Bach: Johannes-Passion

  • Johannespassion mit neuem Text:


    Ihr habt alle so Recht!


    Ich bin auch gegen jede Art von neuer Textfassung, wollte die interessierten Kreise aber nicht in Unkenntnis lassen über ein höchst zweifelhaftes Ansinnen. Das ist so wohl auch nur in Berlin möglich. Fängt man erst einmal an, müsste sehr vieles umgeschrieben werden - und Luther gehörte in den Giftschrank.


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Sagitt meint:


    Ich dachte, ich hätte, aber nein, ich habe nicht.


    http://www.amazon.de/Johannes-…TF8&qid=1361808272&sr=8-1


    Benoit Haller mit seiner chapelle rhenane ist für DER Interpret der letzten Jahre. Wunderbar, wie er Emotionalität realisierte. Nicht, dass er die besten Solisten hätte, aber seine Interpretation ist von einer Eindringlichkeit, die ihresgleichen sucht. Oftmals schnell, aber es fühlt sich nicht gehetzt an, sondern im Dienst der emotionalen Gestaltung dieser emotionalen Musik.


    Welche Fassung Haller verwendet, ist mir nicht klar, weil der Eingangschor von der Fassung 1724 stammt, Herr, unser Herrscher, aber sonst die Veränderung von 1725 realisiert.


    Wir probieren gerade für Karfreitag die Fassung von 1725. Mir gefällt diese Version. Auch wenn der versöhnliche Schlußchor fehlt und für uns Bässe die Gelegenheit, das tiefe E zu singen ( auch wenn es keiner hört).


    Die Aufnahme von Haller, die sicher Kontroversen hervorrufen wird, möchte ich jedenfalls in die Diskussion einbringen. Ich ziehe zB deutlich der Version von Herreweghe vor.

  • Sagitt meint:


    Gestern haben wir die Fassung 1725 aufgeführt. Baß und Tenor sind mit ausgesprochenen virtuosen Arien gefordert. Aber auch dem Orchester wird ziemliche Virtuosität abgefordert. Beim Duett "Himmel reisse" wurde die Jugendkantorei eingesetzt. Sich zwischenzeitlich vom I-phone losreißen zu müssen, ist der Sauberkeit des Intonierens etwas abträglich. Die Solisten haben die Anforderungen ganz gut bewältigt, die Altistin Susanne Krumbiegel war sehr anhörenswert.
    Ich finde die so virtuosen Arien interessant, kommen sie den dramatischen Aspekten dieser Passion sehr entgegen.
    Dass den Leipzigern ein solches Spektakel zu Karfreitag nicht gefallen konnte, ist zu berichten. Sie wollten Karfreitag keine "Oper" in der Kirche hören.


    Der Schlußchor der 1725er Fassung ist gegenüber der Fassung 1724 nicht überzeugend. Hat "Ach, Herr" transcendente Qualität, möchte man bei der Fassung 1725 eigentlich nach " Ruhet wohl" Schluß machen.


    Ich finde, es sollte bei der meist gespielten Fassung von 1724 bleiben. "Herr, unser Herrscher" passt zu einem Passionsgeschehen aus der Sicht des Johannes.

  • Johann Sebastian Bach
    Johannespassion BWV.245


    Jon Etxabe Arzuaga (Servus; tenor)
    Marcel Beekman (tenor)
    Erks Jan Dekker (Pilatus; bas)
    Steven van Gils (Servus; tenor)
    Patrick van Goethem (alt)
    Nele Gramms (sopraan)
    Valeria Mignaco (sopraan)
    Bart Oenema (bas)
    Thomas Oliemans (Christus; bas)
    Markus Scháfer (evangalist; tenor)
    Geert Smits (bas)
    Cappella Amsterdam
    Orkest: Orkest van de achttiende eeuw
    Dirigent: Frans Brüggen
    Locatie: Muziekcentrum Vredenburg Utrecht
    Opnamedatum: 28 maart 2007


    Audio on demand:
    http://www.radio4.nl/luister-c…passion-olv-frans-bruggen

    mfG
    Michael

  • Hallo,


    einige Bemerkungen zu den von Schneewittchen vorgestellten Aufnahmen der Johannispassion von Bach:



    De Vries: Eingangschor beinahe zu langsam – „Petrus der nicht denkt zurück“, wenig auf den Text eingehende Phrasierung – Christus der uns selig macht „verlacht, verhöhnt und verspeit“, sehr wenig Ausdruck – „Wir dürfen niemand töten“, für die Gewichtigkeit der Aussage zu schnell - „Sei gegrüßet lieber Judenkönig“ , kein Dynamikunterschied ab ca. 19:50 – „Wir haben ein Gesetz“, viel zu schnell, da wird mit Recht, also mit Gewicht, mit Bedeutung argumentiert, aber unterdrückter Emotion – Durch dein Gefängnis Gottes Sohn „müsst uns die Freiheit kommen…Freitstatt aller Frommen“, da fehlt die emotionale, freiheitliche Dynamiksteigerung – „Lässet du diesen los“, ab ca. 26:30 müsste weniger Tempo kommen, die Wiederholung ist keine emotionale Steigerung, sondern soll das Pflichtbewusstsein Pilatus‘ schärfen, also eindringlicher sein, aber nicht durch Tempo – „Lasset und den nicht zerteilen“, etwas weniger Tempo, dafür mehr Lautstärke, dann käme auch die andere Rhythmusbetonung in den letzten 7 Takten besser zur Geltung.


    Ich habe nun nur die Stellen genannt, die mir nicht so ganz gelungen schienen; die Aufnahme insgesamt finde ich sehr gut, besonders gut ist die große Transparenz zwischen Orchester und Chor, sowie die gute Textverständlichkeit auch beim Chor.



    Frans Brüggen: Eingangschor nun tatsächlich zu langsam – es ist mir zu zeitaufwändig, diese Aufnahme wie die vorhergehende zu beschreiben; im Großen und Ganzen habe ich aber die ähnlich kleinen Einwendungen.
    Die Aufnahme hat jedoch leichte Schwächen bei den Solisten (Jesus, Tenor), worunter auch die Textverständlichkeit etwas leidet; die Transparenz und der Klang insgesamt erreicht nicht die Qualität (was mehr am Chor als am Orchester liegt) der 1. Aufnahme.



    Sigiswald Kuijken: Für mich die beste Aufnahme – Transparenz, Klang von Chor, Solisten Chor, Textverständlichkeit aus einem Guss; den Evangelist muss ich extra hervorheben, sehr gute Akzentuierung; der Pilatus hat die Ausdrucksmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft.
    Die Phrasierung im Eingangschor finde ich sehr gelungen. Über manche sehr rasche Tempi kann man geteilter Meinung sein, z. B. „Wir dürfen niemand töten – Kreuzige, kreuzige – Wir haben ein Gesetz – Weg, weg mit dem – Wir haben keinen König“ Bei „Lasset und den nicht zerteilen“ passt das hohe Tempo zum ¾-Takt, aber die Mächtigkeit des Streits leidet etwas drunter. Den Schlusschor finde ich bis „Als dann von Tod“ etwas zu schnell.



    Der Konzertchor Nürnberg-Fürth (ca. 40 Sänger/innen), bei dem ich mitsinge, hat dieses Werk am Karfreitag in der Dreieinigkeitskirche, Nürnberg aufgeführt; das Orchester bestand aus Teilen des Orchesters „Klangkonzepte“ (Continuo Cembalo!), die Solisten nicht „von Namen“, aber sehr gut; das behende Tempo des Evangelisten bei guter Textverständlichkeit fand ich passend.
    Als Bezugspunkt wähle ich die Aufnahme mit Kuijken. Bei den Chorälen besteht weitgehend Übereinstimmung (womit ich nicht die Qualität meine). Die Chorus‘ dirigierte unser Chorleiter (Dr. Christian Gabriel) z. T. etwas langsamer (nur bei „Kreuzige, Kreuzige“ und „Weg, weg mit dem“ dem Chor geschuldet). „Lasset uns den nicht zerteilen“ nahm er viel zu langsam, er musste den Chor bremsen, seine Begründung leuchtete mir nicht ein. Einige Fermaten nahm er ganz kurz oder ließ uns nur ein sehr kleines rit. singen. Den Schlußchor ab „Als dann vom Tod erwecke mich“ gestaltete er jedoch ganz anders, was ich äußert treffend fand: „dass meine Augen sehen dich, in aller Freud“ – großes Stringendo und ff bei „Freud“ was sich bei „Gottes Sohn“ (ohne Fermate) zum fff steigerte und dann über ff zu f fallend bis „erhöre mich“; Ritardando ab „ich will dich preisen“ in ff und „ewiglich“ ganz breit in fff.









