Wolfgang Windgassen - "Mein Held"

  • Hallo,


    ich muß zugeben, daß ich bei diesem Thema subjektiv sein muß, weil ich baritonale Heldentenöre sehr mag. Die Stimme von Windgassen war ein klanglich konzentrierter, technisch sehr gut geführter, Zwischenfach-Tenor. Man muß Windgassen für die beispiellose stimmliche Ökonomie und Disponierungskunst bewundern, die es ihm erlaubte, sich über Jahrzehnte in einem zu schweren Fach zu behaupten. Für mich war er einfach kein Wagnertenor ! Die Stimme war zu kleinvolumig, zu wenig metallisch schallkräftig und hatte kein Timbre mit Wiedererkennungswert. Die einzigen Wagnerpartien, die für ihn geeignet waren, sind, meiner Meinung nach, Erik, Lohengrin, Stolzing und Loge. Windgassen-Aufnahmen sind ideal für Wagner-Anfänger, die den Text verstehen wollen und müssen, aber für Siegmund, Siegfried, Tannhäuser, Tristan und Parsifal war, meines Erachtens, ungeeignet ! Ich habe mir Wagner-Gesamtaufnahmen mit Windgassen immer trotz ihm gekauft, nie wegen ihm ! Beim Solti-Ring wünsche ich mir immer Hopf oder Kozub an seine Stelle, wie ursprünglich geplant war. Es kommt nicht von ungefähr, daß bei einem angelsächsischen Kritiker über den Tristan unter Böhm einmal vom "Spinnenpaar" die Rede ist, vom schwachen Männchen (Windgassen) und alles verzehrenden Weibchen (Nilsson).


    Gruß,


    Antalwin

  • Antalwin, sei gegrüßt. Mit Interesse habe ich deinen vorigen Beitrag gelesen. Zustimmen kann ich ihm jedoch nur zum Teil.


    Stmmliche Ökonomie war nur ein Markenzeichen von Wolfgang Windgassen, um seine Bedeutung als Operndarsteller gänzlich zu erfassen, muß man ihn auf der Bühne erlebt haben.
    Für mich unvergessen bleiben seine Rollengestaltungen des Florestan, des Tannhäuser und des Verdi-Othello (in deutscher Sprache, wie damals an deutschen Bühnen üblich).


    Seine Stimme hat für mich auch durchaus einen Wiedererkennungwert, vielleicht deshalb, weil ich sie relativ gut kenne.


    Und englische Kritiker wetzen ihre Messer gerne, wenn sie über uns Deutsche schreiben. Das ist ein fachübergreifendes Phänomen, welches nicht überbewertet werden sollte.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo,


    natürlich bekommt man nur das komplette Bild des Schaffens eines Künstlers, wenn man ihn bei der Bühnengestaltung erlebt. Ich war beim Tode Windgassens 6 Jahre alt, also viel zu jung. Ich glaube auch, daß Windgassen mit seiner Gestaltungsfähigkeit vieles wettmachen konnte, was stimmphysisch für ihn nicht leistbar war. So bleibt nur der Eindruck, den man von Tonträgern gewinnen kann und da ist meiner: Die Stimme war zu klein für die großen Tenorpartien von Wagner ! Das Problem bei Windgassen ist auch, daß er sehr eng mit Wieland Wagner verbunden war, der spielfähige Sänger suchte. Solches ist an sich nicht kritikwürdig, der Sachverhalt dabei war nur, daß Wieland Wagner, meiner Meinung, nach das Werk seines Großvaters seit 1951"entwagnerisieren" wollte. Ein Bestandteil, der dieser Neuerung zum Opfer fiel, war der schwere Heldentenor alter Prägung. Solche Stimmen sangen in den 50igern und 60igern zwar noch in Bayreuth, aber sehr viel seltener. Bald wuchsen im Tenorfach auch keine solchen Stimmen mehr nach und mußten mit denen ersetzt werden, die vorhanden waren. Auch dieses war vielleicht zwangsläufig, aber ich als Wagnerianer finde es problematisch, daß von allen Wagnertenören Windgassen die meistdokumentierte Stimme ist. Von keinem gibt es mehr Wagnergesamtaufnahmen, als von ihm. Er wird als pars pro toto wahrgenommen. Ich war 12 Jahre, als ich Wagnerfan wurde und lernte erst durch einen befreundeten Kritiker, daß es neben Windgassen, Kollo, Jerusalem und Hofmann auch solche Leute wie Melchior, Ralf, Lorenz, Suthaus, Hopf und Kozub gab. Tenorgesang von Wagner kann lyrisch ausgeführt werden, es ist aber dann nur eine Variante und ich weiß nicht, ob Richard Wagner sie selbst hätte ausschließlich hören wollen.


