Haydns Schöpfung - ein selbstverherrlichendes Machwerk!

  • Zitat

    Original von Ulli



    Der C-Dur-Akkord ist aber nur logisch auf die Kompositionsweise der Zeit bezogen! Bei Gustav Mahler würden vielleicht nur Violinen im Flageolett nebst Flöten und schrillen Clarinetten erklingen, das Ganze im Pianissimo. Denn so laut, wie Haydn das darstellt, ist Licht auch wieder nicht [nur, damit mir nicht unterstellt wird, ich hätte keine eigenen Ideen...].


    Plötzlich aufblitzendes, strahlendes überhelles Licht kann schon ganz schön laut für die Augen sein.


    Die Idee von Gustav Mahler find ich sehr ansprechend.


    Gruß
    Jörg

  • Zitat

    Original von Ulli
    Nein, leider falsch verstanden. Ich kritisiere nicht, Haydn habe nicht etwa genial komponiert. Ich kritisiere nicht die Vorhersehbarkeit, sondern den Stil insgesamt, der m. E. nicht zu einem Oratorium passt. Auch trotz der Ausführungen von JR und anderen nicht - ich bin eben uneinsichtig. :baby:


    Uneinsichtig? - ich würde eher sagen, dass Du eine andere Einsicht der Dinge hast.


    Oratorium: Bist Du orthodox! ;) Meinetwegen kann man das Stück auch erstes 'Geistliches Musical' noch vor Jesus Christ Superstar nennen. Hauptsache die Musik ist gut und das Stück bewegt.


    Zitat

    Dazu geht es mir noch um meinen "Vorwurf", die Schöpfung sei ein Machwerk. Nicholas Matthew schreibt nämlich: Von Anfang an war 'Die Schöpfung' als ein ambitioniertes 'Meisterwerk' von internationaler Geltung geplant sowie Es wird berichtet, Haydn habe den stürmischen Applaus quittiert, indem er seine Hände zum Himmel erhob. Doch diese theatralisch-bescheidene Geste bekräftigte nur, was viele nun glaubten: Haydn, ein musikalisches Genie von internationaler Geltung, war selbst ein Schöpfer.


    Nicholas Matthew? Wer ist das? .- Wer weiß, wie es wirklich in Haydn aussah, als er die Schöpfung komponierte bzw als das Werk aufgeführt wurde? Die Musik spricht jedenfalls das Gemüth ungemein an.

  • Zitat

    wenn man ihr etwas unterstellen könnte, dann - kindliche Einfachheit.


    Und genau DAS ist es, was mich stört. Trotz der genialen Schilderung des "Chaos" geht mir das Werk ob seiner einfachen Strickmuster und der ganz sicher "gewollten" Naivität nach kurzer Zeit so tierisch auf den Wecker, daß ich es ausschalten muss! Ich kenne davon Aufnahmen von Karajan bis Weil, aber es war keine dabei, die mich nicht nach kurzer Hörzeit das Weite suchen liess...


    Ich werde den Verdacht nicht los, daß damit ein ansonsten von Musik eher
    "unbelecktes" Publikum "beglückt" werden sollte, und diese Rechnung ging ja offenbar auch auf...


    Mir persönlich wär es lieber gewesen, wenn Haydn statt der "Schöpfung" und auch der "Jahreszeiten" noch weitere Messen oder auch ein "Requiem" komponiert hätte, was er wohl aus Pietät Mozart gegenüber vermied.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat


    Oratorium: Bist Du orthodox!


    Danke für die Diagnose: In der Erweiterung "musikalisch-orthodox" gefällt mir das! :]


    Zitat


    Nicholas Matthew? Wer ist das?


    Der Autor des Booklets der Einspielung mit Les arts florissants und Willy Christie.


    Zitat


    Plötzlich aufblitzendes, strahlendes überhelles Licht kann schon ganz schön laut für die Augen sein.


    Schon. Aber muß sich das Grelle, Beißende, Stechende in den Augen [die ja noch nicht existent sind!] in Lautstärke ausdrücken? Wenn ich mir die Schöpfungsgeschichte vorstelle, dann würde gerade diese Stelle "und es ward Licht" eher dissonant klingen, denn erst im weiteren Verlauf trennt Gott das Licht von der Dunkelheit, macht daraus "Tag" und "Nacht" - erst dann wird das Licht dosierbar und es herrscht ein gewisses Maß an "Ordnung", was dann meinetwegen einen C-Dur-Akkord rechtfertigte.


    Die Tonsprache Haydns orientiert sich hier am ungeschriebenen Gesetz der damaligen Zeit:


    [...] Weil aber [...] die Musik, auch in der schaudervollsten Lage, das Ohr niemals beleidigen, sondern dabei vergnügen muß [...] [W. A. Mozart]


    Zitat

    Meinetwegen kann man das Stück auch erstes 'Geistliches Musical' noch vor Jesus Christ Superstar nennen.


    Meinetwegen auch, aber nur fast... denn musikstilistisch ziehe ich selbstverständlich die Schöpfung jedem geistlichen Musical vor. Der Begriff Oratorium stört mich eben nach wie vor. Mozarts "Schuldigkeit des ersten Gebots" wird beispielsweise als geistliches Singspiel bezeichnet - das träfe m. E. auch auf die Schöpfung zu [s. Beitrag BBB], wobei Mozarts Frühwerk im Vergleich noch immer "frommer" wirkt, als Haydns Spätwerk.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Heute morgen habe ich mir die Stelle "es werde Licht" noch einmal angehört. Ulli muß ich beipflichten, es ist wirklich nicht sehr originell, keine "Gänsehautstelle", wenn auch sehr schön inszeniert.


    Im Gegenzug dazzu hörte ich die Haydn-Sinfonie "Le Matin", der 2. Satz macht viel mehr "Gänsehaut"!!!


