Maurizio Pollini - ein introvertierter Techniker?

  • Hallo Taminoianer,


    Unbestritten ist wohl der 1942 in Mailand geborene Maurizio Pollini einer der größten lebenden Pianisten, wenngleich manche kritischen Stimmen von einer gewissen distanzierten Kühle und Glätte mancher Interpretationen sprechen.



    Er debütierte schon mit neun Jahren, gewann einige Klavierwettbewerbe, zog sich aber dann für einige Zeit vom Konzertbetrieb zurück um seine Ausbildung durch A.B. Michelangeli vervollkommnen zu lassen.
    Seine Technik ist, wie Fachleute sagen, beispiellos, sein Stil nicht einheitlich.
    Er spielte neben Chopin, Beethoven, Schubert und Mozart auch Brahms, Liszt und Debussy, sowie auch Alban Berg, Schönberg, Webern und Nono ein...


    Die Frage an Euch ist nun:


    Welches sind seine wirklich unverzichtbaren Aufnahmen, jene wo er (um es sportlich zu sagen) unschlagbar ist ?


    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Pollini ist einer meiner Lieblingspianisten, wobei sicher viele der stärksten Einspielungen etliche Jahre zurückliegen. (Oder anders gesagt: Mit den neueren hab ich mich nie beschäftigt. :) )
    Dort ist sein Spiel noch das, was oft als kühl und distanziert gebrandmarkt wurde: Nämlich gradlinig und schnörkellos in seiner Interpretation, aber trotzdem ungemein zwingend, rhythmisch intensiv und mit einem grandiosen ´Zug zum Ende des Stückes` hin. Die Technik sicher damals das Maß der Dinge.


    In erster Linie wäre da sicher der Chopin des jungen Pollini zu nennen, vor allem folgende drei Einspielungen:



    Diese Etüden sind sicher unbestritten eine der maßstabsetzenden Einspielungen



    Ich kenne keine packendere Aufnahme der fis-moll Polonaise




    Hier vor allem die dritte Sonate



    Weiterhin ist die Einspielung von Schumanns C-Dur-Fantasie sicher ein Klassiker:



    Auch Beachtung verdienen die Einspielungen der späten Schubertsonaten. Mit seinem Beethoven dagegen tue ich mich schwer: Die jüngeren Klavierkonzerte unter Abbado empfinde ich als langweilig, die alte mit Böhm kenne ich allerdings nicht. Durch einen Tipp von Franz aus dem HiFi-Forum kam ich auf diese Aufnahme:



    Hab im Laden schon reingehört und war fasziniert von dem extrem langsamen Tempo im Variationssatz der 111er Sonate und dem, was Pollini aus diesem Ansatz macht. Wird sicher auch demnächst in meinen Warenkorb wandern.


    Pollini hörte ich abschließend bemerkt im letzten Jahr zwei mal live: Erstens mit dem ´Emperor´ von Beethoven( BPO und Sawallisch )- das langweiligste Konzert in dem ich jeh war! - und einem Chopin-Mammut-Programm (u.a. alle 4 Balladen, f-moll-Fantasie, cis-moll-Scherzo, Barcarole...). In letzterem knüpfte er durchaus an alte Tugenden an und spielte einen schnörkellosen Chopin abseits der Kerzenlichtromantik. Also jenem durchaus jähzornigem Chopin, der auch schon mal seinen Klavierhocker nach einem schlechten Schüler warf - mit erstaunlich flinken Fingern für sein Alter.
    Pollini ist gemeint, Chopins technische Entwicklung im Alter blieb uns ja leider vorenthalten. :sad:



    Gruß
    Anti


    PS: Pollinis ´Gesangseinlagen´im Konzert haben mittlerweile Gouldsche Dimensionen erreicht. 8o











    [Dieser Beitrag wurde am 05.07.2004 - 19:52 von Antracis aktualisiert]

