Was macht unsere Lieblingsmusik zu dieser?

  • Liebe Musikfreunde,


    gerne würde ich von Euch bzw. uns wissen, was unseren Lieblingsmusikwerken zu eben diesen macht. Möglicherweise oder wahrscheinlich existiert hier ein solches Thema schon; dann bitte streichen.


    Wir alle kennen wohl zumindest einige Musikwerke, die uns ganz besonders gefallen, innerlich berühren oder unsere besondere Bewunderung und Respekt finden. Es ist ja häufig von Lieblingswerken und Rankings die Rede. Meine Frage nun: Was bewirkt, dass diese unsere Lieblingswerke sind bzw. was ist das Gemeinsame an diesen Werken?


    Lasst uns doch ein wenig deduzieren und zusammentragen; mich würde sehr interessieren, was bei Euch das Wesentliche ist. Gemeint ist hier weniger die interpretatorische als vielmehr die kompositorische Komponente.


    Ich selber habe den Eindruck, dass ein Gemeinsames meiner Lieblingswerke der Schwerpunkt der polyphonen Behandlung der Stimmen ist. Ich liebe den Fluss, das Ineinanderverwobensein der Stimmen, was einerseits nach vorne treibt, andererseits ein einheitliches und in sich ruhendes Ganzes ist.


    Weiterhin zur Einheitlichkeit: Meine Lieblingswerke tendieren dazu, auf auffällige Wechsel von mehr und weniger Wesentlichem zu verzichten; die üblichen Überleitungen sind mir meist nicht so angenehm. Dies ist wohl ein Grund, warum ich die Klassiker der „zweiten Wiener Schule“ so mag, die nach meinem Empfinden diesbezüglich wieder an die polyphone Musik des Barock, der ich zunehmend mehr angetan bin, anknüpften.


    Ein Drittes: wie mir gerade bewusst wird, beinhaltet meine Lieblingsmusik wenig extremdynamische Wechsel. So ist mir das plötzliche Nacheinander von sehr lauten und leisen Passagen, die mich leicht erschrecken, eher unangenehm.


    Ich belasse es erst einmal dabei.


    Wie sieht es bei Euch aus; was macht Eure Lieblingsmusik zu dieser?


    Schöne Grüße,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • gutes Thema, aber schwer zu beantworten.


    Ich würde sehr ähnliche Kategorien wie Du verwenden bei der Beschreibung meiner Lieblingsmusik, polyphon, fließend, ineinander verwoben (kontrapunktisch), ein (widersprüchlich) fließendes und doch ruhendes Ganzes - und komme doch zu völlig anderen Komponisten als Du (in Deinem Profil) - ich sehe keine Beührungspunkte zwischen Bartok und Schönberg auf der einen und Bach und Händel auf der anderen Seite (habe mir aktuell gestern aufgrund eines Threads hier noch alle Gurre-Lieder-Bruchstücke reingepfiffen, die es auf youtube gibt) und kann dort eben keine barocke Polyphonie erkennen.


    Darüberhinaus habe ich selbst keine Theorie, was mir gefällt, das ist es ja, was ich seit einer geraumen Zeit suche, eine zutreffende Prognose a la "Stück X wird Dir gefallen" - und das tut es dann auch...


    Die Varianz in dem, was mir tatsächlich gefällt (Pop und Jazz gehören auch dazu) ist so groß, daß ich kaum was eingrenzen kann - allerdings kann ich ausgrenzen (was mir hier wenige Freunde einbringt), ich kann nur sagen, ich mag Bach (aber nicht immer) und viel Mozart und ein wenig Beethoven und ab und zu eher Abgedrehtes wie Gorecki oder Pärt - mach da mal eine Theorie draus....

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Ein Drittes: wie mir gerade bewusst wird, beinhaltet meine Lieblingsmusik wenig extremdynamische Wechsel. So ist mir das plötzliche Nacheinander von sehr lauten und leisen Passagen, die mich leicht erschrecken, eher unangenehm.


    mir ist das sogar furchtbar unangenehm, und ich beziehe es im wesentlichen auf einen weiteren Komponisten, den Du in Deinem Profil als Lieblingskomponisten nennst, Ludwig van... für mich ist er das Epitom randomartiger Verteilung von laut und leise, was vor allem in seinen Klaviersonaten evident wird, die ich deshalb in ihrer Mehrheit auch nicht sonderlich schätze.


    So unterschiedlich sind die Geschmäcker, selbst dann, wenn sie scheinbar gleiche Kategorien zur Beurteilung verwenden.

  • Da ich selbst zu Stimmungsschwankungen neige, die zwar nicht beeinträchtigend oder gar behandlungsbedürftig sind, aber nichts desto trotz sehr stark, habe ich auch viele unterschiedliche Formen von Musik, von musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten sehr gerne, und kein Problem damit, von einer Haydn'schen Symphonie schnell zu Luigi Nono zu wechseln.


    Die Vielfalt innerhalb der "klassischen Musik" ist aber zumindest für mich, zumindest momentan, ausreichend und ich habe kein großes Verlangen, "mal zur Abwechslung Rock" zu hören. Es gibt zwar gelegentliche nostalgische Momente, in denen ich mich dazu entschliesse, alte CD's zu hören (letztens waren es die Pixies), aber dann bin ich meist etwas gelangweilt, fange an in den Songs herumzuspulen, bis ich doch wieder etwas "klassisches" einlege.


    Ich erinnere mich an einen Artikel von Michael Schmidt-Salomon, in dem er am Rande erwähnte, dass auch er als Atheist große Freude an Bruckner etwa hätte, aber dann meinte, dass er die Vielfalt schätze und eine Welt, in der das musikalische Angebot sich auf gregorianische Mönchsgesänge beschränke ebenso abschreckend sei wie eine Welt, die sich auf Rock und Pop beschränke. Soweit ich das beurteilen und von meinem gegenwärtigen Empfinden allerdings einschätzen kann, ist eben die Vielfalt innerhalb der "klassischen Musik" so groß, dass man sich nicht auf die totale und die überirdische Vergeistigung, das körperlose gregorianischer Choräle beschränken müsste.


    Ähm - "Nun, was ist der langen Rede kurzer Sinn": Die Eingangsfrage des Threads müsste man, wenigstens ich von verschiedenen Richtungen her beantworten.


