Konzertbesuche und Bewertung

  • Gestern Abend fand das letzte Konzert des BOB (Abo) mit Roman Kofman als Generalmusikdirektor statt.


    Zum Abschluß hatte er sich
    1) das Konzert für Viola und Orchester Sz 120 von Bela Bartok mit Antoine
    Tamestit als Solisten und
    2)die 9. Sinfonie von Anton Bruckner
    ausgesucht.


    Beide Stücke hörte ich zum ersten Mal .
    Die mir völlig fremde Musik verursachte, vor allem Programmpunkt 2 eher körperliche Leiden als Vergnügen. :no: :untertauch: :stumm: Das ist aber ein eigener Punkt.


    Irgendwie fand ich es schade, daß Kofman zum Abschluß keine Sinfonie von Schostakowitsch dirigierte.
    Zum einen ist es sein Verdienst, daß es eine aktuelle Gesamtausgabe auf CD nun gibt.
    Andererseits hat er auch das Verdienst, daß die Hörer nun mit dieser grandiosen Musik besser vertraut geworden sind.


    Er wurde dann auch geehrt und mit Geschenken verabschiedet, leider nicht vom öffentlichen Bonn durch die OB, was ich doch sehr arm finde.
    Ich war kein glühender Anhänger, aber Ehre, wem Ehre gebürt.


    Bonn hat so seine Tradition mit Verkennung der Leute, die der Stadt doch viel gegeben haben - leider muß das jemand sagen, der Bonn als Nichtinbonngeborene liebt.


    Lieben Gruß aus Bonn

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Wenn ein Opernorchester ein Sinfoniekonzert veranstaltet, ist das schon etwas Besonderes. Nur zu 8 Konzerten im Jahr kommen die Musiker des Orchesters der Komischen Oper auf die Bühne, während sie sonst relativ unbeachtet im Orchestergraben ihr Dasein fristen.


    Um so bedauerlicher, dass der Publikumszuspruch beim letzten Konzert der Saison so schwach war, das Parkett gerademal so halb voll. Auf dem Programm 6 Monologe aus "Jedermann" von Frank Martin, danach die 6. Sinfonie von Gustav Mahler. Dirigent war Stefan Blunier, sonst Opernchef in Darmstadt, für mich noch ein no name, nach dem Konzert nicht mehr.


    Sehr akzentuiert und ausdrucksstark sang Dietrich Henschel die Monologe. Die Musik reicht von expressionistischer Drastik bis zu lyrischer Intimität, schon hier zeigte sich das Orchester in guter Verfassung.


    Nach der Pause das große Hauptwerk in einer 16er-Streicherbesetzung. Beeindruckend die Vielfalt der Klangfarben dieser Musik und wie das Orchester sie wiedergab, vom super leisen Flageolett in den Geigen, bis zu wilden Klangausbrüchen im gesamten Tutti. Nach dem ersten Satz folgte für mich überraschend das Andante moderato. Im Programmheft hieß es, Mahler habe die Reihenfolge der beiden Mittelsätze nach der Uraufführung ausgetauscht und damit gab er die harmonische Anbindung des Finales an den langsamen Satz preis. So gesehen diese Abfolge um so unverständlicher. Alles das aber tat der emotional aufwühlenden und packenden Darbietung keinen Abbruch, zwei Hammerschläge besiegelten das Schicksal und mit vehementer Leidenschaft führte der Dirigent, dessen Stabführung stets präzise war und nicht affektiert wirkte, das Werk zum tragisch wirkenden Ende. Viele Bravos am Schluss für das gut disponierte Orchester und den Dirigenten. Ein großartiger Konzertabend!

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat

    Original von timmiju
    Nach dem ersten Satz folgte für mich überraschend das Andante moderato. Im Programmheft hieß es, Mahler habe die Reihenfolge der beiden Mittelsätze nach der Uraufführung ausgetauscht und damit gab er die harmonische Anbindung des Finales an den langsamen Satz preis. So gesehen diese Abfolge um so unverständlicher.


    Hallo timmiju,


    zu diesem Thema findest Du hier (Diskussion ab 25.4.08) Näheres.


    Stefan Blunier - er wechselt jetzt nach Bonn - habe ich in Darmstadt erst kürzlich erlebt, mit Zemlinskys Lyrischer Symphonie. Ein guter Mann, der sich auf Spätromantisch-Expressionistisches versteht!

  • Gestern machte das San Francisco Symphony Youth Orchestra unter der Leitung von Benjamin Schwartz auf seiner Europatournee Station in der Berliner Philharmonie. Bei dem populären Programm


    Adams, Lollapalooza
    Sibelius, Violinkonzert
    Dvorak, Symphonie Nr. 9 "Aus der Neuen Welt"


    konnte von vornherein nichts schiefgehen.


    Das kurze Stück mit dem skurillen Titel "Lollapalooza" von John Adams war mir bis jetzt unbekannt. Laut Programmheft hat Adams es im Jahre 1995 zu Simon Rattles 40. Geburtstag komponiert. Es baut auf einem anfangs harmlosen Ostinato-Thema auf, steigert sich sogleich aber sehr schnell, wird zunehmend rhythmisch vertrackter und endet schließlich mit einem großen Knall. Bei diesem effektvollen und technisch anspruchsvollen Werk hatte das Orchester Gelegenheit, seine außerordentliche Virtuosität unter Beweis zu stellen. Hätte man an diesem Abend einen Zuhörer mit verbundenen Augen in den großen Saal der Philharmonie geführt, so hätte dieser niemals geglaubt, hier "nur" ein Schüler- und Studentenorchester zu hören. Die äußerst diszipliniert und präzise spielenden jungen Musiker machten sofort deutlich, dass sie es ohne weiteres mit jedem Profiorchester aufnehmen können. Bereits nach dem Eröffnungsstück erntete das Orchester einen ehrlich gemeinten jubelnden Applaus (lediglich eine ältere Dame in meiner Umgebung hielt das moderne Werk wieder einmal für "fürchterlich").


    Höhepunkt des Abends war für mich das Violinkonzert in d-moll von Jean Sibelius mit dem Solisten Julian Rachlin. Bereits zum Anfang des ersten Satzes war zu erkennen, wie gefühlvoll Orchester und Solist mit dieser Musik umgehen. Die filigranen Anfangstakte kamen im Pianissimo wie aus dem Nichts. So schön musiziert habe ich dies selten gehört. Insgesamt hat mich die Interpretation des Sibelius-Konzerts sehr überzeugt und beglückt. Rachlin und das Orchester spielten kraftvoll in den virtuosen Passagen, die lyrischen Stellen - besonders der zweite Satz - wurden äußerst sensibel dargeboten. Amüsant empfand ich, wie Rachlin, wenn er als Solist längere Pausen hatte, das Orchester mit Gesten anfeuerte und quasi mitdirigierte. Wunderbar!


    Dvoraks Symphonie "Aus der Neuen Welt" konnte da kaum noch Überraschungen bringen. Auch dieses Werk wurde überzeugend dargeboten. Das Orchester war wunderbar vorbereitet. Jede einzelne Phrase und jeder Übergang erschienen perfekt und liebevoll ausmodelliert. Auch hier erhielt das Orchester einen lange anhaltenden Beifall mit vielen Bravo-Rufen.


    Als Zugaben gab es Gershwins Cuban-Overture, Tschaikowskis Polonaise aus Eugen Onegin und einen indischen Raga, der ohne (!) Instrumente zu Gehör gebracht wurde (was ich Euch beim besten Willen nicht mit Worten beschreiben kann). Selbst hingehen und anhören!


    Weitere Konzerttermine:
    04. Juli: Passau,
    06. Juli: Ingolstadt,
    07. Juli: München,
    10. Juli: Prag


    Nähere Informationen hier: h**p://www.sfsymphony.org/about/pressroom/FullRelease.aspx?pressReleaseID=30218


    Viele Grüße
    Frank

  • Mittwoch, 23. Juli 2008 um 19.30 Uhr
    Nationaltheater Mannheim – Opernhaus


    Concerto Köln
    Ann Murray, Sopran
    Barry Sargent, Konzertmeister


    Programm:


    Joseph Martin Kraus
    Ouverture zur Tragödie "Olympia"
    Sinfonie VB 142 c-moll


    Wolfgang Amadé Mozart
    Aria ”Vado, ma dove? oh Dei!” KV 583
    "Kommet her, ihr frechen Sünder" KV 146 (317b) Arie (Passionslied) für Sopran, Streicher und Orgel


    ~~~ Pause ~~~


    Joseph Haydn
    „Berenice, che fai“ Hob. HXXIVa:10


    Wolfgang Amadé Mozart
    Sinfonie KV 550 g-moll


    Berauschend, was das Concerto Köln ohne Martin Sandhoff an der Flöte, ohne Gerhard Darmstadt und ohne Werner Ehrhardt so leistet...


