Musik der Moderne - Eine Sackgasse (?)

  • Zitat

    Original von pbrixius


    ... dito ...


    Dieser Thread scheint ja selbst ansonsten abgeklärte Gemüter an den Rand der Hysterie treiben zu können. ;) Ruhig Blut, hier ist noch gar nichts ausgemacht. Es ist ja nicht unüblich, dass es in den Jahren nach dem Tod eines (großen) Künstlers erst einmal ruhig wird um sein Werk.


    Loge

  • Zitat

    Original von Draugur
    Es ging mir doch gar nicht darum, ob diese Werke gespielt werden und ich wollte auch nicht ihre künstlerische Qualität anzweifeln. Es geht mir auch weniger darum, ob diese Werke in Reclams Musikführer usw. stehen, sondern ob diese Tonsprache sich im Musikempfinden von Nicht-Profis etabliert hat und diese emotional anzusprechen vermag.


    Und woran machst Du fest, ob "Nicht-Profis" emotional angesprochen werden? Wie viele müssen das sein? Reichen 1000 oder müssen es 100000 sein? Aus welcher Menge nimmst Du Deine Testpersonen? Wenn ich aus der Fußgängerzone 10 Leute rausgreife und ihnen eine Motette von Dufay, das 6stimmige Ricercar von Bach, Beethovens Große Fuge, das Tristanvorspiel, Bergs Altenberglieder, Schönbergs Streichtrio, Bartoks 3. Quartett, Coltranes A love Supreme, ein Stück klassische persische Musik und mongolischen Obertongesang vorspiele, würde ich nicht drauf wetten, dass Berg und Schönberg am wenigsten emotional ansprechen.
    (meine Vermutung wäre sogar, dass von diesen Berg und Wagner am stärksten emotional ansprächen)


    Du schließt von Dir auf andere. Den allermeisten Leuten sagt Monteverdis Musik emotional genauso wenig wie Beethovens wie Bartoks wie Bergs. Sie finde sich emotional in Pop- und vielleicht einiger Filmmusik wieder. "Klassische Musik" hat bei ihnen dann eine Chance, je ähnlicher sie diesen Musiksparten ist. Die Erklärung warum das so ist, ist nicht schwierig. Sie kommt aber völlig ohne die Annahme aus, es sei "natürlich" für einen Laien bestimmte Musikarten zu bevorzugen. Das "urwüchsige Volksempfinden" ist a) nicht urwüchsig und b) ein ganz schlechter Ratgeber, nicht nur politisch.


    Ich würde bei der von Dir gehörten Metal-Musik vermutlich fluchtartig den Raum verlassen (egal wie tonal). Ich bin ein blutiger Laie, der niemals eine 12tonreihe heraushören wird (ebensowenig wie den L'homme arme cantus firmus im 3. Tenor oder wo auch immer), aber Bergs 3 Orchesterstücke oder die Lyrische Suite (egal wie atonal) finde ich emotional außerordentlich eindrucksvolle Stücke (sie wirken auf mich wesentlich emotionaler als alles von Ravel, Strawinsky oder Hindemith, was ich kenne).


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Zitat Loge
    Es ist ja nicht unüblich, dass es in den Jahren nach dem Tod eines (großen) Künstlers erst einmal ruhig wird um sein Werk.


    Was sicherlich stimmt - nur, daß das Werk des jüngst Verstorbenen in der Regel in seiner Heimat weiterlebt und dann wieder zum Allgemeingut wird. So waren Poulenc und Milhaud in Frankreich nie weg, Britten wurde in England ohne Einbrüche bei den Aufführungszahlen weitergespielt etc. In Polen hingegen scheint sich Lutoslawski nicht weiter zu behaupten. Ich fürchte, er könnte ein ähnlicher Fall wie der (stilistisch völlig anders geartete) Österreicher Gottfried von Einem werden: Anerkannt zu Lebzeiten, im Alter langsam dem Bewußtsein entschwindend, nach dem Tod mit einigen Gedenkaufführungen geehrt - und schließlich taucht alle heiligen Zeiten irgendein nicht zu langes Werk in einem Konzert auf.
    Wobei Lutoslawskis Hauptwerke, die Zweite und die Dritte Symphonie (eventuell auch die Vierte) zu gewichtig sind, um sie vor der Pause zu spielen - und einen unbekannten Modernen an den Schluß setzen, trauen sich in Europa die wenigsten Dirigenten.
    Aber die Hoffnung lebt... :D
    :hello:

    ...

  • Meine Lieben


    Ich will nicht Oel in die hitzige Diskussion giessen, finde aber, dass der geschätzte Alfred gar nicht so unrecht hat, wenn er festhält, dass das Publikum das Mass aller musikalischen Dinge ist.
    Das ist doch kein Diktat der Mehrheit.
    Der musikhörende Teil der Population ist eh eine absolute Minderheit.
    Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Musikgeschmäcker mag bescheidenen Anspruchs sein, aber er ist zur Aufrechterhaltung des Musikbetriebs nun einmal absolut ausschlaggebend.


    Ich bin in meinem bisherigen Leben in hunderten von Sinfoniekonzerten gesessen und jedesmal, wenn ein zeitgenössisches Werk gegeben wurde, habe ich die Unruhe des Publikums bis in die Kochen hinein gespürt. Ja mein Gott: das ist doch eine aufschlussreiche Beobachtung! Irgend etwas stimmt doch da nicht! Das kann doch niemand ernsthaft abstreiten, oder?


