als irgendeine beliebige Haydn Sinfonie, die der Meister so mal eben an einem Wochenende lustlos zu Papier gebracht hat. Aber wahrscheinlich bin ich einer derjenigen, der Musik nicht nur zur Entspannung hört, sondern nach Spannung sucht...
    Im übrigen sollte man die scharfen Kritiker der Moderne fragen, was sie denn überhaupt an Repertoire kennen. Mal irgendwo schnell einen Schönberg o.ä. in einem Konzert aufgeschnappt zu haben und dann zu einem Urteil zu kommen ist wohl recht billig.
    Mein Vorschlag daher für jeden Kritiker:
    Nennt zuerst mal Stücke, die ihr absolut ablehnt, oder denen ihr verständnislos gegenübersteht, damit wir auf ebendiese genauer eigehen können. Alles andere wäre einer solchen Diskussion unwürdig!
    Im übrigen halte ich die Moderne für keine Sackgasse- eher (leider) die Spätromantik. Da ging einiges unter und derzeit nichts weiter...

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  • Zitat

    Original von Marc
    Man könnte behaupten, dass jemand, der Boulez nicht mag, einfach zu dumm ist, um ihn zu verstehen.


    Das würde ich fast unterschreiben, wäre da nicht die fragwürdige Koppelung von Geschmack und Intelligenz.


    Aber der Diskurs von der Mehrheit ist wirklich Unsinn. Dabei wird nämlich vergessen, daß Tamino ja schon irgendwie wieder Elite ist, und daß die wirkliche Mehrheit ja eben inzwischen nicht mehr Haydn für klassische Musik hält, sondern Bocelli, Potts, Einaudi, Goldsmith und Filmmusik aller Art (siehe das Programm von "Klassik Radio").


    Nach der Mehrheit sollte man sich wirklich nicht richten, am allerwenigsten, wenn es um Kunst geht. Sonst müßte man eigentlich fast fragen: Ist die Wiener Klassik eine Sackgasse? Ist nicht klassische Musik heute im allgemeinen schon ein Anachronismus, der in 100 Jahren ganz von der Bildfläche verschwunden sein wird?


    Ich halte die Moderne nicht für eine Sackgasse. Ich denke, daß diese Musik andere Dinge ausdrücken kann als die, die vor ihr da war, Dinge, die dem modernen Menschen mehr bedeuten können und die näher an ihm dran sind. Warum sollte sie eine Sackgasse sein? Weil sie einigen Menschen Angst macht? Weil sie ihnen zu nahe tritt? Weil man sich mühselig damit auseinandersetzen muß? Und weil diese Leute deshalb den Aufführungen fernbleiben?


    Also, Leute, nach denen, die aus Prinzip weghören, weil etwas "modern" ist, nach denen sollten wir uns wirklich nicht richten...

  • Ich werfe mal kurz eine Verständnisfrage ein: wann beginnt in diesem Thread die Moderne?
    Alles was nach Wagner kommt?
    Oder Wagner noch dazugerechnet?
    Oder erst bei der Zwölfton-Musik?
    Oder nach dem 2. Weltkrieg?


    Sehr interessant fände ich auch einen Vergleich mit der Rezeption moderner Kunst und Literatur.
    Warum hat es die moderne Musik von all diesen Künsten am schwersten?


    Bevor obige Fragen nach dem Beginn der Moderne nicht beantwortet sind, kann ich schlecht in die Diskussion einsteigen.
    Möchte aber die provokative Frage stellen: wenn jeder Künstler ein Kind seiner eigenen Zeit ist , aber moderne Musik als unhörbar empfunden wird, sollen dann moderne Komponisten eine Art moralisches " Berufsverbot" bekommen?




    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Möchte aber die provokative Frage stellen: wenn jeder Künstler ein Kind seiner eigenen Zeit ist , aber moderne Musik als unhörbar empfunden wird, sollen dann moderne Komponisten eine Art moralisches " Berufsverbot" bekommen?


    Lieber Kardinal Mei... ähm... liebe Fairy Ultra Queen, ich bin zwar kein großer Freund moderner Musik (was sich aber durch das Forum langsam aber sicher ändert), aber ich glaube kaum, dass die Ersteller und Liebhaber moderner Musik solche als unhörbar empfinden. Wenn die "Mehrheit" (von was auch immer) damit Probleme hat, wäre das ein schlechtes Prinzip um als moralische Instanz installiert zu werden. Und da niemand gezwungen wird, unhörbare moderne Musik zu hören, ist ein "Berufsverbot" überflüssig. Ein weiteres Problem entsteht weiterhin aus dem Unvermögen meiner Rezeptionsfähigeit eine Tugend machen zu wollen. Deswegen misstraue ich auch jeder Moral...


    :hello:

  • Lieber Alfred,
    das Verdammen der Moderne hat in diesem Forum schon eine ähnliche Tradition wie die sich durch x Threads ziehende Bejubelung zweitklassiger Dirigenten als Wunder. ;)


    Irgendwie fühle ich mich langsam enerviert - nicht von Dir, sondern von dem offenbaren Bedürfnis, die Modernen madig zu machen in der Hoffnung, daß dann die Klassiker noch wunderbarer erstrahlen.
    Lieber Alfred, gestatte mir ein offenes Wort: Das ist Quatsch.
    Alle die angehimmelten Klassiker waren nämlich einmal Moderne und wurden deshalb verdammt.


    Beethoven: Ungenießbar.
    Wagner: Unerträglich und unspielbar.
    Bruckner: Ein kompletter Trottel, den nicht einmal die Bearbeitungen retten können.
    Mahler: Eigentlich schon keine Musik mehr.
    Hindemith: Entartet.


    Oha, jetzt ist's passiert, daß das Wort gefallen ist, dessen man sich aus politischer Korrektheit nicht bedienen will, das man aber meint. Die moderne Musik stärkt nicht das Wir-Gefühl. "Wir" lieben Beethoven, aber "wir" lieben nicht Boulez. Beethoven macht uns zur Gemeinschaft, Boulez zu Individuen. Bei Beethoven wissen wir uns verstanden, bei Boulez sind wir zurückgeworfen auf uns selbst. Gemeinschaft ist bequem, Alleinsein nicht.


    Das Problem ist, daß wir viel zu knapp an den Zeitgenossen dran sind, um ihre Überlebensfähigkeit zu beurteilen. Das ist erst mit einem mehr oder weniger großen zeitlichen Abstand möglich.
    So erinnere ich mich mit großer Belustigung an die Diskussion mit einem Fachmann (ja, ja...), der eine ähnliche Position eingenommen hat wie Du, lieber Alfred, und der mir entgegenschleuderte: "Dann nennen Sie mir drei, nur drei Komponisten, die nach 1900 geboren worden sind und überleben werden." Darauf ich: "Britten, Schostakowitsch, Messiaen." Er: "Wenn Sie das im Ernst glauben, sind Sie für mich ein Clown."
    Aber ich habe bis jetzt noch keine rote Nase, und die überdimensionalen Schuhe brauche ich auch noch nicht anzuziehen.


    Oder um es polemisch zu machen: Ganz im Gegenteil, lieber Alfred, die Moderne hat die Klassiker längst überholt! Strawinskij wird mehr gespielt als Pleyel, Schostakowitschs Symphonien haben die von Spohr in der Publikumsgunst weit überflügelt, Brittens Opern stehen weltweit am Spielplan, während die Haydns, ja, Haydns, fast verschwunden sind. Und gegen die "Carmina burana" führt sogar "Christus am Ölberge" des göttlichen Ludwig ein Schattendasein.


    Wir sollten endlich etwas für diese langsam in Vergessenheit sinkenden Klassiker tun.


    :hello:

    ...

