Ein Flop: Verdis "La Traviata"

  • Wie im Thread über vergessene Sänger besprochen, möchte ich aus meiner umfangreichen Sammlung von "Traviata"-Einspielungen heute eine historische Rundfunkaufnahme (in deutscher Sprache) vorstellen:


    "Violetta"
    Aufnahme: 1948, Studio
    Dirigent: Hans Müller-Kray
    Orchester des Stuttgarter Rundfunks
    Chor des Stuttgarter Rundfunks
    Product Code: Cantus Classics 500067 (2 CD)


    Rollen und Sänger
    Alfredo: Alfons Flügel
    Germont: Carl Kronenberg
    Violetta: Margot Guilleaume




    Die Aufnahmequalität dieser fast 60 Jahre alten Einspielung ist überraschend gut (Digitalbearbeitung 1999 MDV-Studio), die Sänger sind gut und wortverständlich, Margot Guilleaume, damals Mitte Dreissig, gibt eine anmutige Violetta, Alfons Fügel ein äußerst lyrischer Alfred(o).
    Der eigentliche Grund für mich, diese Aufnahme anzuschaffen, war der Bariton Karl Kronenberg, der den Vater Germont singt. Ein Hans Sachs, der auch Verdi singen kann!


    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    Ganz herzlichen Dank! Ich fürchte, meine Wunschliste ist in diesem Moment wieder um eine Zeile länger geworden.


    Lieber Zauberton,


    Im Urlaub habe ich mir die Monteux-"Traviata" mehrfach aufgelegt und bei jedem Hören hat sich der Eindruck - für mich - verstärkt, daß die Stärken dieser Aufnahme doch bei den Herren, einschließlich des Dirigenten, liegen. Allerdings ist die Interpretation der Carteri in ihrer Art faszinierend. Rosanna Carteri hat nämlich eigentlich nicht das Timbre für die Violetta, ist etwas zu hart, zu wenig sensitiv. Aber sie besitzt - für mein Laienohr - eine stupende Technik und ein blendendes Einfühlungsvermögen. Im ersten Akt gefällt sie mir nicht so sehr, aber im zweiten und dritten habe ich gestaunt, wie sehr sie die Partie dann doch bewältigt, sichtlich auch bewältigen will und das sehr intelligent und intensiv macht. Hätte C.s Stimme einen wärmeren Klang, dann würde diese Sängerin absolut in die erste Reihe gehören. So muß sie ein paar kleine Schritte dahinter stehen, aber hörenswert ist es ohne Frage. Übrigens sind am Schluß noch ein paar Arienaufnahmen von ihr aus anderen Opern angehängt, da gilt im Prinzip Ähnliches, einmal mehr, einmal weniger natürlich.


    LG


    Waldi

  • [quote]


    Harald Kral schrieb:


    Man entdeckt immer was neues - bei der Vielzahl der Traviatas! In dieser Sängerkombination kenne ich sie auch nicht, obwohl eigentlich immer auf dem Markt vertreten, erst auf RCA, dann Testament, jetzt Myto...


    [/quote...]