    Mit liebem Gruss,
    Walter

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Das Verlassen der Tonalität ist für meinen Musikgeschmack der „Sündenfall“ in der Musikgeschichte.


    Ach Walter, der »Sündenfall« der Musikgeschichte hat doch schon viel früher stattgefunden: bei der Einschnürung und bösen Reduktion, die durch die Ablösung der modalen Tonartenvielfalt durch das langweilige Duale System stattfand, das dann für fast 400 Jahre als Zwangskorsett fungiert hat. :D;)


    Zitat

    Musik ohne harmonisches Gerüst ist für mich eigentlich keine Musik mehr, sondern organisiertes Geräusch. (was durchaus interessant, aber für mich nicht aufbauend sein kann).
    Man möge meine Sichtweise respektieren. Ich gehe davon aus, dass eine Mehrheit der MusikhörerInnen diese mit mir teilt.


    Natürlich wird Deine Sichtweise respektiert – aber das bedeutet doch nicht zugleich, daß man sie dann nicht diskutieren bzw. ihr zart widersprechen dürfte, oder? Derowegen: Musik ist immer »organisiertes Geräusch« - allein, die tonale und funktionsharmonische Musik organisiert die Geräusche nach anderen Regeln als die Reihentechnik.


    Zitat

    Kann es sein, dass (so wie die zeitgenössische Malerei wieder auf die Gegenständlichkeit zurückgreift) die jüngste Komponistengeneration wieder zur Tonalität gefunden hat?


    Wen genau meinst Du? Thomas Schmidt-Kowalski? :D


    Zitat

    Ich denke da an Einojuhani Rautavaara, oder an die neuesten Sachen von Penderecki oder Henze, die beide ja eine extreme Stilmetamorphose vollziehen.
    Beide Komponisten waren einmal "modern": Sind sie jetzt (nach ihrem Rückgriff auf die Tonalität) „postmodern“...? Dann wäre die „ Moderne“ für mich persönlich tatsächlich eine Sackgasse gewesen.


    Mit liebem Gruss aus Bern
    Walter


    Aber weder Penderecki noch Henze kehren einfach zur Tonalität zurück, sondern integrieren Tonalität als Stilmittel in ihre Kompositionen. Hier feiern also reihentechnische Verfahren und tonale Elemente ein fröhliches Fest. So gesehen könnte man tatsächlich davon sprechen, daß diese Werke einen postmodernen Charakter haben – was aber keineswegs bedeutet, daß die Moderne eine Sackgasse gewesen wäre, sondern daß die strenge Reihentechnik der Moderne durch die Integration tonaler Elemente weiterentwickelt worden ist (die Kombination von Reihentechnik und tonalen Elementen ist übrigens gar nicht so selten, da kannst schon seit den 1970ern und 80ern so einiges finden, etwa bei R. Febel, H. Winbeck, M. Trojahn und einer ganzen Reihe weiterer Komponisten, die nach 1940 geboren sind).


    Ganz, ganz herzerweichte Grüße aus dem postindustriellen Ruhrgebiet von
    Medard

  • Hallo Johannes,


    hat Alfred euch eigentlich in einer Trinklaune alle zu Moderatoren gemacht? :D Ich war längere Zeit abstinent, da hat sich doch so einiges getan.


    Ich wollte nicht auf das gesunde Volksempfinden hinaus und auch nicht auf Leute aus der Fußgängerzone. Sondern auf Laien, die sich mit klassischer Musik entweder als regelmäßige Hörer beschäftigen oder in Chören usw. tätig sind. Ich schließe da auch nicht nur von mir auf andere, allenfalls schließe ich von meinem Bekanntenkreis auf andere. Zum großen Teil sind meine Freunde und Bekannten Sänger in Amateurchören usw. Diese Leute bevorzugen Kompositionen bis einschließlich Spätromantik, weil sie diese Musik von der Tonsprache her nachvollziehen können. Die Gesetzmäßigkeit einer tonal orientierten Melodie- und Harmonieführung teilt sich einem (solchen) Laien mit (d. h. z. B. ganz primitiv ausgedrückt, er bekommt mit, wann eine Melodie den Grundton wieder erreicht, wann in einer Harmoniefolge die Tonika wiederkommt usw., auch wenn er die Ausdrücke dafür nicht kennt), im Gegensatz zur Gesetzmäßigkeit einer seriellen Komposition.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Zitate Draugur
    Meines Ermessens alles ansprechendere Ansätze als die ganzen Reihentechniken usw. aber mich fragt ja keiner


    Kann es sein, daß Du der Kompositionstechnik zu hohen Stellenwert in Bezug auf das Klangerlebnis zumißt?
    Es ist doch für das Klangerlebnis erst einmal gleichgültig, ob das jeweilige Stück nun polytonal geschrieben ist, atonal oder auf der Basis von Reihentechniken.


    Es gibt reihentechnische Werke, man niemals als solche erkennen würde (Ginasteras Erstes Klavierkonzert etwa). Verstehe mich nicht falsch: Ich glaube keineswegs, daß der reihentechnische Weg als einziger zum Heil führt - ich glaube aber auch nicht, daß er unweigerlich die Verdammnis nach sich zieht.


    Zitat

    Zum großen Teil sind meine Freunde und Bekannten Sänger in Amateurchören usw.