  • Auch wenn ich hier als Liebhaber der Sparte Hardcore Barock bekannt bin, sage ich ganz ehrlich, dass ich diese Diskussion für ziemlich albern halte.
    Denn was sagt es denn aus, wenn man mit einer bestimmten Form von Kunst nicht zurecht kommt ?
    Eben dass, das man sich weder intellektuell noch emotional damit auseinandergesetzt hat - sonst nichts!


    Die Musik der Moderne, ist - so wie die bildende Kunst unserer Zeit - eben ohne eine bestimmte Bildung nicht erfahrbar.
    Das mag problematisch sein, aber es eröffnet auch völlig neue Wege.


    Aber wer denkt, Kunst und Musik seien nur dazu da um zu unterhalten und zur Berieselung, der hat gar nichts verstanden.
    Selbst die Bilder der alten Meister sind weitausmehr als schöne Dekorationen.


    Außerdem wurde schon mehrfach geschrieben, dass die Musik ab 1950 so vielfältig ist, wie nie zuvor in der Musikgeschichte.
    Aber die Ablehnung der Neuen Musik ist kein Phänomen unserer Zeit - sondern hat es immer gegeben.
    Aber nicht die Musik ist im Nichts verschwunden, sondern die Polemiker die nichts verstehen.


    Die Musik der Moderne wird absolut unterschätzt, weil man an sie mit einer falschen Erwartungshaltung herangeht.
    Dass diese Musik mit "gewalt am Leben" gehalten wird ist absurd, das zeigt mir auch nur wieder wie wenig sich die Leute mit dieser Sache auseinandersetzen.
    Die zeitgenössische Musik ist mitlerweile ein Teilbereich der Bildenden Kunst, und genausowenig wie die Musik muss sich die Kunst "mit Gewalt am Leben halten".


    Von den ganzen Auseinandersetzungen, den wirklichen Diskussionen um die Sache bekommt man hier im Forum leider so gut wie nichts mit.
    Kunst war nie eine Sache für die breite Masse.
    Das Forum ist vielleicht gar kein Indikator, denn auch hier ist meist nur der Massengeschmack zu beobachten.


    Ist auch egal, ich kenne bisher leider nur wenig Neue Musik, aber habe schon längst begriffen wie vielschichtig und aufregend und anspruchsvoll diese sein kann.
    Aber ich denke vor allem, wenn man von etwas keine Ahnung hat, sollte man sein Halbwissen nicht noch in der Öffentlichkeit breit treten....

  • zu urteilen, sie einzuordnen, ihr gerecht zu werden, bedürfte es - denke ich - zunächst mal wieder des Blicks auf das Ganze - wie eben bei allen anderen Erscheinungen der 'Moderne' auch. Mir ist bewußt, daß dieser Ansatz 'anstrengend' bis langweilig ist - lieber geht man medias in res, gleich zu den Detailfragen der Stile, Erscheinungsformen, Abgrenzungen, Komponisten, Kompositionen, der Rezeption bei Eliten, Außenseitern, beim 'breiten' Publikum etc. etc.


    Ich behaupte, daß wir Sinn und Zweck unserer Evolution trotz allen angehäuften Wissens und sämtlicher Ideenentwürfe als selbstbestimmt (?) handelnde Population längst nicht erfaßt haben. Das ist natürlich eine wohlfeile Feststellung angesichts der Problemstellungen auf diesem Erdball. Meines Erachtens spielen die kulturellen Prozesse für Erkenntnisfortschritt und Problemlösungsansätze eine mindestens gleichgewichtige Rolle neben den ökonomischen und wissenschaftlichen Prozessen. Wenn wir das in Abrede stellen - im Neoliberalismus gibt es untergründige bis offene Tendenzen dahin - können wir natürlich jede Diskussion sofort beenden. Innerhalb der kulturellen Prozesse bildet insbesondere die Musik als Klangereignis den 'dunklen' Bereich dessen ab, was sich der rationalen Erkenntnis noch entzieht.


    In diesem Sinne hielte ich es für außerordentlich ignorant, die 'Musik der Moderne' pauschal etwa für unbeachtlich oder einen Irrweg zu halten, bloß weil das zitierte 'breite' Publikum (oder ich selbst) ihr (noch) kein Interesse und Verständnis entgegenbringen.


    Was aber bleibet, stiften die Dichter. Und die Komponisten, möchte ich in dieser Diskussion hinzufügen.


    Gruß


    helmutandres

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Alle die angehimmelten Klassiker waren nämlich einmal Moderne und wurden deshalb verdammt.


    Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und wird sich in guter Gesellschaft finden: In der Kultur- und Sozialgeschichtsschreibung wird das Wörtchen »Moderne« seit nuhnmehr einigen Jahrzehnten als Begriff für eine Makroepoche verwendet, die durch Säkularisierung, funktionale Differenzierung der Gesellschaft, Individualisierungsprozesse, Beschleunigung (von Produktion, Kommunikation u.v.a.), etc., etc. gekennzeichnet ist. Der Beginn dieser Epoche wird mit der Mitte des 18. Jahrhunderts gesetzt (Aufklärung) und findet seine volle Ausprägung nach einer Sattelzeit (R. Koselleck) oder Achsenzeit (S.N. Eisenstadt) in der Mitte des 19. Jahrhunderts und dauert letztlich weiter an. Während dieser Achsen- bzw. Sattelzeit vollzieht sich eine grundsätzliche Transformation der Paradigmen (wiederum Koselleck) oder Axiome (wiederum Eisenstadt) einer Deutung sozialer Wirklichkeit (sog. postmoderne Positionen haben ja den Versuch gestartet, nach den Katastrophen den 20. Jahrhunderts diese Pradigmen resp. Axiome der Moderne einer Prüfung zu unterziehen).


    So gesehen - und IMO spricht einiges dafür - würden die Klassiker bereits tendenziell in die Moderne gehören, spätenstens die Romantik ist aber zweifellos durch eine genuin moderne Ästhetik bestimmt. Kunst ist eben nicht autonom - die Idee einer Autonomie der Kunst ist überhaupt erst eines jener Paradigmen/Axiome der Moderne und damit selbst wiederum historisch und sozial-kulturell disponiert.


    Was nun aber die hier angesprochene »Moderne Musik« anbetrifft (die genaugenommen wie »Klassik« und »Romantik« eine Subepoche der kultur- und sozialgeschichtlichen »Moderne« ist), so soll wohl die Phase seit dem Ersten Weltkrieg angesprochen werden (oder ab 1950? Woran würde man dort eine Epochenzäsur festmachen wollen? Wo genau endet die »Moderne« eigentlich ? Und was kommt nach ihr? »Postmoderne« scheint mir als Epochenbegriff gänzlich untauglich...).


    Eines der wichtigsten Kennzeichen der Musik zwischen sagen wir mal 1914/18 und 1970 besteht IMO in einem Aspekt, der ihr von ihren Verächtern häufig abgesprochen wird: nämlich in dem Bewußtsein ihrer eigenen Historizität und Geschichtlichkeit, ihrer stetigen produktiven Auseinandersetzung mit einer Tradition und einer Ordnung, die durch gänzlich außerästhetische Entwicklungen zwar nicht obsolet geworden, aber doch radikal in Frage gestellt worden ist.


    Eine Antwort auf die Frage zu wagen, was von dieser »Musik der Modernen« bleiben wird, halte ich für arg verfrüht. Die Uraufführung des Sacre hat 1913 bekanntlich einen Skandal ausgelöst - heute läßt sich das Werk im Konzert blendend mit Beethovens 6. kombinieren. Ein Kritiker soll nach der Premiere der »Elektra« auf die Frage, wie ihm die Musik gefallen habe, geantwortet haben, Musik habe er gar keine gehört... Heute schaut/hört sich auch das Abo-Publikum die »Elektra« an (jedenfalls im Ruhrgebiet... :D ) .