    Gruß,


    Antalwin


    Antalwin

  • Hallo Antalwin,


    Jetzt muss ich doch als überzeugter "Windgassenist", der ihn in all seinen massgeblichen Partien auch live erleben konnte, auch gegen Deine Auffassung sprechen. Was heisst denn schon, dass seine Stimme "zu klein für die grossen Wagnerpartien" gewesen sei. Dass massgebliche ist doch wohl, dass man ihn sowohl "live" , wie auch in den Aufnahmen durchaus selbst über das grosse Wagnerorchester hören konnte und kann. Und dies mit Wohlklang und vor allem sprachlich gestalterischer Phantasie, etwas was seinen Altersgenossen wie Hopf und Kozub von der "Stemm-und Staugeneration" völig abging. Natürlich war Hopf, den ich auch live erlebte "lauter", aber auch, von der strahlenden Höhe abgesehen, eher eine biedere Natur, dem jegliche Poesie abging. Und der auch von der genannte Kozub, mit einem erfolgsversprechenden Organ, vermochte simpel und einfach nicht, sowohl die musikalische Linie, wie auch den Text auswendig zu lernen.


    Und wenn Du dich fragst, was Wagner selbst gewollt hätte, müsstest Du dich vielleicht mit seinen Ausführungen über Tichatscheck den ersten Tannhäuser beschäftigen. Ihm ging es selbst bei "Siegfried" nie um einen "Schlagtot-Held", sondern um eine Figur mit vielen Facetten ("im Schlafe liegt eine Frau..."); die Fähigkeit auch die empfindsame Seite abzudecken, ging beispielsweise dem typischen Tenor Hopf völlig ab, und dies war auch der Grund, weshalb er viel intelligentere Windgassen ihm von Wieland vorgezogen wurde.


    Dass ich seine anrührende Stimme dem eher nasal-topfigen Singen von Hopf, bzw. dem immensen lauten "Gebrülle" eines Beirer immer vorgezogen habe, ist wohl wirklich auf die von Dir genannte Subjektivität zurückzuführen.


    Ohne Windgassens differenzierte Gestaltungskraft, bzw. seine lyrische Stimmschönheit wäre zumindest ich nie zum Wagnerianer geworden...


    Zugegebenermassen habe ich mich mit seinen Nachfolgern kaum mehr für den Wagnergesang begeistern können.


    Mit freundlichen Grüssen

  • Beim Solti-Ring wünsche ich mir immer Hopf oder Kozub an seine Stelle, wie ursprünglich geplant war.


    Na ja, du musst einfach mit der Tatsache leben lernen, dass dein Wunsch illusorisch ist! Wie du richtig schreibst, war Ernst Kozub als Siegfried vorgesehen. Aber bei Probeaufnahmen zeigte sich, dass er nicht einmal mit der Partitur in der Hand zufriedenstellende (=schallplattentaugliche) Resultate bringen konnte. Man musste ihn austauschen, so kam Windgassen zum Zug.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo,


    ist mir vollkommen bewußt ! Ich kenne die Aufnahmegeschichte dieses Ringes. Trotzdem vielen Dank für die Erinnerung.


