Man vergisst heutzutage, in den Zeiten des Überflusses, leicht, wie wenige Gesamtaufnahmen der Ring-Opern es zu LP-Zeiten gab. Der Siegfried ist ein gutes Beispiel. Bis in die 60er Jahre hinein gab es keine einzige Studioeinspielung der kompletten Oper. Erst 1963 erschien die zwischen Mai und November 1962 eingespielte Aufnahme von (Sir) Georg Solti mit den Wiener Philharmonikern bei Decca. 1969 folgte die Deutsche Grammophon mit ihrer zwischen Dezember 1968 und Februar 1969 produzierten Einspielung der Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan. Bis zu Beginn der CD-Ära gab es nur noch drei weitere echte Studioaufnahmen des Siegfrieds, nämlich die 1968 eingespielte, aber erst 1972 bei Westminster erschienene Aufnahme der "Süddeutschen Philharmonie" unter Hans Swarowsky, die 1980 eingespielte und 1981 bei Philips erschienene Aufnahme aus Bayreuth unter Pierre Boulez sowie die 1982 entstandene und erstmals 1984 auf LP erschienene Produktion unter Marek Janowski mit der Staatskapelle Dresden.
Was gab es noch? Nicht sehr viel. Zuvörderst die Live-Aufnahme unter Karl Böhm aus Bayreuth von 1966, erst 1973 bei Philips erschienen. Und Furtwänglers RAI-Produktion von 1953, die EMI 1972 als LPs auf den Markt brachte. 1977 kam dann auch der Scala-Ring von 1950 unter Furtwängler bei Murray Hill Records auf 11 LPs heraus. Mit viel Mühe ließ sich ab 1960 wohl auch eine 4-LP-Box des 1937er Met-Mitschnitts unter Artur Bodanzky aus Amerika importieren (EJS 173). Was es nicht gab, war hingegen die bereits 1949 entstandene Rundfunkproduktion unter Rudolf Moralt aus Wien, die dem Vernehmen nach erst 1997 erstmals erschien (natürlich bereits in CD-Form). Dafür war ab 1974 die 1973 live entstandene Produktion der English National Opera unter (Sir) Reginald Goodall bei EMI zu haben - allerdings auf Englisch.
Die ganzen Live-Aufnahmen von den Bayreuther Festspielen der 50er und 60er Jahre kamen nur ganz sukzessive (und natürlich inoffiziell) auf den Markt, darunter Karajan 1951 bei Foyer im Jahre 1980 und Knappertsbusch 1958 bei Melodram im Jahre 1982. Vieles gab es aber nur auf dem grauen Markt.
Anders als bei der Walküre und bei der Götterdämmerung gibt es übrigens weder eine Rundfunkproduktion noch einen Live-Mitschnitt des Siegfrieds aus der Nazi-Zeit. Immerhin noch die Auszüge, die mit Lauritz Melchior zwischen 1929 und 1932 eingespielt wurden. Nur Das Rheingold ist noch schlechter dokumentiert, wo sich vor Ende des Zweiten Weltkrieges einzig ein Met-Mitschnitt von 1937 unter Bodanzky erhalten hat.