    Vielleicht sieht das in 50, 60 oder 100 Jahren mit dem »Prometeo« oder dem »Licht«-Zyklus gar nicht so anders aus... Bleibt abzuwarten (leider werden wir hier das Ergebnis kaum noch zur Überprüfung unserer Diskussion nutzen können).


    Aber mich treibt noch Fairys Frage um, warum es die »Musik der Moderne« anscheinend so viel schwerer hat, als die Kunst oder Literatur der Moderne. Das ist ja wirklich eine seltsame Sache. Leute lesen mit Begeisterung »Berlin Alexanderplatz« oder den »Mann ohne Eigenschaften« oder den »Zauberberg«, wissen aber mit der musikalischen Avantgarde der 1920er und 1930er Jahre nichts anzufangen. Man liest Ingeborg Bachmann, Henze aber ist ein Graus. Man geht in eine Ausstellung der Werke von Kiefer, Baselitz oder Boltanski, würde aber keine Konzertkarten kaufen, wenn Werke von Schnebel, Rihm oder sonst einem suspekten Moderninski auf dem Programm stehen... Woran liegt's? Keine Ahnung...


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Fairy hat natürlich völlig Recht, und schon Alfred hat es bereits angedeutet: ohne eine Definition dessen, was hier unter "Musik der Moderne" diskutiert werden soll, ist eine solche Debatte völlig sinnlos.


    Trotzdem oder wahrscheinlich deshalb werden (bislang immerhin vorwiegend im Vorfeld dieses Threads) wie von pawlowschen Hunden sofort munter Thesen und Behauptungen aufgestellt, als stünde die Kenntnis des Themas und seiner Definition außer Frage. Dabei wird wiederum deutlich, dass das vage Verständnis von "moderner" Musik bereits bei Komponisten wie Ives, Strawinski und Schönberg einsetzt, in deren wichtigste Werke man wenigstens teilweise mal hineingehört hat, die denen längst anerkannter Größen wie Verdi, Debussy und Wagner zeitlich jedoch näher stehen als unserer Gegenwart, die wir doch eigentlich als modern verstehen sollten. Wäre die Gegenwartsmusik nämlich wirklich bekannt genug, würde sich herumgesprochen haben, dass mit der sogenannten "modernen" Musik ein verendender Popanz geprügelt wird, der Mitte des letzten Jahrhunderts für Aufregung gesorgt, sich aber schon längst als - immerhin erforschenswürdige - Sackgasse erwiesen hat. Warum das so ist, hat mit unseren ererbten Hörerwartungen und -präferenzen wesentlich mehr zu tun als mit der Qualität und Dauerhaftigkeit der zur Rede stehenden Musik oder gar dem Können ihrer Autoren.


    Für mich schreiben (auch) lebende Komponisten wie Stephen Sondheim oder Maury Yeston "moderne" Musik, die sich als langlebig erweisen dürfte, nur werden die all zu leicht über respektablen Namen vergessen, mit deren Werken auch ich bislang wenig anfangen kann. Das gilt aber auch für die Quantenphysik, und da würde es jeder zu Recht als präpotent und lächerlich empfinden, wenn ich mich dazu anders äußern würde, als einfach meine Ignoranz zu bekennen.


    Ich achte Tamino und schätze die vielen Mitglieder, die, und weil sie, mein Wissen mit sachkundigen Beiträgen erweitern, die gerne auch kontrovers sein dürfen. Dazu gehören durchaus auch die meisten bisherigen Beiträge zu diesem Thread, deren Häufung mich angenehm überrascht. Trotzdem: Äußerungen, die vorwiegend der Postulierung einer wie auch immer (un-)qualifizierten Meinung dienen und in ihrer Angreifbarkeit zwangsläufig endlose Verteidigungs- und erneuerte Aggressionstiraden nach sich ziehen, gibt es in anderen Internetforen mehr als genug. Man sollte sie nicht auch noch ermutigen, indem man wattige und zwangsläufig emotionsbeladene Themen vorgibt, zu denen man fast alles, nur nicht viel Gescheites von sich geben kann, weil keine zwei Leute von demselben reden. Da hilft es auch nicht, von vornherein Disziplin anzumahnen, denn das wirkt in etwa so glaubhaft wie die Aufforderung des Ausrichters eines Hahnenkampfes an dessen Kombattanten zu einer gesitteten Auseinandersetzung.


    Also: was genau ist hier mit "moderne Musik" gemeint, und in welche Sackgasse läuft sie (oder auch nicht)?


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Liebestraum hat in ungewöhnlich scharfer Form die Musik der Moderne angegriffen, andere haben sie verteidigt.


    Wir müssten sicher mal definieren ab wo die Moderne (nicht die "klassische" Moderne") anzusetzen ist, aber das mag von Fall zu Fall verschieden sein.


    Ich empfinde LTs Angriff keineswegs als scharf, er bringt mich ob seiner Abgestandenheit lediglich zum Gähnen.


    Ohne eine Definition des Begriffs "Moderne" ist dieser Thread fruchtlos und wird wie so oft darin ausarten, daß modern diejenige Musik ist, die man selbst nicht verstehen/hören/leiden kann.


    Üblicherweise - wenn mich meine Kenntnisse nicht täuschen - wird der Tristanakkord als der Beginn der Moderne angesehen. Für mich stehen zwei Namen als die Begründer der Musik des 20.Jahrhunderts und danach: Debussy und Schönberg (es gibt noch andere wie zB Hauer oder Decaux, die aber aus verschiedenen Gründen einflußlos geblieben sind).


    Einen Unterschied zwischen klassischer Moderne und Moderne sehe ich nicht, ebensowenig zwischen Moderne und Postmoderne. Solange mir nicht jemand nachweist, daß irgendwann nach etwa 1945/1989 eine oder mehrere kompositorische Bruchlinien verlaufen, bleibt die Unterscheidung für mich künstlich und falsch.


    Ein folgenschwerer Trugschluß ist es auch anzunehmen, es gäbe "die Moderne" oder "Postmoderne". Wir haben schon vor langer Zeit mal in einem ähnlichen Thread festgestellt, daß ein Kennzeichen der Musik nach 1900 das Fehlen eines übergreifenden Epochenstils ist. Es herrschen Personalstile verschiedener Komponisten vor, allenfalls ganz kurzfristig flackern bestimmte übergreifende Trends auf.


    Ich sehe vorerst die Kritiker der Musik ab 1900 in der Darlegungs- und Beweislast. Wer bloß behauptet, keiner höre moderne Musik, moderne Musik werde von einer Mafia künstlich am Leben erhalten, moderne Musik werde in 50 Jahren keiner mehr hören, sei ohne Mehrheit, der soll doch erst mal Fakten auf den Tisch legen. Andernfalls muß er sich den Vorwurf gefallen lassen, nur dumpfen Ressentiments nachzugeben (Modern ist alles, was mir nicht gefällt oder ich nicht kapiere).


    Damit wäre er nicht besser als umgekehrt bestimmte Verteidiger moderner Musik, die partout nicht zugeben wollen, daß - wie in jeder musikalischen Epoche - auch viel Mediokres und viel Bockmist komponiert wird, und stattdessen behaupten, die Hörer seien zu dumm die Musik zu verstehen, oder die Zeit sei noch nicht wirklich reif für diese Musik.

  • Zitat

    (Marc) Und ... ich glaube auch, dass die Halbwertszeit der Mozart-Sonaten ins Unendliche geht, die der Boulez-Sonaten aber nicht unbedingt. Wobei es auch hier der Fall seien könnte, dass es immer eine kleine Minderheit innerhalb der Minderheit geben wird, die auch daran Gefallen finden werden.


