Was zuviel ist, ist zuviel....

  • ....möchte ich angesichts der Karajaniserung dieser Tage ausrufen.


    Der Tagesspeigel ergeht sich in den letzten Ausgaben in Kniefällen, kritischen Betrachtungen, Einspielungshuldigungen etc.


    Die mediale Überpräsenz erreicht selbst in vermeintlich seriösen Tageszeitungen eine Qualität, die der Berichterstattung über Britney Spears und anderen Sternchen in Boulevard-Formaten alle Ehre macht.


    Das ganze in Ausmaßen, daß mir nach diesem zumute ist: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:


    Das hat nicht einmal Karajan nicht verdient, so eine mediale Ausschlachtung hat IMO kein Dirigent verdient. Ein solches Brimborium würde ich bei KEINEM Dirigenten begrüßen -
    egal wie sehr ich diesen schätze: weder Bernstein, noch Fricsay, noch Kleiber. Niemand.


    Die Schumann-Resonanz vor zwei Jahren zu dessen 150. Todestag war nicht halb so ausufernd wie diese Bestätigung für einen degenerierten Markt, in dem es kaum um Kunst, sondern um autokatalysierende Medienprozesse geht.


    Indes habe ich mir voller Erwartung das 1966er Dirigat Karjans der 5. Symphonie Beethovens auf arte angesehen. Nach dem zweiten Satz habe ich zur 9. von Beethoven unter Fricsay und den Philharmonikern gegriffen, zumindest zur "Ode".


    :hello:
    Wulf

  • Ich persönlich finde diese Berichterstattung sehr begrüßenswert.


    Eine Kombination von boulevardeskem Geniekult, schöner Musik, prominenten Interviewpartnern und dem modernen Bestreben, das Privatleben aufzudecken, wie wir es ja von anderen (historischen) Persönlichkeiten auch kennen, ist doch mitunter sehr angenehm.


    Ich kann zwar verstehen, dass viele das so nicht mögen oder sich wenigstens eine kritische Note wünschen würden, aber ich selber tue mir das gerne an.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Original von Wulf
    Die mediale Überpräsenz erreicht selbst in vermeintlich seriösen Tageszeitungen eine Qualität, die der Berichterstattung über Britney Spears und anderen Sternchen in Boulevard-Formaten alle Ehre macht.


    So, lieber Wulf, dann nenne uns doch bitte mal diese "vermeintlich seriösen Tageszeitungen" mit den an Britney Spears erinnernden Berichtserstattungen über Karajan. Ich nehme für Dich mal folgendes vorweg: Die Berichte in der Welt, der SZ, der FAZ, der Frankfurter Rundschau, der Berliner Zeitung, der ZEIT kannst Du nicht meinen. Die habe ich gelesen und die waren durchweg auch ausgewogen kritisch. Welche meinst Du also? Bitte auch den Artikel nennen.


    Loge

  • Mir war irgendwie klar, dass früher oder später Karajan-Hater auftauchen würden. Wenn´s dich dermaßen stört, dann ignoriere die Berichte halt! Oder kümmerst du dich auch um Britney Spears´ Zeug?

  • So, lieber Loge, dann muß ich wohl wieder zur Berliner Zeitung wechseln, denn der von mir oben genannte Tagesspiegel - einst das Aushängeschild Berlins in Sachen ernsthafte und kritische Berichterstattung - ist auf Talfahrt. Dass die Berichterstattung der boulevardesker Blätter gleichkommt, war bewußt übertrieben, um die Tendenz aufzuzeigen.
    Beispiele? Die Rubrik Karajans Klassiker huldigt in einem devoten Ton sicherlich anständigen Aufnahmen der frühkarajanschen Wirkungsphase, der meines Erachtens das Blatt nicht wert ist, auf dem er zu finden ist. Dort ist die Rede vom "schönsten, differenziertesten und präzisesten Schönberg, der bisher zu hören war" die Rede. Oder da ist von der mächtigen Leistung Karajans beim Boris die Rede, in Töne gefasste Unterdrückung herauszuarbeiten, da Karajan selbst unter diesem Druck zu leiden hatte.
    Unglaublich differenzierte Aussagen, die in der Rubrik der Lobpreisungen selbst stärkset Karajan-Befürworter verblüfft haben sollte. Die umstrittene Feuilleton-Dame des Tagesspiegels - zuerst voller Demut vor dem göttlichen Maestro - fand erstaunlicherweise vorgestern kritische Töne. So v.a. zur Aufnahme Karajans mit der Musik der sog. Zweiten Wiener Schule.