    Bei dieser hervorragenden Aufnahme aus 2001/02 hat das Tamino-Mitglied Gombert im Chor noch als "Trebles" mitgesungen.







    Leider gibt es bei YouTube keine Gesamteinspielung dieser Aufnahme; der nun eingestellte YouTube-Link hat aber wesentliche Teile des Werks; der Link wird im nächsten Beitrag nachgeliefert (ist mein Fehler), dort können Teile der Passion gehört werden.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Über Ostern habe ich die Johannes-Passion entdeckt, die - zu Unrecht - bei mir immer im Schatten der Matthäus-Passion stand. Was für ein großartiges, packendes Werk. Es ist ja auch gerade eine Neuaufnahme von René Jacobs erschienen. Seine Aufnahme der Matthäus-Passion mit der ungewöhnlichen Aufstellung hinterließ aber doch viele Fragen. Mich würde interessieren, ob es zu dieser Neuaufnahme schon eine Meinung gibt? Toll finde ich jedenfalls, dass er in dieser Aufnahme zusätzlich auch die anderen Sätze aus der Fassung von 1725 berücksichtigt hat. Mit Erwerb der CD kann man sich die frühe Fassung mit einem persönlichen Code komplett im Netz runterladen.


    Viele Grüße,
    Christian


  • Also mir stand die Johannes-Passion immer näher als die Matthäus-Passion. Ich führe es auf die größere Dramatik und die "opernartigeren" Chöre zurück.


    Referenzaufnahme ist und bleibt für mich folgende (und ich zitiere mich selbst von vor vier Jahren):


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Johannespassion für Tenor allein, Cembalo, Orgel und Schlagwerk: Ostern 2020 konnten wir uns im TV bei einer Produktion in der Leipziger Thomaskirche davon hörend und sehen ein Bild machen. Die besondere Fassung vor vom Podium Esslingen erarbeitet und erlebte vor Leipzig bereits etliche erfolgreiche Aufführungen. Auf der Seite des Podiums heißt er dazu: "Der isländische Tenor Benedikt Kristjánsson erzählt ausgehend vom Evangelisten die komplette Passion und nimmt verschiedene Rolle ein, singt dabei auch die Alt- und Sopranarien. Die Cembalistin und Organistin Elina Albach und der Schlagzeuger Philipp Lamprecht zeichnen mit ihrer farbenreichen Bearbeitung das Orchester nach." Es entstehe eine neue, zeitgenössische, und doch dem Original gegenüber sehr respektvolle Version, die die ganze Dramatik der Passion auf einen kammermusikalischen Punkt bringe. Das Publikum singe dabei, wie es in der originalen Aufführungspraxis zu Bachs Zeiten üblich war, die Choräle. Wie ich selbst bei einer Auffohrung in Berlin erlebnt habe, übernahme dabei der Tenor auch noch die Aufgabne des Vorsängers. Unglaiblich, wie er die gigantische Herausforderung durchgestanden hat. Hier nun der Leipziger Mitschnitt. Ausdrücklich möchte ich noch herausstellen, dass wir im Forum die Bekanntschaft mit Benedikt Kristjánsson Caruso und seinem Neue-Stimmen-Thread zu verdanken haben. :)


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Eine beeindruckende, phasenweise erschütternde Fassung der Johannespassion. Auf den dramatischen Kern konzentriert, ohne das reflektierende Moment völlig preiszugeben. Großartig!

  • J.S.Bach "Johannes - Passion"


    Der Komponist Hans Werner Henze schrieb 1983, es kämen in dieser Musik Dinge zur Sprache, die bis dahin mit Tönen zu sagen niemand gewagt, niemand vermocht oder auch nur versucht hatte.


    Vor 299 Jahren, am Karfreitag des Jahres 1724, umrahmte ein neues Werk des ebenfalls neuen Thomaskantors den Gottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche die Johannes Passion, ein musikalische Drama.