    Ich könnte vielleicht gleich mit Gott anfangen, wobei mir auch einfällt, dass ich in meinen "Unverzichtbaren Klassikaufnahmen" sehr stark auf religiöse Bezüge eingegangen bin, mit Messiaen, den Ratzinger-Zitaten und all diesen rhetorischen Umschreibungen, aber ich selbst ja nichts desto trotz ein religionsfreier Mensch bin, was sicher erleichternd seien kann, aber auch mit Problemen verbunden ist, mit dem Nichts, dem Verrotten und einem sinnleeren Universum, das den Kältetod sterben wird, was die Existenz von Mozart genauso unbedeutend machen wird wie die von Hitler, Stalin, Mao, und vorallem eine Fixierung auf das Reale, Konkrete, Materialistische mit sich bringt, was gerade ein Bedürfnis wecken kann, sich mit den Mitteln der Kunst darüber zu erheben, erheben im besten Sinne des Wortes.
    (Übrigens betonen die neueren Hirnforscher, mit denen ich mich zur Zeit in meiner Freizeit befasse alle die Notwendigkeit von Kunst, gerade auch die von komplexerer, von "klassischer Musik", für die Entwicklung und die Trainierung des Gehirns.)


    Also mir ist klar, dass "religiöse Musik" ein sehr weites Feld ist, die sich durch ganz unterschiedliche Epochen zieht und die man nicht so leicht auf einen Nenner herunterbrechen kann, weil der Komponist eben eine religiöse Motivation hatte oder eine solche Thematik in sein Werk einarbeiten wollte.
    Ein Oratorium des Barock ist ja kaum vergleichbar mit einem Stück von Messiaen, aber trotzdem glaube ich, dass ... diese Musik, diese "religiöse" Musik einen gemeinsamen Kern enthält, der mich anspricht, weil er eben bewusst auf etwas hinweist, das über unser irdisches Dasein hinausgeht, das es schützt und birgt und dadurch ganz andere Formen des Friedens und der Freude, der Trauer und der Besinnlichkeit annehmen kann, als wenn es sich um rein weltliche Musik handelt. Und - ich glaube, dass die meisten Westeuropäer der Gegenwart, zumindest diejenigen unter 60, kaum noch wirklich verstehen können, um was es sich bei Religionen eigentlich handelt, also sie können es zwar auf rationaler Ebene verstehen, wobei es auch da immer mehr Lücken gibt, was ist Tabernakel, die ganzen alten Begriffe, immer weniger Menschen wissen, warum eigentlich Ostern gefeiern wird - und vorallem ist der eigentliche Sinn für Viele sicher entfremdet, ja, also zu glauben, dass da ein Gott sich aufgespalten hat und einen Teil von sich auf die Erde schickt, damit er eine Jungfrau schwängert, die dann einen weiteren Teil Gottes gebärt, damit der tolle Plan aufgeht, dass durch seine Folterung und seine Hinrichtung der erste Gottesteil mit vorgeblichen Sünden versöhnt wird.


    Mh. Irgendeiner dieser neuen Atheisten schrieb mal, dass Mozart und Haydn, hätten sie heute gelebt, eben keine Oratorien mehr über "Die Schöpfung" schreiben würden, sondern die gleiche Musik, wenigstens Musik von gleicher Qualität über "Das expandierende Universum" - und das glaube ich nicht. Bach wäre heute ein Genie gewesen, aber die Empfindung für das Göttliche kann man nicht einfach übersetzen geschweige denn ersetzen mit dem Glauben an die glückliche Herausbildung einer affenartigen Spezies, die den Triumph des Evolutionsprozesses mit der Erkentniss der Nichts und des Vergessens bezahlt.


    Wie auch immer: Das ist ein Grund, warum ich mich von "religiöser" Musik angesprochen fühle, vorallem von glorreichen, bombastischen Messen und von besinnlicher, meditativer und introvertierter Musik wie der von Messiaen. (Man muss übrigens nur mal Messiaen mit seinem Schüler Boulez, dem bekennenden "Darwinisten" vergleichen. Wobei mir gerade einfällt, das ich gar nicht weiß, welcher musikalischen Schule Messiaen eigentlich zuzuordnen ist. Falls also jemand behilfreich dabei seien möchte, eine Marc'sche Bildungslücke zu schließen, dann nur zu.)


    Man könnte natürlich erwidern, dass Adjektive wie "glorreich" und "bombastisch" nicht exklusiv für religiöse Musik in Anspruch genommen werden können, aber erstens denke ich, wie gesagt, dass es in weiten Teilen zumindest doch noch Unterschiede gibt, und dass das Bewußtsein über eine metaphysische Thematik den Hörprozess stark beeinflußt.
    Also, ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, ist es zumindest für mich etwas anderes, ob ich ein Oratorium höre, von dem ich weiß, dass es Che Guevara ("Fooling Middle Class White Kids Since 1967") gewidmet ist, oder ob es in ihm um Jesus Christus geht.


    Abgesehen von der religiösen Thematik mag ich sehr oft Musik, die Extreme beinhaltet - Sehr schnell, sehr langsam, sehr laut und sehr leise. Die Unterschiede müssen enorm sein, auch in der Interpretation. Das liegt vermutlich daran, dass ich das Bedürfnis habe, etwas sehr starkes und sehr intensives zu empfinden. Da fällt mir ein, dass es in einem dieser depressiven Houellebecq-Gedichte eine Zeile gibt, in der es heißt, dass ich, also der Erzähler, sich als Kind immer gewünscht hätte, besonders intensive Erfahrungen zu machen, aber jetzt, wo er älter würde, bestünde sein Bestreben nur noch darin, nicht all zu sehr zu leiden. :D


    Den literarischen Wert mal aussen vor gelassen, glaube ich, dass diese Zeilen etwas sehr ehrliches und wirkliches beinhalten, wobei der depressive Unterton Geschmacksache ist, die Koppelung an das Alter aber sicher nicht so grundsätzlich vorgenommen werden kann. Ich habe ohnehin den Eindruck, dass das Alter eines Menschen immer unbedeutender wird und immer weniger mit bestimmten Charaktereigenschaften einher geht. Unterm Strich vermutlich eine begrüßenswerte Entwicklung.