    In der Tat entdeckt man immer etwas Neues. In dieser wunderbaren Sammlung befindet sich auch die Aufnahme mit Virginia Zeani (Bukarest 1968: mit Buzea und Herlea), welche ich gerne auch anderen an’s Herz legen möchte. Leider wurde die Aufnahme erst zum Karriereende produziert, was eigentlich gegenüber der Interpretation zu vernachlässigen ist. Trotzdem wäre ein Tondokument aus der Blütezeit ihrer Stimme eine schöne Sache. Es soll nun eine Aufnahme aus 50er Jahren (Neapel) existieren. Weiß da jemand aus dem Forum Näheres?
    Im Übrigen möchte ich aus meiner Sammlung auf einige zusätzliche Aufnahmen hinweisen:
    1928: Capsir, Cecil, Galeffi, Molajoli
    Met 1935: Ponselle, Jagel, Tibett, Panizza
    Neapel 1954: Tebaldi, Prandelli, Tagliabue, Serafin
    1955: Stella, Stefano, Gobbi, Serafin (früher EMI)
    Mailand 1956, Januar: Callas, Raimondi, Bastianini, Giulini
    London 1965: Scotto, Pavarotti, Glossop, Cillario
    London: 1967: Freni, Cioni, Capuccilli, Giulini
    Met 1970: Sutherland, Pavarotti, Milnes, Bonynge
    Tokyo 1973: Scotto, Carreras, Bruscantini, Verchi
    Zur Scotto: Nach der Übertragung der Netrebko-Traviata wollte ich meine Familie gleich davon überzeugen, daß die Netrebko nicht das ‚Gelbe von Ei‘ war. Meine Frau meinte, ein Vergleich mit der Callas, welcher Aufnahme auch immer, sei unfair, also schlug ich Scotto vor. Dann war der Einwand, aber nicht Studio, sondern unter gleichen Bedingungen, also Live, nicht Votto, Muti. Wir haben dann Scotto/Tokyo verglichen, ab „E strano!“ bis zum Ende des 1. Aktes. Nach einigen Takten war alles klar. Natürlich ist die Stimme nicht mehr gesund und „Sempre libera“ wird in den Höhen nicht bewältigt, und das wiegt schwer, weil es halt eine der Stellen ist, in denen Virtuosität Teil der Interpretation ist, aber von der ersten Sekunde an steht fest: eine große Tragödin. Dies wurde dann später im Vergleich mit „Addio del passato“ siegreich und endgültig bestätigt. Im Übrigen singt Netrebko auch nicht sauber, was soll’s, wichtiger ist, daß die, sicher auch durch die Regie vermittelt, die Einstellung zur Rolle nicht konsistent ist. Vieles wirkt einstudiert, wenig spontan. Vor allem das Geheimnis des Tragischen inmitten einer Glitzerwelt hat Scotto als Lehrerin Netrebko nicht vermitteln können.
    Wer kann die Traviata heute singen? Ich weiß nicht, wie die Gheorghiu das heute singt, ob überhaupt, aber ihre Aufnahme unter Solti hat die Kritik wohl ganz vergessen: Nicht nur als Erstinterpretation einer Sängerin eine komplette Interpretation. Die Harteros?

  • Hallo,ich habe die Aufnahme allerdigs als Dvd mit der Gheorgiu unter Solti.
    Ich finde sie sehr gut.
    Wir sprechen ja nur von der Violetta,weil den Tenor Lepardo kann man vergessen.


    Rita

  • Wenn ich mich recht erinnere, war die Traviata unter Solti Gheorghius "Eintrittskarte" für die Weltkarriere, das sollte man nicht vergessen.


    Wie sie die Rolle heute singen würde, würde mich auch interessieren. Ich habe sie im Frühjahr live in Simon Boccanegra gehört und die Stimme kann sich immer noch hören lassen. Das war sehr sehr schön.


    LG
    Rosenkavalier

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  • Ich habe gehört, das sie die Rolle heute noch singt.
    Entweder dieses Jahr in Rom,oder es war in NY.
    Muss mich noch schlau machen.


    Rita

  • Hallo,


    bei der Traviata unter Solti handelt es sich um einen Live-Mitschnitt von Dezember 1994 aus dem ROH. Damals war sie nicht einmal 30 Jahre alt.


    :hello:


    Emotione

  • Hallo Harald,


    wie ich sehe, hast Du in Deiner Sammlung eine Aufnahme mit der Gheorghiu aus dem letzten Jahr (Mehta).
    Wärst Du vielleicht so lieb, einige Worte darüber zu verlieren, inwiefern sich Stimme und Interpretation im Verhältnis zur Solti-Aufnahme verändert haben.


    arimantas

  • arimantas


    Hallo,
    ich schulde Dir noch eine Antwort, bin aber erst heute aus dem Urlaub zurückgekommen.
    Du fragtest nach folgender Aufnahme:
    New York 2006: Gheorghiu, Kaufmann, Michaels-Moore – Armiliato
    (nicht Zubin Mehta!)
    Die Violetta ist inzwischen - verglichen mit der Solti-Aufnahme aus London - etwas reifer geworden.
    Ich bin allerdings nicht so der Experte für die Beurteilung der Qualitäten von Sopranstimmen. Es gibt Expertinnnen hier im Forum, die das besser beurteilen können und die diese Aufnahme aus der New Yorker Met vom vorigen Jahr auch haben (allein schon wegen Jonas Kaufmann als Alfred!)