    Vor einiger Zeit las ich über die Rezeption der "Schöpfung" und da hatte ich wohl auch den Eindruck, daß das damals ein Event war.
    Man ehrte den verdienstvollen alten Mann und hatte ansonsten andere Sorgen, vor allem Angst, was von französischer Seite noch alles kommen könnte. Da war eine solche Musik ein Hort des Ausruhens.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Bei der Beurteilung spielen offenbar etliche Kriterien eine Rolle, die das Verhältnis "Kritiker" - Komponist beleuchtet - nicht das Werk selbst.


    Ich kann ein Werk unter verschiedenen Standpunkten beleuchten:


    a) der Publikumswirksamkeit
    (wobei hier nioch getrennt werden kann zwischen ZEITGENÖSSICHEM Publikum und der NACHWELT


    nimmt man diesen Punkt als Maßsstab, dan ist Haydn Sieger auf der ganzen Linie.
    Eindrucksvolle Effekte - zudem überlebt das Werk unbeschadet 200 Jahre - und zwar als "Top-Hit"



    b) jenes der "Originalität" oder "Komplexität", "Innovation"


    Es gibt IMO zahlreiche Werke diverser Komponisten, die dieses Kriterum erfüllen - und dennoch ihrgendwo in den Archiven vermodern.
    Auch hier gibt es wieder eine Unterteilung: Fachleute sehen schon beilm Anblick des Notenbildes die "Genialität" des Meisters - und jubeln laut - während das Publikum, für welches das Werk (hoffentlich) geschrieben wurde, allenfalls mit Desinteresse oder Abneigung reagiert....


    Es ist nicht wichtig welche exotischen oder teuren Zutaten in einm Gericht verkocht werder - sondern letztlich wie es schmeckt.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Geschmack hängt aber ganz und gar von der Qualität und der Wahl der Zutaten ab - ich kenne da rein zufällig einen Wiener Klassikforenbetreiber, der beispielsweise ALDI/Hofer aus eben diesem [mir aber nicht ganz verständlichem] Grunde meidet.


    :evil:


    Und wie heißt es doch so schön? Das beste daran ist das beste darin! :]

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Ich kritisiere nicht, Haydn habe nicht etwa genial komponiert. Ich kritisiere nicht die Vorhersehbarkeit, sondern den Stil insgesamt, der m. E. nicht zu einem Oratorium passt. Auch trotz der Ausführungen von JR und anderen nicht - ich bin eben uneinsichtig. :baby:



    Der Bezug zu den Händel-Oratorien ist einfach nicht von der Hand zu weisen.


    Davon abgesehen: Eine normative Ästhetik, die mit einer starren Definition von Gattungen argumentiert ("ein Oratorium hat so und so auszusehen und nicht anders"), ist doch recht fragwürdig. Alle "Gattungen", nicht nur in der Musik, sind ständig im Fluss. Haydns späte Oratorien fügen der Gattung zweifellos Neues hinzu und nehmen erheblichen Einfluss auf ihre weitere Geschichte (etwa bei Mendelssohn). Diese Neuausrichtung des Oratoriums im Geiste Händels muss man nicht mögen - ihre Wirkungsmächtigkeit lässt sich aber kaum bestreiten.




    Einfachheit ist nicht immer so einfach, wie sie scheint. Natürlich ist Haydns "Schöpfung" AUCH auf Massenwirksamkeit angelegt. Ihr das vorzuwerfen, halte ich für wenig historisch argumentiert (ebenso die Vergleiche mit moderner Eventkultur). Den gleichen Vorwurf hat man auch schon Beethovens Symphonien im Vergleich etwa zu den Streichquartetten gemacht: dort, z.B. in der Fünften, ist gleichfalls der Aspekt der Wirkung von großer Bedeutung, verbunden mit (teilweise, nicht durchgehend) verblüffender Simplizität der Mittel. Dabei handelt es sich um ein rezeptionsästhetisches Phänomen: in manchen Beethoven-Symphonien wie auch in der "Schöpfung" soll ein größeres Publikum erreicht und musikalisch überzeugt werden.


    Das ist im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert nichts anderes als eine aufklärerische Ästhetik. Ich finde es immerhin bemerkenswert, dass sich der alte Haydn (trotz einiger Konflikte mit van Swieten) auf diesen neuen Weg eingelassen hat.



    Zitat

    Original von Ulli
    Wenn ich mir die Schöpfungsgeschichte vorstelle, dann würde gerade diese Stelle "und es ward Licht" eher dissonant klingen, denn erst im weiteren Verlauf trennt Gott das Licht von der Dunkelheit, macht daraus "Tag" und "Nacht" - erst dann wird das Licht dosierbar und es herrscht ein gewisses Maß an "Ordnung", was dann meinetwegen einen C-Dur-Akkord rechtfertigte.



    Von dieser Stelle mag man halten, was man will (ich finde sie grandios): rezeptionsgeschichtlich handelt es sich um ein zentrales Paradigma, an dem sich die nachfolgende Musikgeschichte abgearbeitet hat.


    Rein musikalisch ist ja zumindest noch zu bemerken, dass es nicht nur um den C-dur-Akkord geht, sondern vor allem um den Kontrast zur unklaren harmonischen Lage vorher. Die Behauptung, dieser Effekt sei erwartbar gewesen (oder jeder beliebige Komponist hätte das ähnlich in Töne gesetzt), wäre zu belegen. Das dürfte schwerfallen. Die ungeheure Wirkung, die diese Stelle bei der Uraufführung und bis heute unzählige Male öfter erreicht hat, spricht eher dagegen. Diesen Effekt aber wiederum gegen Haydn zu kehren (Effekthascherei, Machwerk etc.), ist nichts weiter als ein polemischer Gestus, der Fragen der Wirkungsästhetik nur mit spitzen Fingern anfasst - obwohl die Musikgeschichte vor und nach Haydn davon voll ist. (Zur Frage effektvoller Simplizität verweise ich nur mal auf das notorische "Halleluja" aus Händels "Messias").