    Es beginnt mit einer Musik als würde eine gepeinigte Seele sich in ihrer Qual winden, und auf dem Höhepunkt dieses monumentalen Aufbaus der Chor einsetz, so klingt das wie ein Schrei, der Leid und Erlösung in einem ist!


    Erzählt wird die Passion nach dem Evangelium des Johannes, von der Gefangennahme, Hinrichtung und Grablegung unseres Herrn Jesus von Nazareth. Mit einem mächtigen Chorsatz hat die Passion begonnen, wie schon erwähnt, mit einem zarten und innigen endet sie. Und der zieht eine Art Resümee dessen, was da in den vergangenen zwei Stunden zu erleben war. Durch den Opfertod Christi wird den Sterblichen das Tor zum Himmel, der Erlösung aufgestoßen. Die Johannes-Passion von Bach zählt zu den berühmtesten sakralen Werken der Musikgeschichte. Nachdem fast das ganze Oeuvre des Thomaskantors nach dessen Tod in Vergessenheit geriet, die erste belegte Wiederaufführung nach Bachs Tod, war am Karfreitag den 30.4.1832 in Bremen. Seitdem gehört die Passion zum Standardrepertoire in Kirche und Konzertsaal.


    Die Johannes Passion war 1724 Bachs erste und höchstwahrscheinlich 1749/50 auch seine letzte Leipziger Karfreitagsmusik. In diesem Zeitraum hat er das Werk in mindestens vier teils stark voneinander abweichenden Versionen dargeboten und somit lebenslang um eine gültige Version gerungen.


    Ich war von Anfang an ein großer Fan der Johannes-Passion!


    Jeder Beitrag zu Aufnahmen der Johannes-Passion ist willkommen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Lieber Fiesco, wollen wir nicht im vorhandenen Thread weiterschreiben?

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Lieber Fiesco, wollen wir nicht im vorhandenen Thread weiterschreiben?

    Lieber Tristan2511, das habe ich gesucht und nicht gefunden! Danke!


    Ihr lieben, dann bitte weiter >HIER<:!:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ich habe die Matthäuspassion nur einmal gesungen, da war der Chor so groß, dass wir drei Stunden in drangvoller Enge saßen oder standen. Das war dann nicht Genuss, den diese "Sixtinische Kapelle der Musik" eigentlich bereitet.

    Die Johannespassion habe ich dreimal in drei verschiedenen Chören gesungen, am besten war die Aufführung damals in Essen (Vokalensemble Fulerum). Ich singe nicht so gerne Bach, lieber Schütz, weil Bach die Chorsänger wie Streicher führt. Besonders unangenehm waren für mich "Jesu, meine Freude" und "Singet". Das Magnificat mochte ich noch nie.. Für einen Laiensänger am Anfang eine Tortur, die wir aber durch vieles Üben beseitigen konnten. Grandiose Musik ist es trotzdem.

    Die Johannes-Passion habe ich sofort gemocht .Es ist sowas wie die einzige Oper von Bach. Die Turbae-Chöre sind sensationell und gehören für mich zu den besten Chören, die je geschrieben wurden: "Lasset uns den nicht zerteilen", "Wir haben keinen König", "Lässet du diesen los", besonders aber "Kreuzige" und "Weg, weg, kreuzige".

    Inzwischen hat sich durchgesetzt, dass diese Werke von kleinen Ensembles am besten gestaltet werden. Meine Lieblingsaufnahme ist hier bei YT in ganzer Länge zu sehen: das erweiterte Ensemble von Voces8.