    Viele Grüße

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zitat

    Original von Harald Kral
    Es gibt Expertinnnen hier im Forum, die das besser beurteilen können und die diese Aufnahme aus der New Yorker Met vom vorigen Jahr auch haben (allein schon wegen Jonas Kaufmann als Alfred!)


    Viele Grüße


    Lieber Harald, :hello:
    ich fühle mich jetzt mal ganz unbescheiden :O angesprochen und verspreche, unter dem o.a. Gesichtspunkt die Aufnahme nochmal anzuhören - zumal ich die DVD unter Solti auch habe.


    Wird allerdings nicht vor Do geschehen können, da mein momentaner Besuch vermutlich nicht begeistert wäre, sich stundenlang La Traviata anzuhören :rolleyes:


    LG
    Rosenkavalier

  • Liebe Traviatisti,


    Jüngst habe ich mir die DVD mit der Solti-Aufnahme von 1994 (London, Covent Garden) zugelegt - um den Preis, der derzeit verlangt wird, zweifelsfrei ein Schnäppchenkauf.
    Solti ist ein Dirigent, den ich schwer klassifizieren kann. Was ich von ihm kenne, ist jeweils beachtlich, aber nie wirklich Spitze. Es klingt immer so, als wäre er auf dem besten Weg z u einer Top-Leistung. Die Tempi nimmt er im Zweifelsfall eher etwas flotter, ohne jedoch sich zu übereilen (bei den Beethoven-Symphonien wirkt er auf mich ganz ähnlich).
    Angela Gheorghiu singt und spielt so, daß man überzeugt ist, eine Violetta zu erleben, die es einmal mit den besten Interpretinnen dieser Rolle aufnehmen kann. Noch ist sie aber nicht so weit und die Gestaltung fällt etwas uneinheitlich aus. Neben äußerst berührenden Momenten gibt es viel Routine, die manchmal sogar etwas trocken anmutet. Die Kamera fährt oft sehr nahe an sie heran, sodaß man G.s physische Anstrengung mehr miterlebt als wünschenswert wäre. Trotzdem: Diese Violetta ist es wert, gesehen und gehört zu werden. Die späteren Realisationen kenne ich noch nicht, aber Harolds Urteil, daß G. reifer geworden ist, macht mich neugierig.


    Frank Lopardo als Alfred bemüht sich sehr und erzielt Teilerfolge. In den unteren Lagen ist nicht viel los bei ihm, in der Höhe klingt er deutlich besser (obwohl er manchmal für mein Gefühl "stemmt"), manchmal klingt er schon erstaunlich heldisch. In summa eine ordentliche Leistung, aber nichts Weltbewegendes. Optisch gibt es eindrucksvollere Alfdreds, aber auch schlechtere.


    Hingegen hat mich Leo Nucci als Giorgio Germont angenehm überrascht. Er spielt nicht nur glänzend (das weiß man ja von ihm), sondern er verfügt hier noch über alle seine baritonale Kraft und Wärme. Im zweiten Akt wirkt er eigentlich überzeugender als die Gheorghiu.


    Die Nebenrollen sind unterschiedlich besetzt. Die Flora kam mir eher bescheiden vor. Das Bühnenbild ist nicht besonders erwähnenswert, im Landhaus herrscht eher Rumpelkammerstimmung, "chez Flora" ist viel besser gelungen. Die Personenführung zählt eindeutig zu den Pluspunkten und nimmt auch auf das unterschiedliche Talent der Protagonisten Rücksicht (Lopardo bietet routinierte Posen, die Routine der Gheorghiu wirkt besser und bleibt nicht durchwegs Routine - sie schafft bereits einzelne Gänsehautmomente , die Ensembleszenen sind zum Teil sehr suggestiv und sogar witzig gestaltet, insbesondere die Stierkämpferszene).


    Ich würde die Anschaffung durchaus empfehlen, allerdings nur dann, wenn man sich nicht mit dieser Einspielung allein begnügen will.


    LG


    Waldi

  • Die "Traviata" aus Los Angeles erscheint jetzt auch als DVD. Die Villazon-Fans in meinem Bekanntenkreis sind schon ganz unruhig....