  • Für mich gehört Pollini auch zu den aktuell bedeutenderen Pianisten. Besonders hervorheben möchte ich die Klavierkonzerte 19 und 23 von Mozart die er mit Böhm eingespielt hat sowie Schuberts 960er Sonate, die mir noch besser gefällt als die Aufnahme von der legendären Clara Haskil. Bei Beethovens Klavierkonzerten mit Abbado find ich ihn auch eher blass, da ziehe ich den hier im Forum schon viel diskutierten Brendel mit Levine vor. Ich hab den Eindruck, dass die älteren Aufnahmen irgendwie ein bisschen beeindruckender sind als die jüngeren oder täusch ich mich? Vielleicht gehts anderen auch so?

    Günter

  • Es scheint, als ob Pollini und Böhm eine gute Zeit miteinander gehabt hätten, denn für mich unverzichtbar ist diese Aufnahme:



    Das 4. Klavierkonzert wird nicht als Virtuosenstück gesehen (was es auch nicht ist), sondern besticht durch ein entspanntes, fast lyrisches Miteinander.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Pollini ist der Einspieler meiner Lieblingsaufnahme der Waldsteinsonate.
    Kann sich aber vielleicht noch ändern, hatte in den letzten Jahren wenig Beethovensonaten gehört und vielleicht werde ich mich neu orientieren, in Richtung Schnabel zum Beispiel.


    Den neueren Wiener Livemittschnitt habe ich auch, ist nur leider gar schrecklich verhustet. Die "Trauermarschsonate" darauf ist auch sehr sehr schön


    Gruß, Markus

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  • Zitat

    Original von fohlenfanatiker
    Ich hab den Eindruck, dass die älteren Aufnahmen irgendwie ein bisschen beeindruckender sind als die jüngeren oder täusch ich mich? Vielleicht gehts anderen auch so?


    Ja. Am meisten beeindruckt mich noch immer sein Debutalbum für EMI.



    Ähnlich begeistert mich nur noch die Aufnahme mit Werken der klassischen Moderne:



    Rein technisch ist bei ihm bis heute kaum etwas auszusetzen, musikalisch wird es aber immer weniger. Dennoch kaufe ich seine Scheiben, vielleicht aus archivarischen Gründen, vielleicht in der Hoffnung, dass er noch einmal an seine früheren Qualitäten wird anknüpfen können.

    Gruß,
    Gerrit

  • Hallo,


    Es ist ja wohl jedem klar, daß ich mich für viele meiner Einführungsthreads erst präparieren muß, man kann schließlich nicht alles wissen, so habe ich das auch bei Pollini getan.


    Die Aussage Gerrits, wonach sich bei Pollini "musikalisch immer weniger tut", steht in krassem Gegensatz zum Statement im Angang des Harenberg Klaviermusikführeres (Pianistenlexikon)


    Zitat

    Seit einigen Jahren wird ein erneuter Wandel in Pollinis Spiel registriert, das sich nunmehr durch ein höheres Maß an Impulsivität, Kraft und Stärke des Ausdrucks auszeichnet

    .


    Ich habe jedoch im Harenberg auch schon viel Anfechtbares (ja sogar Falsches) gefunden, sodaß ich nicht behaupten möchte Gerrit hätte unrecht. Ich möcht jedoch diese kontoversielle Meinung hier zu Diskussion stellen, weil das ist es ja gerade, was ein Forum belebt.
    Zudem gibt es eben Dinge die sehr geschmacksspezifisch sind..


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    Ein allgemeines Urteil möchte ich nicht abgeben. Viel von ihm spricht mich gar nicht an. Bei den Beethoven-Sonaten sehe ich eher einen Aufwärtstrend. Wenn man frühe Aufnahme, op. 109 ff. vergleicht mit den neueren, von denen ja schon einige im thread vorgestellt worden sind, fällt mir auf, dass sie viel wenig statuarisch sind, viel farbenfroher, nicht so distanziert-kühl. Technisch natürlich einwandfrei, aber zugleich auch sehr beteiligt,ob es sich nun um die Waldstein oder die Mondscheinsonate handelt.