    Also, die Amateur-Chorsänger, die ich kenne, sind immer ganz begeistert, wenn sie einen Orff oder einen Britten singen können. Daraus folgere ich messerscharf, daß Orff und Britten sozusagen Ehren-Romantiker sind. :hahahaha:


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Draugur
    [..]
    Sondern auf Laien, die sich mit klassischer Musik entweder als regelmäßige Hörer beschäftigen oder in Chören usw. tätig sind. Ich schließe da auch nicht nur von mir auf andere, allenfalls schließe ich von meinem Bekanntenkreis auf andere. Zum großen Teil sind meine Freunde und Bekannten Sänger in Amateurchören usw. Diese Leute bevorzugen Kompositionen bis einschließlich Spätromantik, weil sie diese Musik von der Tonsprache her nachvollziehen können. Die Gesetzmäßigkeit einer tonal orientierten Melodie- und Harmonieführung teilt sich einem (solchen) Laien mit (d. h. z. B. ganz primitiv ausgedrückt, er bekommt mit, wann eine Melodie den Grundton wieder erreicht, wann in einer Harmoniefolge die Tonika wiederkommt usw., auch wenn er die Ausdrücke dafür nicht kennt), im Gegensatz zur Gesetzmäßigkeit einer seriellen Komposition.


    Lieber Draugur,


    genau an dieser Stelle habe ich andere Erfahrungen gemacht. Sicher mögen Chor-Lainen in erster Näherung am liebsten barocke bis romantische Chorwerke. Aber irgendwann arbeitet der Chorleiter doch mal ein etwas moderneres Stück, und sei es nur ein Volksliedsatz. Durch das Singen dieser ungewohnten Musik stellt sich aber, und das halte ich für interessant für diesen Thread, ein Verständniss für die moderne Tonsprache ein. Es ist sogar häufig so, dass die etwas modernen Werke regelrecht geliebt werden. Durch die intensive Beschäftigung mit dieser Musik, und genau das passiert ja beim proben und aufführen, verlieren zuerst -beißende Harmonien, seltsame Harmoniewechsel und gewöhnungsbedürftige Rhythmik ihren Schrecken. Und genau daraum geht es letztlich: man muss sich auf Musik einlassen. Hier werden die Chorsänger vom Chorleiter sanft gezwungen, und dadurch finden viele (wohlgemerkt nicht alle) Sänger zu dieser Tonsprache.


    Und hier noch ein (etwas gewagte) These:
    Klassische oder romantische Werke haben den Vorteil, dass man ein Leben lang im Radio, Fernsehen, Werbung etc. mit einer doch recht begrenzten Art der musikalischen Möglichkeiten geprägt wurde und so einen ausgeprochen einfachen Zugang zu dieser Musik schafft. Dieser Einfluss ist sicher mindestens ein wesentliches Moment bei diesen Betrachtungen.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Lieber Medard,

    Zitat

    Ach Walter, der »Sündenfall« der Musikgeschichte hat doch schon viel früher stattgefunden: bei der Einschnürung und bösen Reduktion, die durch die Ablösung der modalen Tonartenvielfalt durch das langweilige Duale System stattfand, das dann für fast 400 Jahre als Zwangskorsett fungiert hat.


    In Wirklichkeit war der Sündenfall noch früher: Als man vom Skandieren auf einem Ton abging, um, wahrscheinlich angesichts eines lecker gebratenen Mammuts, Melodiefolgen zu singen - das war der erste Sündenfall. Und der zweite, als man auf den britischen Inseln, wohl angesichts des lauwarmen Biers, in Terzen zu jaulen begann und die damit die herrlichen Quinten verjagte.
    Immer diese Modernen, diese Revoluzzer, diese bösen... :D
    :hello:

    ...

  • Ach lieber Medard


    Selbstverständlich darfst Du mir (auch nicht nur zart) widersprechen. Ich wollte nur einmal etwas plump (aber durchaus ernsthaft) die Partei des Durchschnittshörers ergreifen.
    Dass Du die Ablösung des dualen Systems als „Sündenfall“ bezeichnest, ist auch nicht ernst zu nehmen, aber mag als Polemik durchgehen, wie bitte auch mein Beispiel. (Edwins Karikatur zeugt von mehr Ernsthaftigkeit und ist obendrein wirklich witzig)


    Ich bin der Ansicht, dass die musikalischen Parameter ein Spiegel des harmonikalen Formmusters des menschlichen Körpers sind.
    Wir erkennen nur, was die Baupläne des eigenen Gewirktseins spiegelt. Dieses gestaltet sich zum grössten Teil durch die Verhältnisse der Obertonreihe.Was dieser nicht entspricht, wird als fremdartig wahrgenommen.


    Das ist nicht a priori schlecht.
    Und nichts liegt mir ferner als die seichte Suada esoterischer Obertongesäuselei zu propagieren.
    Ich empfinde einfach dort, wo die Tonalität verlassen wird, nur Fremde. Kann sein, dass man nur in der Fremde neue Erfahrungen macht. Ich für meinen Teil brauche sie nicht.