    Jedenfalls kenne ich beide dieser Empfindungen. Will man starkes, sehr intensives Spüren, bietet sich natürlich eine Musik, die nicht auf Ent-Spannung abzielt. 10. Mahler oder so. Die ist überhaupt ideal. Zweifellos "intensiv", aber nach einer guten Interpretation fühlt man sich wie gereinigt und jeder depressiv-verwegene Schmutz in einem ist dann erstmal aufgesaugt und entfernt von der Musik. Ich würde allerdings -zumindest in diesem Umfeld- auch die Musik von Rossini z.B. als spannende bezeichnen, allerdings mit einer entgegengesetzten Wirkung, weil sie dich, weil sie mich, durch ihre Wiederholungen und Steigerungen, ihre Crescendi in einen hypnotisierten Freudentaumel versetzt, der auch noch lange nachklingt.


    Das absolute Ideal ist aber glaube ich Mozart, weil er -zumindest für mein persönliches Empfinden, so unendliche viele, auch gegensätzliche Dinge vereint. Er ist in seinen besten Momenten einerseits überirdisch, völlig rein und beinahe göttlich und durch keinerlei Schmutz der Realität mit ihren körperlichen und gesellschaftlichen Mängeln besudelt, aber trotzdem hat man nicht das Gefühl, als wäre er weltfremd und im negativen Sinne "abgehoben". So gesehen wundert es auch nicht, dass die großen christlichen Theologen, wie Ratzinger, Barth, zwar auch viel über Musik geschrieben haben, aber dem Mozart doch immer eine herausragende Position zugewiesen haben.
    Dazu kommt noch, dass zahlreiche seiner Werke gleichzeitig an- und gleichzeitig ent-spannend sind, gleichzeitig intensiv und zurückhaltend.
    Als Vergleich fällt mir "Les Adieux" vom Ludwig Van ein, wo der letzte Satz wirklich ein totaler frohlockender Ausbruch ist, der aber etwas Manisches hat, Manische-Depression.
    Nach Mozart hört man schon immer öfter den Verfall heraus.


    Aber das kann natürlich auch reizend sein. Voltaire schreibt irgendwo, dass man gelegentlich so traurig sei, das man sich noch trauriger machen möchte.
    Aber dafür greife ich am liebsten zu "moderner" Musik, die auch wegen ihrer Komplexität so wertvoll ist, und so etwas hintergründiges hat.
    Ich habe hier ja den Opern-Führer Eintrag über die "Elegie für junge Liebende" geschrieben, und da wird das ganz deutlich denke ich, weil Henzes Musik dort zwar von ... Melodien eigentlich wimmelt, aber sie sind doch versteckt, man muss schon genauer hinhören, aber wenn "reingekommen" ist in diese Musik, dann ist das Erlebnis einfach nur umwerfend, phantastisch! "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht."


    Vorhin habe ich etwas LULU gehört, auch eine phantastische Oper, die zahlreiches vereint. Stellenweise erinnert sie mich immer an ein Kabarett der "Goldenen 20er", hat aber mitunter so brutale Ausbrüche, also da springt einfach vieles in mir drauf an. Ein Versinken in einer anderen Welt, was stellenweise etwas positives seien kann, nicht im Sinne von "Weltflucht" oder so, aber ich denke bei dieser Oper immerhin an ein Clichee-Bild der "Goldener 20er" (Ja, ich weiß, dass sie früher spielt und Wedekind auch früher gestorben ist.) Aber jetzt hab' ich auch erstmal keine Lust mehr, zu schreibe. ;)
    Eine ausführlichere Meinung über Lulu schreibe ich ein anderes mal.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Hallo Uwe,


    hier kann ich kann einfach antworten, ohne die Weiten der Musiktheorie zu betreten ( da würde ich mich eh verlaufen :rolleyes: ):


    Ich gelte gemeinhin als stets etwas kühl und distanziert wirkender Mensch, ich überschütte meine Mitmenschen nicht ungefragt mit Liebkosungen oder Beschimpfungen und mache Dinge gern mit mir aus.


    Da meine Arbeit es erforderlich macht,diese Wesenszüge sogar noch zu kultivieren und auch in emotionalen Stürmen in professioneller Rationalität zu glänzen, brauche ich emotionale Kanäle - all meine Lieblingsmusik löst in mir eine unreflektierte Emotion aus, erhebt mich in ihrer Majestät,stärkt mit ihrem machtvollen Rhythmus meine müden Hände und meine wankenden Knie; bringt mich in ihrer Schlichtheit zurück zu mir;läßt mich hüpfen; läßt mich den Anfeindungen der Welt gegenüber trotzig die Fäuste schütteln;hüllt mich tröstend ein, wie eine mütterliche Umarmung; läßt meinen Tränen freien Lauf...


    Oder einfach mit Pauls Signatur gesprochen : wirklich schöne Musik rührt!


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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  • Ich habe vermutlich einen hoffnungslos eklektischen Geschmack. Ich vermag nicht annähernd so genau zu umreißen wie Uwe (und bei ihm ist das ja anhand seiner Beiträge hier auch recht gut nachvollziehbar), was mich an der Musik, die ich besonders schätze, fasziniert. Ich kann das vielleicht in vielen Einzelfällen sagen, aber nicht so allgemein.