    "Es werde Licht" ist nicht nur eine Vertonung der Bibelworte oder eine Aussage über das "Licht an sich". Es ist im Zuge einer seinerzeit allgegenwärtigen Ikonographie auch ein Zeichen der Aufklärung: das Licht der Ordnung schaffenden Vernunft. Genauso ist diese Stelle rezipiert worden: im C-dur-Durchbruch von Beethovens Fünfter, oder negativ in der Auslöschung des Lichts im zweiten Akt von Wagners "Tristan".


    Überhaupt ist die Schöpfung in mancherlei Hinsicht ein Kind der Aufklärung: schon allein aufgrund ihrer (wie schon JR anmerkte) theistischen, überkonfessionellen Ausrichtung - aber auch in manchen Librettodetails (die "Himmelsbürger") und in der ganzen fortschrittsoptimistischen Konzeption. Dazu muss man nicht unbedingt "Revolutionsmusik" bemühen: es handelt sich eher um eine spezifisch wienerisch-josephinische Form der Aufklärung, der gerade van Swieten und bis zu einem gewissen Grad auch Haydn nahestand.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Haydns späte Oratorien fügen der Gattung zweifellos Neues hinzu und nehmen erheblichen Einfluss auf die weitere Geschichte der Gattung (etwa bei Mendelssohn).


    Lieber Bernd,


    Ich möchte hier mal auf Mozarts "Betulia liberata" weisen. Auch ein Oratorium. Und auch nicht ein übliches. Aber schau mal nach Haydns "Ritorno di Tobia". Ist das ein Oratorium?
    Geschweige denn Rossinis "Mosè in Egitto" oder "Giovanna d’Arco" von ihm. Oder von Verdi. Es gibt also ganz fließende Übergänge.
    Die biblische Geschichte, oder das biblische Thema ist also nicht ausschlaggebend. Aber das war's schon nicht bei Händel. Hier wird das Gefühl entscheiden müßen. Haydn selbst meinte es jedenfalls geistlich.
    Darf ich hier übrigens auf das Gloria aus Ullis eigener Messe weisen. Das ist - so empfinde ich es jedenfalls - einen Tanz. Was Ulli nicht abstritt.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Lieber Bernd,


    Ich möchte hier mal auf Mozarts "Betulia liberata" weisen. Auch ein Oratorium. Und auch nicht ein übliches. Aber schau mal nach Haydns "Ritorno di Tobia". Ist das ein Oratorium?
    Geschweige denn Rossinis "Mosè in Egitto" oder "Giovanna d’Arco" von ihm. Oder von Verdi. Es gibt also ganz fließende Übergänge.
    Die biblische Geschichte, oder das biblische Thema ist also nicht ausschlaggebend. Aber das war's schon nicht bei Händel. Hier wird das Gefühl entscheiden müßen. Haydn selbst meinte es jedenfalls geistlich.



    Lieber Paul,


    da stimme ich Dir weitgehend zu. Es gibt Oratorien mit religiösem Sujet und Oratorien mit profanem Sujet - und es gibt Opern mit profanem Sujet und Opern mit religiösem Sujet (schon seit 1600). Das Oratorium definiert sich ja (im Regelfall!) nicht durch das Sujet, sondern durch seine Funktion - es ist nicht für die Bühne und für die szenische Umsetzung bestimmt, normalerweise aber auch nicht für die Kirche und für die Verwendung innerhalb der Liturgie. (Selbstverständlich gibt es immer wieder Ausnahmen und Sonderfälle - starre Definitionen helfen da nicht weiter).


    Es hat auch immer Werke gegeben, die sowohl religiös/christlich wie auch profan sind: auf die "Jahreszeiten" wurde oben schon verwiesen, aber auch Händels "Judas Maccabäus" würde ich dazuzählen. Die strenge Unterscheidung zwischen "religiös" und "profan" ist vor dem 18./19. Jahrhundert (und auch später) ohnehin oft problematisch.


    Bei der "Schöpfung" habe ich kein Problem damit, das Werk als geistlich/religiös/christlich zu bezeichnen. Seine Schöpfer waren gläubige Christen, der Text ist der Bibel entnommen, es gibt immer wieder Anklänge an Sakralmusik. Es ist aber eine spezifische Form des Christentums, die sehr viel mit bestimmten Formen der Aufklärung (Deismus, Josephinismus) zu tun hat.


    Im Grunde stimme ich Deinem obigen Posting zu...



    ...auch wenn ich zwischen Haydn/van Swieten und William Booth deutlich unterscheiden würde ;).



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Herschel und die Musik der Sterne


    Hallo Bernd


    Es dürfte etwa 20 Jahre hersein, als der große Josef Meinrad in Percy Adlons Fernsehspiel ""Herschel und die Musik der Sterne"
    die Rolle des in London zu Besuch weilenden Joseph Haydn spielte. Nach der Ausstrahlung dieses großartigen Kammerspiels habe ich noch einmal einen Versuch, meinen bislang letzten, gestartet, mich der "Schöpfung" zu nähern, und wieder wurde es nichts...


    Alles was Du über die "Schöpfung" und ihren Komponisten aussagst, ist ganz sicher richtig und kann bei Bedarf in jeder guten Haydn-Biografie nachgelesen werden.


    Aber meinst du jetzt wirklich allen Ernstes, daß dieses Werk mehr vom Geist der Aufklärung atmet als etwa seine
    "Sturm -und Drang-Sinfonien, in denen, um mit Rilke zu sprechen, wirklich "Welten bewegt und Sterne" verschoben werden ! Steigt hier nicht vielmehr schon der "Mief" einer Restauration auf, in der ich Haydn quasi als "Vorboten" Metternichs sehe, Musik für eine Welt, in der wieder alles auf seinen (vermeintlich) gottgewollten Platz gestellt wird, zu produzieren ?
    "Geist der Aufklärung" würde ich ganz gewiss NICHT über die "Schöpfung" definieren !