    Das Konzert begann mit der Ouvertüre zu "Olympie" von Joseph Martin Kraus - ein mir vertrautes Werk, das erste, das ich von Kraus je hörte und mich gleich in den Bann zog. Es folgte die Haydn zu Ehren zur c-moll-Sinfonie umgefrickelte cis-moll-Sinfonie, deren Finale tosenden Applaus erntete. Überhaupt klatsche das mit neuester C&A-Mode versehene Mannheimer Publikum nach jedem Satz.


    Ann Murray, im Programm als Sopran bezeichnet [reicht das für Mannheimer?] ist eigentlich Mezzosopran und sollte besser unterhalb der ersten unteren Hilfslinie singen: die Tiefen waren umwerfend :faint: - alles was aber über der Mittellinie lag, vibrierte in verminderten Quintabständen. Goggle weiß, daß Ann Murray "derzeit führende Mozartinterpretin" ist... ?( :no: Ihre Bescheidenheit aber löst bei mir Nachsicht aus. Geeigneter Weise sollte sie dann aber besser bei Wagner/Verdi unterkommen... KV 583 ist ein sehr schönes Stück, sehr privat - aber auch sehr kurz. Das Passionslied für Sopran, Streicher und Orgel ohne Orgel war langweilig und vom Vibrato der Murray überlagert.


    Nach der Pause das berühmte "Berenice, che fai" vom Haydn: Ein Stück, das zu Recht tosenden Applaus erntete - auch die Sangesleistung von Ann Murray bewundernswert dramatisch, zugleich jedoch [leider] komisch wegen des unästhetischen Vibratos... die Wirkung war schon klischeehaft: Wen wunderts, wenn Normalos Klassikhörer für bescheuert halten?


    Die g-moll-Sinfonie [ :hello: Ben Cohrs] wurde zackig gebracht und dem Sturm und Drang zugeordnet, weshalb das Cembalo auch stur weiterverwendet wurde, was mich arg wunderte. Da es aber die Sinfonie kaum störte, war es auch egal und letztlich der Beweis seiner Überflüssigkeit. Der zweite Satz wurde ebenfalls recht straff angepackt, die Wiederholung des 2. Teils nicht gespielt, was in diesem Zusammenhang für mich zu abrupt wirkte... schade! Die Flöte verspielte sich auch bei der Wiederholung des 1. Teils an derselben Stelle [es wurde trotzdem nicht kopiert, Khampan! :D ], Menuett und Finale ebenfalls fetzig, sehr gute Hörner und Clarinetten. Der Beifall ließ hier aber im Verlauf des Stückes nach: Wenig nach dem Mittelsatz, kein Applaus nach dem Menuett - dem Publikum gefiel Mozart nach Kraus offenbar nicht mehr ;)


    Natürlich wieder Beifallsstürme nach dem letzten Ton des Finalsatzes.


    Als Zugabe dann nochmals das Finale von Kraus' c-moll-Sinfonie, quasi das "Hausstück" von Concerto Köln.


    Ein tolles Konzert!


    Da der Hinweg wegen eines idiotischen LKWs mit Staus gepfalstert war, blieb keine Zeit mehr zum Frühstücken - es wurde also im "Lollo" gleich um die Ecke zu Nacht gespeist: Sehr empfehlenswert! Zumal es da nach 22.00 h ganz selbstverständlich noch warme Küche gab...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Nachschlag:


    Der Mannheimer Morgen berichtet vom Konzert am 23.07.2008. Anstelle der Titelzeile "Spärlicher Programmzettel" wäre "Waltraud Brunst hat keinen Dunst" passender gewesen: Böse Falle - manche Komponisten geben sich mit einer c-moll-Sinfonie nicht zufrieden... Die dargebotene c-moll-Sinfonie von Kraus ist nicht die sog. Symphonie funébre, daher weder trauerumflort, noch zum Tode Gutstavs III. komponiert, sondern vielmehr auf Anregung Joseph Haydns aus ihrer Vorgängerin, der cis-moll-Sinfonie entstanden und das neun Jahre zuvor. Das wäre auch sonst ein lustiger Totentanz im Finale gewesen...


    Für die abschließende g-moll-Sinfonie KV 550 hatte Frau Brunst offenbar nicht mehr die Gunst...


    :kotz:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Was ist an Fleischkäs' mit Kartoffelsalat 'kulinarisch'?
    Geschmacksver[w]irrung in Baden-Baden


    Gestern, 02.08.2008, fand in Baden-Baden zum zweiten mal die kulinarisch-philharmonische Parknacht in der Kunst- und Kulturmeile Lichtentaler Allee statt. Im Kurpark war eine Tribüne aufgebaut, auf der ab 21 h Pavel Baleff sein Philharmonisches Orchester Baden-Baden durch eine Notentsunami von Rossini [Ouvertüre zu 'L'Italiana in Algier'], 'Una furtiva lacrima' aus Donizettis 'L'Elisir d'Amore' mit der Gnocchi-Stimme des dem aus dem Land des Lispelns stammenden Tenor César Gutierrez, der Ouvertüre zu Puccinis 'Edgar', dem 'Marche Napolitaine' von Jules Massenet, ein Satz aus 'Gli Ucelli' von Ottonini Respighi u.v.a. lotste.


    Dem auf Picknickdecken liegenden oder herumstreunenden Publikum scheint's gefallen zu haben, das Beste daran war noch die Pseudoillumination des Parkgeländes [das kann man natürlich auch besser machen]. Das 'kulinarische' Angebot hat mir nicht gepasst, so bin ich auf altbewährten McDonald's-Fraß ausgewichen.


    Naja, gute Idee... und was soll man samstags Abends sonst machen...?


    :beatnik:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Im Rahmen des young.euro.classic-Festivals spielte gestern das Orchestra of the 19th Century unter der Leitung von Jos van Immerseel im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt.


    Bei diesem Orchester handelt es sich um ein Projekt der NJO (Niederländisches Natonal Jeugd Orkest)-Sommerakademie unter der künstlerischen Leitung von Reinbert de Leeuw. Gespielt wurde in historischer Aufführungspraxis mit authentischen Instrumenten. Lediglich die Holzbläser und die Streicher verwendeten ihre eigenen Instrumente, wobei bei letzteren die Saiten durch Darmsaiten ersetzt wurden und authentische Bögen zum Einsatz kamen.


    Auffallend war bereits die ungewöhnliche Aufstellung des Orchesters. Die 24-köpfige Streichergruppe wurde in zwei gegenüber positionierte Streichorchester aufgeteilt. Damit sollte - so Jos van Immerseel in seinen einführenden Erläuterungen - der Klang der einzelnen Streicherstimmen sowohl für die Zuhörer, aber auch für die Orchestermusiker selbst, plastischer und besser durchhörbar gemacht werden.


    Nach der flott gespielten Ouvertüre zu "Le Nozze di Figaro" von Mozart kam Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 zur Aufführung. Der Pianist Ronald Brautigam spielte auf einem Hammerflügel. Leider enthielt das Programmheft keinerlei Informationen zu dem verwendeten Instrument. Ich nehme an, dass es sich nicht um einen historischen, sondern um einen in neuerer Zeit gebauten Flügel handelte.
    Zunächst hatte ich den Eindruck, dass der "mickrige" Flügel es schwer haben würde, gegen die Lautstärke des Orchesters anzukommen. Doch nach kurzer Zeit habe ich mich schnell mit dem ungewohnten Klangbild anfreunden können. Es hat mich erstaunt, was man alles aus solch einem Instrument "herausholen" kann. Einen modernen Konzertflügel, der ohnehin nicht zum historischen Orchesterklang gepasst hätte, habe ich schließlich (im Gegensatz zu meinem Platznachbarn) nicht vermisst


    Einen weiteren Angriff auf die Hörgewohnheiten gab es nach der Pause mit Schuberts Symphonie Nr. 8 C-Dur D 944, die ich noch nie so aufgerauht und "erdig" gehört habe. Das kam besonders den dramatischen Stellen zugute, die sehr deutlich herausgearbeitet wurden (selbst im letzten Satz, den ich bisher nur als heiteren Kehraus im Ohr hatte).


    Fazit: Gewöhnungsbedürftig, aber sehr interessant.


    Das Konzert wurde von Deutschlandradio Kultur mitgeschnitten. Die Sendung könnt Ihr dort am Sonntag, 10.08.08 um 20.03 Uhr hören.