    Ganz sicher aber liebe ich abrupte, plötzliche und schockierende Kontraste, vielleicht ist daher auch Beethoven mein Lieblingskomponist: sforzati, off-beats, subito piano ("like hitting a speed bump" schreibt mal jemand in einer Rezension) usw. Ebenso entfesselte rhythmische und kinetische Energie: Händel, Haydn, Beethoven, Rossini-Ouverturen (selbst wenn es hier manchmal an Leerlauf grenzt).
    (Deren weitgehender Mangel ist eine meiner Schwierigkeiten mit etlicher Musik der 2. Wiener Schule. Da scheint immer das Tristan-Vorspiel agogisches Vorbild... Klar, wird das meist durch hohe emotionale Intensität wettgemacht)


    "Euch ist bekannt, was wir bedürfen, wir wollen stark' Getränke schlürfen", den zweiten Aufguß überlassen wir gerne den Damenkränzchen :D


    oder, um meine ehemalige Signatur mal wieder anzubringen (sie ist einfach zu schön ;)):


    "Das ist der Tanz der Welt selbst: wilde Lust, schmerzliche Klage, Liebesentzücken, höchste Wonne, Jammer, Rasen, Wollust und Leid; da zuckt es wie Blitze, Wettergrollen: und über allem der ungeheure Spielmann, der Alles zwingt und bannt, stolz und sicher vom Wirbel zum Strudel, zum Abgrund geleitet: er lächelt über sich selbst, da ihm dies Zaubern doch nur ein Spiel war." (Wagner über Beethovens op. 131 vii)


    Was mir noch eingefallen ist, da Klawirr Architektur nennt. Ich bin absolut kein Augenmensch, ich habe kaum je ein emotionales Verhältnis zu bildender Kunst (die bewundere ich so, wie vermutlich tausende andere Klassische Musik respektieren, aber sie bewegt mich nur selten annähernd so wie Musik). Vielleicht daher habe ich tendenziell Schwierigkeiten mit "malender" oder auch "statischer" Musik, klingenden Gemälden, Klangflächen oder Monumenten. (Was freilich wieder nur eine Tendenz ausdrückt, es gibt natürlich Ausnahmen). Musik muß für mich wie Sprache, Bewegung, Tanz (obwohl ich Ballett wieder völlig uninteressant finde) sein, sie muß körperlich packen, zum Mitsingen, Zappeln und Stampfen anregen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das ist eine tatsächlich nicht ganz leicht zu beantwortende Frage. In gewisser Weise geht es mir wie JR: ich könnte sicherlich leichter sagen, was mir an einem bestimmten Werk gefällt, als Kriterien dafür zu nennen, was mir Musik generell eher gefällig macht.


    Wenn ich aber darüber nachdenke, so gibt es schon gewisse Elemente, auf die ich relativ leicht anspringe: dazu gehören, wie JR es genannt hat, »abrupte, plötzliche und schockierende Kontraste«, heftige und überraschende Stimmungs-/Affektwechsel, ein damit verbundenes durchaus aggressives Moment. Dies scheint mir so eine gemeinsame Linie in der Musik von etwa C.P.E Bach über Beethoven, Mahler, Schostakowitsch und K. A. Hartmann bis hin zu Wolfgang Rihm und Heinz Winbeck zu sein. Abgesehen davon spreche ich ziemlich positiv auf die hypnotische Wirkung ostinater Figuren und treibend-vertrackter Rhythmik an (wie etwa beim frühen Strawinsky präsent), oder auf - bisweilen bis ins Hysterische - gesteigerte sinnlich-emotionale Intensität (etwa bei Strauss’ »Salome« und »Elektra« oder auch in Matthus’ »Judith«).


    Naja, und dann gibt’s natürlich noch die Vorliebe für das Barocke: einerseits die architektonische Klarheit kontrapunktischer Verfahren und andererseits das ins Mystische wuchernde Spiel mit Bezügen und Verweisen, das – wenn es denn gelungen ist – geradezu sinnlich erfahrbar werden kann (Beispiel für letzteres wäre etwa Bibers »Rosenkranz«).


    Wofür ich nur selten begeisterungsfähig bin, ist Schönklang um des Schönklangs Willen und (auch wenn ich sie häufig staunend bewundere) die kalte Perfektion von Architektur als Selbstzweck.


    Ganz herzliche Grüße,
    Medard

  • Eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Ich finde in verschiedenen Epochen unterschiedliche Dinge, die mich emotional ergreifen (und das muss Musik tun):


    Barock: kontrapunktische Verflechtungen und Verweise (von Klawirr besser ausgedrückt), Durchhörbarkeit, Drive
    W. Klassik: Drive, motivische Arbeit (ich fahr total darauf ab, wenn im Bass auf einmal das Thema kommt, was vorher oben war, und es gleichzeitig auch noch gut klingt), Stringenz in der formalen Behandlung (man fängt eine Note an zu spielen und kann nicht mehr aufhören, weil man die folgende Note immer hören MUSS), bei Mozart "magische Momente"
    Romantik: emotional ergreifende Harmonik wie im Tristan, bei Richard Strauss, verbunden mit Lyrik (Beispiel: Brahms, 1. KK, das Klaviersolo am Ende der Exposition nach dem 2. Thema mit den Triolen und Achteln in einer Linie, gleichermaßen harmonisch sowie melodisch ergreifend)
    Moderne: beeindruckende, sich festsetzende Akkordkombinationen, z. B. bei Prokofjew, auch rhytmischer Drive (Schostakowitsch), bei Hindemith siehe Barock


    Die Liste ließe sich noch lange erweitern. Um es kurz zu sagen, das, was z. B. Mozart zu meiner Lieblingsmusik macht, findet man weitgehend in anderen Epochen nicht und andersrum. Zum Glück ist die Musikgeschichte so vielseitig.


    Bei Musik, dir mich sehr ergreift, spüre ich außerdem physische Reaktionen (Glückshormone, Gänsehaut, Tränen, Mitbewegen des ganzen Köpers, etc.)

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Nach dem Lesen Eurer Beiträge hatte ich den Eindruck, ich hätte mir offenbar in den letzten 5-10 Jahren generelle Vorlieben systematisch und erfolgreich abgewöhnt. Das geht dann soweit, dass ich (parallel zu dem Bemühen eigene kompositorische festgefahrene Positionen stets möglichst rasch wieder abzuschießen) geradezu eine Skepsis gegenüber dem Aufgehen in meine Vorlieben-Stücke hatte, sodass ich die typischen Vorlieben-Stücke nur mehr sehr selten anhörte.


    Somit habe ich eventuell eine Vorliebe für Stücke, die mir bislang nicht gemochte Bereiche plötzlich exemplarisch als atemberaubend und begeisternd erschließen. Diese Stücke bekommen für mich dann etwas ziemlich Persönliches, vielleicht so wie Stücke, die einen in der Kindheit zur klassischen Musik gebracht haben.


    Aber ich bin mir nicht so sicher, ob das wirklich stimmt - außerdem sind das dann auch ganze Stile und nicht nur Einzelwerke?