    Mit liebem Gruss aus dem industriellen Bern
    Walter

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  • Hallo Chorknabe,


    ich habe als Chorsänger eine ähnliche Erfahrung mit einem Hindemith-Stück gemacht (Apparebit repentina dies), das mich anfangs beim Proben nur angenervt hat, aber die Aufführung war dann doch toll. Ich denke, eine wie auch immer erweiterte Tonalität kann sich einem durchschnittlich sozialisierten Gehör auf Dauer verständlich machen, aber ich muss bei einem Ton wissen, auf welchen Grundton er sich bezieht (dieses Gefühl habe ich definitiv auch bei Josquin u. Konsorten, bevor das wieder angesprochen wird...), sonst zerfällt für mich alles in eine gewisse Beliebigkeit.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Also, die Amateur-Chorsänger, die ich kenne, sind immer ganz begeistert, wenn sie einen Orff oder einen Britten singen können. Daraus folgere ich messerscharf, daß Orff und Britten sozusagen Ehren-Romantiker sind


    Keine Ehrenromantiker, aber Vertreter tonalen Komponierens... ich gehöre im übrigen auch zu den Chorsängern, die begeistert sind, wenn sie Orff oder Britten singen dürfen.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Lieber Walter,

    Zitat

    Ich bin in meinem bisherigen Leben in hunderten von Sinfoniekonzerten gesessen und jedesmal, wenn ein zeitgenössisches Werk gegeben wurde, habe ich die Unruhe des Publikums bis in die Kochen hinein gespürt. Ja mein Gott: das ist doch eine aufschlussreiche Beobachtung! Irgend etwas stimmt doch da nicht! Das kann doch niemand ernsthaft abstreiten, oder?


    Mir liegt jetzt ein Zynismus auf den Fingern. In Wien sagt man dazu, "das ist aufgelegt", also selbst heraufbeschworen. Nicht böse sein, ich muß ganz einfach. Also:
    Mir ist es tausendmal lieber, ein Publikum sitzt nervös im Konzert als saturiert.


    So, Zynismus-Modus aus.


    Aber es hat wirklich etwas mit dem eigenen Erleben zu tun: Natürlich gibt es im Publikum auch die "negativen Schwingungen" bei moderner Musik. Aber ich spüre eine ganz ähnliche Nervosität auch bei Klassiker-Aufführungen, die nicht der Norm, also dem Gewohnten, entsprechen. Und das empörteste Hinaustrampeln, das ich je erlebt habe, fand nicht etwa bei Nono oder Berio oder Stockhausen oder Henze (nicht einmal bei seinem "Tristan") statt, sondern während Charles Ives "Vierter Symphonie". Menschenskind - das Werk ist von 1916; und alles andere als reihentechnisch oder gar seriell durchorganisiert...!


    :hello:

    ...

  • HEY EDWIN !
    solche "Hoffnung (bzgl. Lutoslawski 3./4. Sinf. LIVE) lebt" in mir mittlerweile eher weniger :wacky:
    ...ausgestorben ist sie mir natürlich nicht...


    ...und korrigieren möchte ich dich jetzt doch...
    "behauptet" hab ich nämlich nischt - bloss (vorsichtig) eingeschätzt
    ...zu Ersterem (und wohl auch, um in der "Sackgassen"-Frage wirklich mitdiskutieren zu können) fehlt`s mir sicher an Kompetenz...
    zweitens...
    ...hab ich die Ustvolskaya benannt (nicht die Gubaidulina),
    die - das wag ich nun in der Tat zu behaupten - von beiden die schroffere Musik schreibt...
    (man denke nur mal an die SchlagzeugHIEBE in "Composition II." oder ans Violin/Klavier-Duett von 1964 !)



    HEY PBRIXIUS !!
    Nee Du...
    mit - z.B. - den grade von mir genannten Sinfonien will ich nix mehr zu tun haben...
    soo unerfahren bin ich da nun auch nicht !
    hab als Teenie fleissig Konzert-Abos gehabt - und bis letzten Sommer per Radio immer mal wieder Versuche unternommen...NU IS SCHLUSS
    auch das gibt`s ;)


    :hello:
    Micha

  • Ahoi Pieter,

    Zitat

    hab ich die Ustvolskaya benannt (nicht die Gubaidulina),


    Sorry, ich habe daneben die neue Aufnahme von Gubaidulinas "Johannes-Passion" laufen. Das mag's erklären. Du hast natürlich recht, Gubaidulina ist wesentlich kulinarischer als die (auch für mich stärkere) Ustwolskaja.
    :hello:

    ...

  • Lieber Walter,


    Ernsthaftigkeit ist meine Sache nicht, wie Du wahrscheinlich schon des häufigeren gemerkt haben dürftest :D . Aber nun dennoch mal im Ernst: Ich habe Deine Sündenfall-Metapher durchaus als konstruktive Polemik aufgefaßt, wenn mir selbst eine solch metaphysische Aufladung kulturgeschichtlicher Entwicklungen ziemlich fremd ist – daher meine wahrscheinlich plumpe Replik. ;)


    Zitat

    Ich bin der Ansicht, dass die musikalischen Parameter ein Spiegel des harmonikalen Formmusters des menschlichen Körpers sind.
    Wir erkennen nur, was die Baupläne des eigenen Gewirktseins spiegelt. Dieses gestaltet sich zum grössten Teil durch die Verhältnisse der Obertonreihe.Was dieser nicht entspricht, wird als fremdartig wahrgenommen.


    Hm, ich muß gestehen, daß ich darüber bisher weder besonders nachgedacht hätte, noch (und das meine ich jetzt radikal subjektiv) dem irgendwelche Bedeutung für die Prozesse ästhetischer Kommunikation bemesse(n möchte).