    Der letzte Unbedingte prangert auf der Titelseite des Tagespiegels. Und im Artiklel besagter Dame (ihr Name ist mir gerade entfallen, werde gleich nachschauen) wird der kühle Ästhet Karajan, dem "schweißgebadeten Emotionalisten Bernstein" und den " Thielemanns, Barenboims und Abbados" unserer Zeit gegenübergestellt.


    Verzeihung, aber solche Formulierungen sind fürs Poesiealbum - unter den Fotos des göttlichen Maestros würden sie keinen stören und nicht das Niveau einer einst angesehen Tageszeitung untergraben.


    Und seien wir doch einmal ehrlich, lieber Loge: Karajan ist ein Gesamtpaket, der mit seinem - zugegebenermaßen - äußerlich nicht unattraktiven Erscheinungsbild, seiner eigenen konsequenten Vermarktung und dem nutzlichen Adelsprädikat, das noch zusätzlich eine Aura des Erhabenen schafft, eine Aufmerksamkeit erlangt hat, die wohl kaum ohne genannte Punkte die selbe gewesen wäre.
    Aber das ist ja nichts neues.


    Von anderen Tageszeitungen weiß ich wenig - die Berichterstattung der ARD wurde ja bereits ausgierbig hier im Forum kommentiert und läuft bar jeder maßvollen, investigativen Berichterstattung.


    MfG
    Wulf

  • Zitat

    Original von iLLumination
    Mir war irgendwie klar, dass früher oder später Karajan-Hater auftauchen würden. Wenn´s dich dermaßen stört, dann ignoriere die Berichte halt! Oder kümmerst du dich auch um Britney Spears´ Zeug?


    Lieber iLLumination, es ist eine erwiesene Tatsache unserer heutigen Meidenzeit, daß selbst der hartgesottenste Verweigerer gesellschaftliche Umtriebe mitbekommt, ob er will oder nicht. So weiß ich, ohne es jemals gewollt zu haben, daß es eine Dschungelshow auf RTL gibt und daß man dort auch einen Superstar sucht. Wenn man nicht völlig die Augen verschließt, ohne Zeitung und Fernsehen lebt, kommt man - leider - um gewisse Infos nicht herum.


    Zudem möchte ich anmerken, daß ich kein "Karajan-Hater" bin, ich hasse keine Menschen und nur weil ich seinen Interpretationen sonderlich nicht viel abgewinnen kann, mußt Du als glühender Karajan-Apologet nicht gleich Alarm schlagen - schließlich kannst Du meinen Bericht einfach ignorieren. Denn ich poste nur hier im Forum und nerv Dich schließlich nicht auf jeder Titelseite mit meinen belanglosen Zeilen.


    LG
    Wulf


    P.S. Desweiteren schrieb ich, daß mich eine solche Berichterstattung bei JEDEM Dirigenten/Interpreten enervieren würde.

  • Zitat

    Original von Wulf


    Der letzte Unbedingte prangert auf der Titelseite des Tagespiegels. Und im Artiklel besagter Dame (ihr Name ist mir gerade entfallen, werde gleich nachschauen) wird der kühle Ästhet Karajan, dem "schweißgebadeten Emotionalisten Bernstein" und den " Thielemanns, Barenboims und Abbados" unserer Zeit gegenübergestellt.


    Hm, den Titel finde ich interessant. Entweder ist die Dame reichlich unbedarft bzw. hat ihr Hirn durch eine Musikfixierung gänzlich vernebelt - oder aber hier findet sich eine sublime aber dadurch nicht minder scharfe Polemik formuliert. Worauf spiele ich an? Auf den Titel des folgenden Buches, das vor wenigen Jahren die Feuilletons beschäftigte und einigermaßen für Furore gesorgt hat:



    Ich denke, an der Mitarbeiterin eines Feuilletons dürfte Michael Wildts »Generation der Unbedingten« eigentlich kaum vorübergegangen sein...