    Habe ich wirklich keine Vorlieben? Doch: Für eher kürzere Stücke ...
    :hahahaha:

  • Auf diesen zeitgeistigen Postingtitel komme ich deshalb, weil ich unlängst im FF-Sonderheft PianoFestival ein Interview mit Krystian Zimerman las, der sagte, er höre sich neue CDs immer gerne im Auto an, wenn er um sein Haus kurvt (welche Ausmaße hat sein Chateau?), damit er die Musik „nebenbei“ hören könne, während er seine intellektuelle Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr widmen und so die Musik – ohne Umweg über den analytischen Verstand – „empfinden“ könne. Mehr oder weniger sinngemäß wiedergegeben. Nun habe ich, wie wahrscheinlich viele andere auch, eben dieses Phänomen durchaus selbst erleben können, weshalb ich ebenfalls gerne Musik im Auto höre; bizarrer empfinde ich es schlechterdings bei Hörspielen, wo ich mich manchmal frage, wie ich die letzten 50 Kilometer eigentlich zurückgelegt habe, ohne meine Kiste an der Leitplanke zu zerlegen oder andere Verkehrsteilnehmer (massiv) zu behindern oder zu gefährden.


    Aber zum Thema: Meine Lieblingsmusik schenkt mir die modische und triviale Erfahrung eines Flows, eines Aufgehens in der Musik (eine Mischung aus totaler Konzentration und eines Sich-Verlierens; hier ein kleiner Gruß an unsere Zen-Gemeinde). Aktuell erfahre ich dieses seltsamerweise mit vielen nord- und osteuropäischen Komponisten, die ich vor Tamino gar nicht kannte und die sich mir nun geradezu aufdrängen (Vasks, Englund etc.) Und die Komponenten dieser Musik enthalten viel von dem, was meine Vorredner auch schon angesprochen haben. Eine dynamische Mischung aus Wohltat, Schaudern, Harmonie und Dissonanz (mehr oder weniger wie das Leben selbst [Kalenderspruch 231/32]). Für mich Musik, die keine Gefühle darstellt oder dies oder jenes Gefühl forciert, sondern welche erzeugt, über deren Entstehung ich einfach irgendwie entzückt und überrascht bin. Was aber diese Musik zu meiner aktuellen Lieblingsmusik macht ist wohl der Umstand, dass sie gleichsam zu einer sehr intimen Sache wird, über die ich mich eigentlich gar nicht richtig äußern kann. Insofern kann ich von Gefühlen reden, aber welche das sind, bzw. wie sie sich nun anfühlen, das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Sie sagt mir, wer ich bin und dann aber auch, dass „ich“ bestimmt nicht „Herr im Haus“ bin (was religiös klingt, aber nicht so gemeint ist) und dass da „mehr“ in mir ist (was noch religiöser klingt, aber noch viel weniger so gemeint ist). Alles klar? Okay, nicht wirklich…


    Im übrigen kann sich das nächste Woche wieder komplett ändern... :wacky:

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  • Ich fand den Beitrag von Marc besonders beeindruckend, auch, daß er sich nicht gescheut hat, seinen Gedanken (im Schutze der Nacht) ruhig mal etwas Lauf zu lassen. Es macht Spaß, solch offene statements lesen zu dürfen, zu denen sich nicht viele von uns verstehen wollen oder können. Danke Dir dafür!


    Zitat

    Da ich selbst zu Stimmungsschwankungen neige, die zwar nicht beeinträchtigend oder gar behandlungsbedürftig sind...


    Das sagen sie alle, auch bei uns in der Anstalt…


    Zitat

    Die Vielfalt innerhalb der "klassischen Musik" ist aber zumindest für mich, zumindest momentan, ausreichend und ich habe kein großes Verlangen, "mal zur Abwechslung Rock" zu hören. Es gibt zwar gelegentliche nostalgische Momente, in denen ich mich dazu entschliesse, alte CD's zu hören (letztens waren es die Pixies), aber dann bin ich meist etwas gelangweilt, fange an in den Songs herumzuspulen, bis ich doch wieder etwas "klassisches" einlege.


    Geht mir ganz genauso. Und dieses auch beim eignen Musizieren.


    Zitat

    Übrigens betonen die neueren Hirnforscher, mit denen ich mich zur Zeit in meiner Freizeit befasse alle die Notwendigkeit von Kunst, gerade auch die von komplexerer, von "klassischer Musik", für die Entwicklung und die Trainierung des Gehirns...


    Ja, leider haben sie mir bis heute noch nicht sagen wollen, wie das genau da funktionuckelt, wenn strukturell anspruchsvolle "Entitäten" materiell realisiert werden wollen?


    Zitat

    ...dass da ein Gott sich aufgespalten hat und einen Teil von sich auf die Erde schickt, damit er eine Jungfrau schwängert...


    Heilige Sch…e, war er denn ein guter Lover?


    Zitat

    Irgendeiner dieser neuen Atheisten schrieb mal, dass Mozart und Haydn, hätten sie heute gelebt, eben keine Oratorien mehr über "Die Schöpfung" schreiben würden, sondern die gleiche Musik, wenigstens Musik von gleicher Qualität über "Das expandierende Universum" - und das glaube ich nicht.


    Nä, ich auch nicht.


    Zitat

    Man könnte natürlich erwidern, dass Adjektive wie "glorreich" und "bombastisch" nicht exklusiv für religiöse Musik in Anspruch genommen werden können, aber erstens denke ich, wie gesagt, dass es in weiten Teilen zumindest doch noch Unterschiede gibt, und dass das Bewußtsein über eine metaphysische Thematik den Hörprozess stark beeinflußt. Also, ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, ist es zumindest für mich etwas anderes, ob ich ein Oratorium höre, von dem ich weiß, dass es Che Guevara ("Fooling Middle Class White Kids Since 1967") gewidmet ist, oder ob es in ihm um Jesus Christus geht.


    Ja, man kann wohl sagen, daß eine gewisse „Dignität des Gegenstandes“ einem Werk nicht zum Schaden gereichen muß (so der Künstler dem gerecht zu werden beliebt) und daß auch das stetig wachsende Sich-Konzentrieren auf eher periphere Themen einen Teil jener „eigenen Problemgeschichte“ der Musik (Dahlhaus/Eggebrecht) darstellt, die schließlich womöglich auch die Formen zu parzellieren mitgeholfen haben mag.