    Auf der anderen Seite erlebe ich zugleich auch immer wieder einen " hölzernen" Pollini. Nur ein Beispiel: 2004 hat er mit seinem Freund Abbado und dem neuen Luzerner Orchester das vierte Konzert von Beethoven gespielt. Das Orchester vorzüglich ( in Nachfolge von Toscanini aus den dreißiger Jahren mit zahlreichen Solisten besetzt, u.a. Sabine Meyer). Pollini aber bringt das Konzert überhaupt nicht zum Leuchten.


    Licht und Schatten


  • Meine Erfahrungen sind da eher konträr :wacky: Ich mochte/mag die späten Beethoven-Sonaten, gerade wegen ihrer kühlen Distanz?, auch wenn ich da schon einen Rückschritt gegenüber früheren Aufnahmen empfand. Ganz anders das Europa-Konzert der Berliner Philharmoniker 2003. Pollini als Solist eines Mozart-Konzerts, Boulez als Dirigent. Pure Spielfreude.

    Gruß,
    Gerrit

  • Vor 2 Wochen spielte Pollini in Berlin das Mozart-Konzert KV 467 C-Dur. Ich fand es so spannend und lyrisch zugleich - der 2. Satz war um in null komma nix. Und die Spielfreude, das Vergnügen an virtuosen Stellen ist für mich ein Hauptpfeiler von Pollinis Spiel. Ich mag das. Dabei dient diese Virtuosität IMMER dem Stück, der Form. Dagegen finde ich z.B. einen Pianisten wie Pletnev originell und klarspielend, aber für meine Lieblingsaufnahmen kommt er bisher nicht in Frage; sein Spiel ist mir unsympathisch (natürlich eine subjektive Äußerung).
    Aber es stimmt schon, dass frühere Platten von Pollini nuancierter waren. Für mich sind am besten:
    Chopin bei EMI ( in den 60er Jahren hat ein EMI-Manager wohl gemeint, Pollini sei nicht weiterzuverpflichten...)
    Chopin Etudes
    Chopin Preludes
    Mozart Konzerte mit Böhm
    Chopin manche der Polonaisen
    Schubert Sonate a-moll
    Schumann Sonate fis-moll
    Appassionata (live-Version)
    Beethoven op. 109
    Brahms 2. Konzert mit WPO & Abbado (1978 )
    Bartok Konzerte


    Es empfiehlt sich, Pollini live zu sehen. Dabei konnte ci hschon hervorragende Liszt-Sonaten, Schubert B-Dur-Sonaten und LvB 109-111 erleben. Wenn er gut ist, dann ist er überragend.

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  • Sagitt meint:


    Heute mal wieder eine neuere Beethoven-Aufnahme von ihm gehört, die Sonaten op. 10 und 13. Ein kühler Techniker ist er nicht ( mehr) Er spielt Beethoven mit viel Nachdruck, auch die frühen, mit großer Kraft, seltsamer die Pathetique fast weniger als die Sonaten op. 10. Das Tempo ist nicht so schnell- dafür sorgt Gould, aber Pollinie kompensiert das durch Intensität des Spiels. Wenn der Zyklus noch zustandekommt, wird er einer der interessanten des " neuen Testaments" sein.

  • hallo,


    ich war in meiner schulzeit (vor 25 jahren) ein pollini-fanatiker ! alle seine aufnahmen aus der analog-zeit hatte ich und, wie hier schon mehrfach aufgeführt, diese haben immer noch referenzartigen stellenwert. aus der digitalzeit mag ich (frühe digitalzeit) schumanns symph. etüden, beethoven-sonaten (z.b. op. 27, 54, 57, 78, 79 und 90), debussys etüden und bergs sonate. was ich nicht mag: seine chopin-einspielungen aus der digitalzeit ! die scherzi und balladen werden mit sehr vile pedalgebrauch gespielt, dass mitunter ein klangbrei entsteht. außerdem sehr schnelle grundtempi. ich habe ihn vor gut 3 jahren in der kölner philharmonie erlebt (appassionata, chopins balladen): enttäuschend, routine, klangbrei beim chopin, keine zugabe.


    gruß, siamak

    Siamak

  • Ich würde den sogenannten Referenzstatus auch vor allem bei den Chopin-Etuden und Preludes (hier neben div. anderen), vor allem das unglaublich op.10 No.4. Und die von Richard erwähnte baldige Veröffentlichung der Nocturnen auf DG interessiert mich wirklich sehr..