    Die Mozart-Sonaten spielten im Konzertleben bis weit ins 20. Jhd. kaum eine Rolle. Das war Hausmusik für Laien und Liebhaber. Schnabel war ein Außenseiter und Pionier, weil er Mozarts (und erst recht Schuberts) Sonaten regelmäßig im Konzert spielte.
    Soviel zur Halbwertszeit...
    Der viel wichtigere Punkt aber scheint mir zu sein: Warum denn Ewigkeit?
    Es ist doch viel entscheidender, ob ein Stück für uns jetzt oder eben 30, 50 100 Jahre lang relevant ist, was sollte uns kümmern, was die Hörer 2200 von Ligeti halten? ("In the long run we are all dead" (J. M. Keynes))



    Zitat

    (Flotan) Tja, solange es Musiker geben wird, also Menschen, die selbst ein Instrument spielen können, wird die "Moderne" überleben.


    Das ist der alles entscheidende Punkt. Das Publikum überschätzt sich und seinen Einfluß maßlos (es hat Einfluß auf Tophits und Eintagsfliegen, aber nur sehr indirekt darauf, was bleibt). Zwar hat sich nicht alles Publikum zu Beethovens Zeiten so verhalten wie die heutigen Verächter der "Moderne" (womit ja inzwischen Musik, die 100 Jahre alt ist, gemeint sein kann), aber sie zogen im Zweifel Rossini und Spohr vor. Die "Verstärker" sind Rezensenten, hauptsächlich aber andere Komponisten und Musiker, die sich vom beim Publikum noch umstrittenen Komponisten begeistern lassen und seine Musik aufführen wollen.


    Zuerst muß ein Musiker davon überzeugt sein, dass ein Stück die Arbeit der Einstudierung und der Aufführung lohnt, vorher kann das Publikum doch gar nicht mitreden. Und die Geschichte des 20. Jhds. zeigt sehr deutlich, dass der Einsatz solcher Musiker zur Etablierung anfangs umstrittener oder unbeliebter Musik Erfolg hat. So blöd ist das Publikum nämlich auch wieder nicht, aber es benötigt verständlicherweise häufig mehr Zeit als ein Profi, den Wert unbekannter Musik zu erfassen.
    (Das gilt ebenso für "Ausgrabungen": Ich wage kein Urteil darüber, ob und wieviele der seit gut 20 Jahren vermehrt aufgeführten Barockopern mittel- und langfristig im Repertoire bleiben werden, vielleicht verschwinden sie wieder in der Versenkung wie "Tiefland" oder Spohrs Faust)


    Denn natürlich kann Musik, die sich jahrzehntelanger Beliebtheit erfreute, auch wieder verschwinden. Opern von Meyerbeer und Spohr gehörten bis um 1900 zu den am häufigsten aufgeführten, danach verschwanden sie allmählich. Gewiß ist nicht auszuschließen, dass Le Sacre und La Mer irgendwann wieder verschwinden werden (aber das ist auch bei älteren Klassikern nicht auszuschließen), momentan sitzen sie so fest im Repertoire wie eine Sinfonie von Beethoven. In den 50ern scheint man sich an einige gemäßigtere "Moderne", wie u.a. Hindemith, Egk oder Höller gehalten zu haben, während Berg und Schönberg als zu extrem galten. Aber 50 Jahre später werden Schönberg, Berg, Webern sicher häufiger gespielt als Honegger, Martin oder Von Einem. Das muß wieder kein endgültiges Verdikt sein (wenngleich sich heute wohl fast alle Musiker und Musikhistoriker einig sein dürften, dass die Komponisten der 2. Wiener Schule wichtiger und besser sind als Von Einem).


    Dass die Metapher der Sackgasse in eine solche führt, wurde ja auch schon gesagt. Die Musik des 20. Jhds. ist dafür viel zu vielfältig. (Auch die Wiener Klassik war eine "Sackgasse", sie dauerte knapp 50 Jahre, dann war Schluß)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Im konkreten Falle war die Mehrheit des Klassikpublikums - also die Mehrheit einer spezifischen Elite (auch wenn das einige nicht so sehen ist es so) gemeint.
    Alfred


    Gibt es dazu repräsentative Erhebungen?? Und wenn ja, wo und wann wurden sie durchgeführt? Vielleicht ist das in einigen konventionellen Wiener Kreisen so, in Berlin habe ich andere Erfahrungen gemacht.


    Zitat

    Original von flotan
    In Wahrheit sagt mir die "Moderne" mehr über mein Leben, zeigt mehr Abgründe auf als irgendeine beliebige Haydn Sinfonie, die der Meister so mal eben an einem Wochenende lustlos zu Papier gebracht hat. Aber wahrscheinlich bin ich einer derjenigen, der Musik nicht nur zur Entspannung hört, sondern nach Spannung sucht...


    Ja!!! Und: um Gottes Willen Nein!!!


    Ja zu der Aussage, daß die Moderne durchaus etwas über mein Leben in der heutigen Zeit sagen kann und auch die "Abgründe" sind - vorsichtig formuliert -achvollziehbarer als in einer frühen Haydn-Symphonie gezeichnet.


    Nein zu der etwas banalen Aussage, Haydn hätte irgendeine Symphonie "an einem Wochenende lustlos zu Papier gebracht" - und nein zu der Vermutung Haydn sei entspannende Musik. Wer so etwas behauptet, hat wohl noch nie richtig Haydn gehört. :no:



    In der Debatte um den Gebrauch dieses Wortes hat sich keiner die Mühe gemacht, aml einen Physiker zu fragen: wenn der das Wort hört, denkt er sofort an Eigenwertprbleme der Quantenmechanik. In jedem Buch über QM taucht das Wort mind. 50 mal auf, weil es von zentraler Bedeutung ist. Daß ich hin und wieder an die andere Bedeutung denke, verdanke ich nur dem Umstand, mich hie und da ein wenig mit Kusnt und Musik zu beschäfigen....ich habe also kein Problkem damit, das WOrt zu verwenden und werde es am kDi in meine QM-Klausur sicher einbinden! :P


    Zitat


    Das Problem ist, daß wir viel zu knapp an den Zeitgenossen dran sind, um ihre Überlebensfähigkeit zu beurteilen. Das ist erst mit einem mehr oder weniger großen zeitlichen Abstand möglich.


    Dieses halte ich für einen ganz zentralen, wenn nicht DEN zentralen Satz in der ganzen - auch meiner Meinung -eher überlfüssigen Debatte.


    Ist es nicht eine bodenlose Anmaßung Daseinsberechtigung von Musik aufgrund einer nicht halt- und überprüfbaren Prognose in Frage zu stellen?
    Woher will man denn wissen, wie die Menschen in 200 Jahren ticken um Gottes willen? Vielleicht sind Boulez-Sonaten längst Standard? Vielleicht schockiert das einige, vielleicht sehen einige radikale Verfechter darin den Untergang des Abendlandes.
    Weil wie allen Radikalen fehlt ihnen der Blick der Vernunft. Die Wiener Klassik preisen sie dann als die Krone der Musik, vermutlich weil sie in ihr die große Zeit der Vernunft (ironischerweise) und der Menschlichkeit sehen. Übersehen wird dabei gerne, daß diese Zeit in Eurpa keinesfalle friedliebender war als andere Zeiten und daß es nicht Musik ist , die zu Menschenleid führt. Sie spiegelt diese höchstens wider, wenn es so gewollt ist.
    Vor allem sind sie aber unehrlich, wenn sie die Moderne als Sackgasse canceln. Denn Sackgassen versacken meist nur an einem Ende. Bei ihnen ist jedoch auch rückwärts gerichtete Zeitreise eine Sackgasse. Hoppla, das klingt so komisch: Wie heißt der? Byrd? Äh. Aber wie ich bereits feststellte, dort ist die Lobby nicht so groß wie die Anti-Modernisten-Lobby. Schließlich möchte sich keiner der Lächerlichkeit preisgeben, wenn man auch der Musik vor Bach noch die Daseinsberechtigung absprechen will.
    Aber darüber wir geschwiegen. Warum nicht etwas mehr mUt und mal fragen, ob es tatsächlich nur die Zeit von Bach bis - max. Mahler ist, die zählen sollte und die sich halten wird. Was sollen wir schon mit Monteverdis Gehversuchen in Richtung Oper? Oder den ganzen kirchentonalen Krempel davor. Das will doch heute gar keiner mehr hören.
    Also, am besten die Ausgrabungen wie Cavalli und Consorten - sorry Lullist - zurück in die Archive. So was hören ja eh nur Freaks.... :no::no::no:


    :hello:
    Wulf

  • Ich nehme hier - im eigenen Forum - eine sehr undankbare Position ein, wei die Mehrheit der "Moderne-Hasser" sich nämlich weigert in einem Klassikforum überhaupt zu schreiben und sich "anpöbeln" zu lassen, weil sie der Meinung sind, die Sache sei ohnedies längst erstickt - und Totes brauche man nicht zu bekämpfen..................