    (Eine Produktion der Los Angeles Opera)
    Renee Fleming, Rolando Villazon, Renato Bruson,
    Los Angeles Opera Orchestra, James Conlon


    Sound: stereo/DTS 5.1
    Bild: WS (NTSC)
    Laufzeit 135 Minuten
    Erscheinungstermin: 9.11.2007

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Oh, wow, danke für diesen Hinweis! :] Das interessiert mich natürlich wesentlich mehr als die "Manon" mit ihm, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Villazon im Juni 2007 besser geklungen hat als in Berlin einen Monat zuvor, und das muss ich nicht unbedingt dokumentiert haben....
    lg Severina :hello:

  • Wenn wir schon bei Hinweisen sind, hier eine Inszenierung aus Madrid (2005), die vor allem mit zumindest mir neuen Stimmen überzeugt. Bruson ist natürlich altbekannt, wie alt ist der eigentlich jetzt?


    Norah Amsellem (Violetta)
    Jose Bros (Alfredo)
    Renato Bruson (Germont)
    Dirigent: Jesus Lopez Cobos


    2 DVDs opus arte

    Einmal editiert, zuletzt von arimantas ()

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  • Ich besitze diese DVd auch .
    Renato Bruson hat im März 06 seinen 70 Geburtstag in Zürich gefeiert.


    So unbekannt ist die andere Besetzung nicht,Josep Bros ist ein sehr guter Tenor,er singt leider (fast)
    nur in Spanien.
    Es gibt jedoch einige CD Aufnahmen und auch DVD mit Gruberova.


    Zu Madrid Das Opernhaus ist im kommen.


    Rita

  • 2006 brachte IMD in der Andromeda-Serie eine ziemlich unbekannte Live-"Traviata" unter Tullio Serafin heraus: Maggio Musicale Fiorentino 1956. In Haralds Liste ist sie nicht verzeichnet (wenn ich, was passieren kann, nicht etwas überlesen habe), daher möchte ich ihr doch ein paar Worte widmen. Die Tonqualität ist natürlich nicht so besonders, aber Serafin und Verdi sind immer eine Extra-Ausgabe wert. Außerdem singt Renata Tebaldi die Titelrolle, weniger ausdrucksvoll als wirklich göttliche Töne produzierend, stimmlich in Hochform, aber die Rolle nicht sehr intensiv gestaltend. Sie wirkt hier eher primadonnenhaft. Doch bei diesem Klang sieht man das gerne nach! Ähnlich auch Ugo Savarese (ein aus Neapel gebürtiger Bariton, der vor zehn Jahren gestorben ist) als Vater Germont: Routinierte Stimme, eindrucksvolle Musikalität, aber im Ausdruck eher unbeteiligt und zu wenig Gefühl vermittelnd.
    Den Alfredo gibt der griechische Tenor Nicola Filacuridi, der hauptsächlich dadurch bekannt wurde, daß er im "japanischen" "Butterfly"-Film von 1954 den Pinkerton spielte, aber nicht sang (die Stimme lieh dazu G.Campora!). Auch als Partner der Callas kennt man ihn. Filacuridis Italienisch ist nicht akzentfrei und im ersten Akt gefällt er mir noch nicht so (kann aber auch an der Aufnahmetechnik liegen), im zweiten ist er den Mikrophonen offenbar näher und klingt keineswegs schlecht, auch wenn er an die berühmten Alfredos nicht ganz heranreicht. Er singt ebenfaslls schön, aber ein bißchen undifferenziert.
    Insgesamt eine etwas veräußerlichte "Traviata", die aber, wenn man sie als Stimmfest klassifiziert, ihr Geld mehr als wert ist und viel effektvolle Italianità verströmt. Und das jubelnde Publikum läßt etwas von der damaligen Stimmung empfinden.


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,
    meine bescheidene Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Als diese Maggio-Musicale-Aufnahme von 1956 auf Melodram herauskam, war sie mir zu teuer, ausserdem kannte ich den Tenor nicht. Einzig wegen Ugo Savarese (und vielleicht noch Paolo Washington als Doktor Grenvil) wollte ich sie nicht kaufen. Jetzt, wo sie billig bei Andromeda zu kriegen ist, werde ich das vielleicht nachholen!