    "Das beste, an dein Übel nicht zu denken, ist Beschäftigung."
    Ludwig van Beethoven

  • hallo,


    gerade gestern und heute habe ich folgende aufnahmen aus 1973/1974 gehört:



    die schubert-sonate a-moll D 845 habe ich auch mit christian zacharias und kenne sie auch mit dem friedrich gulda der 60er jahre. der melancholische duktus (zugegeben hier nahezu slawisch prononziert), die differenzierung von klang und form unter beibehaltung des dramas, keiner krigte das so hin wie pollini. das gleiche gilt auch für die erste schumann sonate. gewiss, die aufnahmen glemsers und demidenkos sind vorzüglich, an den pianistischen furor kommt nur emil gilels (50er, 60er jahre) heran.


    gruß, siamak

    Siamak

  • Zitat

    Original von AcomA
    hallo,


    iwas ich nicht mag: seine chopin-einspielungen aus der digitalzeit ! die scherzi und balladen werden mit sehr vile pedalgebrauch gespielt, dass mitunter ein klangbrei entsteht.
    gruß, siamak


    Lieber Siamak,


    nun hat Pollini ja nicht nur die Scherzi und Balladen im Digitalzeitalter eingespielt. Da wäre zum Beispiel die Aufnahme der Sonaten 2 und 3 (1986) glaube ich. Auch hier relativ rasche Tempi, aber von Klangbrei kann hier keine Rede sein. Vielmehr: Gestochen scharf, präzise, klar. Eine fulminante Technik. Eben das, was Polllinis Spiel auch auszeichnet. Dabei wirkt er nicht einmal unterkühlt. Was die Sonaten angeht, gehört diese Einspielung zu meinen Lieblingen.





    Zu Deinem Eindruck im Konzer: Ich könnte mir vorstellen, jeder von uns erwischt einmal einen schlechten Tag. Und ist es für einen Künstler nicht unheimlich schwer jedesmal Hochleistung zu zeigen? Und gerade bei Pollini muß man auch sagen: Er hält ein sehr hohes Niveau schon über einen ungemein langen Zeitraum hinweg. Eine bewundernswerte Leistung. Aber warten wir doch mal seine Einspielung der Nocturnes ab, auch wenn hier die Konkurrenz groß ist. Wir dürfen gespannt sein! Und was ich mir von Pollini einmal wünschen würde wäre das "Wohltemperierte Klavier" Ob wir das noch erleben?


    Herzliche Grüße,:hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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  • hallo Christian,


    die aufnahme der sonaten kenne ich auch und hier gebe ich dir recht ! habe hier halt aufnahmen, die ich noch überragender finde (freire, pogorelich, bulva). ja das WTK 1 soll er ja in milano schon öffentlich gespielt haben.


    was den schlechten tag angeht, gebe ich dir auch grundsätzlich recht. aber es war nicht schlecht im sinne von nicht in form sein, sondern im sinne von öder routine ! und das ist eigentlich das schlimmste in der kunst ! rubinstein sagte mal, das ein konzert nur dann gut war, wenn er viel wasser und gar blut gelassen hätte !


    gruß, siamak

    Siamak

  • Hallo


    In vielen Punkten stimmen wir mit den Vorschlägen von Antracis überein. Speziell hinweisen möchten wir ebenfalls auf die Etuden Chopin. Sein Stil ist fliessend, mit dynamischer Härte und wunderbar transparent und schnörkellos, aber trotzdem nuaciert, beinahe schwebend, lebhaft und mit einem schönen Spannugsbogen.