    Zitat

    Nach Mozart hört man schon immer öfter den Verfall heraus...


    Mit ein wenig Humor kann man den aber auch beim Meister selbst finden, oder?



    Zitat

    Ich bin absolut kein Augenmensch, ich habe kaum je ein emotionales Verhältnis zu bildender Kunst (die bewundere ich so, wie vermutlich tausende andere Klassische Musik respektieren, aber sie bewegt mich nur selten annähernd so wie Musik). Vielleicht daher habe ich tendenziell Schwierigkeiten mit "malender" oder auch "statischer" Musik, klingenden Gemälden, Klangflächen oder Monumenten. (Was freilich wieder nur eine Tendenz ausdrückt, es gibt natürlich Ausnahmen). Musik muß für mich wie Sprache, Bewegung, Tanz (obwohl ich Ballett wieder völlig uninteressant finde) sein, sie muß körperlich packen, zum Mitsingen, Zappeln und Stampfen anregen.


    Sagt jedenfalls Johannes. Und trifft auf mich genauso zu. Schöne kleine Aufzählung.


    Die Natter gibt hingegen zu bedenken:


    Zitat

    Krystian Zimerman […], der sagte, er höre sich neue CDs immer gerne im Auto an, wenn er um sein Haus kurvt (welche Ausmaße hat sein Chateau?)


    Vielleicht kann der auch einfach nur linksrum lenken, in diesem Sinne wäre dann jede Fahrt irgendwo ein Trip um die Baracke…


    Zitat

    ...während er seine intellektuelle Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr widmen […] könne.


    Das kann in der Tat recht anspruchvoll sein und zeitigt gewiß das eine oder andre bedeutende spieltheoretische Resultat.


    Zitat

    ...bizarrer empfinde ich es schlechterdings bei Hörspielen, wo ich mich manchmal frage, wie ich die letzten 50 Kilometer eigentlich zurückgelegt habe, ohne meine Kiste an der Leitplanke zu zerlegen oder andere Verkehrsteilnehmer (massiv) zu behindern oder zu gefährden...


    „Krieg der Welten“ würde ich in diesem Fall daheimbelassen. Vielleicht darf ich stattdessen Klopstocks (im Stoff allerdings stark gekürzten) „Messias“ empfehlen, in der Dialogeinrichtung von Christoph Schlingeneinseifer und mit dem Soundtrack von Helge Schneider (nach Motiven von Antonio Falsinoti), wo auf 75 CDs Uschi Glas eine verinnerlichte Maria Magdalena gibt und Martin Semmelrogge einen welt(zu)gewandten Jesus? Dann klappts auch wieder mit dem Nachbarn auf der rechten Spur…


    Hier scheinen sich – vielleicht durch die Komplexität der Fragestellung begründet, die förmlich danach ruft, sich so oder doch ähnlich zu verorten – die beiden Fraktionen des ängstlichen und des genießerischen „Abwechslers“ herauszuheben. Die einen fühlen sich beinahe ein wenig gestört durch unerwartete Richtungsänderungen dieser oder jener Provenienz, die andern lieben und suchen solche Anregungen, die ihnen die Luft zum Atmen bedeuten innerhalb der Atmosphäre eines Werkes. Ich zähle mich ebenfalls zu denen, die nur auf den nächsten „spritzigen Moment“ lauern, und der kann in konstitutiven Bestandteilen (wie sie, wohl wirklich ausgeprägt bei Beethoven, ein Werk regelrecht propagieren mag) ebenso wie bloß in einer (hörbar gemachten) Spielanweisung bestehen. Wichtig scheint mir aber Uwes Bemerkung: „auffällige Wechsel von mehr und weniger Wesentlichem“! Und dies kann auch bisweilen unauffällig, gleichwohl nicht weniger "entscheidend" sich vollziehen.


    Da hier schon gelungene Versuche unternommen wurden, dieses „Wesentliche“ näher zu bestimmen, möchte ich mich insbesondere Klawirrs Überlegungen anschließen, die knapp aber nicht unpräzise eine kleine Genealogie des Abwechslungsreichtums beinhalten, soweit er die Signatur bestimmter Komponisten darstellt..


    Liebe Grüße,


    Alex

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Wichtig scheint mir aber Uwes Bemerkung: „auffällige Wechsel von mehr und weniger Wesentlichem“! Und dies kann auch bisweilen unauffällig, gleichwohl nicht weniger "entscheidend" sich vollziehen.


    Ach, seid doch nicht so konservativ!
    :pfeif:

  • Zitat

    Ach, seid doch nicht so konservativ! (Flöt)


    Hm? Wie jetzt, KSM? Ist Abwechslung und die Gier nach Unvorhergesehenem so konservativ? Oder ein Begriff des "Wesentlichen" zu eng gesetzt, der doch schon von der Marginalie bis zum Werkganzen alles einbeziehen will?


    Aber ich bin nich pingelig, lassen wir eben das "Eigentliche" ungefettet und reduzieren es in seiner Bedeutsamkeit noch mehr:


    [SIZE=7]Wesentliches[/SIZE]


    Nur, worüber wollen wir denn dann reden? Noch kürzere Stücke? :D


    Alex.

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl


    Hm? Wie jetzt, KSM? Ist Abwechslung und die Gier nach Unvorhergesehenem so konservativ?


    Wenn man sich wünscht, dass die Abwechslung innerhalb eines Werkes stattfindet, so ist das schon recht konservativ.

    Zitat

    Oder ein Begriff des "Wesentlichen" zu eng gesetzt, der doch schon von der Marginalie bis zum Werkganzen alles einbeziehen will?


    Und wenn es wesentlich ist, dass sich gar nichts Wesentliches ändert?