    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...


    Viele Grüße,
    Medard

  • Ich bekomme von der Berichterstattung nur Ausschnitte mit - ZEIT, FAZ und NZZ vor allem - und finde sie vielleicht deswegen weniger ärgerlich als nachdenkenswert.


    Dieses sich in Strömen ergießende Verehrungsbedürfnis - einer hat sogar, möglicherweise war's sogar in der NZZ, entdeckt dass es "nur" einen Parteibeitritt gab und zwar - Überraschung - als Eintrittskarte für Ulm...


    Aber dahinter liegt mehr, und durchaus nicht nur Belangloses. Stilisierung, auch Selbststilisierung, Glättung, Beschönigung, ein bisschen Falschheit und Lüge: ohne geht's nicht, nicht im Leben, nicht in der Kunst, nicht für's Individuum, nicht für soziale Gebilde.


    Aus dieser Perspektive ist Karajan für mich wesentlich interessanter als aus musikalischer, aber auch da führt er eine gerade der Musik seiner meistgespielten Komponisten auch (! nicht ausschließlich, aber eben doch!) innewohnende Tendenz zum Gipfel und ad absurdum - für mich, für andere bleibt's halt beim Gipfel.


    Und dieses wunderbar umfassende Paket: die adelige Geburt, der Parteieintritt, die Wirtschaftswundermedienkarriere, die schnellen Autos und die göttliche Kunst, alles mit geföhnter Tolle: ich find' den Mann so sehr die Krönung einer Entwicklung, dass er einen Wert als Studienobjekt hat, der auch der aktuellen Flut des Geschreibsels einen gewissen Reiz und Erkenntniswert verleiht.



    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Die Kandidatin eben bei "Wer wird Millionär" hatte es trotzdem nicht gewußt...
    Sie entschied sich für Konrad Adenauers 100. Geburtstag - tja... :P

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Ich denke, an der Mitarbeiterin eines Feuilletons dürfte Michael Wildts »Generation der Unbedingten« eigentlich kaum vorübergegangen sein...


    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...


    Hallo Medard,


    vielleicht gingen der Dame beim Schreiben gerade die (falschen) Gerüchte über eine SD-Mitarbeit Karajans durch den Kopf und so kam es dann zum synaptischen Kurzschluss mit Wildts RSHA-Studie... :wacky:


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • :wacky:


    Naja, ganz so eng würde ich das Ganze vielleicht nicht sehen wollen... Dem guten Wildt geht es ja eher um die (kollektiv)biographischen Voraussetzungen des Unbedingt-Seins als Handlungsmaxime. Ob das allein für SD-Mitarbeiter und Einsatzgruppen-Leiter zutrifft (auch wenn er's daran exemplifiziert [IMO übrigens nicht wirklich überzeugend])? Da hab' ich so meine Zweifel - so speziell ist deren Sozialisation in einem bildungsbürgerlichen Milieu zwischen 1895 und 1910 auch nicht verlaufen...


    Wahrscheinlich ging der Dame aber überhaupt nichts durch den Kopf, als sie dies schrieb - was allerdings kein gutes Licht auf sie werfen würde und nur bewiese, daß Scheuklappen ein beliebtes Accessoire sind...


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    WULF
    Auf der ersten Seite des Kulturteils hält Anne-Sophie Mutter eine Lobrede auf Karajan.
    Niemand habe die Kinder so gefördert wie er. Ich habe den Artikel noch nicht gelesen, aber ein essentieller Satz steckt schon im Titel: Niemand habe die Kinder so gefördert wie er.
    (Daß kaum jemand außer HvK selbige wieder eiskalt fallen lassen konnte, bin gespannt, ob das auch erwähnt wird - da es aber eine Lobrede, vermutlich gar eine Art Hymne sein wird, habe ich so meine Zweifel....)


    Stimmt, lieber Wulf: Was zuviel ist, ist zuviel.
    Irgendwelche Behauptungen aufstellen und dann nicht die E... haben, sich zu korrigieren.
    Shame on you!
    Ein weiterer Schlechtpunkt für die Fraktion der Karajanhasser....