    Gruß,


    Antalwin

  • Wolfgang Windgassen - ein kluger Disponierer,
    das kann man wohl voll unterschreiben. Vor Jahrzehnten hatte ich das Glück sowohl Wolfgang Windgassen als auch Ernst Kozub in Gastpartien am Nationaltheater in Mannheim zu hören.
    Ansonsten kann ich mich nur anhand der vorhandenen Tonträger orientieren. Als Wagner-Sänger ziehe ich Kozub unbedingt vor. Windgassen war ein absolut solider "Handwerker", immer optimal vorbereitet (wie Anja Silja schreibt) und auch intelligenter Sänger.
    Aber wenn Kozub auf der Bühne stand, dann war echt was los ...
    Das sogenannte "Siegfried-Fiasko" wird der Fachwelt wohl ewig ein Rätsel bleiben. Klaus Ulrich Spiegel weist auf einen Beitrag im FonoForum hin, wo bei Kozub von umfassender Musikalität, meisterhafter Korrepetitionsfähigkeit, sogar schlafwandlerischer Vom-Blatt-Sicherheit des Sängers berichtet wurde.

  • Wolfgang Windgassen war ohne Zweifel der prägende Heldentenor seiner Zeit. Er war der ideale Sänger für die Intensionen von Wieland Wagner und deshalb eine der Stützen von Neu-Bayreuth. Mit dem von Wieland Wagner geforderten Typ ging die Zeit der "schweren" Heldentenöre, wie Treptow, Aldenhoff und Seider usw. zu Ende. Ein neues Sängerideal wurde gefordert, geschaffen und von Windgassen perfekt verkörpert. Allerdings konnte mit einer eher lyrisch als dramatisch, schlanken, leichten Stimme die heldischen Partien nur mit einer ökonomischen "Spartechnik" gemeistert werden. Dieses Phänomen beschreibt Birgit Nilsson in ihrem Buch "La Nilsson" auf den Seiten 352 ff bei der Betrachtung zu den Aufnahmen des Solti-Rings im Jahre 1958 sehr aufschlußreich und plastisch: "Wegen seiner etwas leichtgewichtigen Stimme hatte Windgassen im Lauf der Jahre ein fast unmerkliches Sparsystem entwickelt. Das funktionierte so: Hohe ausgehaltene Töne wurden verkürzt, indem er so lange wie möglich auf den Anfangs- und Schlußkonsonanten verharrte. Dadurch wurde der gesungene Vokal deutlich kürzer und kostet mithin weniger Anstrengung. Außerdem wirkte sich das positiv auf die Aussprache des deutschen Textes aus. Hatte die lange Note nur einen Vokal, dann wurde diese verkürzt und durch eine Pause ersetzt. Wenn man die Noten nicht vor sich hatte, bemerkte man diesen Trick nicht - aber mit Maestro Solti konnte man das nicht machen. Ich habe Windgassen noch nie bei einer Probe so rot und schweißgebadet gesehen. Sein Sparsystem war so mit ihm eins geworden, dass es ihm fast unmöglich war, die richtigen Notenwerte zu singen. Solti gab sich aber nicht zufrieden, bis alles korrekt war. Und nie zuvor hatte Windgassen so großartig geklungen."
    Alles hat also seinen Preis! Die Singschauspieler opfern Stimmvolumen und heldische Kraft zugunsten leichterem, fließenden Wohlklang. Hubert Hackenberg ein großer Stimmenkenner schrieb einmal über Windgassen : "Heute hatte Mime mehr Stimme als "Siegfried". (Den Mime sang damals übrigens Peter Klein).
    Und nun noch einge Ausführungen zu den im Vergleich zu Windgassen zitierten Tenorkollegen: Hans Beirer war eher noch ein Sänger alten Schlages. Er selbst bezeichnete sich ja ironischer Weise als letzten "Dinosaurier der Opernbühne" . Bei ihm gab es starke, oft unerklärliche Wechsel von guten und schlechten Abenden. Ich erlebte ihn in einem Ring-Zyklus ausgezeichnet als Titelheld im "Siegfried" und undiskutabel zwei Tage später als Siegfried inder "Götterdämmerung".
    Hans Hopf war quasi die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten und Gesangsstilen von Beirer und Windgassen. Seine Stimme war viel schöner als die von Beirer und durchschlagskräftiger als die von Windgassen. Deshalb konnte er neben Wagner auch hervorragend italienische Partien singen. Unvergesslich ist mir insbesondere sein strahlender Radames in "Aida". Wer behauptet Hopf hätte keine gefühlvollen Piani singen können, hätte in nur einmal im "Othello" im großen Liebesduett: "In der Dunkelheit der Nacht" hören sollen. Pure Stimmschönheit, betörender Wohlklang und einfühlsame Gestaltung. Allerdings stimmt es schon, dass Hopf häufig den kraftmeierischen Naturburschen auch auf der Bühne verkörperte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Als ich diesen Beitrag las, glaubte ich im falschen Film zu sein - mir fiel stante pede bei dieser Charakterisierung Peter Schreier ein. Sollte aber tatsächlich Wolfgang Windgassen gemeint gewesen sein, kann ich diese unsinnigen Invektiven überhaupt nicht nachvollziehen.