    Zitat

    Das ist nicht a priori schlecht.
    Und nichts liegt mir ferner als die seichte Suada esoterischer Obertongesäuselei zu propagieren.
    Ich empfinde einfach dort, wo die Tonalität verlassen wird, nur Fremde. Kann sein, dass man nur in der Fremde neue Erfahrungen macht. Ich für meinen Teil brauche sie nicht.
    Mit liebem Gruss aus dem industriellen Bern
    Walter


    »[…] Engel nicht, Menschen nicht,
    und die findigen Tiere merken es schon,
    daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind
    in der gedeuteten Welt. […]«


    Siehst Du Walter, da unterscheiden wir uns: ich empfinde dort nicht nur Fremde, sondern bisweilen eine ziemliche Korrespondenz mit meinem Lebensgefühl. Mein Verdacht ist, daß genau diese Möglichkeit von den »Gegnern« moderner Musik aber schlicht gar nicht in Betracht gezogen wird...


    Ganz herzlich,
    Medard


    p.s.: Auf den eigentlich einzig wirklich threadrelevanten Absatz meines Postings, nämlich den letzten, bist Du gar nicht eigegangen. Schade...

  • Zitat

    Zitat Walter
    Ich bin der Ansicht, dass die musikalischen Parameter ein Spiegel des harmonikalen Formmusters des menschlichen Körpers sind. Wir erkennen nur, was die Baupläne des eigenen Gewirktseins spiegelt. Dieses gestaltet sich zum grössten Teil durch die Verhältnisse der Obertonreihe.Was dieser nicht entspricht, wird als fremdartig wahrgenommen.


    Dann gebe ich allerdings fern von jedem Zynismus und in vollem Ernst zu bedenken, daß wir Beethoven und Mozart als fremdartiger wahrnehmen müssen als die von den Obertönen abgeleitete Musik eines Tristan Murail oder Hugues Dufourt.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn


    Ich bin in meinem bisherigen Leben in hunderten von Sinfoniekonzerten gesessen und jedesmal, wenn ein zeitgenössisches Werk gegeben wurde, habe ich die Unruhe des Publikums bis in die Kochen hinein gespürt. Ja mein Gott: das ist doch eine aufschlussreiche Beobachtung! Irgend etwas stimmt doch da nicht! Das kann doch niemand ernsthaft abstreiten, oder?


    Walter


    Ich muß zugeben, dass es bei mir aufgrund meines Alters noch nicht Hunderte waren. Dennoch habe ich in Berlin viele Aufführungen mit moderner Musik (oft mit anwesenden Komponisten) erlebt, in denen sich die Aufmerksamkeit nicht von anderen Konzerten unterschied, und es am Ende großen Beifall gab. (Programme mit Bartok zähle ich da gar nicht, die erachte hinsichtlich der Publikumsreaktion als ganz normales Konzertrepertoire.


    Zu den Mehrheitsverhältnissen ist zu sagen, dass ich diese bei den ausübenden Künstlern umgekehrt sehe. Die allermeisten Musiker der oberen Qualitätsklassen setzen sich für die Moderne ein und fördern Sie nach Kräften. Bei den Komponisten schaut es ähnlich aus. Der vom Publikum gefeierte Siegeszug eines tonal*** komponierenden Komponisten, welcher die Säle füllt, ist mir leider entgangen. Da stimmt doch dann auch etwas nicht, oder ?


    Was sollen wir also mit diesen ganzen Fehlgeleiteten Musikern, Komponisten, Hochschullehrern und Ihrer angeblichen so kleinen sektierenden Anhängerschaft machen ?


    Man könnte ja mal bei den chinesischen Freunden nachfragen, die haben da sicher probate Modelle, die Kunst wieder dem Volksgeschmack anzupassen. :stumm:


    Gruß
    Sascha


    ***der Begriff ist zu eng, tonalität ist ja nicht das einzige Merkmal der Moderne, ohnehin wie oft angemerkt ein Problematischer Begriff...aber ich bezweifle, das der rückblickend größte Komponist des laufenden Jahrhunderts wie Schubert klingen wird.


  • Na ja, lieber Medard, ich will nicht abstreiten, dass Du mich hier auf dem falschen Fuss erwischt hast. Eine gewisse Tendenz zur Weltflucht kann ich nicht abstreiten. :D
    Allerdings hüte ich mich (und kein einziges Wort meiner Postings könnte dahingehend interpretiert werden) mich als "Gegner" der modernen Musik zu etablieren: Es geht doch hier nicht um Konfrontationen, nicht um Kampf oder ähnlichen Blödsinn:
    Einfach so, um nicht in die fundamental-reaktionäre Ecke gestossen zu werden, möchte ich erwähnen, dass ich anlässlich des Europäischen Musikmonats 2001 in Basel, einer Werkschau der zeitgenössischen Musik, fast sämtliche Konzerte besuchte (etwa 40) Es musizierten u.v.a. das Ensemble Intercontemporain aus Paris, die London Sinfonietta, das Ensemble Modern aus Frankfurt und das Klangforum Wien, in Werke von Knussen, Turnage, Birthwistle, Rihm uva. (Insgesamt 117 zeitgenössische Komponisten, darunter 51 Uraufführungen)


    Man kann mir also nicht mangeldes Interesse vorwerfen.
    Aber Innteresse ist das eine, Genuss das andere.
    Mir ist letzteres wichtiger, ohne ersteres abzuwerten.