    Es kann ja durchaus sein, daß es wirklich nur mein ganz persönlicher, mein individueller Geschmack ist, der mich NICHT in die Lage versetzt, die verzückung, die manche beim Hören der haydnschen Partitur nachzuvolliehen,geschweige mitzuerleben. Wem immer dieses Stück etwas gibt, der soll es hören; ich habe an Musik andere Erwartungen, dei zumindest Haydn hier mit seinem Werk nicht erfüllt.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Alles was Du über die "Schöpfung" und ihren Komponisten aussagst, ist ganz sicher richtig und kann bei Bedarf in jeder guten Haydn-Biografie nachgelesen werden.


    Aber meinst du jetzt wirklich allen Ernstes, daß dieses Werk mehr vom Geist der Aufklärung atmet als etwa seine
    "Sturm -und Drang-Sinfonien, in denen, um mit Rilke zu sprechen, wirklich "Welten bewegt und Sterne" verschoben werden ! Steigt hier nicht vielmehr schon der "Mief" einer Restauration auf, in der ich Haydn quasi als "Vorboten" Metternichs sehe, Musik für eine Welt, in der wieder alles auf seinen (vermeintlich) gottgewollten Platz gestellt wird, zu produzieren ?
    "Geist der Aufklärung" würde ich ganz gewiss NICHT über die "Schöpfung" definieren!



    Hallo BBB,


    es ist sicher eine spezifische Form von Aufklärung mit eng gezogenen Grenzen - aber immerhin. Ich gebe Dir sofort recht, dass dem Werk historische Widersprüche eingeschrieben sind und dass sich nicht zufällig auch eine restaurative Rezeption des Werks entwickelt hat (prä-metternichschen Mief würde ich allerdings noch stärker in den "Jahreszeiten" verorten). Damit ist aber kein Spezifikum der "Schöpfung" benannt. Im Finale von Beethovens Fünfter kann man ja auch die Dialektik von Freiheitstriumph und kollektivem Wahn erkennen (wie hier kürzlich irgendwo nochmal diskutiert wurde). Und das ist nur ein Beispiel von vielen aus der Musikgeschichte - wobei ich diese Widersprüche ja oft besonders interessant finde.


    Bezüglich der Sturm-und-Drang-Symphonien: Vulgärmarxistisch argumentiert könnte man diese Werke durchaus als gesellschaftlich irrelevante, formalistische Experimente im Dienst eines Feudalherrn abtun... :D (bitte den Konjunktiv beachten :untertauch:). Im Ernst: die St.-u.-Dr.-Symphonien und die "Schöpfung" sind in jeder Hinsicht zwei ganz unterschiedliche Welten aus unterschiedlichen Zeiten - ich mag beide sehr und tue mich schwer damit, sie gegeneinander auszuspielen.



    Zitat

    Es kann ja durchaus sein, daß es wirklich nur mein ganz persönlicher, mein individueller Geschmack ist, der mich NICHT in die Lage versetzt, die verzückung, die manche beim Hören der haydnschen Partitur nachzuvolliehen,geschweige mitzuerleben. Wem immer dieses Stück etwas gibt, der soll es hören; ich habe an Musik andere Erwartungen, dei zumindest Haydn hier mit seinem Werk nicht erfüllt.


    Ich gebe zu, dass mich vor allem der erste Teil des Werks in "Verzückung" versetzt - die Begeisterung lässt beim zweiten und noch mehr beim dritten Teil ein wenig nach (was auch am Text van Swietens liegt). Aber beim ersten Teil finde ich die Synthese aus avancierten und populären Elementen fantastisch gelungen.


    Zum "Es werde Licht" gibt es doch übrigens im ersten Teil ein großartiges, ebenbürtiges Gegenstück, in dem Haydn zeigt, dass er nicht nur das "Anknipsen" sondern auch das "Hochdimmen" von Licht beherrscht: die Schilderung der aufgehenden Sonne im Orchester - als polyphon verarbeitete, ansteigende, crescendierende Tonskala. Allein diese paar Takte gehören für mich zum Schönsten, was Haydn komponiert hat. Ein Stück im stile antico, ganz außergewöhnlich (übrigens in der von Ulli empfohlenen Christie-Einspielung hervorragend gespielt).



    Viele Grüße


    Bernd

  • Ich verstehe die Diskussion immer noch nicht recht. :rolleyes:
    Daß die beiden Haydnschen Oratorien maßstäbliche Oratorien sind und von Anfang an so rezipiert wurden, kann man kaum bestreiten. Darüber braucht man nicht zu diskutieren.
    (Aufgrund der Vagheit, welche Art Musik als "fromm" empfunden wird, könnte man darüber endlos diskutieren. Ich jedenfalls kann nicht nachvollziehen, was an der Krönungsmesse oder selbst den späten Haydn-Messen "frömmer" sein soll als an der Schöpfung...)

    Den Vorwurf der Trivialität könnte man ebenso der Zauberflöte machen (und hat man gemacht). Hier werden noch viel stärker Volkstümliches und Erhabenes (Freimaurer-Brimborium) miteinander vermengt.
    Und nicht nur bei diesen beiden Stücken ist eine gewisse "Volkstümlichkeit" eine Errungenschaft des klassischen Stils. Die Zauberflöte ist volkstümlicher als Idomeneo, die Militärsinfonie populärer als die Abschiedssinfonie, KV 537 simpler als KV 271 usw. Aber diese Einfachheit wird eigentlich nie mit künstlerischen Zugeständnissen erkauft. Im Gegenteil gibt es oft einen Zugewinn an Klarheit, Geschlossenheit, Folgerichtigkeit (m.E. deutlich gegenüber den "Sturm&Drang-Sinfonien, bei allem Respekt, den diese zweifellos verdienen).


    Zum andern müßte man in Schöpfung (und Jahreszeiten) nachweisen, daß die Musik dem Gegenstand nicht gerecht wird. M.E. dürfte das schwerfallen. Die illustrativen Teile nehmen nur einen ziemlich geringen Raum ein und es wurde ja schon darauf hingewiesen, daß einige davon ganz außerordentlich gelungen und dem erhabenen Gegenstand durchaus angemessen sind (Sonne, Mond&Sterne oder auch "Seid fruchtbar alle, mehret euch..." oder die Vorstellung des Chaos, ein in jeder Hinsicht außerordentliches Stück oder die entgleisenden Harmonien an der Stelle "Du nimmst den Odem weg, zu Staub zerfallen sie"). Man findet bei Händel Stellen, die Haydns an Grandiosität und Wucht übertreffen ("Die Himmel erzählen" gefällt mir zwar gut, aber als Lobgesang des Universums könnte es doch noch etwas erhabener und mächtiger sein) . Aber derart plastische Schilderungen wie die oben genannten doch eher selten, ganz abgesehen von der wunderbaren Instrumentationskunst Haydns. Und fast jedes Händel-Oratorium enthält überdies eine Anzahl an relativ belanglosen Füllern :wacky: , so daß man es Haydn nicht vorwerfen sollte, wenn er ebenfalls nicht überall die Spannung aufrechterhält.


    Man kann das aber noch weiter treiben. Ob man das für ein aufklärerischen Zug hält oder für eine theologische Aussage, ist vielleicht zu diskutieren. Aber eine Pointe dieser Oratorien (und auch der Zauberflöte) ist die "Erhabenheit" oder "Verklärung des Alltäglichen". Die bürgerliche Ehe wird hymnisch mit "Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an" besungen, Papageno muß kein Geweihter werden, er darf seinen schlichten Lebensstil pflegen und das ist auch gut so. All die kleinen alltäglichen Dinge der Jahreszeiten, alle Kreaturen der Schöpfung verdienen Haydns (und unseren) Respekt. Das ist natürlich affirmativ. Aber damit nicht automatisch reaktionär.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Aber eine Pointe dieser Oratorien (und auch der Zauberflöte) ist die "Erhabenheit" oder "Verklärung des Alltäglichen". Die bürgerliche Ehe wird hymnisch mit "Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an" besungen, Papageno muß kein Geweihter werden, er darf seinen schlichten Lebensstil pflegen und das ist auch gut so. All die kleinen alltäglichen Dinge der Jahreszeiten, alle Kreaturen der Schöpfung verdienen Haydns (und unseren) Respekt. Das ist natürlich affirmativ. Aber damit nicht automatisch reaktionär.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Lieber Johannes,


    SEHR schön auf den Punkt gebracht! Zusätzlich spüre ich bei Haydn - darin ist er Stifter m.E. nicht unähnlich - ein gewisses Gefühl von Dankbarkeit. Das könnte auch eine "Erklärung" für die mangelnde Wucht z.B. des "Die Himmel erzählen" sein: Haydn freut sich halt, da bleibt für Beethoven'sches Rumtitanisieren einfach keine Zeit...


    ;)
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich verstehe die Diskussion immer noch nicht recht.


    Ick ooch nich! :rolleyes:


    Deswegen: vollste Zustimmung zu Deinen Ausführugen - bis zu diesem Punkt:


    Zitat

    All die kleinen alltäglichen Dinge der Jahreszeiten, alle Kreaturen der Schöpfung verdienen Haydns (und unseren) Respekt. Das ist natürlich affirmativ. Aber damit nicht automatisch reaktionär.


    Wieso ist das affirmativ (reaktionär ist es ohnehin nicht)? - in gewisser Weise ist es sogar revolutionär, selbst und gerade im Kontext der (nicht immer von bürgerlichem Standesdünkel freien und durchaus elitaristischen) Aufklärung.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Aber eine Pointe dieser Oratorien (und auch der Zauberflöte) ist die "Erhabenheit" oder "Verklärung des Alltäglichen". Die bürgerliche Ehe wird hymnisch mit "Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an" besungen, Papageno muß kein Geweihter werden, er darf seinen schlichten Lebensstil pflegen und das ist auch gut so. All die kleinen alltäglichen Dinge der Jahreszeiten, alle Kreaturen der Schöpfung verdienen Haydns (und unseren) Respekt. Das ist natürlich affirmativ. Aber damit nicht automatisch reaktionär.


    Aber die Zauberflöte ist ein Adoratum, kein Oratorium. ;)


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich denke, dass man die beiden Werke getrennt betrachen muss.


    Beide sind, auf dem bestimmten Gebiet, eine meiner Lieblingswerke.


    Die Zauberflöte hat von Schikaneder den Text bekommen, den das Publikum, des Theater im Freihaus, wollte.


    Wie schon beim "Vorspiel auf dem Theater" wurde keine Maschine geschont,
    ob nun die zuerst gute Königin der Nacht und dann der gute Sarastro durch Schikander oder Mozart umgewandelt wurde? Das zu entscheiden kann ich nicht.
    Selbst Goethe war von der Schlichtheit der Zauberflöte begeistert, dafür 2. Teil von ihm, aber da denke ich da wäre eher ein "Frau ohne Schatten" draus geworden,


    die Opera seria und das Volkstümliche ist beieinander - und es passt.