    Noch eine Anmerkung zu den Aufnahmen. Karl Richter lasse ich mal weg. Alle Aufnahmen aus der Thomaskirche habe ich stets abgebrochen. Vor allem in der Johannespassion ist es überdeutlich, dass die Kinder überhaupt nicht verstehen, was sie da singen. Dazu kommt auf der Empore eine drangvolle Enge, was für Kinder immer Undiszipliniertheit und Unruhe heißt. Die großen Thomaner singen besser, aber meist sind es zu wenige, und die paar, die da sind, strömen richtige Gleichgültigkeit aus und starren konstant auf den Klavierauszug. Ich spreche hier nur von den Aufnahmen von Biller und Gotthold Schwarz. Die englischen Knabenchöre haben fast immer einen guten Klang und sind absolut diszipliniert, allerdings haben sie auch fast immer ein Prachtraum zum Singen, die englischen Kathedralen.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Vielen Dank für das verschieben! :!:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Alle Aufnahmen aus der Thomaskirche habe ich stets abgebrochen. Vor allem in der Johannespassion ist es überdeutlich, dass die Kinder überhaupt nicht verstehen, was sie da singen. Dazu kommt auf der Empore eine drangvolle Enge, was für Kinder immer Undiszipliniertheit und Unruhe heißt. Die großen Thomaner singen besser, aber meist sind es zu wenige, und die paar, die da sind, strömen richtige Gleichgültigkeit aus und starren konstant auf den Klavierauszug. Ich spreche hier nur von den Aufnahmen von Biller und Gotthold Schwarz.

    Ich verstehe nicht so ganz, was uns Dr. Pingel vermitteln will. Der Thomanerchor ist kein beliebiger Kinderchor. Die Mitglieder besuchen eines der besten altsprachlichen Gymnasien in Deutschland. Die Bildungsanforderungen sind sehr hoch, der Alltag ist straff organisiert. Wenn er also alle Übetragungen aus der Thomaskirche unter Biller und Schwarz stets abgebrochen hat, wie kann er dann zu seinem fundamentalen strengen Urteil gelangen? Wenn ich richtig informiert bin, gehört es noch immer zur traditionsreichen Bachpflege in Leipzig, im wahrsten Sinne des Wortes auch äußerlich nach den Noten zu singen - als Zeichen des Respekts und der Demut vor dem, was vom Ahnherren geschrieben steht. So also gehören die Notenblätter einfach zwingend dazu. Eine zeitgemäßer Umgang mit Kindern verlangt allerdings, dass man sie nicht an einer Stelle festnagelt. Für mich ist es ja ein wichtiger Teil der unschudigen Wirkung von Knabenchören auch in der Johannespassion, dass sie noch nicht alles was sie zu singen haben, so verstehen können wie mit allen Wassern gewaschene Erwachsene.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Bach: Johannes Passion

    Version 1724




    718FSNLaYQL._UF894,1000_QL80_.jpg




    Grammophon-MagazinAugust 2012



    Zitat
    [die Aufführung] hat eine leuchtende und sanft durchdringende emotionale Wirkung (mit einer der bewegendsten Erzählungen von „Es ist vollbracht“ der letzten Jahre von Meg Bragle). Die Instrumente sind diskret und dennoch integral, und die Qualität der Produktion ergibt eine sehr bedeutsame, zunehmend beeindruckende neue Lesart.

    Das Vokalensemble Les Voix Barocks und das Arion-Orchester haben sich für diese Neuaufnahme von Bachs Johannes-Passion unter der Leitung des Dirigenten und Organisten Alexander Weimann zusammengetan. Die Aufnahme wurde in der Kapelle des Grand Séminaire de Montréal im Anschluss an Aufführungen beim Bach-Festival 2010 in Montreal gemacht.

    Was dieses aus zwei CDs bestehende Set so überzeugend macht, sind seine Gesamtproportionen und seine Ausgewogenheit. Bachs musikalische Vertonung ist sowohl dramatisch als auch intim. Einige Dirigenten betonen lieber das Drama, andere konzentrieren sich lieber auf die intime Variante.Den idealen Mittelweg erreicht Weimann, indem er sich auf Bachs sehr sorgfältig angelegten Text und seine Musik Das ganze wird auf historischen Instrumenten wiedergegeben von Mitgliedern des Arion Barockorchesters unter der Leitung, wie schon erwähnt, von Weimann der auch an der Orgel sitzt.

    Man kann trotz der feinpolierten Oberfläche die Musik total genießen und mit Genuss zuhören, um zu erkennen, wie Bachs Instrumente individuell ausgewählt wurden, um bestimmte Stimmungen und Bilder zu vermitteln.