    Viele Grüße
    Frank

  • Schöner Bericht - und den Konzertmitschnitt würde ich gerne mithören wollen... :yes:


    Zitat

    Original von Frank Pronath
    Gespielt wurde in historischer Aufführungspraxis mit authentischen Instrumenten. Lediglich die Holzbläser und die Streicher verwendeten ihre eigenen Instrumente, wobei bei letzteren die Saiten durch Darmsaiten ersetzt wurden und authentische Bögen zum Einsatz kamen.


    Ähhhm... was bleibt denn da großartig übrig, wenn man Holzbläser und Streicher beim Orchester gedanklich weglässt? ?( Irgendwie verstehe ich den Sinn Deiner Aussage nicht ganz... Sie spielten auf authentischen, will meinen: historischen [?], Instrumenten, nur die Streicher und Holzbläser nicht... also die Hörner, Pauken und Trompeten, die in der Regel eh Nachbauten verwenden?


    Zitat

    Auffallend war bereits die ungewöhnliche Aufstellung des Orchesters. Die 24-köpfige Streichergruppe wurde in zwei gegenüber positionierte Streichorchester aufgeteilt.


    Man nennt dies antiphonische Aufstellung. Der stellvertretende Präsident des Vereins der antiphon Aufgestellten e.V. ist unser User Khampan.


    Ein beneidenswertes Konzert, wirklich!


    :]


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Ähhhm... was bleibt denn da großartig übrig, wenn man Holzbläser und Streicher beim Orchester gedanklich weglässt? ?( Irgendwie verstehe ich den Sinn Deiner Aussage nicht ganz... Sie spielten auf authentischen, will meinen: historischen [?], Instrumenten, nur die Streicher und Holzbläser nicht... also die Hörner, Pauken und Trompeten, die in der Regel eh Nachbauten verwenden?


    Im Programmheft ist ausschließlich von "authentischen" Instrumenten die Rede. Das Wort "historisch" wird in diesem Zusammenhang vermieden. Ich verstehe das dahingehend, dass entweder nachgebaute oder entsprechend "präparierte" Instrumente (Streicher!) zum Einsatz gekommen sind.


    Viele Grüße
    Frank

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • (bitte erst morgen lesen, damit's gestern war...)


    Im Rahmen des "Bühler Kultursommers" fand heute ein Open-Air-Konzert mit Werken von Wagner, Brahms und Schubert statt. Es gastierte die Junge Kammerphilharmonie Freiburg unter Leitung von Andreas Winnen.


    Nach der Meistersinger-Ouvertüre machte ich erstmal Pause und gönnte mir ein Fiore-di-Panna-Eis und kehrte rechtzeitig zu Schuberts Sinfonie Nr. 7 C-Dur [ich zähle nur die Vollendeten - das Programm offerierte die Neunte..., tatsächlich war es die Achte] zurück, welche auch der Grund meines Besuches war.


    Die Tempi waren ausgesprochen zügig gewählt, daher wirkte das ganze Werk etwas unausgeglichen, aber eben auch nicht langweilig. Die Wiederholung des ersten Satzes wurde ausgespart, was zu weiterer Unförmigkeit beitrug. Wären die Violinen nicht gewesen, hätte ich das Ergebnis dennoch als insgesamt ziemlich gut eingestuft. Aber jedesmal, wenn ich gerade das Werk in vollen Zügen genoss, war mir, als würde mir jemand plötzlich eine Kreissäge ans Ohr halten... Leider waren auch die beiden Clarinetten nicht ganz aufeinander abgestimmt - etwa 1/9tel Ton Unterschied... aber was macht das schon? Leider wurden auch die einstmals gestrichenen Takte des Scherzos nicht gespielt...


    Ich genoß dennoch - und dies von einem eher ungewöhnlichen Ort aus: Ich plazierte mich hinter den Contrabässen und Plüsch-Pauken [obwohl ich keine 2 m entfernt von diesen positioniert war, spürte ich keinerlei Resonanz in meinem Magen - und sowas schimpft sich "Pauke"] auf der Rückseite der aufgebauten Tribüne: Der Sound war dadurch im Vergleich zum Frontalhören ziemlich gut gemischt - man sollte die Orchesteraufstellung einfach umkrempeln, das kommt viel besser rüber...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo.


    Gestern Abend begann in Berlin die philharmonische Saison 2008/2009. Beim Eröffnungskonzert brachten die Berliner Philharmoniker unter Chefdirigent Simon Rattle zunächst die 3. Symphonie von Brahms, nach der Pause die 10. von Schostakowitsch zu Gehör.


    Applaus. Bravo. Nochmals Bravo. Am Ende noch mehr Bravos.
    So die Aufnahme durch das Publikum (natürlich war die Philharmonie ausverkauft).


    Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass Rattle mehr und mehr in Berlin (und bei den Berlinern, bei seinem Publikum) ankommt. Gestern bot er aber auch alles, was das festlich gestimmte Publikum erwarten konnte: ein Orchester, das zu einem (nahezu) perfekten Instrument wird und das stolz zeigt, was es alles kann. Das war ohne Frage beeindruckend - es hat mich allerdings zwiespältig gelassen.


    Insbesondere der Brahms machte mich ratlos. Sehr schön wurden die verschiedenen Stimmen herausgearbeitet, was zu einem ungemein reichen Klangbild führte (auch wenn das Orchester zu Beginn hörbar Schwierigkeiten hatte, seine Balance zu finden). Was mich allerdings zunehmend befremdete, war das Auskosten dieses (so schönen) Klangs. Und darum drehte sich dieser Brahms, der für mein Empfinden teils zu einer Art besonders gefühligem Mahler umgedeutet wurde (wie im Beginn des zweiten Satzes), vorwiegend. Die Rattle'sche Tendenz, Leises sehr leise und Lautes sehr laut abzubilden, fand sich hier wieder. Echte Emotion vermisste ich (resp. stellte sich bei mir nicht ein). Namentlich im Schlusssatz blieb das Primat der Schönheit, des Schönklangs - für Schroffes, Kantiges war da kein Raum.


    Dann Schostakowitsch. Erstaunlich, wie schnell das Orchester einen völlig anderen Eigenklang herzustellen vermochte. Die Streicher nun fahl, teils sirrend oder schrill. Der zweite (sehr kurze) Satz war eine einzige (kontrollierte) Explosion. Dynamiksprünge wurden bruchlos dargestellt. Die Musiker (Horn, Oboe, Klarinette, Flöten, Bässe! betone ich hier, aber natürlich auch als Ganzes) zeigten Enormes. Das war schon ein außerordentliches Erlebnis.


    Für mich bleibt somit ein Abend, der nahezu perfekte Orchesterkunst zeigte - die in meinen Augen allerdings eine Selbstzweck-Gefahr birgt. Rattle bietet seinem Publikum etwas, das zumindest einigen wichtig sein dürfte: das Gefühl, einem der weltweit besten Orchester zuhören zu dürfen. Mir hat diese Gewissheit gestern Abend nicht ausgereicht, um sagen zu können, dass es ein großer Abend war.


    :hello:


    Gruß, Ekkehard.


    P. S.: Die Aufzeichnung des Konzerts soll am 8. September ab 20.05 Uhr vom Kulturradio des RBB gesendet werden.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Eben in der Alten Oper gewesen, das Konzert wird dort morgen wiederholt und live im Radio ausgestrahlt.


    RSO Frankfurt . Paavo Järvi


    Zu Beginn: Mauricio Kagel: Etude Nr. 3 für großes Orchester.
    Das ca. neunminütige Werk war mir unbekannt, daher kann ich wenig zur Interpretation sagen, ausser, dass das Orchester famos gespielt hat, Järvi den schwierigen 9/8-Takt sicher im Griff hatte und der im Publikum anwesende Komponist sichtlich zufrieden war!


    Mendelssohn: Violinkonzert. Christian Tezulaff hat bei zügigen Tempi fantastisch gespielt! Leider war das Orchester recht groß besetzt und nicht immer ganz so feder(nd)-leicht, wie man sich das idealerweise für dieses Konzert erhofft, bisweilen war Tetzlaff kurz davor, überdeckt zu werden, aber das war nicht Tetzlaffs Schuld und Järvi hatte dann auch in der zweiten Hälfte des dritten Satzes das Orchester während der Solopassagen gut "gedimmt".


    Bartok. Konzert für Orchester.
    Hatte ich das Konzert für Orchester in den letzten Tagen zu oft gehört? Ich freute mich ja am meisten darauf, es zum ersten mal live zu hören. Und wurde dann leider enttäuscht. Järvi hat am "Wesen Bartoks" völlig vorbeidirigiert. Zusammenhanglos "schöne Passagen", denn die Soli waren wirlich gut.... Wo es ging, klang es eher nach Schostakowitsch als nach Bartok. Gerne auch viel zu laut im Blech und wenn die Geigen/Bratschen auch mal laut dagegen halten solten, klang es angestrengt dumpf. Leider auch nicht besonders sorgfältig Phrasierungen einstudiert....


    naja, dennoch wars ein schönen Konzert, aber den Bartok so bitte nicht.