    Bei der "Schöpfung", ja es ist oft nicht monumental, nicht gläubig, außer im 3. Teil, wenn auch "Die Himmel verkünden die Ehre Gottes" monumentaler hätte ausfallen können, aber die Erzählart der Schöpfung ist gelungen.
    Für Gott war es ja einfach etwas, aus Etwas, zu schaffen, den Evolutin schließt ja bekanntlich Schöpfung nicht aus,


    der einfach gebliebene Meister aus Rohrau oder Gumpendorf (im 6. Wiener Gemeindebezirk), war mit dem Text nicht glücklich, aber er schuf ein Meisterwerk,


    den "Gott sah, dass es gut war", das ist platonisch und meint ja Vollendet.
    Haydn hat sich bestimmt nie mit Platon oder Aristoteles auseinandergesetzt, warum sollte der Ehrendoktoer von Oxford das auch?


    Er meinte es wörtlich, und ich denke, von seiner Seite aus auch fromm, auch wenn wir das heute anders sehen.

  • Zitat

    Original von Alfred Schmidt
    nämlich in der Tat der "Urknall" (dessen Existenz bis heute nicht eindeutig nachgewiesen ist)- ist die Darstellung in keiner Weise
    plakativ.........


    Also, da bricht der Physiker in mir durch!
    Der Urknall, oder vielmehr die Urknall-Theorie ist nämlich bereits seit den 60er Jahren bewiesen und zwar mit der Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung...
    Daran gibts nichts zu rütteln! :boese2: :D

    Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann...
    Das Gegenteil ist schon schwieriger. (K. Tucholsky)

  • dann bleibt, lieber Renua,


    auch die Schöpfung an sich ein Wunder, wo der "Erzeuger" nicht bekannt ist.


    Bei Haydns Schöpfung ist es anders, hier ist das Werk ebenfalls ein Zeugnis einer Erschaffung, die Schaffung eines Meisterwerkes,


    denn wenn wer auch Gott nicht beim Namen nennt, und gar nicht an ihn glaubt, Haydn glaubte an ihn,


    so ist das Wunder Schöpfung immer eine Tat die großartig ist, auch wenn es unsere Zeit, damit nicht ernst nimmt.


    Liebe Grüße aus dem kühleren Wien sendet Euch zum Feiertag Peter.

  • Zitat

    Original von Renua


    Also, da bricht der Physiker in mir durch!
    Der Urknall, oder vielmehr die Urknall-Theorie ist nämlich bereits seit den 60er Jahren bewiesen und zwar mit der Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung...
    Daran gibts nichts zu rütteln! :boese2: :D


    Ob man an diese Theorie glaubt, ist natürlich wiederum eine andere Frage.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    Original von Renua


    Also, da bricht der Physiker in mir durch!
    Der Urknall, oder vielmehr die Urknall-Theorie ist nämlich bereits seit den 60er Jahren bewiesen und zwar mit der Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung...
    Daran gibts nichts zu rütteln! :boese2: :D


    Sagen wir mal so, daß es die weitgehend akzeptierte Theorie ist. Beweisen im mathematischen Sinne kann man in der Naturwissenschaft nichts, schon gar nicht in einer hochspekulativen Theorie wie der Kosmologie, die auf extrem indirekte Hinweise angewiesen ist und keine Experimente durchführen kann.
    Es gibt aber immer mal wieder Alternativ-Vorschläge (z.B. Hawkings kurioser Ansatz mit imaginärer Zeit), die ein "ewiges" Universum vorschlagen. Denn wie die "Anfangssingularität" verstanden werden soll, ist keineswegs geklärt. Strenggenommen sagt die einzige komplette und gut bestätigte Theorie, die wir hier haben, die Allg. Relativitätstheorie hier ihre eigene Unzuständigkeit voraus (die Singularität ist strenggenommen kein Element der Raumzeitmannigfaltigkeit)! Was bleibt, sind eine Menge spekulativer Quantenkosmologischer u.ä. Modelle.


    Jedenfalls scheint den meisten Theologen oder gläubigen Wissenschaftlern die Urknalltheorie lieber zu sein als ein ewiges "Steady-State"-Universum, da man einen Urknall eher als Schöpfungsakt (ex nihilo) deuten kann (Google mal nach "William Lane Craig") als ein ungeschaffenes Universum, das einfach schon immer bestanden hat. (Und die mittelalterlichen Theologen hatten keine großen Schwierigkeiten, die ungeschaffene, unveränderliche Welt des Aristoteles mit der Schöpfungsvorstellung zu verbinden, man ist da flexibel...)


    Noch interessanter finde ich allerdings die "creatio continua"-Stelle, irgendwo in einem längeren Chorensemble "Du nimmst den Odem weg, zu Staub zerfallen sie"


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo!


    Ja genau, in der Physik gilt streng genommen nur dann eine Theorie als Tatsache, wenn sie unendlich oft durch ein Experiment bewiesen werden kann. Das ist selbstverständlich bei der Kosmologie nicht möglich - daher ist meistens die Theorie gültig, die sich mit den meisten Beobachtungen vereinbaren lässt. Und der Urknall trifft mit allen Beobachtungen weitgehend überein; die Hintergrundstrahlung wurde ja schon in den 40er Jahren von George Ganow vorhergesagt, als er berechnungen zum Urzustand der Materie anstellte.
    Als sie dann tatsächlich nachgewiesen wurde (und selbst die Schwankungen, die die Galaxienbildung erklären) galt das Urknall-Modell deshalb als gesichert, weil es keine Beobachtung gibt, die diesem widerspricht.


    Aber Du hast recht, beim Urknall gibt es nach wie vor das ungelöste Problem der Singularität, die man sich eigentlich kaum vorstellen kann. Mir persönlich gefallen Hawkings Theorien eher weniger; ich halte sie für recht philosophischer Natur und außerdem schwer vorstellbar (was nicht heißen soll, dass ich sie deshalb nicht gut finde. Gute Gedankenexperimente sind seine Theorien allemal und darüber hinaus noch recht interessant)
    Natürlich gibt es noch ein gutes Stück anderer Theorien, wie etw. die Parallel-Universen-Kollisions-Theorie und auch das sog. "Quantenfedern" (das das Problem der Singularität beseitigt), aber an der Tatsache, dass es vor 14,7 Mrd. Jahren einen Urknall gab, der vielleicht anders zustande kam, als man heute glaubt, oder tatsächlich durch das Quantenfedern ausgelöst wurde, kommt man einfach nicht vorbei.


