Ausweichen in die Waldbühne: Abbado/Pollini

  • Gestern haben wir die Gelegenheit wahrgenommen, unter den ca. 12 000 zu sein, die zusätzlich zu den für die regulären Konzerte gebuchten Gästen in die wegen der Brandschäden zur Ausweichstätte erkorene Waldbühne pilgerten, um Beethovens 4. Klavierkonzert und nach der Pause Berlioz' Te Deum zu erleben.
    Vorneweg: Die Tonaussteuerung beim Beethoven war schauerlich, die Boxen klangen teils wie die Wochenschau, bei dynamischen Wechseln komplett an die Grenzen ihrer Haltbarkeit geführt. Abbados Dirigat erschien mir zunächst sehr zurückhaltend, tatsächlich auf die Begleitung des großartig disponierten Pollini konzentriert. Im dritten Satz dann ein mittleres Wunder: Die Philharmoniker at their best, mit wundervoller Differenzierung der Klangebenen, perfekter Durchhörbarkeit und einem präzisen Fortissimo. Leider danach keine Zugabe Pollinis, wäre aber auch unpassend gewesen, außerdem mußte die Bühne schnell geräumt werden, damit in dem Riesenareal die Chöre den Weg finden konnten.
    Mit einem mauen Knödeltenor (Marius Brenciu) war der Solopart des Te Deum besetzt, ansonsten eine tolle Leistung von orchestraler Spielkultur und präzisestem Chorgesang. Die Orgel war hervorragend ausgesteuert. Nur die Monumentalität bleibt in der Waldbühne zwangsläufig auf der Strecke.


    Insgesamt ein sehr lohnender Abend, den auch mein zweijähriger Filius mit Bravour und Freude live erlebt hat - paß bloß auf, Berlin, der kommt jetzt häufiger!


    LG,


    Christian

  • Hallo,


    War auch dort - hatte eigentlich Karten für die Philharmonie und es wäre natürlich (akkustisch) 100x besser gewesen, wenn die ganze Veranstaltung dort abgelaufen wäre!


    Andererseits war die Atmosphäre auf der Waldbühne sehr schön und es war doch nett, dass nun so viele Menschen das aufwendig besetzte Berlioz-Te Deum hören konnten!


    In deiner Besprechung des Konzerts stimme ich dir in allen Punkten zu, muss jedoch sagen, dass mir der Tenor ausgesprochen gut gefallen hat...
    Gut, einen gewissen Hang zum Knödeln wird man ihm nicht absprechen können, ich war aber trotzdem recht gerührt...


    LG
    Raphael

  • Moin!
    Auf der Suche nach Berlioz' Te Deum stieß ich auf diesen Eintrag und staune: die gleiche Werkkombi, mit dem gleichen Orchester und Solisten, hat Abbado viele Jahre vorher in der Alten Oper in Frankfurt aufgeführt.
    Tenor war damals ein gewisser....äh....José...Carreras... ;)


    Das KK war der ab-so-luuu-te HAMMER, das ist mir noch präsent. Pollini spielte eine von Beethoven nachträglich komponierte Kadenz, die ich zuvor noch nie gehört hatte.
    Ich habe Pollini nachher gefragt, was das war, und er zeigte mir die Noten.
    Die Rezensentin der FAZ (ich nenne sie mal "Lotte"...) wusste das nicht, verriss aber neben Pollini auch die als quasi 'selbstkomponiert' unterstellte Kadenz. So oder so ähnlich - ich hatte mich über die Kritik so dermaßen geärgert, dass ich sie Jahre später aus dem FAZ-Archiv bestellt habe. Jetzt finde ich sie natürlich nicht, bin aber über dieses Thread-induzierte Déjà-vu angestachelt, mal zu suchen.


    Wo wäre mir das sonst passiert, wenn nicht hier??! Tamino ist toll!! :)
    Viele Grüße, Accuphan
    :hello:

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)