    Auch ich "bekämpfe" die moderne Musik nur äusserst "am Rande" - sie trifft mich nur insofern, als es mich irgendwie bedrückt, daß die letzte für mich wenigstens teilweise anhörbare Musik vor rund 60 Jahren geschrieben wurde........


    Zitat

    Das ist der alles entscheidende Punkt. Das Publikum überschätzt sich und seinen Einfluß maßlos


    Das ist IMO eine TOTALE FEHLEINSCHÄTZUNG !!!
    Das Publikum - ob nun musikalisch gebildet oder ungebildet (ich gehe beim Klassikpublikum von ersterem aus) ist das Maß aller Dinge.
    Kunstwerke - welcher Art auch immer sind nicht dazu da das Ego des Künstlers zu befriedigen - sonden den "Auftraggeber" oder das "Publikum"


    Ein Künstler, der vom Publikum (auch die Kritik ist ein Teil desselben - sie sollte die Speerspitze des Publikums sein - natürlich ist das nicht immer der Fall) nicht akzeptiert wird, ist ein armer Wurm, der allenfalls hoffen darf staatlich subventioniert zu werden oder in 300 Jahren als verkanntes Genie gefeiert zu werden.


    Zitat

    .....aber es benötigt verständlicherweise häufig mehr Zeit als ein Profi, den Wert unbekannter Musik zu erfassen.


    Dieser Satz wurde (in diversen Abwandlungen) so oft wiederholt, daß sich kaum jemand mehr traut diesen Wert in Frage zustellen aus Angst als Banause dazustehen.


    Da entstehen dann Sätze wie: "Ich bin natürlich an zeitgenössischer Musik sehr interessier - wenngleich ich mir den Zugang noch nicht erarbeitet habe......." :D


    Zitat

    Auch die Wiener Klassik war eine "Sackgasse", sie dauerte knapp 50 Jahre, dann war Schluß


    Das ist eine Teilwahrheit, in der Tat ist sie bis heute prägend, seit eine Jahrzehnt werden sogar "Verschollene" wieder ausgegraben, wobei ich vor allem auf zu UNRECHT vergessene Komponisten bezug nehme (Boccherini, Rosettii etc)


    Zitat

    Aber mich treibt noch Fairys Frage um, warum es die »Musik der Moderne« anscheinend so viel schwerer hat, als die Kunst oder Literatur der Moderne. Das ist ja wirklich eine seltsame Sache. Leute lesen mit Begeisterung »Berlin Alexanderplatz« oder den »Mann ohne Eigenschaften« oder den »Zauberberg«, wissen aber mit der musikalischen Avantgarde der 1920er und 1930er Jahre nichts anzufangen. Man liest Ingeborg Bachmann, Henze aber ist ein Graus. Man geht in eine Ausstellung der Werke von Kiefer, Baselitz oder Boltanski, würde aber keine Konzertkarten kaufen, wenn Werke von Schnebel, Rihm oder sonst einem suspekten Moderninski auf dem Programm stehen... Woran liegt's? Keine Ahnung...


    Ironisch formuliert: Wenn ich heute strategisch richtig Bilder oder skulpturen der Moderne einkaufe und im passenden Rahmen präsentiere, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß ich das in 20 Jahren an einen Liebhaber, Kenner, Spinner oder Spekulanten um den fünfzigfachen Preis verkaufen kann - egal ob ich die Werke nun mag - oder nicht.


    Bei der Literatur sieht das IMO ganz anderes aus:


    Literatur UND Film sind eigentlich Ausdrucksformen, die im 20. Jahrhundert hervorragendes geleistet haben - und vor allem Auch Theater. Hier meine ich Theaterstücke. Im Gegensatz zur Musik hat die Literatur nicht nur (in meinen Augen) Unerfreuliches abgeliefert, das Theater bescherte uns zahlreiche Komödien der Spitzenklasse, Angriffe auf den (jeweiligen) Zeitgeist und auch bitterbösen schwarzen Humor (Anouilh, Dürrenmatt, Schnitzler, Bahr, - die Auswahl ist ziemlich willkürlich aus dem Bauch heraus)


    Zitat

    Eine Antwort auf die Frage zu wagen, was von dieser »Musik der Modernen« bleiben wird, halte ich für arg verfrüht.


    Da ist sicher was wahres dran - wir wissen ja nicht mal ob die Klassiker überleben werden, bei dieser rasant boomenden "PIG-MÄCK" -Gesellschaft :baeh01:


    Zitat

    ? Wo genau endet die »Moderne« eigentlich ? Und was kommt nach ihr? »Postmoderne« scheint mir als Epochenbegriff gänzlich untauglich...)


    Einverstanden - Aber im Augenblick haben wir nichts Besseres parat - Kategorien, die aussagekräftig sind wurden stets - wenn überhaupt - von der Nachwelt geprägt.


    Zitat

    Und da niemand gezwungen wird, unhörbare moderne Musik zu hören, ist ein "Berufsverbot" überflüssig


    Vollkommen richtig - davon ist ja auch hier keine Rede.
    Letzlich ist ein Forenbetreiberauch eine Art "Chefredakteur", der genau wissen sollte welche Themen (immer wieder) für ein "volles Haus" sorgen - allerdings auch die Gefahr einer "Konfrontation" in sich bergen.
    Nachdem das Forum in den Letzen Wochen fast zu Tode umarmt und geküsst wurde, ist sanfte Konfrontation als "frischer Wind" sicher belebend - zumindest hoffe ich das.


    Zitat

    Auch wenn ich hier als Liebhaber der Sparte Hardcore Barock bekannt bin, sage ich ganz ehrlich, dass ich diese Diskussion für ziemlich albern halte.


    Ok - das nehme ich zur Kenntnis - auch wenn ich hier anderer Meinung bin.


    Zitat


    Denn was sagt es denn aus, wenn man mit einer bestimmten Form von Kunst nicht zurecht kommt ?
    Eben dass, das man sich weder intellektuell noch emotional damit auseinandergesetzt hat - sonst nichts!


    Das könnte ich nun als persönlichen Angriff werten - als ausgesprochene Frechheit - sonst nichts
    Aber ich kann eine Alternative anbieten:
    Es könnte in vielen Fällen bedeuten, daß es sich gar nicht um Kuinst handelt, sondern um als Kunst getarntes Stümpertum oder Verhöhnung der Kunstwelt, gestützt von einer Lobby, die - mit welchen Methoden immer - Schlüsselpositionen in der Kunstwelt - besetzt hat. Ein sich selbst absicherndes System aus Subventionsempfängern, bezahlten Kritikern, Produzenten und Veranstaltern. Lediglich die Mehrheit des Publikums macht hier nicht mit.


    Wie gesagt: Eine mögliche Alternative .