    Zitat

    Nur, worüber wollen wir denn dann reden? Noch kürzere Stücke? :D


    :D
    ... eher über Konzentrationsschwäche ...
    :rolleyes:

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  • Gute Musik diene 1) "zum Lobe Gottes", 2) "der Recreation des Gemüths"
    (alles andere sei "erbärmlich Geplärr und Geleyer")
    :jubel:



    Aber MOMENT MA...
    - gefragt ist hier nach "Lieblingsmusik", nicht nach "w e r t v o l l s t e r" Musik ?( :wacky:
    Hm - das ist`n Unterschied für mich und nicht zu knapp !!
    Zu meiner "Lieblingsmusik" zähle ich auch
    - so ein "messerscharfes Kabarett" (W.Neuss) wie Mauricio Kagels "10 Märsche um den Sieg zu verfehlen" :D
    - so manchen Klassiker unsrer alten Barden
    (Wolf Biermann z.B. mit "Oh Mann wie tief mich das reut`/ was leg`ich auch mein Herz auf den Tisch / so gieriger Leut`")
    - am Ende gar Trivialitäten a la "Zebrastreifen weiss und blau / Das ist der MSV" :O :O



    Also ich beantworte hier näher die Frage nach meiner mir w e r t v o l l s t e n Musik !!
    - und die sollte für mich in etwa JSB´s Kriterien für gute Musik erfüllen,
    d.h. ("Recreation") dauerhafter, ernsthaft als "akustisches Antidepressivum" taugen
    bzw.
    - Nun, das mit dem "Gotteslob" muss ich natürlich "buddhistisch paraphrasieren":
    Nach unserer Auffassung gibt es so etwas wie ein "spirituelles Überbewusstsein"
    - und DAS sollte Musik in mir schon dauerhafter "anzapfen", damit ich sie als für-mich-wertvoll empfinde !!
    Konkreter: Musik ist mir dann wertvoll, wenn sie mich immer wieder dazu anzustossen kann,
    aufmerksamer, freundlicher, fairer, ehrlicher, geschickter etc.etc. mit mir und meinen Mitmenschen umzugehen !


    ALTE MUSIK ist da längst DIE "akustische Schatzkammer" für mich geworden !!
    - Darüberhinaus, von Haydn also bis in die Gegenwart hinein, kann ich manches mir-schon-lange-Wertvolles aufzählen,
    vom (u.a.) Optimismus der BeethovenSonate op.110 über die Erhabenheit des 1.ParsifalVorspiels
    - bis zur wilden Schönheit :yes: :yes: von Lutoslawskis "Streichquartett 1964"
    Das mich-wirklich-aufDauer-beruhigt/beglückt/inspiriert-Fühlen
    scheint mir hier aber weit mehr von Zufallsbedingungen abhängig als es bei meiner SCHATZKAMMER der Fall ist !


    WIE Musik (strukturell/emotional) beschaffen sein sollte, damit sie mich entsprechend "trifft"...
    kann ich NICHTS zu sagen !!
    - es kommt da für mich EXTREM auf das WIE (means auf die Sorgfalt und Beherztheit einer Interpretation) - und nicht auf das WAS - an !!
    Ob Musik z.B. (EDIT - Alfreds Beitrag weiter unten ist mittlerweile geschrieben)"harmonisch vorhersehbar" ist oder so überhaupt nicht:
    Sekundär (eher "tertiär") für mich...
    Anders gesagt: Eine fein ausbalancierte FreeJazzTruppe ist mir wertvoller als ein heruntergeschludeter JSB (u. natürlich umgekehrt !!!)


    Einzig mit Passionsmusiken kann ich FAST NICHTS anfangen (die Leiden Christi sind mir als Buddhisten ganz offenkundig gar zu fern...)
    - und immer weniger mit (tja, wie formulieren ?() "Orchestermusik ohne Gesang für mehr als 30, 35 Leute"
    Schon während meiner 22 Jahre im Ruhrgebiet bin ich vielleicht 7, 8mal in ein Sinfoniekonzert geraten...
    - und mittlerweile...
    Eine Dissertation wäre mgl.erweise nicht zu lang, um über die Gründe über diese meine Verweigerung näher nachzusinnen...
    Nicht zuletzt wird mein Tinnitus da auch im Spiel sein - der in den letzten 2, 3 Jahren nochmal zugelegt hat :wacky: :wacky:



    :hello:
    micha
    (übr. KEIN Mitglied irgendeiner "ZenGemeinde" ;))

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl


    Mit ein wenig Humor kann man den aber auch beim Meister selbst finden, oder?


    Klar, stimmt schon.
    Ich wollte das auch nicht als so pauschale Aussage verstanden wissen, aber gerade bei Beethoven ist es doch schon ein ganz anderer Humor, also wenn man sich anhört, wie in den Diabelli-Variationen diese Walzer-Themen zerhackt werden, dann ... :D ... naja, es ist halt ein etwas grantiger, "böser" Humor.


    Beethoven heute würde vielleicht etwas zynische und politisch inkorrekte Witze reißen, wer weiß, wer weiß. :D

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Uwe schreibt so schön:


    Zitat

    mich würde sehr interessieren, was bei Euch das Wesentliche ist. Gemeint ist hier weniger die interpretatorische als vielmehr die kompositorische Komponente.


    Diese Kriterie, die er angibt, würde ich persönlich eher als Kriterien für die interpretatorische Komponente angeben. Ich mag es gerne - so die Komposition es zulässt - dass einzelne Linien schön polyphon, gut hörbar herausgehoben werden. Organisten zB, die so spielen, dass man sich in ihrem Hervorgebrachten seine eigenen Linien in Kopf zusammendenken kann, sind nicht so mein Ding. Auch mag ich in dichten Tongeflechen nicht so gerne, wenn eine Line betont wird und das anders sozusagen als Klangteppich verwendet wird. usw.usf.


    Ihn Bezug auf extremdynamische Wechsel, so kann ich gar kein Urteil abgeben: Ich schätze ich in der Regel sowohl Interpretationen, die solche feingestalterische Elemente hervorheben; aber ich liebe auch sehr ruhig dahinfließende Interpretationen. Ich denke, dies ist eine Sache der Interpretation: Es gibt sozusagen expressionistisch intendierte Kompositionen, die eher lyrisch interpretiert werden; aber genauso gibts Musikerinnen, die versuchen, lyrisch intendierten Komositonen extreme Aspekte abzugewinnen.


    Uwe selbst scheint mir hier eher eine Antwort auf die Frage zu geben: Was macht eine bestimmte Epoche zu meiner Lieblingsepoche? Das scheint mir eine interessante, aber auch andere Frage zu sein. Damit für Uwe etwas zu seiner Lieblingsmusik werden kann, muss sie offensichtlich aus einer bestimmten Epoche stammen.