    Ich hatte die Gnade, WW sowohl im Parterre als auch auf der Galerie sehr oft erleben zu dürfen, und immer faszinierte mich die Ausdruckskraft und Farbigkeit dieser unverwechselbaren Stimme und auch seine zu Herzen gehende Darstellungskunst. Weiters war seine Wortdeutlichkeit einzigartig. Es stimmt, dass er mit stupender Ökonomie seine Rollen versah, dafür erlebte ich NIE auch nicht in den kräfteraubendsten Partien einen konditionellen oder stimmlichen Einbruch, vor dem andere Kollegen nicht gefeit waren.


    Natürlich war er kein Heldentenor im Wortsinn, dennoch trug seine Stimme bis in die hintersten Reihen der Galerie. Doch konnte er mit Vorzügen aufwarten, die anderen Haudrauf-Kollegen schlicht verwehrt waren:


    Wenn er im Tristan-Liebesduett seine Stimme wie eine ätherische Girlande um die beeindruckenden Töne eiiner Nilsson webte und später dann im 3. Aufzug mit dem Wort "Isolde" sein Leben verhauchte, hatte ich Tränen in den Augen.


    Wer hat je im Lohengrin das "Heil dir, Elsa" oder Tannhäusers "Heilige Elisabeth, bitte für mich" inniger und bewegender gestaltet als Windgassen - um zuvor in unnachahmlicher Weise im "Da ekelte mich der holde Sang" seine Verachtung und Abscheu vor dieser selbstgerechten Kirche ins erschütterte Auditorium zu schleudern? - Es gäbe noch viele Beispiele ...


    Der hochgelobte Kozub hat einige Abende in der Staatsoper gastiert, ohne jemals auch nur ansatzweise das Niveau Windgassens auch nur zu streifen. Jedesmal eine große Enttäuschung. Der auch von meinem Freund operus geschätzte Hopf beeindruckte zwar durch seine mächtige Stimme, die über eine erstaunliche Höhe (ein Rosvaenge-Typ, aber nicht annähernd dessen Klasse) verfügte, als Siegfried fand ich seine Stimme zu überreif und als Tristan war er geistig einfach nicht vorhanden. - Über Beirer möchte ich mich nicht äußern.


    Auch mich begeistern baritonal gefärbte dramatische Tenöre - bei Vinay habe ich so meine Probleme, aber Melchior ist für mich DER Tenor, der von allen anderen Fachkollegen schlicht unerreichbar war.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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  • Wer schreibt, dass WW's Stimme kleinvolumig, zu wenig metallisch schallkräftig und kein Timbre mit Wiederkennungswert hat, kann ihn nicht live gehört haben !


    Operngernhörer :thumbdown:

  • Hallo,


    daß die Windgassen-Fans so die Schwerter ziehen würden, hatte ich dann doch nicht erwartet !


    1.) Ich habe klar gemacht, daß ich zu jung bin, um Windgassen auf der Bühne erlebt zu haben. Weiterhin habe ich meine Meinung dahingehend eingeschränkt, daß natürlich die Bühnenwirkung eines Sänges eine ganz andere, weit bessere, sein kann, als die vom Tonträger erlebte.


    2.) Ausdrücklich wurde von mir Windgassens profunde Technik, seine stimmliche Ökonomie, seine Fähigkeit zur Disponierung gelobt. Dies alles versetzte ihn in Lage, sich 25 Jahre in einem für seine Stimme zu schweren Fach zu behaupten.


    Ich habe lediglich erklärt, daß ich Windgassens Stimme für ungeeignet zur Interpretation der Heldentenorpartien Wagners halte, d.h., ungeeignet für Tannhäuser, Tristan, Siegmund, Siegfried und Parsifal, für die übrigen Tenorpartien von Wagner durchaus ! Mit dieser Meinung stehe ich übrigens nicht allein. Ein veritabler Autor einer Opern-Fachzeitschrift teilt meine Meinung. (Ich nenne die Zeitschrift jetzt nicht, weil ich keine Schleichwerbung machen möchte).


    Doch lassen wir Gesangs-Großinquisitor Jürgen Kesting einmal über Windgassen zu Wort kommen. Hier heißt es über den Bayreuther Tristan von 1966 unter Böhm: "Windgassen verwandelt " O sink hernieder, Nacht der Liebe" in eine schier geflüsterte Traumerzählung und kann die Ekstasen des dritten Aktes nur in einen verbalen Ausdrucksgestus umsetzen, nicht in einen klanglichen. Man kann das Geschick seiner vokalen Disposition bewundern, doch ist seine Interpretation vokal defizient und reduziert".


    Hierzu muß ich bemerken, daß ich Kesting als Fachmann sehr schätze, aber auch oft seinen modus criticandi in Frage stelle, aber in bezug auf Windgassen muß ich ihm beipflichten. Suthaus, Vinay, Hopf und Kozub mögen nicht ohne Schwächen und Mängel gewesen sein, aber zu den von mir genannten Wagnerpartien waren ihre Stimmen kompatibler.


    Übrigens, bei aller Leidenschaft in der Diskussion: Als Historiker muß ich sagen, daß ich kein Gladiator bin, wir uns hier nicht im Circus Maximus befinden, als braucht ein Imperator auch nicht vor Wut den Finger zu senken.


    Gruß,


    Antalwin

  • Zitat


    Zitat Milletre


    Der hochgelobte Kozub hat einige Abende in der Staatsoper gastiert, ohne jemals auch nur ansatzweise das Niveau Windgassens auch nur zu streifen. Jedesmal eine große Enttäuschung. Der auch von meinem Freund operus geschätzte Hopf beeindruckte zwar durch seine mächtige Stimme, die über eine erstaunliche Höhe (ein Rosvaenge-Typ, aber nicht annähernd dessen Klasse) verfügte, als Siegfried fand ich seine Stimme zu überreif und als Tristan war er geistig einfach nicht vorhanden. - Über Beirer möchte ich mich nicht äußern.



    Hallo, Milletre!


    Deine Ansicht über Windgassen teile ich überhaupt nicht. Er war mit Sicherheit ein guter Wagner-Tenor. Aber mehr auch nicht. Auch gefällt er mir als "Pedro" in TIEFLAND und als "Max" im FREISCHÜTZ recht gut. Aber als herausragenden Tenor kann ich ihn schon wegen seines begrenzten Stimmumfangs und seiner "Spartechnik", die es ihm ermöglichte SIEGFRIED und SIEGMUND durchzustehen, nicht bezeichnen. Und von der Stimmschönheit eines Kozub oder Hopf war er weit entfernt.