    Gegner der "zeitgenössichen Kunst" (wie man sieht - ich habe den Begriff moderne - gegen "zeitgenössische" eingetauscht, gab es sowohl unter den großen Dirigenten, Interpreten, Kritikern, Plattenproduzenten.
    Man bezteichnet sie gerne (indirekt) als Ignoranten, "von gestern" etc. und versucht sie direkt oder indirekt lächerlich zu machen oder der Inkompetenz zu bezichtigen und auf diese Weise entweder zum Schweigen zu bringen oder in ihrer Bedeutung in Frage zu stellen......... :boese2:


    Ich hoffe wenigstens auf EINIGE Aspekte eingehen konnte - durchaus nicht auf alles, was beantwortenswert gewesen WÄRE.


    Aber auch ich muß mich hin und wieder selbst zur Disziplin rufen um nicht schärfer zu formulieren - Nachteil wenn man Forenbetreiber ist.....


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich nehme hier - im eigenen Forum - eine sehr undankbare Position ein, wei die Mehrheit der "Moderne-Hasser" sich nämlich weigert in einem Klassikforum überhaupt zu schreiben und sich "anpöbeln" zu lassen, weil sie der Meinung sind, die Sache sei ohnedies längst erstickt - und Totes brauche man nicht zu bekämpfen..................


    Deinen Punkt sehe ich – kann ihn aber nicht ganz nachvollziehen, weil ich bisher eigentlich nicht die Erfahrung gemacht habe, daß Personen »angepöbelt« würden, weil sie mit zeitgenössischer Musik nichts anfangen können oder sie aus bestimmten Gründen ablehnen. Das Problem fängt doch eigentlich erst da an, wo ein persönliches Mißfallen an zeitgenössischer Musik (oder schlicht auch an nicht-tonaler Musik) generalisiert wird und mit dem Anspruch der Objektivität bzw. Allgemeingültigkeit formuliert wird.



    Zitat

    Das ist IMO eine TOTALE FEHLEINSCHÄTZUNG !!!
    Das Publikum - ob nun musikalisch gebildet oder ungebildet (ich gehe beim Klassikpublikum von ersterem aus) ist das Maß aller Dinge.
    Kunstwerke - welcher Art auch immer sind nicht dazu da das Ego des Künstlers zu befriedigen - sonden den "Auftraggeber" oder das "Publikum"


    Das sehe ich für eine je aktuelle Rezeption eigentlich ganz ähnlich. Allerdings zielte JR mit seiner Bemerkung doch wohl eher in die Richtung, daß der zeitgenössische Publikumserfolg nur von begrenzter Bedeutung für das mittel- oder gar langfristige Überleben eines Werks hat. Und ich meine, da liegt er einfach richtig. Das von ihm angeführte Beispiel ist da ja auch durchaus evident.


    Außerdem bin ich - nun nochmals mit Blick auf das je zeitgenössische Publikum - der Meinung, daß Kunst nicht einfach ein gefälliges Konsumgut zu sein hat, sondern es dem Rezipienten etwas abverlangen, ihn fordern darf und sollte. Daß es die moderne und zeitgenössische Musik dem Rezipienten nicht gerade immer leicht macht, ist sicherlich richtig. Das sehe ich aber nicht unbedingt als Makel. Beethoven hat es seinen Hörern auch nicht gerade leicht gemacht – und ist hin und wieder auch auf ein ziemliches Unverständnis gestoßen.


    Zitat

    Ironisch formuliert: Wenn ich heute strategisch richtig Bilder oder skulpturen der Moderne einkaufe und im passenden Rahmen präsentiere, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß ich das in 20 Jahren an einen Liebhaber, Kenner, Spinner oder Spekulanten um den fünfzigfachen Preis verkaufen kann - egal ob ich die Werke nun mag - oder nicht.


    Naja, die meisten Arbeiten des Herrn Kiefer etwa sind wahrscheinlich für einen Liebhaber, Kenner, Spinner oder Spekulanten gar nicht so interessant zu erwerben, weil er sie nirgends unterbringen könnte (ich kenne nicht viele Personen die Wohnungen haben, in denen man ein 5 x 3,5 m großes Ölgemälde einigermaßen spektakulär präsentieren könnte). Als Exponate in Museen genießen seine Werke aber durchaus den Status von Publikumsmagneten. Es kann also nicht allein alles das Ergebnis schmierenkomödiantischer Spekulation sein.


    Zitat

    Bei der Literatur sieht das IMO ganz anderes aus:


    Literatur UND Film sind eigentlich Ausdrucksformen, die im 20. Jahrhundert hervorragendes geleistet haben - und vor allem Auch Theater. Hier meine ich Theaterstücke. Im Gegensatz zur Musik hat die Literatur nicht nur (in meinen Augen) Unerfreuliches abgeliefert, das Theater bescherte uns zahlreiche Komödien der Spitzenklasse, Angriffe auf den (jeweiligen) Zeitgeist und auch bitterbösen schwarzen Humor (Anouilh, Dürrenmatt, Schnitzler, Bahr, - die Auswahl ist ziemlich willkürlich aus dem Bauch heraus)


    Ich finde gar, daß Literatur und Film im 20. Jahrhundert einiges Erfreuliches abgeliefert haben. Allerdings bin ich eben auch der Meinung, daß dies ebenso für Kunst und Musik gilt. Und daher frage ich mich, wie es sein kann, daß man eine Literatur und ihr ästhetisches Programm grundsätzlich schätzen kann, während man Musik, die einem ähnlichen Programm folgt grundsätzlich ablehnt. Und diese Frage meine ich jetzt nicht polemisch oder despektierlich, sondern es interessiert mich wirklich.


    Zitat

    Da ist sicher was wahres dran - wir wissen ja nicht mal ob die Klassiker überleben werden, bei dieser rasant boomenden "PIG-MÄCK" -Gesellschaft :baeh01:


    Ebent! :baeh01:;)


    Ganz herzlich,
    Medard


  • "Ego oder Publikum befriedigen" ist m.E. ein falscher Gegensatz. Natürlich soll der Künstler auch nicht sein Ego befriedigen. Er soll überhaupt niemanden befriedigen (sonst wäre er ein bloßer Entertainer), sondern er soll interessante Kunst schaffen.


    Zitat


    Zitat (JR):
    .....aber es benötigt verständlicherweise häufig mehr Zeit als ein Profi, den Wert unbekannter Musik zu erfassen.
    (Alfred)
    Dieser Satz wurde (in diversen Abwandlungen) so oft wiederholt, daß sich kaum jemand mehr traut diesen Wert in Frage zustellen aus Angst als Banause dazustehen.


    Du meinst also, dass irgendein beliebiger Zuschauer, der bei der Skandalpremiere von Strawinskys Le Sacre zischte oder sich prügelte, ähnlich kompetent bei der Beurteilung der Musik ist wie Monteux, der sie dirigiert hat?
    M.E. ist der Satz banal und eigentlich nicht des Wiederholens wert, weil völlig klar ist, dass er richtig ist.


    Das Publikum ist wichtig für die Komponisten, völlig klar! Aber welches Publikum? Das wichtigste Publikum (außer vielleicht in der Oper und da ist die Musik häufig sekundär gegenüber Gesangsstars und Show) sind andere Komponisten und Musiker!
    Das wichtigstes Publikum für Mozart, als er die Haydn gewidmeten Quartette geschrieben, war Haydn! Nicht hauptsächlich weil er Vorbild und Widmungsträger war, sondern weil er einer der ganz wenigen Zeitgenossen war, der auf einem ähnlichen qualitativen und avancierten Niveau komponierte und damit in der Lage war, die Werke zu würdigen.


    Bei irgendeiner Uraufführung eines Stückes von Boulez in den 50ern oder frühen 60ern wartete Boulez angeblich mit dem Beginn, bis der anwesende Strawinsky mit einer Partitur, um die er gebeten hatte, versehen war! Das Publikum, auf das es ihm wirklich ankam, war nicht irgendwer, auch nicht der Chefkritiker, sondern einer der bedeutendsten lebenden Komponisten!