    Bin mal gespannt, ob es morgen Radiohörer gibt, die meiner Meinung sind.

  • Gestern zur Saisoneröffnung war ich im ersten Abonnementskonzert des Konzerthausorchesters Berlin.
    Das Programm:


    Beethoven: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
    Eisler: "Deutsche Sinfonie" für Soli, Sprecher, Chor und Orchester op. 50


    Für mich alles irgendwie Premieren, das (bekannte) Violinkonzert wurde gespielt von der mir unbekannten Isabelle van Keulen, das Konzerthausorchester Berlin habe ich seit sehr vielen Jahren nicht mehr gehört und die Eisler-Sinfonie ist ohnehin kaum in einem Konzertprogramm anzutreffen.


    Frau van Keulen spielte das Konzert etwas romantisierend und hatte Pech mit der Stimmung ihrer Geige, die plötzlich umkippte, wodurch die Kadenz im ersten Satz fürchterlich falsch klang. In der Satzpause wurde nachgestimmt und dann konnte sie das Konzert souverän zu Ende bringen.


    Hanns Eisler ist ja hauptsächlich bekannt als Schöpfer der DDR-Nationalhymne und von Propaganda-Liedern. Seine "Deutsche Sinfonie" wird sicher wegen des sehr parteiischen Textes, u.a. von Bert Brecht, nicht ganz zu Unrecht kaum aufgeführt. Selbst in der damaligen DDR wurde sie nach der Uraufführung 1959 weitgehend tot geschwiegen, wohl wegen der Verwendung der Zwölftontechnik und vielleicht auch wegen der erwarteten, aber vermissten systemgemäßen Alternative zu den beschriebenen Kriegs-Gräueln und der Darstellung des nationalsozialistischen Gewaltregimes.


    Musikalisch ist dieses Werk sicher eine der bedeutendsten Kompositionen von Eisler. Das Orchester zeigte sich nach den Orchesterferien gut erholt und in einer vorzüglichen Verfassung. Der Dirigent Lothar Zagrosek, der dieses Werk bereits mit dem Leipziger Gewandhausorchester auf CD einspielte, arbeitete sehr gut die Höhepunkte des Stückes heraus, gestaltete z.T. sehr scharf die pointierten Aussagen, die die Musik zu dem Text liefert und führte das ganze Ensemble zu einer hervorragenden Gesamtleistung.
    Nach diesem beeindruckenden Erlebnis meine ich, dass die Sinfonie es verdient hätte, auch westdeutscherseits die Gelegenheit zu bekommen, sich der Meinung des Publikums zu stellen, obwohl der Text in der Tat schwer vermittelbar ist. Hier hat zweifelsohne die Musik das Primat, wenngleich natürlich beides sich gegenseitig bedingt. Vielleicht bedarf es nur etwas Mut?

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo.


    Am Freitagabend ist das Musikfest Berlin 2008 eröffnet worden.
    Mariss Jansons am Pult (eines seiner Orchester) des Koninklijk Orkestgebouworkest mit Werken von Messiaen (Hymne au Saint Sacrement), Poulenc (Konzert für Orgel, Streicher und Pauken g-Moll) und Bruckner (3. Symphonie, 3. Fassung, 1889).


    Die Messiaen-Interpretation hat mich nicht überzuegt. Es wirkte ein wenig, als ob man ein Werk von ihm ins Programm nehmen musste (das Musikfest hat die erklärten Schwerpunkte Messiaen, Bruckner und Stockhausen). Das war gewiss routiniert, aber die letzte Spannung schien mir zu fehlen. Dann Poulenc, dessen Werk ich bislang nicht kannte - und das ich näher wohl auch nicht kennenlernen will. Das Publikum war anschließend zwar ganz schön aus dem Häuschen, aber mich berührte das Gehörte wenig. Die Balance zwischen Orgel und Orchester stimmte für mein Empfinden nicht; entweder dominierte die Orgel gandenlos, oder sie rumpelte für mein Empfinden hinterher. Vermutlich saß ich irgendwie falsch oder bin da nicht kundig genug - es gefiel mir jedenfalls nicht.


    Anders dann der Bruckner, den ich bislang vor allem in der Erstfassung in der Einspielung von Nagano (mit dem DSO) von CD kannte. Ein überaus klarer Ton, der Stimmung erzeugt, ohne Gefühligkeit zu bemühen (anders als jüngst für mein Empfinden die BPhil unter Rattle mit der 3. Brahms). Da hatte man das gute Gefühl, dass die Partitur aufs Genaueste durchgearbeitet wurde, dass jeder Ton saß. Perfekt gesetzte Generalpausen, ansatzlose Stimmungswechsel, grandioses Zusammenspiel. Sehr schön.


    Am Ende der verdiente Lohn mit begeistertem Applaus.


    Dienstag habe ich dann das Vergnügen (ich gehe davon aus, dass es eins sein wird), das SWR-Orchester unter Cambreling mit Messiaen (L'Ascension sowie Oiseaux exotiques) und Bruckner (7.) in der Philharmonie zu hören.


    :hello:


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Open Air auf dem Museumsplatz gastierte gestern abend Giora Feidman (B-, A- und C- sowie Bass-Klarinette) in Bonn mit seinem Trio, also zusammen mit Jens-Uwe Popp (Gitarren) und Guido Jäger (Kontrabass). Nach der Pause trat noch Murat Coskun (Perkussion, z. B. Frame Drum - eine Art ohne Schlägel gespielte Bodhrán -, Tamburello, eine Art Djembé) hinzu. Nach einer kurzen Einleitung von Gitarre und Kontrabass, die sich schon mal auf der Bühne zusammengefunden haben, taucht Feidman, wie wohl stets, auf, von hinten aus der Tiefe des Raums erscheint er leise, mit einer Improvisation über eine stille Melodie, mit der er sehr langsam durch die Gänge, durch sein Publikum wandert, immer wieder innehaltend und sich diesem zuwendend, um am Ende die Stufen zur Bühne hinauf zu steigen und das Konzert mit den anderen fortzusetzen. Diese Wanderung ist für mich einer der schönsten Einstiege in ein Konzert, der seine Wirkung auf die Zuhörer nicht verfehlen kann, eine Art von gemeinsamer Meditation, um zueinander zu finden: der Musiker und sein Publikum.


    Feidmans Musik ist fest verwurzelt im Klezmer, auf dieser Grundlage bietet er aber mit seinem erweiterten Trio seine sehr persönliche Feidman'sche Weltmusik im universellsten Sinne, die, wer Klezmer nicht kennt, vielleicht am ehesten nach ihrer Improvisationsart und dem Stil des Zusammenspiels des Trios dem Jazz zuordnen würde. Er streift den Tango - Feidman stammt aus Argentinien -, zitiert bekannte Melodien, Gershwin und vieles andere, kehrt aber immer wieder zum Klezmer als Grundlage zurück, zu Traditionals wie Happy Nigun, Hava Nagila oder Shofar Dance ebenso wie zu Kompositionen auf dem Grund des Klezmer von Ora Bat Chaim, Feidman selbst, vor allem aber von seinem Bassisten Guido Jäger, der eine Vielzahl eigener Stücke für diese Formation komponiert hat und hier einbringt.


    Selbstverständlich hören wir an diesem Abend auch einige der auf Giora Feidmans aktueller CD "The Spirit of Klezmer" (pläne 88956, Aufnahme Oktober 2007)
    [amx=B0013N8VJU]250[/amx]
    aufgenommenen Stücke, und dennoch muss man sagen: Welten liegen zwischen dem Erleben dieses Musikers im Konzert und der - zweifellos hervorragenden - Schallaufnahme. Gleichwohl: eine unbedingt empfehlenswerte CD, aus musikalischer genauso wie aus aufnahmetechnischer Sicht.


    Aber zurück zum gestrigen Konzert:
    Giora Feidman bittet sein Publikum, ihm einen langen Ton zu geben als Untergund für seine Solo-Improvisation, er animiert seine Zuhörer, im Refrain mit ihm und seinem Trio den Traditional Donna Donna zu singen und teilt mit seinem Publikum das Unverständnis und die Trauer darüber, dass in Bonn auf diesem Platz Juden und Deutsche zusammen singen, aber der Krieg zwischen den Palästinensern und den Israelis anhält. Er mahnt mit einer Improvisation über die Nationalhymnen von Deutschland, Israel und Palästina zur Besinnung und bittet das Publikum, nicht zu applaudieren, entlässt es schweigend mit seiner Botschaft in die Pause.


    Vier Musiker mit drei Religionen stehen dort, die eine Sprache sprechen: die Musik. Das ist es, was die vier gut zweieinhalb Stunden lang mit einer kurzen Pause vermitteln. Sehr rasch und immer intensiver werden diese Musiker und ihr Publikum Eins. Feiern zusammen, weinen miteinander. Ein jeder von ihnen verdient es, besonders hervorgehoben zu werden, Jens-Uwe Popp, der brilliante Gitarrist, für sein Solo "Choro da Saudade" von Barrios Mangoré, Guido Jäger für seine charakteristischen Kontrabass-Soli im Wechsel zwischen Bogen, Pizzicato und Slap, Murat Coskun für seine virtuosen Beiträge auf den verschiedenen Schlaginstrumenten und seinen Gesang.


    Über allen aber steht Feidman. Die virtuose Beherrschung seiner verschiedenen Instrumente ist ohne Beispiel, die Kontrolle, die er über die Intensität des Tons, die Lautstärke seines Spiels, die er über den Klang, die Stimme, die Seele seiner Klarinetten ausübt, habe ich noch bei keinem anderen Klarinettisten gehört. Er pflegt ein unendlich seelenvolles pianopianissimo, das er fließen lässt, als wäre es keinerlei Anstrengung wert, den Luftstrom so zu steuern, wie er es tut. Eine schier unglaubliche Vielfalt an Ausdrucksformen vermag er den Stimmen seiner Instrumente zu verleihen - ich will hier nicht die Platitüde von der weinenden oder der lachenden Klarinette quälen, aber das triffst es tatsächlich und greift doch viel zu kurz. Das, was ein menschliches Gefühl ausmachen könnte, vermag er darzustellen. Verbale Beschreibungsmöglichkeiten versagen hier letztlich, diese sehr persönliche Kunst Feidmans muss man selbst hören.


    Feidman spricht nicht sehr viel, aber er kommuniziert höchst intensiv mit seinem Publikum. Er scherzt, er lacht mit ihm und jubelt mit ihm, er singt mit ihm und teilt seine Gefühle mit ihm. Das ist recht eigentlich die schönste Form der Kammermusik, die man sich denken kann. Mit 150 Musikern einen prall gefüllten Saal in Wallung zu bringen, ist keine große Kunst. Wenn aber drei oder vier Menschen musikalisch kommunizieren mit einer jeden Zuhörerin und einem jeden Zuhörer und sie mitnehmen zu sich, als Person erfahrbar werden, sich in ihrer Kunst persönlich bloß stellen, dann ist das ein sehr mutiges Unterfangen dieser Menschen dort auf der Bühne, die dem Publikum plötzlich sehr nahe kommen. Ein intimstes Erleben findet statt, das vom Publikum auch die Bereitschaft erfordert, sich hierauf einzulassen. Das Bonner Publikum hatte diese Bereitschaft gestern in hohem Maße, und Feidman, Popp, Jäger und Coskun belohnten diese Bereitschaft am Ende nochmals reichlich.


    Feidman entlässt uns nach Hause mit einem stillen Ohrwurm, den er uns, Juden und Deutsche und ganz sicher viele Weitere, mit ihm hat singen lassen. Mit Frohsinn im Herzen und einem Glücksgefühl gehe ich, den Rest einer verdrückten Träne noch fortwischend; meine Schwermut, meine Traurigkeit durfte ich dort lassen.


    Liebe Grüße, Ulrich


    ps: Nur eines wäre zu bedauern: Der Museumsplatz liegt an einer vielbefahrenen Durchgangsstraße nach vorne und an einer Bahnlinie nach hinten hinaus. Der örtliche Veranstalter kriegt es nicht in den Griff, durch entsprechende Lärmschutzmaßnahmen eine Abschirmung gegen beide permanenten Schallquellen herzustellen. Bei einem Rockkonzert dort spielt das keine Rolle. Die Intimität einer Veranstaltung, wie wir sie mit Giora Feidman erleben durften, wird dagegen ganz erheblich gestört. Das geht auch über das, was man Open Air notwendigerweise zugestehen muss, hinaus. Sehr schade und ein wirkliches Manko dieses Veranstaltungsortes. Das erinnert mich an ein Konzert, das ich vor wenigen Jahren mit Giora Feidman in der Wuppertaler Stadthalle am Johannisberg, der wunderschönen Jugendstilhalle, erleben durfte. Dort störte nichts diese Intimität - eine nochmals andere Qualität der Wahrnehmung ...

  • Gestern führte mich meine Kammermusik-Gier in ein Konzert "Festliche Serenaden Schloß Favorite", welches regelmäßig durch das Quantz-Collegium e.V. [www] gestaltet wird. Das Konzert fand im passenden kleinen Rahmen im mit verschwenderischer Fülle ausstaffierten Sala terrena des Jagd- und Lustschlosses statt. Der Saal fasst etwa 140 zuhörende Gäste und hat eine sehr angenehme Akustik: Trotz der Höhe des Kupppelsaales und der gekachelten und/oder mit Kunstmarmor veredelten Wände war kein übler Hall zu vernehmen!


    Auf dem Programm standen Werke von Johann Caspar Kummer [1795-1870], Friedrich Ernst Fesca [1789-1826] und Johann Evangelist Brandl [1760-1837]. Außerordentlich Klangschön wurden die unbekannten Werke der noch unbekannteren Komponisten präsentiert. Von besonderer Qualität schien mir das Quartett h-moll op. 2 Nr. 1 von Fesca.


    Das Quantz-Collegium, an diesem Abend bestehend aus Jochen Baier [Flöte und musikalische Leitung], Johannes Blumenröther [Violine], Manfred Dörge [Violine], Mistuko Nakan [Viola] und Markus Tillier [Violoncello], trat passend historisch kostümiert auf und überzeugte mit großer Spielfreude und Perfektionismus.


    Die dargebotenen Werke, Flöten-Quartett G-Dur op. 54 von Kummer, Streichquartett h-moll op. 2 Nr. 1 und Flötenquintett C-Dur op. 22 von Fesca und Flötenquartett G-Dur op. 40 Nr. 3 von Brandl würde ich prinzipiell als gute bis sehr gute U-Musik der damaligen Zeit einstufen. Wie gesagt: Besonders gefallen hat mir das h-moll-Quartett von Fesca; ein Werk, daß den Vergleich zu mittlerem Haydn nicht scheuen braucht. Die drei Flötenwerke waren zum Teil hochvirtuos komponiert [jene Komponisten waren - wenn auch teilweise gegen den verständlichen Willen ihrer Eltern - Flötenvirstuosen ihrer Zeit] oder aber pastoral und... naja... ganz nett.


    Das Ensemble hat sich darauf spezialisiert, neben den großen und bekannten Komponisten des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts überwiegend deren unbekannte Zeitgenossen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.


    Sehr schön! Ich möchte jedem sich in der Nähe befindlichen diese sich jährlich aufs Neue wiederholende Serenaden-Reihe sehr empfehlen!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Gestern wurde die Saison der Grazer Oper mit dem jetzt schon traditionellen Eröffnungskonzert des Grazer Philharmonischen Orchesters gestartet.


    Dabei gab es ein sehr umfangreiches Programm. Zum Aufwärmen spielte man die Ouvertüre zu Oberon von Weber (tadellos!). Danach sang die wunderbare Christiane Libor Wagners Wesendonck-Lieder (beim ersten Lied sprach die Stimme noch nicht gleichmäßig an, das zweite war schon ziemlich gut, ab dem dritten war es sehr gut!).
    Nach der Pause stürzte sich das Orchester in das große Abenteuer von Bruckners siebenter Symphonie und machte seine Sache erstaunlich gut! Johannes Fritzsch dirigierte einen unpathetischen, kraftvollen und bei Bedarf auch energischen Bruckner. Die Entwicklung der eher zügigen Tempi war dabei sehr natürlich und nur in wenigen Momenten klang der gute Tonerl doch ein wenig teutonisch. Insgesamt aber eine sehr erfreuliche Leistung mit einigen Gänsehautmomenten!



    Eine Wiedergabe des Konzerts läuft ab 20:04 gerade auf Radio Steiermark! (Der Weber kommt gerade klanglich sehr schön ins Wohnzimmer und die Übertragung ist auch im Internet empfangbar!)



    (Offizielles Presse-Photo von Robert Illemann)



    PS: Erstaunliches Ergebnis der Radio-Übertragung: die Wiedergabe der Wesendonck-Lieder klang noch besser als im Saal! Die dort empfundene Entwicklung der tiefen Lage war in der Aufzeichnung fast gar nicht vernehmbar. So gehört ein uneingeschränktes Sehr Gut!


    PPS: Interessant auch die Bruckner-Übertragung! Hatte ich in der Oper den Eindruck "eher zügiger" Tempi, so verstärkte er sich zu Hause noch. In den eigenen vier Wänden wirkte das Orchesterspiel subjektiv noch schneller als im Saal! Und auch hier wiederholte sich der Eindruck einer wirklich famosen Leistung bei diesem Eröffnungskonzert.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • nun, wieder einmal ein grandioses konzert in meiner lieblingskirche, der erlöserkirche in bad homburg - meine güte, wie viele wirklich sensationelle konzerte ich dort schon erlebt habe ... dank sei auch der kantorin susanne rohn, die nicht nur eine begnadete organistin, sondern auch eine phänomenale dirigentin mit gespür für repertoirelücken ist. ... weltklasse ...:


    also heute zum auftakt des fugato-festivals spielte die lettische organistin iveta apkalna begleitet vom der deutschen staatsphilharmonie rheinland-pfalz französich-belgische orgelmusik des 19. jhds.


    gegeben wurden


    alexandre guilmant: symphonie n.1 für orgel u. orch.


    joseph jongen: sonata eroica für orgel solo

    camille saint-saens: symphonie nr. 3 für orgel und orch.



    hajko siemens leitete das bombastisch aufspielende orchester.


    den perfekten platz auf der orgelempore, hatte ich die viermanualige sauerorgel mit 62 registern und fernregister im rücken, den phantastischen blick in das vor goldmosaiken strotzende kircheninnere im neobyzantinischen stil und saß sozusagen im blaswind der blechbläser. meine güte, war das eine blech- und schlagzeugbetonte aufführung. gerade das ende des saint-saens: sensationell, endlich die von mir geliebte tempoverzögerung mit gleichzeitiger steigerung. der paukist extrem laut, und auch den wirbel auf der großen trommel konnte man endlich mal hören. und zugleich waren die holzbläser spitze. sehr zart, wunderbares an- und abschwellen des tones. ein erlebnis!!!!



    BRAVO, BRAVISSIMO !!!



    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Gestern Abend (20.09.2008 ) habe ich das erste Konzert der neuen Saison der Dresdner Philharmonie besucht. Auf dem Programm stand die 3. Sinfonie von MAHLER.



    Gustav MAHLER
    Sinfonie Nr. 3 d-Moll


    Sara Mingardo | Alt
    Damen des Philharmonischen Chores Dresden
    Damen des Philharmonischen Jugendchores Dresden
    Philharmonischer Kinderchor Dresden
    Dresdner Philharmonie


    Rafael Frühbeck de Burgos


    Mein Interesse für dieses Werk- welches ich noch nicht kannte- wurde auch durch die regen Diskussionen hier im Forum geweckt. Im Bereich der Sinfonien gibt es einige Zyklen die ich bisher kaum kenne (MAHLER, SCHOSTAKOWITSCH), weshalb ich mich einst entschlossen habe, diese Werke ausschließlich im Konzert kennen lernen zu wollen. (Obwohl ich sonst sehr darauf achte, viele neue Werke über die CD zu entdecken)
    Das Konzert wurde vom dem Chefdirigenten Rafael Frühbeck de Burgos geleitet, der in dieser Woche seinen 75. Geburtstag feierte (pt_concours berichtete ;-) )


    Es ist nicht leicht, über so eine Sinfonie nach dem ersten Hören gerecht zu urteilen, sowohl im Hinblick auf das Werk wie auf die Interpretation. Dennoch hier einige Eindrücke.
    Der erste Satz ist mit seinen vielen Brüchen beim ersten Hören doch etwas sperrig, sehr eindruckvoll gerieten für mich aber dann der 2. und 3. Satz. Besonders in den lyrischen Passagen konnte Frühbeck de Burgos wieder sein ganzes Können zeigen und ließ hier sehr sensibel spielen. Und bis auf einige kleine Ungenauigkeiten (besonders in den Streichern), lieferte die Dresdner Philharmonie wieder ein Beispiel ihrer hohen Klangkultur, und besonders die Bläser (ganz besonders die Hörner und Oboen, so wie die „Ferntompete“) spielten wieder unglaublich klangschön. Auch die Solistin und der Frauen- und Kinderchor konnten in den folgenden Sätzen überzeugen, (der Chor sang mit hoher Textverständlichkeit, so dass ich trotz des ersten Hörens nicht ins Programmheft sehen musste).
    Doch war für mich der Beginn des letzten Satzes der Höhepunkt des Werkes. Hier konnte Frühbeck de Burgos eine unglaubliche Spannung in den ersten Takten mit den Streicherklängen aufbauen.
    Allerdings nach ca. 90 Minuten mitten im letzten Satz fauchte der Dirigent plötzlich den Konzertmeister leise an „Bitte leiten Sie das weiter! „ und rannte mit lauten Schritten in einer eher leisen Stelle von der Bühne. Der Konzertmeister stieg darauf überrascht auf das Dirigentenpodest, hielt in der linken Hand seine Geige und suchte in der Partitur die Stelle, welche gerade gespielt wurde und versuchte, nachdem der 1. Bratscher den aktuellen Takt kurz genannt hatte, dann mit der rechten Hand etwas zu dirigieren. Der Spannungsbogen der Musik war aber völlig unterbrochen. Andererseits hielt der ganze Saal, das Publikum, wie die Orchestermusiker und die Sänger den Atem an. Was war geschehen?! Irgendwann legte der Konzertmeister seine Geige aufs Podest um besser dirigieren zu können (die im letzten Satz unbeschäftigte Sängerin versuchte sie vorsichtig etwas von seinen Füßen wegzurücken) und versuchte die Musik, welche unbeirrt weiter lief ein weinig zu gestalten. Bis plötzlich nach ca. fünf Minuten der Dirigent mit schnellen Schritten wieder herein kam und frisch das Podium bestieg. Der Konzertmeister setze sich wieder auf seinen Platz und der Dirigent leitete das Werk sicher zu Ende. (Darüber was geschehen war kann ich nur spekulieren, aber es scheint, als hätte der Dirigent einem nur zu menschlichen Bedürfnis nachgehen müssen).
    Am Ende wurden alle Beteiligten für ihre großen Leistungen vom Dresdner Publikum ausgiebig mit Applaus bedacht.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

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  • The International Mahler Orchestra


    Angeregt durch die Ankündigung einer Berliner Tageszeitung vom gleichen Tage machte ich mich am 26. September abends auf den Weg in den Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie zu einem Konzert des mir unbekannten Internationalen Mahler Orchesters.


    Dirigent der erst 21jährige(!) Israeli Yoel Gamzou, Schüler von Carl Maria Giulini (bis zu seinem Tode). Das erweckte meine Neugier, wie auch das Programm, das zum Auftakt eine vom Dirigenten erarbeitete Neufassung des Adagio aus der 10. Sinfonie von Gustav Mahler beinhaltete.


    Das Orchester ist eine Mischung aus Nachwuchsmusikern verschiedener Nationalität und Orchestermusikern u.a. des Concertgebouw Amsterdam, Orchestre de Paris oder der Mailänder Scala. Unterstützt wird es z.B. von der im englischsprachigen Programm als Honorary President bezeichneten Mahler-Enkelin Marina Mahler.


    Kurz gefasst: Das Orchester war gut präpariert, allerdings für ein solches Werk leider etwas unterdimensioniert, z.B. nur 4 Bratschen, was besonders zum Anfang, der von der Viola-Gruppe allein bestritten wird, auffiel. Gegenüber der üblichen Fassung von Krenek war das Holz außer den Klarinetten nur 2fach und auch die Trompeten nur 2fach besetzt. Am Schluss höflicher Beifall für eine fünfjährige Fleissarbeit, dessen Notwendigkeit allerdings hinterfragt werden muss. Einige interessante Stellen ließen schon aufhorchen, so ein auf das Hauptthema folgender Posaunenchoral, der an Bruckner erinnerte.


    Anschließend gab es sehr Vertrautes. Der 1.Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, nebenberuflich auch Hochschullehrer an der Universität der Künste in Berlin, Guy Braunstein, spielte das g-Moll-Violinkonzert von Max Bruch sehr virtuos und erfreulich unsentimental. Als Dankeschön für enthusiastischen Applaus, wohl auch von einigen seiner Studenten, gab es zwei Zugaben.