    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Du hast meine volle Zustimmung, Wolfgang ! Windgassen disponierte hervorragend, aber, meiner Meinung nach, erfüllte er nicht !


    Gruß,


    Antalwin

  • Wie schon von meinen "Vorschreibern" Milletre und Operngenhörer angemerkt, können solche Stellungsnahmen nur von Personen kommen, die nie das Glück hatten WW live zu erleben. Und gerade bei Hopf von Stimmschönheit zu reden, scheint mir geradezu paradox, aber solche Auffassungen sind letztlich nichts anderes als eine Geschmacksfrage. Und was die Frage der "Erfüllung" betrifft, möchte ich Dich Antalwin mal darum ersuchen, sich die vorhandenen wenigen Video-Aufnahmen (Tristan, Othello, Tannhäuser-Romerzählung, Meistersinger-Schusterstube) zu Gemüte zu führen. Nebenbei gesagt ist Suthaus eine ganz andere Liga, als die im gleichen Atemzug genannt Hopf und Kozub. Lautstärke ist an sich noch kein Kriterium für Qualität, sonst würde auch del Monaco im heutigen stimmkritischen Urteil wesentlich besser wegkommen.


    Aber wie gesagt, letztlich ist es wohl eher eine Geschmacksfrage, als eine sachliche Beurteilung der stimmtechnischen Fähigkeit und der Musikalität.

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  • Hallo, m.joho!


    Du hast Recht. Es ist alles eine Frage des Geschmacks. Ich will garnicht abstreiten, daß Windgassen auch als FLORESTAN nicht der Schlechteste war. Du hast vielleicht nicht Hans Hopf als FRA DIAVOLO oder als KALAF gehört. Oder Ernst KOZUB als FAUST oder RADAMES. Abgesehen davon, daß Windgassen mit seiner kleinen Stimme nie in der Lage war, solche Partien zu singen, waren Hopf und Kozub für mich in einer wesentlich höheren Liga angesiedelt. Aber wie schon gesagt: Alles eine Frage des Geschmacks!


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Hallo Wolfgang,


    Sorry, aber ich muss dir wiederum widsprechen. Erstens kenne ich Hopf als Radames, Fra Diavolo und Kalaf durchaus. Es ist für mich leider ziemlichvulgärer Provinzstil. Ich frage mich, warum Du übrigens nicht seine wirklich herausragende Leistung als falscher Dimitri in Boris Godunov aufführst.


    Den Radames hat WW diverse Male an seinem Stuttgarter Stammhaus ab 1957 gesungen. (Auch ich zweifle übrigens, dass er eine Idealbesetzung war.


    Der Faust wurde ideal von Leuten wie Gedda, Kraus etc. gesungen, ist also eigentlich eine lyrico-spinto Partie des französichen Fachs. Warum Du hier Kozub hervorhebst (dessen brillante Stimme ich durchaus mag), der von den Anforderungen, die die opéra comique stellt, himmelweit entfernt ist, ist mir ein Rätsel. Und glaubst, Du wirklich, dass WW, der überall erfolgreich als Don José gastiert hat, nicht den Stimmumfang (bzw. die Lautstärke) eines Gedda hatte?


    Nebenbei gesagt: Die Durschlagkraft einer Stimme ist keine Frage der Lautstärke. Das wesentliche ist die schlanke Stimmführung. Ich habe "Riesenröhren" (ein Beispiel neben Beirer ist Ticho Parly) gehört, die bei lautem Orchster total untergingen, weil die Obertöne fehlten.


    Mit freundlichem Gruss

  • Hallo, m.joho!


    Du kannst mir widersprechen so oft Du willst. Ich habe mich doch klar genug ausgedrückt: Ich akzeptiere die Leistungen Windgassens. Es gibt Opern, wo er wirklich überzeugt. Aber ich bleibe bei meiner Meinung. Seine Stimme sagt mir garnicht zu. Und nun noch einmal: Die Geschmäcker sind (Gottseidank) verschieden!