    Es gibt dutzende von Beispielen aus der Musikgeschichte, wo die Mehrheit des Publikums nicht nur am Anfang, sondern über Jahre hinweg jeweils aktuellen Stücken ratlos oder ablehnend gegenübergestanden hat. Und sie haben sich dennoch durchgesetzt, aufgrund des Engagements von Musikern und einer Minderheit des Publikums, die nicht locker ließen.


    Aber es ist doch auch ganz praktisch völlig klar, dass zuerst andere Musiker überzeugt werden müssen. Jedenfalls seit etwa 200 Jahren, wo Komponisten meist nicht mehr fest angestellt sind, sondern sich auf eine Art Markt durchsetzen müssen. Bevor das Publikum überhaupt jubeln oder buhen kann, muß es doch die Musik hören können. Wie soll das geschehen, wenn nicht Musiker zur Einstudierung bereit sind?


    Selbstverständlich können auch Musiker irren. Die Wiener Orchester weigerten sich bekanntlich sowohl Schuberts 9. als auch Sinfonien Bruckners zu spielen. Jetzt stell Dir mal vor, alle wären damals über Jahrzehnte hinweg so borniert gewesen wie Du es als ideal hinstellst und es hätte keinen Mendelssohn und Schumann gegeben, die sich trotz dem Kichern der Orchestermusiker für Schuberts Sinfonie stark gemacht hätten. Vielleicht wäre sie verrottet und verloren gegangen.


    Deswegen muß man sich um Musik keine Gedanken machen, solange sie Musiker genügend fasziniert, dass die sie aufführen wollen. Ein Publikum wird sich einstellen. Das mag manchmal immer ein kleines Publikum bleiben, oder ein Stück mag (wie Le Sacre oder Wozzeck u.v.a.) sich vom ehemaligen Skandalstück zum stinknormalen Repertoirewerk etablieren.


    Schließlich, die Opferrolle, die Du hier stellvertretend einnimmst, finde ich fast zum Lachen. Wer "pöbelt" denn? Mit Ausnahme des Themas Regietheater (und vielleicht Wagner) habe ich noch nie derart feindselige, herabwürdigende (und meistens von keiner Sachkenntnis getrübte) Äußerungen gehört wie die von den armen "Opfern", den "Moderne-Hassern". Hauptsächlich weil die meisten Fürsprecher der Moderne, wie Edwin hervorgehoben hat, keineswegs Hasser der Tradition sind, also überhaupt keine solchen Feinde haben, die sie attackieren müßten. Sie wehren sich also höchstens gegen unprovozierte Anwürfe, was dann als "Pöbelei" gewertet wird.


    :hello:


    JR

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Sehr interessant fände ich auch einen Vergleich mit der Rezeption moderner Kunst und Literatur.
    Warum hat es die moderne Musik von all diesen Künsten am schwersten?


    Dazu gibt es schon einen längeren thread.


    Zitat


    Möchte aber die provokative Frage stellen: wenn jeder Künstler ein Kind seiner eigenen Zeit ist , aber moderne Musik als unhörbar empfunden wird, sollen dann moderne Komponisten eine Art moralisches " Berufsverbot" bekommen?


    Mit Moral hat das nichts zu tun. Es sei denn man sieht in der Freiheit der Kunst ein moralisches Gebot. Das schlägt dann aber natürlich in die andere Richtung aus, der Künstler darf alles (er muß es nur können ;))
    Alles andere wäre totalitär a la Platons Politeia, wo nur die zum kriegerischen Mut motivierende und zur edlen Entspannung dienende Musik erlaubt wird, nicht aber weichliche, lüsterne o.ä. subversive Töne :D


    Kunst hat immer etwas subversives, allein weil sie nur ihre eigenen Regeln anerkennt.


    :hello:


    JR

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  • Hallo Alfred,


    das solltest Du keinesfalls als persönlichen Angriff werten - denn so war es nicht gedacht.
    Und ich selbst nehme mich da gar nicht raus - es gibt sovieles, was ich einfach nicht verstehe, und wenn ich mich dann frage, warum kommt das gerade bei mir nicht an, dann ist es meistens meine eigene fehlende Bildung und / oder der Mangel mich darauf einzulassen.


    Denn ich bin bestimmt niemand, der gegenüber allem sofort aufgeschlossen ist, aber ich weiß, dass mir meine Vorurteile und meine Denkmuster manchmal den Weg versperren.


    Ein Beispiel von letzter Woche:


    Wir hatten in der Klasse einen Maler durchgenommen. Motherwell, einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, einer der Hauptvertreter des amerikanischen abstrakten Expressionismus.


    er malte immer wieder dieses Motiv, hunderte Male, Jahrzente lang....



    Ich fand es nichtssagend, langweilig fast unerträglich wie er malte....


    Aber wenn die Fachwelt ihn jetzt schon zu den Großen zählt, und er in jedem Kunstbuch über das 20. Jahrhundert vertreten ist, dann hab ich wohl etwas nicht verstanden.


    Mich hat der Kram irgendwie abgestoßen, und doch denke ich ständig über diese Bilder nach.



    Leider ist es aber heute so, das der Erfolg eines Künstlers nicht immer nur an seinem Talent zu messen ist.
    Denn Kunst ist mittlerweile ein riesen Geschäft, Kunst ist zur Zeit beliebter als Spekulationsobjekt als es Aktien sind.
    Da werden junge Künstler eben gehypt um dann wenige Jahre später wieder im Nichts zu verschwinden.
    Aber der Kunstmarkt ist kein wirkliches Kriterium für die Qualität von Kunst.
    Das ist eine höchst gefährliche Entwicklung die der Kunst eigentlich nur schadet.


    Und erfolglose Künstler die staatlich subventioniert werden (so fern das überhaupt realistisch ist) sind trotz allem noch kulturell aktiv und bereichern die Welt durch ihre Arbeiten.


    Aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema.
    Ich glaube nicht dass die neue Kunst eine Sackgasse ist, sondern der Kunstmarkt die Sackgasse für jedwede Kunst ist.

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Naja, die meisten Arbeiten des Herrn Kiefer etwa sind wahrscheinlich für einen Liebhaber, Kenner, Spinner oder Spekulanten gar nicht so interessant zu erwerben, weil er sie nirgends unterbringen könnte (ich kenne nicht viele Personen die Wohnungen haben, in denen man ein 5 x 3,5 m großes Ölgemälde einigermaßen spektakulär präsentieren könnte). Als Exponate in Museen genießen seine Werke aber durchaus den Status von Publikumsmagneten. Es kann also nicht allein alles das Ergebnis schmierenkomödiantischer Spekulation sein.



    Lieber Medard,


    also Kiefer hat ja nun nicht nur Riesenformate gemalt :D. Wer sich diese allerdings leisten kann, besitzt oft genug auch Räumlichkeiten, die dafür groß genug sind. Der eifrigste private Kiefer-Sammler ist m.W. der Duisburger Bauunternehmer Hans Grothe, der die Werke gerne auch mal an öffentliche Museen ausleiht (z.Zt. in Salzburg).


    Graphische Arbeiten von Kiefer finden aber durchaus Platz in normalsterblichen Wohnzimmern, wobei es auch da für den Erwerb nicht ausreicht, vorher die Schrankwand zu veräußern :D.


    Dass Werke von Kiefer oft Publikumsmagneten waren und sind, ist aber sicherlich richtig.


    Ich darf aber doch darauf hinweisen, dass für das Thema "Warum hat Musik der Moderne es soviel schwerer beim Publikum als bildende Kunst?" bereits ein ausgiebig frequentierter Thread existiert:


    Warum mögen alle Leute Beuys, niemand aber Stockhausen?



    Dass zum eigentlichen Thema bereits 15-20 ähnliche Threads existieren, in denen die weitgehend selben Teilnehmer weitgehend unveränderte Meinungen vertreten, wurde ja bereits erwähnt - repetita placent oder Redundanz rulez sollte der Wahlspruch dieses Forums werden...