    Zitat

    Jedenfalls scheint den meisten Theologen oder gläubigen Wissenschaftlern die Urknalltheorie lieber zu sein als ein ewiges "Steady-State"-Universum, da man einen Urknall eher als Schöpfungsakt (ex nihilo) deuten kann (Google mal nach "William Lane Craig") als ein ungeschaffenes Universum, das einfach schon immer bestanden hat. (Und die mittelalterlichen Theologen hatten keine großen Schwierigkeiten, die ungeschaffene, unveränderliche Welt des Aristoteles mit der Schöpfungsvorstellung zu verbinden, man ist da flexibel...)


    Ja, das wird dem Urknall immer wieder vorgeworfen. M.E. aus dem einzigen Grund, weil einer der Erfinder des Urknall-Modells (der belgier Geores Lemaître) gleichzeitig Priester war und außerdem der Urknall auch vom Papst als Schöpfungslehre akzeptiert wurde.
    Ich find das ist Unsinn und es gab genug Astronomen, die strenge Atheisten waren (George Gamow z.B, der nach der Öffentlichen Verlautbarung der Kirche, die das Urknall-Modell akzeptiert hat, den Vatikan anrief und versuchte diese Akzeptanz rückgängig zu machen), aber ebenfalls das Urknallmodell bevorzugen. Auch Einstein war ein Anhänger des Urknall-Modells und ein eher ungläubiger Christ. Ich glaube ein Astronom, der heute noch das Steady-State-Universum dem Urknall-Modell vorzieht, ist seit den letzten 40 Jahren nicht mehr ganz am Puls der Zeit...


    :hello:


    P.S.:Mein liebling ist das Gewüüüüüüüü(würg)arm!

    Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann...
    Das Gegenteil ist schon schwieriger. (K. Tucholsky)

  • Lieber Renua!


    Es geht wirklich, bei Haydn, nicht darum,


    ob es den Urknall gegeben hat, oder nicht.


    Wenn man das Buch Bereschit (Am Anfang) oder Genesis liest, ja wie hätte man einem Nomadenvolk, das erst die Sesshaftigkeit suchte, die Entstehung der Welt begrifflich machen sollen?


    Wir, im 21. Jahrhundert, haben da natürlich eine andere Theorie, Praxis haben wir keine.


    Auch der Nachjüdischen, als Christlichen Welt, hat man doch nichts anderes sagen können zumal die heilige Zahl 7 vorkommt, denn der 7. Tag, war der Tag der Ruhe.


    Und Haydn hat als gläubiger Mensch das nicht hinterfragt, er war ja nicht Kopernikus oder Galilei.


    Haydns Schöpfung ist eine ganz andere, sei zeigt keine physikalischen Momente, sondern das Wunder Schöpfung - egal ob diese 6 Tage oder Millionen von Jahren gedauert hat.


    Wünsche Euch einen schönen 7. Tag, also Sonntag, Euer Peter aus Wien, wo die Sonne scheint und die Bäume in Grün sind,


    ist das, nicht jedes Jahr,auch eine Schöpfung!

  • Aus Neugier und weil ich gerade recht viel Haydn höre, habe ich mir eine Einspielung dieses Werkes zugelegt, ich kannte bisher imer nur einzelne Auszüge.... die mich ehrlich gesagt nicht sonderlich fesselten.



    Haydn: die Schöpfung
    Les Arts Florissants / Christie



    aber diesem Statement von BBB


    Zitat

    Und genau DAS ist es, was mich stört. Trotz der genialen Schilderung des "Chaos" geht mir das Werk ob seiner einfachen Strickmuster und der ganz sicher "gewollten" Naivität nach kurzer Zeit so tierisch auf den Wecker, daß ich es ausschalten muss! Ich kenne davon Aufnahmen von Karajan bis Weil, aber es war keine dabei, die mich nicht nach kurzer Hörzeit das Weite suchen liess...


    Ich werde den Verdacht nicht los, daß damit ein ansonsten von Musik eher
    "unbelecktes" Publikum "beglückt" werden sollte, und diese Rechnung ging ja offenbar auch auf...


    Mir persönlich wär es lieber gewesen, wenn Haydn statt der "Schöpfung" und auch der "Jahreszeiten" noch weitere Messen oder auch ein "Requiem" komponiert hätte, was er wohl aus Pietät Mozart gegenüber vermied.



    kann ich mich voll und ganz anschließen.
    Irgendwie ist das für mich ein Zwischenschritt zwischen Zauberflöte und Beethovens Neunter :wacky:


    Und vor allem merkt man recht schnell wie sehr das Stück auf den Geschmack des englischen Bürgertums ausgerichtet war. Denn auch wenn die Premiere im Palais Schwarzenberg statt fand, die spätere englische Übersetzung war sicherlich fest eingeplant - von Anfang an.
    Mit diesem "Geschmack" des englischen Bürgertums hatte ja auch schon Händel zu kämpfen, denn das normale Bürgertum lehnte die italienische Oper ab - weil sie den Text nicht verstanden und eben religiöse Themen bevorzugten - und genau das änderte ja Händel ja mit seinen Oratorien.


    Haydns "Schöpfung" ist meines Erachtens aus reiner Berechnung enstanden - um eben möglichst viel Publikum zu erreichen.
    Die italienische Oper in ihrer alten Form wurde ja in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts sowieso überall abgelehnt. Denn durch die politischen Umwälzungen in ganz Europa war ja der Adel ausgebotet und das Bürgertum bestimmte von nun an den Geschmack.