    Weiter gefällt uns ebenfalls die Wandererfantasie D 760 von Schubert.


    Seinem Hang zum analythischen Spiel sind nicht sämtliche Aufnahmen von Pollini zuträglich. So fällt nach unserer Meinung zum Beispiel die Berceuse von Chopin weit ab.


    Herzliche Grüsse aus Basel


    romeo&julia

  • hallo,


    ich möchte auf die einspielung des schönbergschen klavierwerkes durch pollini aus dem jahre 1974 hinweisen. pollini gelingt tatsächlich die verbindung von analyse und klang, so dass man den überblick behält. interessant: die entwicklung des komponisten vom ausläufer der spätromantik hin zur reinen zwölftonmusik (op. 23 und 25). aufnahmetachnisch exzellent ! es gibt nicht viele pianisten von weltrang, welche sich bei beethoven, chopin und schönberg gleichermaßen wohlfühlen. ich finde pollinis schönberginterpretationen genauso bedeutend wie die karajans !



    gruß, siamak

    Siamak

  • Um diesen Thread mal wieder aus der Versenkung zu holen:


    Mir ist mittlerweile mehrfach aufgefallen, daß der "introvertierte Techiker" (ich kann mich da nicht anschließen) in eingen seiner Aufnahmen mitsingt. Erinnert natürlich stark an Glenn Gould, den ja auch viele "kalt", "introvertiert" und manche sogar als "autistisch" bezeichnen würden.
    Also explizit aufgefallen ist mir sein Mitgesinge bei einigen Schumann-Einspielungen und bei einer Live Aufnahme des 4. Klavierkonzerts von Beethoven mit Abaddo. Er zelebriert hier technische Perfektion, brillianten Ton, stürmiges Vorwärtsdrängen aber auch die wichtigen Atempausen kommen nicht zu kurz. Eine tolle Aufnahme.


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Es singen viele Pianisten mit. Mich würde das auch mal interessieren, was es damit auf sich hat. Meist ist es ja störend. Bei Glenn Gould CDs bin ich es gewöhnt (er kam mir in seinen Vorträgen im Fernsehen eigentlich nicht besonders "autistisch" vor!), aber später war ich schon überrascht, bei wievielen sich das noch findet. Mein letztes live Erlebnis diesbezüglich war Sokolov: erst dachte ich, in meinem Umkreis wäre ein Zuhörer eingeschlafen, dann bin ich draufgekommen, dass der Pianist selber ständig schnauft und leise grunzt.
    Man höre z. B. auch das gelegentliche kurze Jammern in manchen Aufnahmen von Kissin, oder das ständige Winseln von Alfred Brendel!

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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  • Zitat

    @JR
    aber Pollini vor Sokolov, das geht wirklich nicht
    hab selber lang gezögert , mich dann aber für eine kleine Rache an Sokolov entschieden - für seine Weigerung, normale CD-Produktionen zu machen. Dabei muß ich ihm insgeheim sogar recht geben ...


    Liebe Klavierfreunde,in einem anderen Thread habe ich obiges Statement gelesen, in welchem ist mir leider entfallen ....:D


    in einem anderen dieses Zitat:



    Zitat

    Er zelebriert hier [Anm.: 4. Klavierkonzert Beethoven mit Abbado] technische Perfektion, brillianten Ton, stürmiges Vorwärtsdrängen aber auch die wichtigen Atempausen kommen nicht zu kurz. Eine tolle Aufnahme.


    Zwei sehr gegensätzliche Äußerungen, wie geht das zusammen? Was ist an Maurizio Pollini zu loben, zu kritisieren? IMO gehören zu seinen besten Platten einige seiner Aufnahmen für die DG: Chopin- die Etüden und die Klaviersonaten 2 & 3; Beethoven- die Klavierkonzerte mit Abbado. Also in Sachen Chopin steht Pollini für mein Empfinden Sokolov eigentlich nichts nach.