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Nochmals sorry Wolfgang,


    Ich fände eine sachliche Widerlegung meiner Argumente spannender (siehe Diskusssionen, wie sie Caruso und Luca führen können), als einen reinen Rückzug auf Geschmacksfragen.


    Mit herzlichem Gruss

  • Servus, Antalwin


    Deine an sich interessanten und nicht in allem irrigen Beiträge verstärken in mir nur die Ansicht, dass es eben ein großer Unterschied ist, ob man eine Leistung aus der Konserve oder von Live-Erlebnisssen bewertet. Und dass Du zur Bekräftigung Deiner Thesen Sekundärliteratur heranziehst, noch dazu den Jürgen Kesting, der ebenfalls fast ausschliesslich Konserven-Menüs bewertet, geht am Kern der Sache vorbei, denn hier soll die Meinung von Foren-Mitgliedern zu Wort kommen, ohne sich an diverse "Päpste" anzulehnen.


    Wesentlich aussagekräftiger und bemerkenswerter finde ich die Meinungen bezüglich des zitierten Bayreuth-Tristans 1966, den ich in einer Vorstellung selbst erleben durfte, von WW's Kollegen wie Ludwig oder Nilsson, die ich befragen konnte, und beide Damen waren voll des Lobes über Windgassens Leistung.


    Dazu kommt auch, dass die Aufnahmetechnik in den letzten 50 Jahren beachtliche Fortschritte erfuhr - hätte man damals schon mit dem heutigen Equipment aufwarten können, das Resultat wäre ein ganz anderes geworden. (Besonders im Gerdes-Tannhäuser ist dies auch schmerzlich zu erleben.)


    Abbasso le spade! (Hinweg mit den Schwertern!) unterschreibe auch ich, denn trotz aller Meinungsunterschiede steht doch unsere Liebe zur Musik und vor allem zur Oper im Vordergrund, und das sollte uns auch vereinen.


    Schöne Grüße aus Wien
    von Fritz

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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  • Hallo Milletre,


    vielen Dank für Dein Friedensangebot, das ich gerne annehme ! Ausdrücklich möchte ich Dir darin zustimmen, daß Du Kestings Modus in Zweifel ziehst. Durch die ausschließliche Beurteilung nach Konserve töten bei Kesting die toten SängerInnen die lebenden. Ich beneide Dich sehr, daß Du 1966 in Bayreuth dabei sein konntest ! Für mich ist selbst in der Gegenwart ein Opernbesuch mit großen Schwierigkeiten verbunden, weil ich durch eine schwere Körperbehinderung sehr stark eingeschränkt bin. Ohne die Erfindung der CD, hätte ich überhaupt nicht Opernfan werden können. Ich höre zwar Windgassen in einigen Wagnerpartien nicht gerne, bewundere ihn aber sehr wegen seiner offensichtlich ausgefeilten Stimmtechnik, seiner Fähigkeit zur Disponierung von Parien und seinem weitgespannten Repertoire. All dieses befähigte ihn augenscheinlich dazu, sich 25 Jahre in einem eigentlich zu schweren Fach zu halten, ja, dort an der Spitze zu sein ! Ich liebe die Kunstform Oper, weshalb es mich besonders traurig macht, daß gerade viele Tenöre sich mit Wagner in den Stimmtod singen. Deshalb ist Windgassen sehr hoch einzuschätzen, trotz aller Geschmacks-Verschiedenheiten. Jonas Kaufmann kämpft sich gegenwärtig gleichzeitig durch das italienische, deutsche und französische Fach; der Evangelisten-Tenor Klaus Florian Vogt kleidet sich in die Rüstungen von Wagners Helden mit Tapferkeit, aber, meiner Meinung nach, nicht mit Klugheit ! Werden wir beide, wie Windgassen, in 25 Jahren noch hören ?