    Ich habe damals leider kein einziges Werk erlebt, das ich gerne wiederhören wollte (ausser vielleicht Rihms „Jagten und Fluchten“). Ich bedaure das ausserordentlich.
    Und nochmals: Ich bin kein Gegner dieser Musik, nur einfach kein Liebhaber.


    Mit liebem Gruss, Walter

  • Zitat

    Original von Antracis


    Der vom Publikum gefeierte Siegeszug eines tonal komponierenden Komponisten, welcher die Säle füllt, ist mir leider entgangen. Da stimmt doch dann auch etwas nicht, oder ?


    Da gibt es sogar unzählige. Das nennt man dann Popmusik. Abgesehen davon, was ist mit Pärt, Glass usw.?


    Abgesehen davon: Kann man sich überhaupt an einer deutschen Musikhochschule zum tonalen Komponieren ausbilden lassen?

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Hallo Ulrich,


    Zitat

    Original von Ulrich Kudoweh
    Die Wahrnehmung von Musik unterscheidet sich nun einmal grundlegend von derjenigen bildender Kunst oder der Literatur, etc. Gefällt mir ein Buch nicht, kann ich es jederzeit zuklappen und nie wieder in die Hand nehmen. Missfällt mir ein Gemälde, schaue ich nach einem Wimpernschlag darauf sogleich fort. Niemand wird mich zwingen können, mich weiter der als unbehaglich empfundenen Wahrnehmung auszusetzen.


    Die Chance habe ich nicht bei der Musik - wenn sie sich gerade nicht auf der abschaltbaren Konserve oder im Radio befindet. In der Konzertsituation, im Fahrstuhl, auf dem Volksfest, ..., bin ich der Beschallung gnadenlos ausgesetzt. Will ich diese Musik nicht, kann ich nicht mal eben die Ohren herunterklappen, sie auszublenden - zumal in der Konzertsituation - erfordert kaum aufzubringende Kraftanstrengung. Und dann kann es in dieser Zwangssituation sehr, sehr nervig werden ...


    eigentlich ist es ja meist keine kaum aufzubringende Kraftanstrengung sich einer ungeliebten Musik zu entziehen. Sondern vielmehr ein Heraustreten aus dem Erscheinungsbild von jemandem, der die Contenance wart.
    Wenn mir Musik zu laut ist (z. B. in der Disko), pfeife ich auf die Contenance und halte mir auch schon mal die Ohren zu. Das ist dann in der Regel allerdings keine Bekundung meines Missfallens der Musik an sich.
    Zumal man Disko-Musik mit zugehaltenen Ohren viel deutlicher hört.


    Viele Grüße


    :hello:

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  • Zitat

    Original von Draugur



    Da gibt es sogar unzählige. Das nennt man dann Popmusik. Abgesehen davon, was ist mit Pärt, Glass usw.?


    Wenn man sich die Qualität der Popmusik anschaut, sieht man ja, was beim an den Massengeschmack angebiederten Komponieren rauskommt.


    Das es nicht mit der Tonalität getan ist, habe ich ja ergänzend ausgeführt. Und Glass und Pärt gehören nun sicher auch nicht zu den Favoriten derer, die schon mit Bartok Probleme haben.


    Ich denke mal, dass man in Sachen Kompositionsanalyse nicht an der Tonalität vorbei kommt. Zumindest, wenn man sich als Held gegen die Mafia der Moderne sieht, sollte damit ein Grundstein gelegt sein, um fortan aus dem Untergrund heraus mit anderen abgetauchten Guerilla - Komponisten den Widerstand gegen diktatorische moderne Kompositionssysteme zu bereichern. An Mangel an Wissen kanns also nicht liegen.


    Gruß
    Sascha

  • Die Qualität "der" Popmusik... Naja, dieses Thema hatten wir ja schon woanders.


    Schön dick aufgetragene Ironie am Schluss, aber ich würde meine Frage gerne aufrechterhalten: wird tonales (im weiteren Sinne) Komponieren in dt. Kompositionsklassen überhaupt noch gefördert, wenn überhaupt ermöglicht?

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn


    Na ja, lieber Medard, ich will nicht abstreiten, dass Du mich hier auf dem falschen Fuss erwischt hast. Eine gewisse Tendenz zur Weltflucht kann ich nicht abstreiten. :D
    Allerdings hüte ich mich (und kein einziges Wort meiner Postings könnte dahingehend interpretiert werden) mich als "Gegner" der modernen Musik zu etablieren: Es geht doch hier nicht um Konfrontationen, nicht um Kampf oder ähnlichen Blödsinn


    Lieber Walter,
    ich hatte das Wort »Gegner« auch in Anführungsstriche gesetzt (weil ich das Wort in diesem Kontext für unglücklich halte, mir aber schlicht kein besserer Sammelbegriff eingefallen ist - »Feinde«, »Verächter« oder »Hasser« wäre noch unpassender gewesen).


    Zitat

    Einfach so, um nicht in die fundamental-reaktionäre Ecke gestossen zu werden, möchte ich erwähnen, dass ich anlässlich des Europäischen Musikmonats 2001 in Basel, einer Werkschau der zeitgenössischen Musik, fast sämtliche Konzerte besuchte (etwa 40) Es musizierten u.v.a. das Ensemble Intercontemporain aus Paris, die London Sinfonietta, das Ensemble Modern aus Frankfurt und das Klangforum Wien, in Werke von Knussen, Turnage, Birthwistle, Rihm uva. (Insgesamt 117 zeitgenössische Komponisten, darunter 51 Uraufführungen)


    Hut ab!