    Übrigens demnächst erscheint bei der DG Pollinis Aufnahme zweier Klavierkonzerte Mozarts. Interessant schon alleine deswegen, weil Pollinis letzte Mozarteinspielung mit Karl Böhm am Pult schon eine Weile zu
    rückliegt:




    Noch eine Anmerkung: Im Threadtitel war ja vom "introvertierten Techniker" die Rede. Früher mag das bei Pollinii zugetroffen haben; seit einigen Jahren ist bei dem Pianisten aber die gegenläufige Tendenz zu beobachten: Zu technischer Perfektion ist ein Mut zum Espressivo getreten, der vorher so bei Pollini nicht ausgeprägt war. Um so gespannter bin ich auf die obige CD.



    Herzliche Grüße,:hello::hello: Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Ich persönlich mag nicht wie Pollini Chopin spielt.
    Vorallem bei der Etüde No. 3 Op 10. sträuben sich mir die Nackenhaare.
    Ich bin eher jemand der zu Cortots Interpretation neigt. Ich liebe bei dieser Etüde die Möglichkeit von wunderschönen Rubati und das hinauszögern der harmonischen Höhepunkte. Das kommt mir bei Pollini zu kurz.


    Technisch natürlich alles klasse, aber musikalisch nicht mein Geschmack!
    Die Polonaisen hingegen gefallen mir ganz gut!
    Allerdings ist auch hier ein Anderer mein Favorit: Rubinstein.


    Seinen Beethoven möchte ich demnächst kennenlernen, darüber habe ich nur Gutes gehört!


    Kann mir jemand da eine Aufnahme empfehlen?


    Grüße
    matthias

  • Mein Einstieg war diese CD:




    Mehr habe ich von seinen Beethoven-Aufnahmen noch nicht, aber sein Spiel gefällt mir so gut, daß ich mehr davon hören will. Ich habe Pollini bisher - auch seinen Chopin - sträflich unterschätzt.


    Die DG-Aufnahmen sind bei Amazon-Marketplace meist recht günstig zu bekommen, so um die 10-12 Euro.

  • Zitat

    Original von MatthiasR
    ISeinen Beethoven möchte ich demnächst kennenlernen, darüber habe ich nur Gutes gehört!


    Kann mir jemand da eine Aufnahme empfehlen?


    Grüße
    matthias


    Servus Matthias,


    zu Pollinis Beethoven (neben der von Robert empfohlenen Aufnahme):


    Zum Kennenlernen:



    Spannend seine "Hammerklaviersonate":



    Beethovens Klavierkonzerte 3 und 4 mit Claudio Abbado und den Berliner Philharmonikern.



    (Diese Aufnahme gibt es im Rahmen der Pollini-Collection bei der DG auch für € 9,99, nur war das Cover gerade nicht zu finden :D )
    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Wenn man im Hinblick auf Pollini von "kühl" und "distanziert" spricht, sind das für mich vornehme Umschreibungen für eine erschreckende Aussagefreiheit.


    Ich habe ihn letztes Jahr in Essen live gehört (unter anderem mit Beethovens Pathetique) und hatte Mühe, nicht einzuschlafen. Die Musik wurde regelrecht lieblos heruntergenudelt.


    Nach meinem Geschmack ist Pollini einer der überschätztesten Pianisten unserer Zeit. Aufnahmen mit ihm meide ich.


    Viele Grüße


    Bernd

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  • Hallo zusammen,


    Zitat

    Zitat von Bernd:


    Wenn man im Hinblick auf Pollini von "kühl" und "distanziert" spricht, sind das für mich vornehme Umschreibungen für eine erschreckende Aussagefreiheit.


    Ich habe ihn letztes Jahr in Essen live gehört (unter anderem mit Beethovens Pathetique) und hatte Mühe, nicht einzuschlafen. Die Musik wurde regelrecht lieblos heruntergenudelt.