    Zitat

    Ich finde gar, daß Literatur und Film im 20. Jahrhundert einiges Erfreuliches abgeliefert haben. Allerdings bin ich eben auch der Meinung, daß dies ebenso für Kunst und Musik gilt. Und daher frage ich mich, wie es sein kann, daß man eine Literatur und ihr ästhetisches Programm grundsätzlich schätzen kann, während man Musik, die einem ähnlichen Programm folgt grundsätzlich ablehnt. Und diese Frage meine ich jetzt nicht polemisch oder despektierlich, sondern es interessiert mich wirklich.



    Ok, für den Musik-Literatur-der-Moderne-Vergleich haben wir noch keinen Thread :D. Was wären denn Werke der Musik, die einem ähnlichen ästhetischen Programm folgen wie "Zauberberg", "Mann ohne Eigenschaften" oder "Berlin Alexanderplatz"? Oder die literarischen Pendants zu "Sacre", Stockhausens "Gruppen" oder Nonos "Prometeo"?


    Wir haben natürlich den Sonderfall "vertonte Musik" - da gibt's dann Paarungen wie Schönberg-George oder Rihm-Artaud. Das scheint mir aber doch was anderes zu sein. Höchstens Bachmann-Henze könnte man gelten lassen...



    Viele Grüße


    Bernd

  • Lieber Alfred,
    wenn Du einmal in Fahrt kommst, dann aber ordentlich... :D


    Ich greife nur Deinen zentralen Irrtum heraus, der alles erklärbar macht:

    Zitat

    Kunstwerke - welcher Art auch immer sind nicht dazu da das Ego des Künstlers zu befriedigen - sonden den "Auftraggeber" oder das "Publikum"


    Du fühlst Dich also vom modernen Künstler sozusagen meh oder weniger vera...t, er begreift Deine Gefühle nicht, da Du aber die zahlende Kundschaft bist, hast Du ein Recht darauf, daß der Künstler Dich beliefert.


    Nur, lieber Alfred, sind wir weder beim Greißler um die Ecke noch bei der Pop-Musik, sondern bei der Klassik. Und ich wage folgende These: Alle Künstler, die von Anfang an nur das Publikum bedienten, sind heute zurecht vergessen. Da der Publikumsgeschmack Moden unterliegt, haben diese Künstler nämlich ebenfalls eine Mode bedient und wurden mit dem Aufkommen einer neuen Mode weggespült. Nur, wer nicht das Publikum bedient, hat die Chance, etwas Überzeitliches zu schaffen. Wenn er das Glück hat, daß das Publikum das noch zu Lebzeiten des Künstlers erkennt, hat er Glück gehabt. Aber es gibt auch das Überdauern, wenn das Publikum erst später die Größe eines Komponisten erkennt. Manche sind überhaupt erst nach ihrem Tod zu vielgespielten Klassikern geworden.


    Ich behaupte auch nicht, daß wirklich jede Musik, die heute komponiert wird, zumindest für das gebildetere Publikum verständlich ist. Aber, Hand aufs Herz, lieber Alfred, glaubst Du im Ernst, daß ein Dufay, ein Ockeghem etc. verständlich sind? Da sehe ich doch fast für unsere Zeitgenossen mehr Chancen, denn bei denen braucht man sich nicht in eine sehr ferne Symbolik für (historisch bzw. religionsphilosophisch) sehr ferne Zusammenhänge einlesen oder einhören.


    Man darf nämlich nur nich in den Fehler verfallen zu glauben, daß man jede Musik, die einem gefällt, auch wirklich versteht. Mir etwa gefällt Machaut - aber ich verstehe ihn ebensowenig wie den von mir sehr bewunderten Dufay.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Dass zum eigentlichen Thema bereits 15-20 ähnliche Threads existieren, in denen die weitgehend selben Teilnehmer weitgehend unveränderte Meinungen vertreten, wurde ja bereits erwähnt - repetita placent oder Redundanz rulez sollte der Wahlspruch dieses Forums werden...


    Wenn's schee macht... heißt es nicht auch repetitio est mater sapientiae oder so ähnlich...;)


    Zitat


    Ok, für den Musik-Literatur-der-Moderne-Vergleich haben wir noch keinen Thread :D. Was wären denn Werke der Musik, die einem ähnlichen ästhetischen Programm folgen wie "Zauberberg", "Mann ohne Eigenschaften" oder "Berlin Alexanderplatz"?


    Für "Berlin Alexanderplatz" würde ich Werke von Ives als Pendant vorschlagen, außer dass sie eben amerikanischen (und eher ländlichen als großstädtischen) Kontext haben. Drei Militärkapellen gleichzeitig durcheinander paßt recht gut zur Stimmenvielfalt dieses Romans.


    Ich wage überdies die angeblich so große Beliebtheit von avantgardistischen und hermetischen Werken der modernen Literatur in Zweifel zu ziehen. Ein wesentlicher Unterschied ist aber ein praktischer. Selbst ein satztechnisches Monstrum wie Zettels Traum (was ich nur dem Hörensagen nach kenne) ist an Produktionsaufwand sicher nicht mit einer Inszenierung eines Tages aus "Licht" oder Zimmermanns "Soldaten" zu vergleichen. Und dann steht es im Regal und wer sich damit auseinandersetzen möchte, hat beliebig viel Zeit dazu. Und das ist im Falle Arno Schmidts eine Fangemeinde, die sicher nicht viel größer als die Stockhausenfans ist (eher im Gegenteil, weil nicht so international).
    Die geringfügig höhere Beliebtheit auch schwieriger Literatur der Moderne liegt sicher auch am höheren Alphabetisierungsgrad. Lesen lernt jeder in der Schule, ebenso wird er gezwungen, sich mit literarischen Texten zu befassen, sogar mit modernen (wobei mal offen bleiben mag, in welche Richtung das ausschlägt). Dagegen ist die musikalische Bildung minimal. Und es gibt trotz aller Trivialliteratur kein Äquivalent zu der Popularmusikdröhnung von Kindesbeinen an.


    (Als relativer Banause gegenüber der Bildenden Kunst ist deren außerordentliche Popularität allerdings tatsächlich immer wieder ein Faszinosum für mich.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Bernd,


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Dass zum eigentlichen Thema bereits 15-20 ähnliche Threads existieren, in denen die weitgehend selben Teilnehmer weitgehend unveränderte Meinungen vertreten, wurde ja bereits erwähnt - repetita placent oder Redundanz rulez sollte der Wahlspruch dieses Forums werden...


    Naja, wir sind halt in die Phase des synthetischen Diskutierens eingetreten. :D Abgesehen davon ging's mir hier ja nur darum, kurz deutlich zu machen, daß die relative Polularität moderner Kunst nicht allein auf Spekulation und Geldmacherei zurückzuführen ist - und dafür war es gerade mal nicht so wichtig, das Kiefer nicht nur Riesenformate gemalt hat... :D




    Vertonte Texte gelten hier nicht! Wenn man ein wenig sucht findet man schon was - als Äquivalent zu Stockhausens »Gruppen« könnte man etwa die Onomatopoetische Dichtung begreifen, oder in der epischen Literatur, ganz plakativ, auch Schmidts »Zettels Traum«. »Berlin Alexanderstadt«? - »Amérique« von Varese . Zum »Sacre« Kokoschkas »Mörder Hoffnung der Frauen« (das »Sacre« wäre hier sogar IMO die eindeutig bessere Bühnenmusik als Hindemiths Oper auf den Text). Oder so: Mit Claire Golls »Der Neger Jupiter raubt Europa« oder Soupaults »Le Nègre« würden die wenigsten Probleme haben, während Kreneks »Jonny spielt auf« sicherlich schon als grenzwertig empfunden würde. Reicht das für's erste? :D


    Ganz herzlich,
    Medard

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