    Zitat

    Man kann mir also nicht mangeldes Interesse vorwerfen.


    Das hatte ich auch gar nicht tun wollen.


    Zitat

    Aber Interesse ist das eine, Genuss das andere.


    Stimmt natürlich!


    Zitat

    Ich habe damals leider kein einziges Werk erlebt, das ich gerne wiederhören wollte (ausser vielleicht Rihms „Jagten und Fluchten“). Ich bedaure das ausserordentlich.


    Das bedaure ich auch - aber »Jagten und Fluchten« ist doch schon mal was!


    Jetzt würde mich dennoch interessieren, was Du zum letzten Absatz meiner ersten Antwort auf Dein Posting denkst.


    Herzliche Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Draugur
    Schön dick aufgetragene Ironie am Schluss, aber ich würde meine Frage gerne aufrechterhalten: wird tonales (im weiteren Sinne) Komponieren in dt. Kompositionsklassen überhaupt noch gefördert, wenn überhaupt ermöglicht?


    Ich habe zwar kein Wissen aus erster Hand, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass man nicht zuerst "tonales" Komponieren lernt: Choräle aussetzen usw. muß jeder Schulmusiker. Dann Kontrapunktübungen, die sind tonal oder vortonal. Ich würde mich wundern, wenn man gleich im Elektronikstudio an Knöpfen spielen darf, ohne Funktionsharmonik usw. zu beherrschen. Aber da ja mehrere studierte Komponisten und Musiker im Forum posten, können die da sicher mehr sagen.


    All die mehr oder minder traditionell komponierenden Filmkomponisten müssen ihr Handwerk ja auch irgendwo gelernt haben.


    Antracis hat jedenfalls recht. Wenn man schon mit "Autoritäten" kommt, muß man einräumen, dass professionelle Musiker überwiegend neuerer Musik offen gegenüberstehen bzw. sich sogar aktiv für sie einsetzen.


    Und es kann nicht sein, dass das alle nur machen, um nicht als ewig-gestrig usw. zu gelten. Abgesehen davon, dass das eine ziemlich absurde Unterstellung wäre: Irgendwoher müßte so ein Gruppendruck doch kommen. Woher? Denn in der westlichen Welt haben wir schon länger keinen Genossen Schdanow mehr, der die richtige Kompositionsweise durchsetzt.


    Und was das Publikum und Laienmusiker betrifft, so haben wir anscheinend unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Da wir aber niemandem unterstellen wollen zu lügen, scheint es ein Publikum für Moderne und sogar ganz neue Musik zu geben.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Dragur,


    Zitat

    Original von Draugur
    Außerdem wäre Böhm, wenn er diese Musik nicht dirigiert hätte, vermutlich als unverbesserlich Konservativer oder gleich als Altnazi diffamiert worden, der diese Musik für "entartet" halte. Unter dem Gesichtspunkt besteht sehr wohl ein Zwang. Es kann natürlich genausogut sein, dass er diese Musik geschätzt hat, aber dirigieren musste er sie, um einen gewissen Ruf zu wahren.


    soweit ich weiß, ist das ein Irrtum, denn Böhm hat nicht erst in der Nachkriegszeit Berg aufgeführt, sondern bereits die spanische Premiere des Wozzeck in den 1930'er Jahren geleitet.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Zitat

    Zitat Draugur
    Abgesehen davon: Kann man sich überhaupt an einer deutschen Musikhochschule zum tonalen Komponieren ausbilden lassen?


    Und was soll das jetzt wieder? Kann man sich zum seriellen Komponisten ausbilden lassen? Oder zum atonalen? Oder zum Ostinat-Komponisten in der Orff-Nachfolge?
    Irgendwie werden die Modernehasser-Argumente wirklich immer absurder... :no:


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich habe zwar kein Wissen aus erster Hand, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass man nicht zuerst "tonales" Komponieren lernt: Choräle aussetzen usw. muß jeder Schulmusiker. Dann Kontrapunktübungen, die sind tonal oder vortonal. Ich würde mich wundern, wenn man gleich im Elektronikstudio an Knöpfen spielen darf, ohne Funktionsharmonik usw. zu beherrschen.


    Ja klar, man muss im Studium sogar Stilkopien aller möglichen Epochen anfertigen, soweit ich weiß. Aber nur zu Übe- und Kennenlernzwecken. Was ich wissen wollte, ist, ob tonales Komponieren auch für die Herausbildung eines persönlichen Stils, der ja vermutlich das Ziel eines Kompositionsstudiums ist, gefördert würde.


    Hallo Kontrapunkt,


    vielen Dank für diese Information wegen Böhm. Das wusste ich nicht. Trotzdem: Nach 45 hätte er es ohnehin tun müssen...


    Zitat

    Johannes:
    Und es kann nicht sein, dass das alle nur machen, um nicht als ewig-gestrig usw. zu gelten. Abgesehen davon, dass das eine ziemlich absurde Unterstellung wäre: Irgendwoher müßte so ein Gruppendruck doch kommen. Woher? Denn in der westlichen Welt haben wir schon länger keinen Genossen Schdanow mehr, der die richtige Kompositionsweise durchsetzt.