    In den letzten 25 Jahren hatte ich recht häufig (etwa fünfzehn Mal) die Gelegenheit, Maurizio Pollini im (Solo-)Konzert zu hören (viel Beethoven, u. A. ein Sonaten-Gesamtzyklus, sonst Chopin, Debussy, Schönberg, Webern,...).


    Dabei habe ich die unterschiedlichsten Konzerte erlebt: vom rein Technischen her gab es Abende, an denen er der Vollkommenheit so nahe kam, wie ich es nur auf Schallkonserve für möglich gehalten hätte; es gab aber auch Konzerte, in denen ihm, vielleicht gesundheitlich angeschlagen, vielleicht vom Tourneestress erschöpft, auch einmal ein falsch angeschlagener Ton unterlief. Was immer zu hören war: der leuchtende Klavierton, der sich – dies meine subjektive Wahrnehmung – aber mit der Zeit leicht verändert hat, nämlich von einer Betonung des Diskants hin zu einem dunkleren Klangbild, zu mehr „Vollgriffigkeit“ (ich glaube dies auch auf den CD-Einspielungen zu hören).
    Was ich nie erlebt habe: Interpretationen, die „rein technisches Exekutieren“ eines Werks waren, Gleichgültigkeit gegenüber dem Gespielten, Virtuosität als Selbstzweck. Was Pollini allerdings nicht bietet ist, dass er sich „bedingungslos“ einem Werk ausliefert (oder hingibt) – zu hören bleibt immer hohes Maß an Kontrolle, nicht nur über das Klaviertechnische, sondern auch über den musikalischen Prozess, der Intellekt bleibt quasi immer „eingeschaltet“; immer bleibt spürbar, dass er sich selbst "nur" als Vermittler des Werks sieht, der Hörer bleibt letzten Endes in der Verantwortung.


    Sehr gut erinnern kann ich mich an die Hammerklaviersonate (der Herkulessaal war über-ausverkauft, demzufolge waren auf der Bühne hinter dem Flügel Notstühle aufgebaut worden, von denen ich einen erwischt hatte, fast direkt neben dem Klavierhocker mit direktem Blick auf die Tastatur). Pollinis Interpretation war noch ein wenig extremer als auf seiner CD: rasche Tempi, auch im langsamen Satz, der Schlusssatz wirkte geradezu übersichtlich.


    Am vielleicht beeindruckendsten Abend Pollinis, den ich hörte, spielte er von Beethoven späte Bagatellen und die Diabelli-Variationen. Die CD-Aufnahme der Diabelli-Variationen ist meiner Meinung nach eine der schwächeren Aufnahmen, neutral und unentschieden. Im Konzert hingegen zogen die einzelnen Variationen wie – teilweise wilde und grotesk verzerrte – Gestalten vorüber, weniger witzig oder humorvoll als vielmehr tragisch. Eine großartige Interpretation, fast ein Gegenentwurf zur Gulda-Aufnahme. Die Tatsache, dass gerade an diesem Abend ein paar falsche Töne unterliefen, war für den Gesamteindruck völlig belanglos.


    Gruß
    Pylades

  • Zitat

    Original von Pylades
    Was immer zu hören war: der leuchtende Klavierton, der sich – dies meine subjektive Wahrnehmung – aber mit der Zeit leicht verändert hat, nämlich von einer Betonung des Diskants hin zu einem dunkleren Klangbild, zu mehr „Vollgriffigkeit“ (ich glaube dies auch auf den CD-Einspielungen zu hören).
    Pylades