    Die Frage war aber nicht, was die Interpretationen zu unseren Lieblingsinterpretationen macht - da könnte ich noch einige aufzählen -, und scheint mir eigentlich weniger, was unsere beliebteste Epoche ist, sondern, was ganz im Allgemeinen die Werke, die Kompositionen zu unseren Lieblingskompositionen macht. Da wirds schon schwieriger.


    Was macht nur meine Lieblingsmusik zu dieser?
    Mir kommt vor, dass diese Werke zu meinen Lieblingswerken werden, die es schaffen, mich nicht nur emotional tief zu berühren (und das nicht bei einer bestimmten Interpretation, sondern bei einer großen Anzahl), sondern darüber hinaus mir bei jedem Hören so vorkommt, als hörte ich sie das erste Mal. Was meine ich damit? Bei jede Musik, die wir gut kennen, können wir im jeweiligen Moment antezipieren, was als nächster Ton kommt, wie die Phrase weitergeführt wird. (Dies birgt auch die Gefahr, dass wir die Musik nicht mehr so hören, wie sie tatsächlich erklingt, sondern nur mehr so, wie wir sie zu klingen erwarten.) Bei meinen Lieblingswerken werde ich hingegen so involviert, dass dieses Antezipation ausbleibt (bzw. bei entsprechender subjektiver Einstellung ausbleiben kann): Sie kann mich stets aufs Neue überraschen. Sie kommt mir stets wie modern vor.


    Geht es euch ähnlich?

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Die Frage ist tatsächlich recht schwer. Ich finde es schwer vernünftige Begründungen zu finden, die nicht total kitschig oder unschlüssig wirken. Wie dem auch sei...


    Ich mag auf jeden Fall Polyphonie, vor allem die Bachsche. Fugen wie der Contrapunctus 1 sind einfach kosmische Werke. Ich liebe die rythmische Komplexität bei Fugen und ich liebe es auch genau hinzuhören und zu versuchen alle Stimmen nachzupfeiffen/summen, was natürlich unmöglich ist - Spaß macht´s trotzdem :)


    Zudem mag ich Fugen, weil sie nicht 08/15 sind. Es sind nicht nur große kompositorische Leistungen, sondern dem Hörer wird auch einiges abverlangt. Wie gesagt, kann man den Stimmen folgen, man kann sich aber auch einfach tragen lassen - wie schwerelos sein.


    Da ja Interpretation nicht gefragt ist, war´s das im Grunde. Rythmus und Kontrapunkt sind wohl die Dinge, die mich bei Musik am meisten ansprechen. Themenvariation und "Menschlichkeit" muss ich auch noch nennen.

  • Mir fällt zu dieser mir unmöglich zu beantwortenden Frage auch neben Pauls Signatur(Schöne Musik rührt) nur noch ein:


    Musik ist der Grund der Möglichkeit der Magie (Novalis)


    Wer sich ernsthaft die Frage beantworten kann , warum er sich trotz ähnlicher oder sogar deutlich geringerer Qualitäten in den oder die Eine und nicht in die oder den Anderen verliebt, kann sicher auch diese Frage hier entsprechend analysieren. Ich kann das nicht.


    F.Q.

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Wer sich ernsthaft die Frage beantworten kann , warum er sich trotz ähnlicher oder sogar deutlich geringerer Qualitäten in den oder die Eine und nicht in die oder den Anderen verliebt, kann sicher auch diese Frage hier entsprechend analysieren.


    Ich finde dies eine höchst interessante Analogie! Besonders faszinierend finde ich es - wenn ich jetzt darüber nachdenke -, dass meine oben genannte Vermutung in Bezug auf Lieblingsmusik cum grano salis auch genauso auf den Umgang mit Menschen, die ich liebe anwenden kann...

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Ich war von der Frage einigermaßen überrascht - kam dann aber zu einem schnellen Ergebnis.....


    Es gibt eine Kabartnummer, die auf Verdis "Flieg Gedanke..." geschrieben ist. Beschrieben ist, daß für die Erbtante jedes Jahr das selbe Stück (nämlich der Gefangenenchor aus Nabucco" ausgesucht wird :


    "Das geht so schön ins Ohr, das kann die Tant, grad noch verstehen,
    denn es gehn so zu Herzen die Terzen......."


    Und genau das ist der Punkt : Ich liebe vorhersehbare Harmonien.
    Ich sehe schon die pikierten Miienen


    Aber sowohl Mozart, Haydn, Schubert, ja sogar Beethoven
    und Natürlich Verdi, sowi die gesamte Schule des Belcanto
    haben solche Strukturen eingesetzt.
    Wenn wir bei Beethobven suchen, dan finden wir auch in seinen Sinfonien solche Themen - wiewohl das gerne unter den Tisch gekehrt wird (beispielsweise das "Eroica-Motiv", das Beethoven ja den "Ruinan aus Athen entlehnt hat.


    Zudem liebe ich Musik von majestätischer Erhabenheit, strahlender triumphierender Helle, liebliche Cantilenen.


    Weniger liegen mir Adagios, düster- dumpfes langsames, schwermütiges. Bizarr atonales macht mich aggressiv und bösartig- und ich denke mir dann aus was ich mit den Verfechtern solcher Musik anstellen würde - wenn ich könnte......


    Natürlich spielen auch die Instrumente eine Rolle:


    Mein absoluter Favorit ist das Klavier, dicht gefolgt von der Geige (eigentlich liebe ich die Viola noch mehr - aber sie wird ja nur selten solistisch eingesetzt.) Auch das Cello zählt zu meinen Lieblingsinstrumenten, ebenso wie das Horn. Auch Pauken verursachen bei mir ein angenehmes Kribbeln.....


    Ich mag an sich keine Flöten und auch keine Klarinetten (Ausnahmen gibt es natürlich schon) Warum die Orgel "Königin der Instrumente" genannt wird ist mir indes schleierhaft...


    Meine konzertante Lieblingsgattung ist somit das Klavierkonzert, bzw die Klaviersonate....


    mfg aus Wien


    Alfred


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !