Staatskaelle Dresden, Christian Thielemann, Anton Bruckner: Symphonie Nr. 8 c-moll, 06. 09. 2011, Philharmonie Essen
Ich habe selten so gut gehört, was in den zweiten Geigen passierte, sowohl die ersten Geigen als auch die zweiten Geigen legten ein berückendes Pianissimo an den Tag: überhaupt, das ganze Orchester, alle Instrumentengruppen, folgten jeder noch so kleinen Geste Thielemanns auf dem Fuße. Das legte Strukturen frei und erzeugte Wohlklang im besten Sinne. Er trieb aber auch sein Orchester zu den großen Steigerungen gnadenlos an.
Ich war beim Gastspiel der Staatskapelle Dresden mit dem designierten Chefdirigenten Thielemann in Berlin und kann das hier Gesagte nur voll unterstreichen. Hier gab es keinen Bruckner, sondern als Hauptwerk die 1. Sinfonie von Johannes Brahms. Das ist ja nunmal ein Werk, das man wirklich meint zu kennen und wenn man dann doch noch Neues entdeckt, um so großartiger. Faszinierend immer wieder die Spannung, die Thielemann aufbaut und wenn das wunderschöne Gesangsthema im Finale mit einer noch nicht gehörten Leichtigkeit erklingt, einfach gut! Ich hab ja mit ihm auch schon Beethoven erlebt, aber diese Aufführung zeigt mir, dass Thielemann die romantische Musik einschl. der Spätromantik einfach besser liegt (weil er Beethoven auch wie Brahms dirigiert). Vorzüglich die Streicher aber auch keine Abstriche bei den Bläsern, sehr gut z.B. der Solohornist und beide Flöten.
Eingeleitet wurde das Konzert (es gab kein modernes Alibi-Stück auf dem Programm ) mit zwei mir unbekannten Werken von Busoni und Pfitzner. Zuerst von Busoni die Nocturne Symphonique aus dem Jahre 1914. Ein durchgängig ruhiges Stück, was einen Schwebezustand vermittelte und ein Gefühl des Überirdischen. Die Überraschung des Abends: Nach dem Ende verkündete Thielemann dem Publikum, zum besseren Verstehen würde man das gerade gespielte Stück sofort wiederholen. Na ja, so was soll ja auch mal Günter Wand gemacht haben, aber irgendwie hatte Thielemann nicht unrecht, beim zweiten Hören erschloss sich die Musik in der Tat viel besser.
Als Solokonzert spielte Tzimon Barto das Klavierkonzert von Hans Pfitzner (1922). Ich habe Pfitzners Violinkonzert auf CD, das Klavierkonzert gibt es im Handel wohl nur in einer Pfitzner-Gesamtausgabe. Das Konzert hat vier Sätze, die ziemlich pausenlos aneinandergereiht sind und dauerte etwa 40 Minuten. Ein schwieriges Werk für das Hörverständnis, mit einigen schönen Motiven und auch Höhepunkten. Der Solist , der einen recht akkordreichen Part hatte, spielte vom Blatt und musste zusehen beim Umblättern, sich nicht zu verheddern. Ob man diese Musik nun braucht oder nicht - eigentlich sollte man das auch zweimal hören, um sich ein Urteil zu bilden.
Das ist nun bei der abschließenden Zugabe nicht nötig, bei Wagners Vorspiel zum 3. Akt des "Lohengrin" ist Thielemann nun wieder voll in seinem Element.
Ich hatte den Eindruck einer Aufbruchsstimmung bei den Musikern der Staatskapelle, die sicher in der künftigen Zusammenarbeit mit Christian Thielemann einen Aufschwung und weitere Entdeckungen und Wiederentdeckungen erwarten können.
Viele Grüße
timmiju