    Nach der Pause blühte das Orchester in Mendelssohns "Schottische " Sinfonie geradezu auf. Hervorzuheben ist das technisch souveräne Dirigat Gamzous, der auch die Nebenstimmen forderte, zum Teil etwas überbetonte (das macht die Interpretation aber auch wieder interessant), andererseits sein Temperament nicht immer unter Kontrolle hatte, was ihm aber verziehen sein soll.


    Unterm Strich bleibt ein beeindruckender Konzertabend und die Entdeckung eines viel versprechenden Dirigenten-Talentes. Ich bin gespannt, wie er seinen Weg weiter machen wird.

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo,


    gestern war ich im Dortmunder Konzerthaus. Es gastierten die Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Christian Thielemann.
    Folgendes von Richard Strauss wurde geboten:
    - Don Juan
    - Tod und Verklärung
    - Also sprach Zarathustra


    Zum Programmaufbau:


    Den fand ich gelungen: Zunnächst die lebhafte Don Juan-Tondichtung mit ihren starken Bläserelementen, dann das aufwühlende, insgesamt aber zurückgenommenere "Tod und Verklärung" und schließlich, nach dem Geschmack der meisten Konzertbesucher der Höhepunkt mit dem "Zarathustra".


    Zur Durchführung:


    Es war so (schön), wie man es von Thielemann und einem erstklassigen Orchester erwarten kann: Die tutti- Stellen waren manchmal etwas breiig, was sich bei dieser Riesenbesetzung aber auch kaum vermeiden lässt, aber die einzelnen Instrumente, besonders die Geige und die Bläser waren wunderbar herausgearbeitet.
    Besonders "Tod und Verklärung" war ein Hörerlebnis der besonderen Art.


    Grüße


    tukan

  • Hallo zusammen,


    von zwei vergangenen Konzerten will ich noch kurz berichten:



    Ein sehr guter, sehr schöner, sehr interessanter und abwechslungsreicher Abend! :jubel: :jubel: :jubel:
    Die in der zweiten Konzerthälfte hintereinander weg, jeweils abwechselnd gespielten Etüden Rachmaninows und Ligetis, riefen Erinnerungen wach an eine ebenfalls geniale zweite Konzerthälfte mir einem Scrijabin-"Marathon" ebenfalls hintereinander weg gespielt von Grigory Sokolov. Musikalisch zwar verschieden, aber Tamara Stefanovich konnte mich hier genauso stark beeindrucken! Auch auf eine weitere Auseinadersetzung mit Ligetis Musik habe ich hier Lust bekommen.


    Schon vor der Pause beeindruckt mich, wie gut Stefanovich jeweils die Charakter der Stücke Bachs, Mozarts und Haydns traf.


    Schaut man sich Stefanovichs Diskographie an, so lässt dies vermuten, das ihr Bekanntheitsgrad nicht sehr hoch ist. Oder wer von euch kennt sie?
    Auf jeden Fall meine Empfehlung: Solltet ihr die Möglichkeit haben sie mal zu hören, dann macht dies auch!




    Sehr gute Solisten, sehr gutes Orchester und ein extrem guter Chor, der jede einzelne Stimme sehr gut hörbar machte. Das war Bach, wie ich ihn mir wünsche. Was will man mehr! :jubel: :jubel: :jubel:
    Nach dem Konzert signierte mir ein sehr sympathischer Ton Koopman zudem noch alle meine mitgebrachten Boocklets. :)


    Viele Grüße
    Frank

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  • Zitat

    Original von Frank1970
    Hallo zusammen,


    von zwei vergangenen Konzerten will ich noch kurz berichten:


    Ohje!


    Da warst Du sieben bzw. fünf Tage zu früh. Aber wir alle machen Fehler. ;)


    Denn am 17.10.2008 wurde in der Kölner Philharmonie die Schottische Fantasie von Max Bruch aufgeführt. Für mich das mit Abstand großartigste "Konzert", das je komponiert wurde.


    Seit bestimmt 15 Jahren hatten wir jeden Sommer vergeblich den neuen Spielplan nach der Schottischen Fantasie durchforstet. Und nun hat sich endlich die Anhaltinische Philharmonie Dessau gefunden, um mit der Solistin Prof. Kathrin Scholz den Kölnern das Meisterwerk des kölner Komponisten Max Bruch näherzubringen.


    Das Stück ist für die Solovioline technisch höchst anspruchsvoll. Im November letzten Jahres wurde mir dies leider von einer überforderten Konzertmeisterin, die den Solopart spielen durfte, eindrucksvoll vor Ohren geführt. Frau Scholz hingegen meisterte die technischen Schwierigkeiten - für mein Laienohr - sehr gut. Die Interpretation war schön schnörkellos, aber für mich vielleicht etwas zu "energiegeladen". Nimmt mich eine CD-Aufnahme von Itzhak Perlman oder Maria-Elisabeth Lott vielleicht deshalb gefühlsmäßig viel mehr mit?
    Aber es ist natürlich unfair, eine Live-Aufführung mit der - vermutlich mehrfach aufgenommenen - Referenzaufnahme eines der weltbesten lebenden Geigen-Genies zu vergleichen.
    Auf jeden Fall war es ein herausragendes Konzerterlebnis, auch das Publikum schien begeistert und ließ Frau Scholz nicht ohne die Zugabe Bach - Largo (BWV ???) gehen.


    Desweiteren wurde noch Brahms dritte Symphonie und P.M.Davies - An Orkney Wedding, with Sunrise aufgeführt. Letzteres Werk enthält zwar (zu) viele Ideen, aber für meine Ohren ist es phasenweise viel zu disharmonisch.
    Noch begeisterter wäre ich von dem Abend gewesen, wenn man statt Letzterem einfach die Schottische Fantasie ein zweites Mal gespielt hätte. :-D

    Einmal editiert, zuletzt von Tenorist ()

  • Hallo Tenorist,


    Zitat

    Original von Tenorist
    Da warst Du sieben bzw. fünf Tage zu früh. Aber wir alle machen Fehler. ;)


    Denn am 17.10.2008 wurde in der Kölner Philharmonie die Schottische Fantasie von Max Bruch aufgeführt. Für mich das mit Abstand großartigste "Konzert", das je komponiert wurde.


    Sicher war es keine Fehler zu den beiden von mir genannten Terminen in der Kölner Philharmonie gewesen zu sein! ;)
    Ob es aber ein Fehler war nicht auch noch am 17.10.2008 da gewesen zu sein, werde ich versuchen herauszufinden. Dazu schaue ich mich mal um, ob ich das Werk nicht bald irgendwo aus der Konserve angehört bekomme.
    Ansonsten würde ich dir noch in die Schuhe schieben, dass du mich (bzw. alle hier) nicht vor dem Konzert darauf hingewiesen hast, statt erst danach! ;)


    Viele Grüße
    Frank

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  • Hallo zusammen,


    gestern durfte ich sicherlich einen der Höehpunkt der diesjährigen Konzertsaison im Dortmunder Konzerthaus erleben:
    Das Orchester des Marinski-Theaters unter der Leitung von Valerij Giergiejev lud zu einem Romeo-und-Julia-Abend ein --> Berlioz, Tschaikovskij, Prokovjiev.


    Das war wunderschön: Selten habe ich einen Dirigenten gesehen, der während des Konzertes so intensive Zwiesprache mit seinem Orchester hielt. Da saß jeder Einsatz und Giergiejev konnte die Streicher- und Bläsergruppen so kontrollieren und anheben und abschwächen, dass man wirklich immer alle Stimmen vernehmen konnte. Besonders den Berlioz habe ich noch nie so zart, so durchsichtig gehört!


    Schöne Grüße


    von tukan

  • Am Dienstag fand in der Grazer Oper das alljährliche "Konzert für Österreich" des Grazer Philharmonischen Orchesters statt. Und was ich nicht für möglich gehalten habe, trat ein: die Oper war nahezu prall gefüllt, es waren nur wenige freie Plätze zu sehen, und das bei bei bedeutender Konkurrenz durch Barbara Moser, die im Stefaniensaal einen Beethoven/Liszt gab. Und da ich überzeugt bin, dass auch dieses Konzert sehr gut besucht war, ergibt sich die erstaunliche Tatsache, dass im kleinen Graz unter der Woche an einem Abend gut zweitausend Menschen zu Veranstaltungen klassischer Musik pilgern.


    In der Oper gab es gleich zum Auftakt einen Leckerbissen. Sabine Meyer gab sich die Ehre und spielte Mozarts Klarinettenkonzert KV 622. Und zwar nicht so, wie es die meisten unter uns vielleicht kennen, nein sie spielte auf einer Bassett-Klarinette! Und zwar großartig! Das erstaunlich große Instrument gibt dem Werk doch einen deutlich anderen Charakter und es war eine sehr erfreuliche neue Erfahrung (die sich heute bei der Radio-Übertragung auf Ö1 wiederholte).