  • Wieso ist man automatisch ein Karajanhasser, wenn man mit dem Mann nichts anfangen kann? Passt es nicht in das Weltbild seiner Apologeten, dass es Menschen gibt, denen er schlicht und einfach egal ist?? Ich hasse Karajan nicht, denn das setzt eine wie auch immer geartete emotionale Bindung an ihn voraus, die ich aber nicht habe. Zu seinen Lebzeiten nervte mich der Starkult (Speziell in Salzburg) rund um den GRÖDAZ ganz gewaltig, seit er tot ist, ist er mir, siehe oben, wurscht.
    Zeitungsartikel nerven mich nicht, denn ich lese keine Zeitungen, dass aber seit Tagen das Forum mit Karajan-Threads zugemüllt wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber wenn es einmal fünf Opernthreads gleichzeitig gibt, schreien gewisse Leute Zeter und Mordio über die "Einseitigkeit" des Forums........
    Ich verstehe Wulf sehr gut!
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von flotan



    Stimmt, lieber Wulf: Was zuviel ist, ist zuviel.
    Irgendwelche Behauptungen aufstellen und dann nicht die E... haben, sich zu korrigieren.
    Shame on you!
    Ein weiterer Schlechtpunkt für die Fraktion der Karajanhasser....


    Du bist noch jung und brauchst das Geld, deswegen sehe ich Dir das mal nach.
    Es gibt nichts zu korrigieren. Für Dich aber gerne nochmal:


    1. Ich habe die Namen nicht auswendig parat
    2. Ich hatte bis Freitag inkl. KEINE ZEIT,Artikel über Karajans Kinderliebe zu Tage zu fördern


    3. was mir besonders am Herzen liegt, weil ich glaube, daß Du das verstehen wirst, wenn Du nur möchtest: Ich bin kein "Karajanhasser" (was für ein absurdes Wort!!). Ich hasse niemanden, Hass ist ein starkes Wort, dessen inflationärer Gebrauch genauso nutzlos ist wie das inflationäre Erstellen von Karajan-threads.


    Ich habe gar nichts gegen diesen Menschen, wie könnte ich auch. Nur eins noch, mit Verlaub: Seine Aufnahmen reißen mich meist nicht vom Hocker, deswegen tangiert die Person Karajan mich peripher. Daß für Dich alle Kritiker Deines Abgottes gleich zu Hassern aufsteigen, bewertet deren Besdchäftigung mit seiner Person über.


    MfG
    Wulf

  • Also - es ist schon so, daß es in diesem Forum regelrechte Karajanhasser gibt.
    Ich akzeptiere das - wenngelich ich deren Haß belächle- denn desto mehr der Mann verunglimpft wir - desto mehr Leute interessieren sich für ihn.


    Manch einer, der durch einschlägigie gleichgerichtete Musikpresse "informiert" wurde, daß Karajan einen dicklichen "Breitwandsound" zelebriert habe wird durch die immerwährenden Angriffe neugierig - und wird seine erste Karajan-CD erstehen - die Deutsche Grammophongesellschaft möge es Euch vergelten.


    Was mich indes wundert, daß es hier auch einen harten Kern von Karajan-Anhängern gibt, der bisher im Verborgenen wirkte - und nun anscheinend aus seiner "Deckung" hervorkommt.


    Damit können die "Karajan-Ablehner" (Hasser -solche Worte sind heutzutage unerwünscht - wir leben im Zeitalter der verbalen Behübschung - sagt man doch auch statt "Weltdiktatur der Konzerne" lieber "Globalisierung") wiederum nicht leben. Sie lebten in dem Glauben den Nibus des Meisters längst abgewürgt zu haben - und müssen nun erfahren, daß der mächtiger ist als je.


    Religiöse Menschen wussten es schon immer; Eine lebende Legende wird - ist sie erst einmal verstorben - zu einer wirklichen Bedrohung für ihre Gegner -man kann sie nicht mehr töten - und sie wird von Tag zu Tag übermenschlicher (das Wort "gottähnlicher" vermeide ich lieber in diesem Zusammenhang)


    Diese Threads indes zeigen ganz deutlich, daß Hv.K noch immer die Gemüter erregen kann. Dagegen sind viele andere Künstler nur ein schwacher Abglanz.


    Nicht mal der "Karajan versus Celi" Thread konnte die Leute interessieren - wies scheint ist das Interesse an Celibidache bereits erloschen. Warten wir also bis zu dessen 100. Geburtstag.


    mfg


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Wulf
    Die Schumann-Resonanz vor zwei Jahren zu dessen 150. Todestag war nicht halb so ausufernd wie diese Bestätigung für einen degenerierten Markt, in dem es kaum um Kunst, sondern um autokatalysierende Medienprozesse geht.


    Hallo?


    Nichteinmal Mozart hat - nach meinem Empfinden - im Mozartjahr derart "herumgenervt" wie die derzeitige Karajanschwemme. Entsprechend kann ich Wulfs Vorwürfe gut nachvollziehen!


    Der Grund dafür dürfte darin zu suchen sein, daß Mozart und Schumann weniger Konfliktpotential beherbergen, als der Dirigent Karajan. Das sollte auch die Administration ein wenig berücksichtigen, finde ich. Sollen hier jetzt neuerdings bewußt Grabenkämpfe provoziert werden oder soll dies ein Test sein, welcher de Öffentlichkeit zeigt, daß eben diese Provokationen bei Tamino auf unfruchtbaren Boden fallen [was sie nicht tun!]?


    Mich persönlich interessiert dieser Dirigent mit seinen Ergebnissen eher weniger - aber ich sehe ihn als Geschöpf seiner Zeit, was ich respektiere.


    Was mich an all diesen Jubiläen wirklich stört, ist, daß es nicht um die eigentlich zu ehrenden Personen geht, sondern um jene, die sie vermarkten. Es handelt sich regelrecht um Ausschlachtfeste - die alte Scheiße neu verpackt und verjubelt. Ein Grund zum Jubeln:


    :jubel: :jubel: :jubel:


    [SIZE=7]...für die Rechteinhaber.[/SIZE]


    Da ich weder Tageszeitung, noch Fernsehen, noch Radio verwende, bekomme ich von dieser Schwemme nur durch TAMINO etwas mit - das kann ich aber ganz gut ignorieren. Ziemlich bald wir der Spuk wieder vorbei sein - man stirbt nur zweimal [oder wie das heißt].


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Dem guten Wildt geht es ja eher um die (kollektiv)biographischen Voraussetzungen des Unbedingt-Seins als Handlungsmaxime. Ob das allein für SD-Mitarbeiter und Einsatzgruppen-Leiter zutrifft (auch wenn er's daran exemplifiziert [IMO übrigens nicht wirklich überzeugend])? Da hab' ich so meine Zweifel - so speziell ist deren Sozialisation in einem bildungsbürgerlichen Milieu zwischen 1895 und 1910 auch nicht verlaufen...


    Das "Unbedingt-Sein" ist sicher nicht monokausal zu sehen. Wildts Studie ist ja eigentlich nur eine Materialsammlung zu der These, die Ulrich Herbert in seiner Biographie über Werner Best aufgestellt hat, nämlich, dass die Täter der Endlösung viele Merkmale teilten:


    - deutschnationales, bürgerliches Elternhaus und Millieu
    - zu jung für die Front, aber alt genug, um den Zusammenbruch des Kaiserreiches und seiner Wertordnung mitzuerleben ("Kriegsjugendgeneration")
    - politische Radikalisierung in der völkisch-antisemitischen Studentenbewegung der 20er und frühen 30er Jahre
    - emotionale Kühle, "Generation der Sachlichkeit", "professionelle"/technokratische Einstellung zum Beruf


    Karajan teilte als Generationsgenosse die meisten dieser Eigenschaften. Und gerade zum Jubiläum habe ich gelesen, dass Karajan sich als Student an der Technischen Hochschule Wien Ende der 20er als "Arier" eintrug. Also vielleicht auch eine gewisse Nähe zum völkischen Antisemitismus der damaligen Zeit... "www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/601/167122/"



    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Nichteinmal Mozart hat - nach meinem Empfinden - im Mozartjahr derart "herumgenervt" wie die derzeitige Karajanschwemme.


    Ist zwar Off-Topic, aber es muß raus, sonst platze ich:


    DOCH


    Okay, liegt vielleicht auch am Geburtsdatum, aber bereits im Januar 2006 konnte ich Wolferl einfach nicht mehr ertragen. Jedesmal, wenn ein Vertreter mit Neuheiten ankam, war wieder ein ganzer Schwung unnötiger Neu- und Wiederveröffentlichungen dabei.
    Bei Karajan geht's etwas gemäßigter zur Sache - vielleicht, weil Karajan selbst nicht viel im Archiv verschimmeln ließ? Jedenfalls ist es ungleich schwieriger, eine neue Karajan-Aufnahme zu machen als einen jungen Pianisten oder sonst einen armen Kerl, Frau oder Orchester dazu zu nötigen, doch bitte einmal Mozart aufzunehmen.


    :pfeif: Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...


  • Es kommt natürlich darauf an, wo man damit konfrontiert wird. Es geht natürlich nicht darum, daß man von berufswegen damit zu tun hat - in meinem Job nervt mich auch vieles, das tagtäglich wiederkehrt. Ich denke, es geht hier um die allgemeine Betrachtung durch den Konsumenten [wenn ich das richtig verstanden habe, bist Du genau jener, der die Konsumenten bedient].


    Da kann ich natürlich nachvollziehen, wenn man dann


    DOCH


    schreibt.


    In diesem Fall bin ich hingegen der Meinung, daß man der Sache mit Interesse begegnen muß, um am Markt weiterhin bestehen zu können. Leider.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ob es um Karajan geht oder wen auch immer...


    jedes Tier und jeder Mensch wirkt auf Überreizung von außen mit Aggressionen oder Angst. Das ist völlig normal.


    Auch ich kann die Worte "Mozart" und "Karajan" zur Zeit kaum noch ertragen, was mit Inhalten oder Musik nichts zu tun hat.


    Was zu viel ist, ist zu viel.


    So ist unsere Kultur der Gesellschaft / Gesellschaft der Kultur nun einmal: Entweder du hörst gar nichts von einem Künstler oder du hörst (bei Jubiläen) nichts anderes.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Was mich indes wundert, daß es hier auch einen harten Kern von Karajan-Anhängern gibt, der bisher im Verborgenen wirkte - und nun anscheinend aus seiner "Deckung" hervorkommt.


    Der 100. Geburtstag (und wohl auch noch der 2009 sich zum 20. Mal jährende Todestag) dürfte, wie Loge es bereits andeutete, eine Karajan-Renaissance einleiten (wir erleben es ja gerade selbst mit) - obschon er unbestritten auch all die Jahre von den 80ern bis heute der meistverkaufte Dirigent war - und wohl auch bleiben wird.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Jap! Interessant ist - und hier gerät dann HvK vielleicht doch ins Blickfeld (und zwar ganz unabhängig davon, ob er ein, zwei, dreimal oder gar nicht in die NSDAP eingetreten ist bzw. wäre) - daß sich das Unbedingt-Sein als eine Art Persönlichkeits-Signatur innerhalb einer, zudem sozial einigermaßen klar konturierten Alterskohorte ausmachen läßt (ohne, daß die allesamt gleich beim RSHA landen mußten). Helmuth Lethen hat dies übrigens bereits schon 1994 in seiner Studie »Verhaltenslehren der Kälte« gezeigt und insbesondere auch anhand der Ästhetik der 1920er und 1930er Jahre - wie ich finde: recht überzeugend - exemplifiziert (Ästhetiken der Neue Sachlichkeit, des Heroismus, des soldatischen Nationalismus und des Faschismus).
    Vielleicht ist Karajans Interpretationsästhetik und sein Klangideal eben doch ganz erheblich von den »Verhaltenslehren der Kälte« imprägniert (und wenn jetzt einer kommt und behauptet, das sei Quatsch, weil Karajans Sound ja gerade nicht »kalt« sei: Lethen lesen!) und von »Unbedingheit« bestimmt.


    Der BBF hat letzthin in einem der vielen Karajan-Threads (und zwar hier) einige Gedanken formuliert, die mir in dieser Richtung sehr treffend zu sein scheinen.