    Gruß,


    Antalwin

  • Für die Windgassen-Freunde hier der Hinweis auf eine 4er Box mit Windgassen-Aufnahmen:



    Wolfgang Windgassen - Der Held von Bayreuth
    Arien von Weber, Albert, Wagner, Lortzing, Strauss, Pfitzner,
    Beethoven
    Künstler:
    Wolfgang Windgassen, Annelies Kupper, Lore Wissmann, Hermann Uhde, Josef Greindl, Ludwig Weber, Astrid Varnay,
    Münchner Philharmoniker, SWR SO Stuttgart, RIAS SO, Württembergisches Staatsorchester Stuttgart, Orchester der Bayreuther Festspiele, RSO Berlin,
    Dirigenten:
    Artur Rother, Alfons Rischner, Ferdinand Leitner, Joseph Keilberth, Leopold Ludwig, Hermann Weigert, Richard Kraus
    Label: FabFour, ADD/m, 50-58 - 4 CDs


    für eine komplette Titel-Liste einfach auf das Coverbildchen klicken!


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    danke, daß du diese Box vorgestellt hast. Da ich nicht bis Weihnachten warten konnte, hab ich sie schon vor einigen Monaten gekauft.


    Allen Freunden dieses Ausnahmesängers kann ich die Aufnahmen bestens empfehlen.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Heute ist für mch ein besonderer Tag:
    Der grösste Wagner-Tenor und eindrücklichste Gestalter,den ich live wrleben durfte, würde heute seinen 100ten Geburtstag feiern. Leider ist es viel zu früh vor 40 Jahren gestorben.

  • Dem kann ich nur beipflichten. Ich verneige mich vor diesem großartigen Sänger, der mir so viel gegeben hat! In seinen Rollen lebt er weiter. Unersetzlich. Danke, Wolfgang Windgassen! :hail:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Hallo,


    wenn ich Windgassen auch hier kritisiert habe, so möchte ich ihm doch zum 100. Geburtstag meinen allergrößten Respekt bekunden: Ein dreifaches Hoch auf den klügsten Disponierer und den tapfersten tenoralen Bühnenkämpfer des 20. Jahrhunderts !


    Antalwin

  • Hallo,


    ein sehr lesenswerter Artikel über Wolfgang Windgassen befindet sich in der neuesten Ausgabe von FonoForum.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Hallo,


    ein sehr lesenswerter Artikel über Wolfgang Windgassen befindet sich in der neuesten Ausgabe von FonoForum.


    Lieber Joachim,


    ich empfinde diesen Artikel als eine fundierte, berechtigte Würdigung eines universellen Künstlers, der wie kein anderer den Typ des modernen singschauspielerisch flexiblen Heldentenors geprägt hat. Für mich ist es gerade das Faszinierende, welche Leistungen Wolfgang Windgassen mit seinen stimmlichen Mitteln, seiner sängerischen Intelligenz und seiner klugen Ökonomie vollbracht hat. Bewundernswert! Das heißt allerdings nicht, dass die üppigeren Stimmen von Suthaus, Treptow, Aldenhoff, Seider (trotz allem auch) Beirer, Hopf und Kozub - ganz zu schweigen von Melchior, Lorenz, Vinay und Vickers nicht ebenso aber auf andere Art begeisterten und vielleicht rein stimmlich sogar noch mehr brillieren konnten. Vielleicht tappen wir bei Pauschalbeurteilungen von Spitzensängern immer in die Falle der Unmöglichkeit. Wir sollten - was wir an anderer Stelle auch tun - Sängerleistungen in bestimmten Partien vergleichen, da kommen wir sicherlich zu differenzierteren und damit treffenderen Urteiilen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Marcel,


    danke für den Hinweis auf den 40. Todestag von Wolfgang Windgassen. Wir gedenken gerne mit Dir dieses Tenors, de wie kein anderer das Bild des "modernen" Heldentenors und von Neu-Bayreuth prägte.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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