    Die Solisten und der zwölfköpfige Chor (der alle Solisten außer dem Evangelisten umfasst), singen mit leuchtender, vibrierender Intensität. Die meisten der 12 Mitglieder, abgesehen von denen mit benannten Solorollen, haben Soloarien und es gibt kein Ausfall zwischen ihnen. Der Ton der Gruppe ist reich und voll, und ihre Artikulation ist klar und subtil ausgeprägt. Jan Kabow bringt einen heroischen, gehaltvollen und geschmeidigen Tenor in die Rolle des Evangelisten. Stephan MacLeod hat wie immer einen prächtigen Bass zur Verfügung und ist meisterhaft, aber herzlich persönlich wie Jesus. Esr bietet eine großartige Charakterisierung. Zu den Höhepunkten des Albums gehören das schöne "Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken“ des Tenors Lawrence Wiliford und das schillernde, meist von Bläsern begleitete Solo "Zerfliesse, mein Herze“ der Sopranistin Agnes Zsigovics, sowie auch "Es ist vollbracht" mit Meg Bragle s.o.!

    Weimanns Tempi sind insgesamt zügig und verleihen der Aufführung Dringlichkeit (sie ist etwa zehn Minuten schneller als die durchschnittliche Version), aber er lässt die Momente, auf die es ankommt mit ruhiger Räumlichkeit entfalten. Der makellose Klang von Atma lässt die Reinheit von Bachs Partitur erstrahlen, bietet aber auch jede Menge an Zurückhaltung, wenn die Erhabenheit der Musik es erfordert. Sehr empfehlenswert.


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich habe mir heute die ältere Gardiner CD angehört - die ist schon mehr als sehr gut. Ich habe Alternativen, auch die tolle Naxos CD. Sehr empfehlenswert ist aber aber auch diese preiswerte Box.....


    Die Max/Schumann Version werde ich mir morgen anhören.

  • Ich verstehe nicht so ganz, was uns Dr. Pingel vermitteln will. Der Thomanerchor ist kein beliebiger Kinderchor. Die Mitglieder besuchen eines der besten altsprachlichen Gymnasien in Deutschland. Die Bildungsanforderungen sind sehr hoch, der Alltag ist straff organisiert. Wenn er also alle Übetragungen aus der Thomaskirche unter Biller und Schwarz stets abgebrochen hat, wie kann er dann zu seinem fundamentalen strengen Urteil gelangen?

    Für mich ist es ja ein wichtiger Teil der unschudigen Wirkung von Knabenchören auch in der Johannespassion, dass sie noch nicht alles was sie zu singen haben, so verstehen können wie mit allen Wassern gewaschene Erwachsene.

    1. Ein Punkt, den ich hier außer Acht lasse, ist meine Meinung (die hier von einigen geteilt wird), dass die deutschen Knabenchöre vor allem im Klang mit etwa den englischen nicht konkurrieren können. Zudem gibt es heute sehr gute Alternativen in Aufnahmen in der HIP-Tradition: Gardiner, Herreweghe, vor allem aber Voces8 (bei YT).

    2. Rheingold bemängelt , dass ich eine Musik beurteile, die ich abgebrochen habe. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Ich habe die Johannespassion oft gesungen, viel geprobt, kenne sie sehr gut. Damit ist man befähigt, nach kurzer Zeit zu erkennen, ob die Aufnahme, die man gerade hört, etwas taugt oder nicht. Es ist wie mit Filmen und Büchern: die ersten 30' oder 50 Seiten zeigen einem, ob das was wird oder nicht.

    3. Rheingold beschreibt die disziplinarischen Anforderungen der Thomaner. Er beschreibt etwas, was ich gar nicht kritisiert habe. Sein Argument ist: "Nicht sein kann, was nicht sein darf!" Ich habe aber beschrieben, was ich durch die Fernsehkamera, zT. in Nahaufnahmen, gesehen habe, nämlich Unruhe bei den Kleinen und Desinteresse oder Lethargie bei den Großen. Also nicht die Disziplin im Alltag, sondern die Unruhe im Konzert.

    4.Die unschuldige Wirkung von Knabenchören bei Chören wie "Weg, weg mit ihm, kreuzige ihn!", "Sein Blut komme über uns und unsre Kinder!" oder "Wir haben ein Gesetz und nach dem Gesetz soll er sterben!" möchte ich doch sehr in Zweifel ziehen.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)