    Die Erfahrung allerdings lehrt uns, daß man soetwas hier kaum sachlich wird diskutieren können, ohne in irgendwelche Grabenkriege zwischen Karajanisten und Anti-Karajanisten zu geraten...


    Viele Grüße,
    Medard


    p.s.: Herberts Best-Studie ist IMO absolut beklemmend.


  • Ist das jetzt eigentlich ein verspäteter Aprilscherz oder verliert da jemand allmählich den Kontakt zur Realität????? Gottlob bin ich kein religiöser Mensch, sonst würde ich mich über diese Blasphemie jetzt ziemlich aufregen.
    Karajan und "gottähnlich" - geht's eigentlich noch???????? (Auch wenn du sagst, du willst diesen "Ausdruck lieber vermeiden".....)
    lg Severina :hello:

  • Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Karajan für manch einen ein Abgott (oder auch Gott) ist. Aber das ist ja nichts Karajan-Spezifisches - man denke nur an diverse Pop-Stars. Dann schon lieber Karajan. :untertauch:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Medard,


    vielleicht liegt in dieser emotionalen Kälte der Schlüssel dafür, weshalb Karajan weniger als Person denn als soziologischer Typus und Repräsentant seiner Zeit ("Dirigent des Wirtschaftswunders") interessant ist. Als Mensch, der ganz technokratisch in der immer gleichbleibend atemlos vorangetriebenen Perfektionierung seines Tuns aufgeht, ja als Person hinter der "Aufgabe" verschwindet. Insofern ist es gar nicht verwunderlich, dass der "private" Karajan derartig uninteressant und "gewöhnlich" ist und eine Betrachtung kaum lohnt.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Felipe II.
    Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Karajan für manch einen ein Abgott (oder auch Gott) ist. Aber das ist ja nichts Karajan-Spezifisches - man denke nur an diverse Pop-Stars. Dann schon lieber Karajan. :untertauch:


    Wieso? Idolatrie ist Idolatrie (und grenzt bisweilen an Idiotie), ganz gleich, ob die Figur auf dem Götzenbildchen eine Silberlocke oder einen Beehive trägt ... ;)


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Wieso? Idolatrie ist Idolatrie (und grenzt bisweilen an Idiotie), ganz gleich, ob die Figur auf dem Götzenbildchen eine Silberlocke oder einen Beehive trägt ... ;)


    Viele Grüße,
    Medard


    Lieber Medard,


    freilich, da ich subjektiverweise aber Karajan jedem Pop-Star vorziehe, könnte ich es bei Heribert noch eher verstehen. :angel:


    Liebe Grüße :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Wulf,
    es ist auch in Österreich völlig unerträglich. Eine Tageszeitung etwa verramscht Karajan-Aufnahmen ungefähr zu dem Preis, den sie tatsächlich wert sind. Was jetzt kommt, ist die reine Vermutung eines nicht Praxisfernen: Um den Preis halten zu können, wurde den Copyright-Inhabern eine Karajan-Serie versprochen. Wie objektiv die ausgefallen ist, kannst Du Dir ausrechnen. Und Karajan hat eine wunschgemäße Nachrede mehr.


    Meiner Meinung nach hat kein Künstler - und schon gar kein bloß nachschöpferischer - der gesamten Menschheitsgeschichte auch nur annähernd das verdient, was derzeit mit Karajan aufgeführt wird.


    Andererseits erweist sich wieder einmal mehr, daß Karajan primär ein Phänomen des Marketings ist und nicht der musikalischen Qualität.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Felipe II.
    Lieber Medard,


    freilich, da ich subjektiverweise aber Karajan jedem Pop-Star vorziehe, könnte ich es bei Heribert noch eher verstehen. :angel:


    Liebe Grüße :hello:


    Ja, das sehe ich naklar sofort ein. ;)


    Weitaus eindrucksvoller wären Hebschas Dirigate aber gewesen, wenn sein Hairstylist ihm mal einen ordentlichen Beehive verpaßt hätte - ich meine, da hätte doch zum Beispiel sowas wie der »Hummelflug« unter seinem Taktstock noch viel authentischer gewirkt...


    Viele Grüße,
    Medard

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