    Danke für den Tipp!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral


    ...meine bescheidene Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


    Lieber Harald,


    Deine "bescheidene" Liste löst auf meiner Zunge die Wasserfälle von Slunj aus! Sie ist schon ein halbes Handbuch. Ich wollte das einfach nur ergänzen. Filacuridi kannte ich früher auch nicht und mußte mich erst informieren. In den 1950ern war er ein paar Jahre lang in der italienischen Szene recht präsent. Die Griechen tauchen für mich immer wie aus der Versenkung auf (siehe Anastasios Vrenios, den ich nur wegen seines Raoul kenne).
    Ich lasse diese "Traviata" gerade wieder laufen und muß zugeben, daß nach wiederholtem Anhören Filacuridi mir im Ohr besser klingt als zuerst (obwohl er mit der Tebaldi keineswegs mithalten kann, z.B. in der Auseinandersetzung am Schluß des 2.Akts aber doch sehr an Profil gewinnt), während ich mich bei Savarese ein bißchen darüber mokiere, daß jemand aus einem so schönen Stimmaterial nicht mehr macht.
    Außer Paolo Washington findet sich unter den Mitwirkenden auch noch Mario Frosini.


    LG


    Waldi

  • Hab mir gestern mal den berühmten Scala-Mitschnitt von 1955 unter Giulini mit der Besetzung Callas/di Stefano/Bastianini aus der Bibliothek borgen können:



    Callas ist grandios, vor allem im dritten Akt. Giulini gelingt trotz breiter Tempi eine furiose Aufführung. Di Stefano singt zumindest sehr engagiert, während Bastianini über voluminösen Schönklang und akurate Ziernoten leider nicht hinaus kommt. Aufnahmetechnisch gibts sicher bessere Mitschnitte aus der Zeit.


    Zwei Fragen:


    1) Alfredos Cabaletta "Oh mio rimorso" wird in der Aufführung ja ausgelassen. Wie schaut da eigentlich die Aufführungstradition aus ? Ich hab das Stück bisher immer nur mit der Cabaletta gehört, notfalls halt ohne Spitzenton.


    2) Als großer Bewunderer von Robert Merrill reizt mich sein Padre Germont, er liegt ja in mindestens 3 Aufnahmen vor. Alle drei scheinen mir hinsichtlich der übrigen Beteiligten Ihre Meriten zu haben. Ragt eine heraus ?


    :hello:
    Sascha

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  • Hallo Sascha,


    1) Ich kann die Aufführungstradition nur anhand der mir bekannten Gesamtaufnahmen beurteilen. Die geben allerdings ein eindeutiges Bild: Zumindest bis in die 1960er Jahre hinein dürfte es gang und gäbe gewesen sein, die Cabaletta zu streichen. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Cabaletta des Vater Germont "No, non udrai rimproveri", die meistens gleich mit eliminiert wird. Ich jedenfalls kenne keine Gesamtaufnahme aus der Mono-Ära, in der beide gespielt werden.


    Sogar Toscanini, der ja im Ruf besonders großer Werktreue steht, verzichtet in seiner NBC-Aufnahme (1946) mit Albanese, Peerce und Merrill auf die Einspielung. Sowohl "Oh mio rimorso" als auch "No, non udrai rimproveri" fehlen auch noch bei den etablierten Studioaufnahmen von Previtali (1960) und Votto (1962). John Pritchards Aufnahme mit Sutherland, Bergonzi und Merrill (1962) dürfte eine der ersten sein, die vollständig ist.



    2) Merrill gefällt mir gut als Germont. Das gilt allerdings auch für Bastianini. Die Interpretation von beiden finde ich, auch wenn ich Bastianinis Aufnahme unter Votto einbeziehe, eigentlich ziemlich ähnlich: präzises schönstimmiges Singen, ohne in dieser Rolle groß zu psychologisieren.


    Bei Merrills Gesamtaufnahmen ist die Toscanini-Einspielung interessant, meines Erachtens aber weniger wegen der Sänger, die man bei Toscaninis Parforceritt durch die Partitur förmlich schwitzen hören kann. Es gibt dann noch einen Live-Mitschnitt aus der MET mit Eleanor Steber und Giuseppe di Stefano (1949), der auch recht gut ist, wenn auch nicht so großartig wie der Scala-Mitschnitt mit der Callas. Unter den beiden Stereoaufnahmen habe ich bei den Sängern eine knappe Präferenz für Pritchards Team. Das dürfte aber Geschmackssache sein.