    Nach der Pause wurde das zuvor eher schütter besetzte Podium dicht besiedelt, galt es doch, Mahlers 5. Symphonie aufzuführen. Schon die tadellos geblasene Eingangs-Fanfare ließ die Erwartung steigen und sie wurde nicht enttäuscht. Es ist fast unglaublich auf welchem Niveau die Grazer Philharmoniker heute unter Johannes Fritzsch spielen. Nach Bruckners 7. im ersten Konzert erfuhr auch Mahlers 5. eine sehr erfreuliche Wiedergabe. Es war insgesamt so gut, dass sich auch Ö1 heute der Wiedergabe nicht zu schämen brauchte.


    (Bei den Interpretationen von Johannes Fritzsch habe ich fast immer die gleichen Vorbehalte: sehr "deutsch", das Böhmische in Mahlers Musik kam mir zu kurz; eine ambitionierte, ja leidenschaftliche und dennoch zu neutrale Wiedergabe - das Bekenntnishafte bei Mahler fehlte mir; das konnte aber auch hier nur bedingt das erfreuliche Gesamtergebnis schmälern).


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    In der Oper gab es gleich zum Auftakt einen Leckerbissen. Sabine Meyer gab sich die Ehre und spielte Mozarts Klarinettenkonzert KV 622. Und zwar nicht so, wie es die meisten unter uns vielleicht kennen, nein sie spielte auf einer Bassett-Klarinette! Und zwar großartig!


    ...was bei einer Spezialistin für dieses Intrument nicht eigentlich wundert!



    Zitat

    Das erstaunlich große Instrument gibt dem Werk doch einen deutlich anderen Charakter und es war eine sehr erfreuliche neue Erfahrung (die sich heute bei der Radio-Übertragung auf Ö1 wiederholte).


    Wer die Rekonstruktion für Bassettklarinette einmal gehört hat, wird in der Regel auf die verstümmelte Standardfassung künftig sehr leicht verzichten können. Dasselbe gilt übrigens auch für das Klarinettenquintett KV 581.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ivo Pogorelich im Großen Konzerthaussaal in Wien, 31.10.2008


    Ich empfehle, ein Konzert wie dieses als Zuhörer folgendermaßen zu beginnen: In dem Moment wo der Pianist auf die Bühne kommt, vergesse man alles – die musikalische Vorbildung, das eventuelle Wissen um einzelne Werke, die großen Interpretationen, die man von dieser Person oder von anderen kennt. Man streife in diesem Moment also alles ab und gebe sich der Kunst hin, unbefangen, ohne Vorurteile, ohne Erwartungshaltung. Die Seele der Musik entfaltet sich oder sie tut es nicht, das soll das Abenteuer des Abends werden.


    Ivo Pogorelich erzählt eine Geschichte am Klavier, eine von zweitausend individuellen Geschichten für jeden Menschen im Saal, wie aus dem Augenblick heraus, mit Herz und Seele. Es ist Frédéric Chopins Nocturne Es-Dur op. 55/2, aber es ist auch viel mehr, es ist Musik, die in diesen Augenblicken kommt und geht, das erste und letzte Mal, es ist das Sein im Jetzt – indem ein genialer nachschöpferischer Künstler eine Welt aufbaut, nimmt er uns in diese mit, und wir hören unsere Geschichte dieser Momente.


    Die Äußerlichkeiten verblassen zum Nebensächlichen – Pogorelich spielt mit den Noten vor sich, und eine junge Dame blättert für ihn um. Und doch erinnern uns gerade diese Äußerlichkeiten daran, dass es eigentlich auch noch ein Hier und Jetzt gibt, in dem wir den Konzertsaal betreten haben und ein zu manchen Zeiten absagegefährdetes einmaliges Klaviertalent mittlerweile dem Publikum geradezu demonstrativ vorführt, wie wenig ihm Applaus bedeutet, indem er in den beginnenden hinein lieber mit der jungen Dame zusammen die neuen Noten heraussucht.


    Es geht ihm nur um die Musik, der Applaus und die Verbeugungen sind zu absolvierendes Pflichtprogramm, eigentlich entbehrlich, es geht darum, jetzt in Chopins Sonate h-Moll op. 58 einzutauchen, sich in dieses komplexe Werk vollends hineinzubegeben, in die Räusche und Meditationen. Mittendrin, in der Traumwelt des 3. Satzes, holt den Hörer sein anderes Ich ein, Pogorelich spielt den Satz kompakter, weniger am Zerfall als vor ein paar Jahren in München, aber was sagt das aus, er spielt die Musik nicht, er lebt sie, er ist die Musik, er zwingt uns (unglaublich beseelt!) durchzuhalten, mitzugehen, mitzuträumen, mitzusein in dieser Welt, in der Wahrheit dieser Welt. Die Welt „stimmt“ in diesen großen Momenten, weit über technische Meisterschaft und in jahrzehntelanger Erfahrung als Konzertpianist erworbener Routine der großen Kunst hinaus weisend.


    „Der Tanz in der Dorfschenke“ (Mephisto-Walzer Nr. 1) S 514 von Franz Liszt erklingt völlig jenseits äußerlicher Virtuosität, vielmehr vergeistigt im höheren Sinn. Ein langsamer Teil nimmt sich bis zum Stillstand zurück, er kommt mehrmals wieder, und das andere Ich des Zuhörers merkt auf, jetzt könne sich dieses Genie am Podium wohl gar nicht mehr aus seinen Ewigkeiten lösen. Aber sie sind stark, entfalten weiter ihren Sog, sie fordern zwar mehr, jedoch nicht weniger intensiv und aus dem unbedingten Jetzt kommend wie die Chopin-Musik davor. Das Diabolische, pianistisch gern Schelmische entfaltet Pogorelich eher zurückhaltend, suchend, niemals zum rein technischen Selbstzweck.


    Ebenso vergeistigt, als meditativ aufgebaute Erzählung, hören wir Valse triste op. 44/1 (Kuolema) von Jean Sibelius unmittelbar nach der Pause. Weiter nimmt Ivo Pogorelich uns mit in eine ganz starke eigene Welt.


    Ins Zentrum dieses zweiten Teils stellt Pogorelich nach der auch schon zu den schwersten Werken der Klavierliteratur zählenden dritten Chopin-Sonate den Gipfelpunkt „Gaspard de la nuit“ von Maurice Ravel. Nicht äußerlich denken – weiter drin bleiben in der Welt, aus der wir gerade Sibelius hören konnten. Nicht denken, dass erster wie zweiter Teil mit einer Erzählung beginnen und pianistisch wie thematisch irrwitzig virtuos wie diabolisch enden, nicht achten auf den wenigen Pedalgebrauch, der eine Direktheit des Spiels schafft, die völlig jenseits möglicher Beobachtung technischer Feinheiten der Brillanz angesiedelt ist (darum geht es eben nicht an diesem Abend!), nicht darauf aufpassen, ob der Steinway Flügel nach der Pause auch so seltsam blechern klingt wie zuvor, sondern weiter durch die Welten, die hier aufgebaut werden, wandern, staunen, sich verzaubern lassen, eintauchen, vom Quell großer Kunst kosten, das eiskalt hoffnungslose Pulsieren des Galgens bis zum Ersterben mtifrieren, im Gnom des Scarbo den Mephisto von vor der Pause dann doch wieder finden – einfach „ganz“ sein in der Musik, im Moment sein, „jetzt“ sein.


    Die Abrundung folgt als Zugabe, eine weitere große vergeistigte Erzählung, eine unendliche Geschichte mehr, sie kommt auch aus dieser Welt, aus der Welt dieses nachschöpferischen Genies Ivo Pogorelich: Johannes Brahms, Intermezzo A-Dur op. 118/2.


    Ivo Pogorelich hat damit einen großen Bogen zu Ende gespannt. Die Welt dieses Bogens schwingt weiter in die Nacht hinein. Es war ein Bogen jenseits pianistisch meisterhaft gespielter Musik im singulären Ereignis Konzertabend – es war gelebte Wahrheit in Musik, so vieldeutig und unfassbar wie alles, was beseelt genannt werden darf.

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • ALFRED BRENDEL
    verabschiedete sich gestern in München von seinem Publikum
    mit dem Mozart Klavierkonzert c-moll KV 491.


    Münchner Philharmoniker
    Dirigent war CHRISTIAN THIELEMANN


    Ein wunderschönes Konzert.
    Mit Traurigkeit nahm man zur
    Kenntnis das dieser phantastische Pianist aufhört.


    ;(;(;(

    mucaxel

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