    Den mag es nicht geben... aber man stelle sich vor, wie ein Generalmusikdirektor dastehen würde, der sagen würde: Ab nächste Saison keinen Rihm, Kagel, Berio usw. mehr. Der wäre ziemlich schnell weg vom Fenster. Ich will damit nicht sagen, dass man das als GMD machen sollte! Aber leisten könnte man es sich eben auch nicht.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Und was soll das jetzt wieder? Kann man sich zum seriellen Komponisten ausbilden lassen? Oder zum atonalen? Oder zum Ostinat-Komponisten in der Orff-Nachfolge?
    Irgendwie werden die Modernehasser-Argumente wirklich immer absurder...


    Das war eine Frage (eine ehrlich gemeinte, keine rhetorische) und kein Argument bzw. der Versuch eines Arguments. Und zwar frage ich deshalb, da ich nicht Komposition studiert habe und daher nicht weiß, inwiefern da auf die Studenten, und wie sie komponieren, Einfluss genommen wird. Könnte mir aber vorstellen, dass es da zumindest Klassenvorspiele oder ähnliches gibt und es dann heißt: "Was ist das denn für ein uralter Käse, so kann man heute nicht mehr schreiben" oder so. Wenn du es besser weißt, dann bitte ich dich mich zu belehren...


    Außerdem bin ich kein "Modernehasser", nicht immer so schwarzweiß denken, bitte.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Jüngst wandte sich ein Komponist per Email wegen meines Threads über die kompositionstechnischen Eigenheiten der Harfe an mich.



    Auf seiner Homepage ist folgendes zu lesen:



    "...
    Als 18jähriger begann ich ein Kompositionsstudium am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Mein Lehrer war der damalige Leiter des Konservatoriums Peter Jona Korn. Korn war Schüler von Arnold Schönberg in Amerika.
    Im Alter von 20 Jahren radelte ich nach Wien und nahm Unterricht bei Victor Sokolowski, Schüler von Joseph Mathias Hauer, dem "wahren Erfinder" der Zwölftonmusik.
    Als ich nach München wieder zurückkehrte, wechselte ich zur Musikhochschule München und wurde kurze Zeit Schüler von Dieter Acker.
    Beim 4. Bayerischen Tonkünstlerfest in München wurde mit großem Erfolg mein Streichquartett uraufgeführt. Die Aufnahme, die der Bayerische Rundfunk damals machte wird noch heute oftmals im Radio gesendet.
    Mit 23 beschloss ich, mich von der so genannten Neuen Musik abzuwenden und komponierte fortan nur noch tonale Musik. Das war natürlich das Ende meiner Komponistenlaufbahn, die so hoffnungsvoll begann.
    Als tonaler Komponist geächtet, zog ich mich zurück und sah keine Chance meine Musik öffentlich aufzuführen. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich mit Klavierunterricht, Klavierstimmen, Klavierreparaturen und unzähligen anderen handwerklichen Tätigkeiten.
    ..."



    Grüße,



    audiamus



    .

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Ich brauche das Gerüst verlässlicher Harmonien. Meines Erachtens braucht die Musik die Harmonie wie das Brot die Hefe. Serielle Musik ist für mich ein flacher zäher Fladen, der unverdaut im Magen gärt.


    Harmonien und Tonalität sind wiederum dehnbare Begriffe Mit Leichtigkeit kann man einen Akkord mit Quintbass, quartsechsvorhalt und weggelassener Terz reichlich verfremden, dass sein Ursprung kaum noch spontan zu bestimmen ist.


    Musik lebt von Spannung und Entspannung (wir hatten da mal einen interessanten Thread dazu: Muss Musik spannend sein?). Spannung erzeugt man mit dissonanz, Entspannung mit Auflösung derselben. eine solche Funktion hat der Klassische dominat-Sept-Akkord, der zur Tonika, der Grundtonart aufgelöst wird. Uraltes Prinzip, und nach wie vor wird's angewendet. Aber ich erlebe bei einer solchen Akkordfolge keine spannung mehr. Es bleibt fade und dieser nette kleine Grusel bleibt aus. Mit der Zeit habe ich so zu immer komplexeren Harmonien gefunden, welche sich nicht immer auflösen lassen oder den Grundton auf dem Silbertablett präsentieren, wo ich jedoch diese Abwechslung von Spannung und Entspannung erlebe. Daher höre ich diese Musik und genieße sie ganz innerlich.


    Was die Mehrheit zu dieser Musik sagt, ist mir wie schon einmal erwähnt wirklich völlig egal. Ich habe gelernt, das die Mehrheit nicht dafür maßstäblich ist, was mir gefällt oder gefallen soll. Die Masse funktioniert immer sehr behäbig, ist durch und durch konservativ (was die Musik angeht) und möchte das hören/sehen/schmecken/fühlen was sie kennt. An neuem ist sie selten interessiert und benötigt lang, um sich auf etwas neues einzulassen. Die Masse besteht aus Leuten, die eben die Masse als Maßstab nutzen. Dadurch entstehen eigendynamische und selbstverstärkende Prozesse, mit denen ich nur selten mitkommen will oder kann. Da Masse aber indirekt durch ihr Interesse den CD-Markt und die Programme der Konzerte mitbestimmt, kann man durchaus von einem Diktat der Masse sprechen.


    Nocheinmal gesagt: Mir ist es egal ob ein Großteil des Publikums bei einem Werk neuerer Prägung nervös und unaufmerksam im Stuhl sitzt. Wenn ich dafür genieße und eine tolle Zeit habe, hat sich für mich das Konzert gelohnt.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

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