  • Meine Lieben.


    Neu bei Naxos ist heuer ist eine "Traviata" herausgekommen, die seinerzeit etwas Staub aufgewirbelt hat, da die Nichtbesetzung der Titelpartie mit der Callas bei einigen Leuten böses Blut machte. Der Gründe hört man aus den verschiedenen Ecken unterschiedliche: Die Callas-Partei war der Meinung, daß Intrigen schuld gewesen seien; nach anderer Lesart war die Callas vertraglich an die Konkurrenz gebunden und nicht oder nur mit nicht zu vertretendem Aufwand loszueisen.


    Auf alle Fälle ist die Einspielung offenbar als Studio-Konkurrenz zur berühmten Giulini-Callas-di Stefano-Live-Aufnahme geplant. Beides sind Scala-Produktionen. Giulinis Version entstand im Mai 1955, diese hier im September des gleichen Jahres. In beiden Versionen singen Giuseppe di Stefano den Alfred, Giuseppe Zampieri den Gastone, Silvio Maionica den Dottore Grenvil, Luisa Mandelli die Annina, Franco Ricciardi den Giuseppe und Carlo Forti den Boten.


    Tullio Serafin wird mit Recht als eine Verdi- und Puccinilegende angesehen. Er setzt hier wieder einmal Maßstäbe. Nichts gegen Giulini, Werten ist in diesen künstlerischen Höhen überflüssig. Doch selbst für Serafin ist das ein außergewöhnlich eindringliches Dirigat.


    Bei den Protagonisten habe ich den Eindruck, daß sie, besonders Violetta undf Alfred, teilweise anfangs mit ein wenig Nervosität zu kämpfen haben, aber sich dann "erfangen" und namentlich im dritten Akt voll da sind. Die Violetta ist mit Antonietta Stella rollendeckend besetzt; ein kleines bißchen Schärfe bei den ganz hohen Tönen wird ausgeglichen durch teilweise wunderschönes Legato und gefühlvolle Singkultur. Eine an die absoluten Spitzenviolettas nicht hundertprozentig herankommende Leistung, aber unter die besonders Guten darf man sie zählen. Die Stella ist keine Tebaldi und keine Victoria de los Angeles, gestaltet aber in deren Richtung. So wie die oft so genannten B-Tenöre dieser Zeit stand und steht sie ein bißchen im Schatten der großen Primadonnen, würde aber mehr Rampenlicht verdienen. Für mich ist sie heute eine große alte Dame des italienischen Fachs.


    Di Stefano hört sich einige Male ein wenig zu äußerlich an, seine schönen Töne bringt er ein wenig zu affektiert herüber, zeigt aber auch, daß er es anders kann.


    Beim Giorgio Germont empfinde ich gemischt. Tito Gobbi ist kein Sänger für das Sentimentale, sondern für das Dramatische. Er bemüht sich sehr, das nicht zu deutlich hören zu lassen und rauft einige Mal mit diesem Wollen, aber kann es nicht verleugnen. Wenn er bei seinem ersten Auftritt böse hereinkommt, wirkt er am überzeugendsten. Trotzdem ist er ein überwältigender Künstler und zeigt eben Möglichkeiten der Partie auf, die man sonst nicht so gewohnt ist. Insofern werden gestandene Traviatisti diese Alternative nicht missen wollen. Ich jedenfalls bin schon "gefangen". Trotz meiner Einwände erzeugt diese Aufnahme doch immer wieder jene Gänsehautwirkung, die ich von einer "Traviata" nun einmal erwarte.


    LG


    Waldi

  • Danke, liebe Maggie, stimmt exakt!


    Ich lausche dieser Aufnahme in diesem Augenblick gerade wieder und muß sagen, daß sie bei jedem Wiederhören besser gefällt als beim allerersten Mal. Es ist keine Dutzendversion.


    LG


    Waldi

  • Ganz und gar kein Flop war die Premiere von "La Traviata" gestern in Linz. Meine subjektiven Eindrücke könnt ihr "GESTERN IN DER OPER" lesen.