    Hallo Pylades,


    das finde ich gut beobachtet - ich stimme dir 100%ig zu! Pollinis Spiel ist dichter, "vollgriffiger" geworden, allerdings auch ein wenig auf Kosten der Details. Aber ich liebe seinen leuchtenden Ton sehr und bin bereit, das in Kauf zu nehmen. Ich habe ihn zuletzt ebenfalls im Herkulessaal mit Stockhausen, der Kreiselerina und einer Auswahl an Chopin-Stücken gehört (Nocturnes, 2. Ballade, Polonaise...). Der Stockhausen war nicht mein Fall, das verstehe ich einfach nicht - der Bezug zur Kreisleriana waren wohl die in den Stockhausen-Stücken mitschwingenden Klänge (nicht nur Obertöne), die durch das stumme Halten der Tasten entstehen, während die andere Hand spielt oder vielmehr "reinhaut". (gibt bestimmt einen Fachausdruck dafür). Ähnliche Effekte gibt es in der Kreisleriana auf subtilere Art und Weise ja auch. Von der Kreisleriana war ich leider enttäuscht, insgesamt eine eher flüchjtig wirkende Interpretation, noch schneller als auf seiner CD, und er hat einfach über zu vieles hinweggespielt. Trotzdem werde ich im nächsten Jahr wieder dabei sein (Karte ist schon bestellt!)


    Beste Grüße,
    Christian

  • Hallo zusammen,


    vorweg bekenne ich gleich, ein großer Fan Pollinis zu sein.


    Als ich vor vielen Jahren eine Kassette (!) mit einem Radiomitschnitt der Schumann-Fantasie in der Sammlung meines Vaters entdeckte, hatte ich Feuer gefangen. Nachdem ich bei Beethoven mit Gieles in die Sonaten eingestiegen bin (alle CDs kürzlich verkauft), habe ich auch dort Pollini für mich entdeckt und merke, daß sein Zugriff, sein Duktus mir bei eigentlich allem sehr gut liegt und schön ins Gefühl "reinläuft".
    Die technische Souveränität für zum begeisternd unvergleichlichen Spiel auch kleinster Details, punktierter Notenwerte bei Schumann z.B. oder dem punktierten Rhythmus zu Beginn des Mozart F-Dur-Konzerts - ich kann es nur schwer beschreiben; im Englischen paßt das Wort "lilt" ganz gut zu vielem, was ich dort mag.


    Die Bagatellen sind für mich ein Beispiel für den Homerun eines Major-Labels mit einem Major-Pianisten: Scherbakov auf Naxos wurde gefeiert, ich kaufte die CD, war begeistert. Und dann kam Pollini und zeigte in meinen Ohren souverän, wo der Hammer hängt. Ob einem das den doppelten CD-Preis wert ist, wäre eine andere Frage - mich hat's begeistert.


    Ich bin gespannt, was an weiteren Aufnhamen kommt. Pollini spielt wohl weiteren Beethoven ein und war Anfang Juni mit den Wiener Phil. wieder mit Mozart-KK zugange, ohne Dirigent - ich bin gespannt. Die erste Platte finde ich gut, wäre mit Dirigent aber eher noch zufriedener.


    Was den jüngeren Sonatenbeitrag aus Wien betrifft - insbesondere die Waldstein-CD - so bin ich mit harten Schnitten und akustischen Differenzen nicht zufrieden. Wenn's denn mal schief geht, muß man reparieren, aber in einem leeren Musikverein klingt's halt deutlich anders als im Konzert mit 2000 (?) Leuten.
    Wer mag höre sich diese Sonate mal über Kopfhörer an, das wird richtig anstrengend...


    Im Konzert kenne ich Pollini als mitreißenden Perfektionisten. Ich war in Frankfurt in der Alten Oper mehrfach bei ihm, habe ihn auch mit dem Stimmer heimlich vor dem Konzert zuhören können. Unglaublich, wie man sich allein auf die ersten Akkorde eines 4. KK von Beethoven vorbereiten kann...!


    Gerne hätte ich noch viele Aufnahmen mit ihm, Beethoven, Mozart, BACH!!!, Schumann, Schubert,...ach, eigentlich egal...
    Und ich wüßte auch gerne mal, was bei der DGG im Archiv liegt...


    Soviel dazu, beste Grüße


    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Ich denke mal, jeder Künstler unterliegt Stimmungsschwankungen: der eine mehr, der andere weniger. Vielleicht sollte Pollini vermehrt Konzerte absagen, so wie es ABM tat.


    LG Michael :hello:

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