Do., 07.02.2008 - Alte Oper Ffm., Großer Saal - 20.00 Uhr - Donnerstag-Abo
Fr., 08.02.2008 - Alte Oper Ffm., Großer Saal - 20.00 Uhr - Freitag-Abo
- HR-Sinfoniekonzert -
Igor Strawinsky (1882-1971):
Jeu de Cartes - Ballett in 3 Runden für Orchester 1936
Karol Szymanowski (1882-1937):
Symphonie Nr. 4 "Symphonie Concertante" für Klavier und Orchester, opus 60 1932
- Pause -
Witold Lutoslawski (1913-1994):
Konzert für Orchester 1950-54
Interpreten:
Piotr Anderszewski, Klavier
hr-Sinfonieorchester
Leitung: Paavo Järvi
Ein vom Verfasser dieser Zeilen lange ersehntes Konzert mit einem herrlich ausgefallenen und gleichermaßen intelligent zusammengestellten Programm fand am Donnerstag, 07. und Freitag, 08.02.2008 im Großen Saal der Alten Oper zu Frankfurt a. M. im Rahmen der durch ihre enorme Repertoire-Vielfalt hoch geschätzten Symphoniekonzert-Reihe des Hessischen Rundfunks statt.
Eine positive Überraschung bot bereits der erste Programmpunkt: Igor Strawinskys Ballett in drei Runden 'Jeu de Cartes', komponiert 1936, welches ich, als ich es vor etwa 20 Jahren das letzte Mal hörte, noch nicht recht zu schätzen wußte und seither (bis vor dem erneuten Hören in diesem Konzert) gewisse Vorbehalte gegen das "kleine" Werk hegte. Als glühendem Liebhaber der drei ersten ausdrucksgesättigten Ballette (L' Oiseau de Feu', 'Petruschka' und 'Sacre') mag man mir meine so lange gehegte Skepsis gegenüber dem vermeintlich leicht und locker dahinplätschernden Stück nachsehen.
Das für das damals neu gegründete 'American Ballet' komponierte und von George Balanchine choreographierte Werk beschreibt eine dreiteilige Szenenfolge eines Kartenspiels:
Die Charaktere dieses Balletts sind Karten eines Pokerspiels, die am grünen Tisch des Spielsaals unter mehrere Spieler verteilt werden. Bei jedem Spiel wird der Ablauf durch die arglistigen Tricks des unzuverlässigen Jokers erschwert, der sich dank seiner Fähigkeit, jede beliebige Karte darstellen zu können, für unschlagbar hält.
Durch Balanchines überdeutliche Kennzeichnung des Jokers als Hitler-Figur erhielt das 1937 an der New Yorker Met sehr erfolgreich uraufgeführte Ballett zwar auch eine politische Dimension, gleichzeitig verleiht ihm der Komponist durch seine ausgeklügelte Kunst des Zitierens, der Karikatur, sowie der Ironie eine Leichtigkeit, wie sie vielen Werken der neoklassizistischen Periode Strawinskys zueigen ist.
Die kammermusikalische Behandlung des Orchesters und die damit verbundene Durchsichtigkeit des Klangs sowie die höllisch schweren rhythmischen Vertracktheiten der Partitur meisterte das hr-Sinfonieorchster Frankfurt in ausnehmend souveräner Weise und wußte durch eleganten Spielwitz und hoch erfreuliches Engagement zu begeistern.
Die unmittelbar anschließende Wiedergabe der vier Jahre zuvor (1932) entstandenen 'Symphonie Concertante' für Klavier und Orchester des - neben Chopin - bedeutendsten polnischen Komponisten Karol Szymanowski verlieh dem Konzert durch ihre klangliche Delikatesse und Sensibilität einen unvergeßlichen sinnlichen Glanzpunkt besonderer Art.
Die von HR-Moderatorin Adelheil Coy sowohl im Konzert-Vorgespräch (mit Paavo Järvi) als auch im Radio-Pausencafé geäußerten Vorbehalte, Szymanowski klinge oft wie z. B. ...Debussy, Strauss oder Scriabin kann ich - als langjährigem Hörer und Kenner des polnischen Komponisten - in keiner Weise nachvollziehen. Szymanowski klingt für mich, vor allem in der von mir nun erstmals live erlebten Symphonie Nr. 4 in jedem einzelnen Takt wie Szymanowski!
Der Solist des Abends, Piotr Anderszewski einer der individuellsten und gefragtesten Pianisten unserer Zeit (The Sunday Times), der mit seiner 2005 erschienenen CD mit Soloklavierwerken seines polnischen Landsmanns hervortrat, brillierte als hervorragender Virtuose und zuverlässiger Partner des ihm in seiner Klangsinnlichkeit folgenden hr-Orchesters, vor allem im so überaus berückenden zentralen Andante-Mittelsatz, dem Chefdirigent Paavo Järvi u. a. durch die langsame Tempovorgabe sowie die allmähliche wie gewaltige Steigerung des Satzes die dem Stück eigene berauschende Ekstase verlieh.
Im abschließenden 'Allegro non troppo'-Satz blieben sowohl der Solist als auch das Orchester in der in Sachen scharfer Rhythmik und mitreißender Motorik so überaus packenden Interpretation dem im deutschen Sprachraum leider so sträflich vernachlässigten Werk nichts schuldig.
Das nach der Konzertpause erklungene, 1950-54 komponierte, halbstündige 'Konzert für Orchester' des ponischen Komponisten Witold Lutoslawski verrät bezüglich des strengen Formaufbaus und der Beherrschung satztechnischer Finessen zwar einige Gemeinsamkeiten mit dem gleichnamigen, zu Unrecht so viel bekannteren Werk Béla Bartóks, gewann darüber hinaus jedoch angesichts seiner hoch expressiven, ja leidenschaftlichen Erregung und blendenden Virtuosität an Attraktivität, vor allem in der wuchtigen und energischen Wiedergabe des hr-Sinfonieorchesters unter der emphatischen Leitung Paavo Järvis.
Johannes