    Tja und dann kommt soetwas heraus wie die Revolutionsmusiken von Gossec, Mehul und eben Haydns Schöpfung.....




    wie auch immer, das ist einfach eine Form von Musik die mich absolut gar nicht anspricht. :no:
    Hohler Pomp mit oberflächlicher naiver Frömmelei :kotz:


    Da bleibe ich lieber bei seinen Sinfonien und Streichquartetten. :yes:


    :untertauch:


    [SIZE=7]P.S. ich bitte zu beachten, dass es sich hierbei allein um meine persönliche Meinung handelt[/SIZE]



  • Gerade das, was da Vielen nicht gefällt, das gefällt mir, Tonmalerei, ja er hat Volkslieder aus dem damailgen Ungarn, heute Burgenland, verwendet - na und,


    natürlich hat er Händel in London und Oxford gehört, ist es dann strafbar was er in seinen Oratorien gemacht hat.


    Er hat auch in den "Jahreszeiten" Tonmalerei verwendet, warum denn nicht?


    Wird Tonmalerei erst bei Wagner toleriert? Es haben auch die späteren Komponisten Beethoven und Mozart ge"tonmalt"!


    Die 9. Symponie von Beethoven hat ja auch einen 4. Satz der nicht unbedingt, zu den ersten drei Sätzen, passt.
    (Zitat: Hans Weigel),


    und was ist aus ihm geworden - die Europa Hymne,


    und erinnert dieser 4. Satz nicht an das Finale des Fidelio, auch Tonmalerei.


    Liebe Grüße Peter, aus Wien.

  • auch mir gefällt die schöpfung von haydn ausgesprochen gut, denn dort wird die schöpfungsgeschichte, so, wie ich sie aus der bibel kenne, musikalisch sehr schön umgesetzt!
    hierin stimme ich "oper337" voll und ganz zu!
    dann gehöre ich eben zum bürgertum, was soll's?
    mfg. diotima.

  • Zitat

    Original von diotima
    auch mir gefällt die schöpfung von haydn ausgesprochen gut, denn dort wird die schöpfungsgeschichte, so, wie ich sie aus der bibel kenne, musikalisch sehr schön umgesetzt!
    hierin stimme ich "oper337" voll und ganz zu!
    dann gehöre ich eben zum bürgertum, was soll's?


    Ich bin mit Haydns Schöpfung "aufgewachsen", es gibt vieles was mich mit dem für heutige Gemüter vielleicht in ebenso vielem Querständigen verbindet. Man braucht sich nicht mit jedem Detail von Text & Musik zu identifizieren, um dieses Chorwerk trotzdem und mit einem historischen "Ohr" für die Aufklärung als eines der Werke zu lieben, die man in diesem Leben nicht mehr missen möchte. Im Laufe meines Lebens habe ich sehr unterschiedliche Teile des Oratoriums geschätzt, als Kind freute ich mich auf jede neue Tonmalerei.


    Vielleicht komme ich ja dazu, einmal ausführlicher über die "Schöpfung" zu schreiben (wenn ich Zeit und Lust habe) und mich mit der hier geäußerten Kritik auseinanderzusetzen. Jetzt möchte ich aber nur einmal mein unvermischtes Vergnügen, so wenig political correct es für die anwesenden Oberlehrer in dieser Sache auch sein mag, an dieser Stelle auszudrücken.


    Liebe Grüße Peter

  • Hallo Ulli,
    Meine Lieben,


    Daß die "Schöpfung" nicht jedermanns Sache ist, und mancher sie vielleicht als langatmig empfindet, kann ich irgendwie begreifen. Sie entspricht nun einmal nicht dem gegenwärtigen Lebensstil - zumindest oberflächlich. Aber wenn man sich Zeit für die Epoche ihrer Entstehung nimmt, dann kann man sie allmählich verstehen (obwohl das natürlich schwierig ist) und dabei dieses Werk als exemplarisch empfinden. Es gibt darin Höhepunkte und es gibt Längen, aber insgesamt bleibt es auch für mich ein Meisterwerk (vor allem, wenn ich Gundula Janowitz zuhöre - vor ihrer Interpretation verstummt jeder Zweifel).


    LG


    Waldi

  • Zitat

    [...] aber insgesamt bleibt es auch für mich ein Meisterwerk (vor allem, wenn ich Gundula Janowitz zuhöre - vor ihrer Interpretation verstummt jeder Zweifel).


    Da habe ich aber nun doch starke Zweifel, daß ein Meisterwerk erst ein solches durch den/die Interpreten wird...


    Als solches sollte ein Meisterwerk auch bei einer grottenschlechten Interpretation noch erkennbar sein, nicht wahr?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • In dem großen Oratorium "Die Schöpfung" von Joseph Haydn ereignet sich ganz zu Anfang der bewegende Augenblick
    (hier kann man von einem Augenblick sprechen, obwohl es sich um etwas Akustisches handelt),
    da auf das Wort > Es werde Licht < die Antwort ertönt > und es ward Licht <. und dieses zweite > Licht < ist ein strahlendes Aufrauschen in C - Dur.
    Und diese > Licht < hält einige Sekunden an, nur einige Sekunden, und doch geht von ihm alles Licht der Welt aus.


    Da wird mir immer kalt, egal von wem und wo ich es höre. Diese grandiose "Tonmalerei" kommt wohl von dem gläubigsten Menschen Joseph Haydn, der die Worte der Genesis, wahr und ernst nahm.


    Das ist uns heute schon "vergangen", wir staunen nur, dass es das gibt, wenn wir die "Schöpfung" hören, aber wir sind zu "modern", dass wir uns dann in die Welt des Ehrendoktors von Oxford und doch den einfachen Menschen aus Rohrau im heutigen N.Ö., oder im 6. Bezirk, Gumpendorf, in Wien, hineindenken.


    Liebe Grüße sendet Euch Euer Peter aus Wien. :jubel: :jubel: :hello:

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