    Michael 2

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  • Am 15.11. hatte ich das Vergnügen, Renée Fleming in der MET als Violetta Valéry zu sehen und vor allem auch zu hören. Das bisher beeindruckendste, was ich so in Sachen Violetta erlebt habe. Klare, saubere Stimmführung ohne Übertreibungen aber mit viel Einfühlungsvermögen. Die DVD, die hier im Forum weiter oben gezeigt wird, kenne ich leider nicht, werde sie aber suchen und erwerben.
    Oh, und da war noch Matthew Polenzani als Alfredo, der ebenfalls Spitzenkritiken verdiente.
    Die Schlüsselszene zwischen Giorgio und Violetta ab "pura siccome un angelo....." und dann insbes. Violetta bei "dite a la giovine si bella e pura" war nicht nur dank der Fleming "extraterrestrisch, sondern auch der eher weniger attraktive Dwayne Croft wuchs über sich hinaus und bot einen Giorgio der Extraklasse.


    Ceterum censeo "die Anna kann's noch lernen, das Singen, die Diana und die Christine können's schon und jetzt weiß ich, dass es auch die Renée überm Teich kann.


    herzliche Grüße an alle


    Musiclover, der Neue im Forum

  • Habe heute Abend die Traviata in der WSO gesehen und als (einziges) Highlight bleibt mir ein junger Tenor im Gedächtnis: Joseph Calleja als Alfredo. (siehe auch meinen anderen Beitrag dazu). Ungewöhnliche Stimme, zuerst war ich verwirrt, dann begeistert =) Hatte den Eindruck, daß seine aussergewöhnliche Stimme so gar nicht zu den anderen gepasst hat (Norah Amsellem als Violetta) und ich habe ohnehin nur gewartet, bis "The golden Voice" wieder zu singen anfängt :jubel: :jubel: Thank you Malta for this great show tonight :hello:

  • Guten Morgen Louis,
    da gibt es schon eine ganze Weile eine Decca-CD "Joseph Calleja Tenor Arias" mit dem Symphonieorchester Mailand unter Riccardo Chailly (den habe ich in 10 Amsterdamer Jahren oft im Concertgebouw erlebtund genossen). Aber hier geht's um Calleja: Die CD beinhaltet folgende Aufnahmen:


    Lunge da lei...de' miei bollenti spiriti (La Traviata)
    Ofigli,o figli miei......ah, la paterna mano (Macbeth)
    Questa o quella (Rigoletto)
    Ella mi fu rapita (Rigoletto)
    La donne è mobile (na woraus das ist?) :D
    Quanto è bella (Elisir d'amore)
    Tombe degli avi miei... Fra poco à me ricovero (Lucia di Lammermoor)
    Oh meschina...Tu che à Dio... (Lucia diLammermoor)
    la dolcissima effigie (Adriana Lecouvreur)
    lamento di Federico (L'arlesiana)
    Addio fiorito asil ( Madama Butterfly)


    Ich hab's geschenkt bekommen und finde die Aufnahmen sehr interessant und vielversprechend und es wundert mich, dass man nicht mehr von Callejas hört/sieht. Aber die SO hat's mal wieder gebracht....., wär ich auch gern dabei gewesen.


    Gruß


    Musiclover

  • Meine Lieben,


    Nachdem wir andernorts wiederholt die Frage diskutiert haben, wie italienische Oper deutsch gesungen klingt, möchte ich auch hier auf eine deutsche "Traviata" verweisen, die bei mir persönlich zu dem Dilemma weiter beiträgt. Sie und andere bewirken bei mir, daß meine Vorurteile gegen die in Übersetzung gesungene Oper nicht so pauschal zu halten sind.
    Es geht hier um die 1953 in Köln entstandene Einspielung unter Mario Rossi. Der ist einer der besten Verdi-Dirigenten, die ich kenne, mit einem phantastischen Gespür für richtige Tempi im richtigen Zeitpunkt, für die ganze Ausdrucksskala und für einfühlsame Sängerbegleitung. Das alles stellt er auch hier unter Beweis.
    Trotzdem ist eines ganz klar: Deutsch klingt gerade die "Traviata" nicht nur deutlich schlechter als in der Originalsprache, sondern auch schlechter als der "Rigoletto", der offenbar leichter zu übertragen ist. Manche Härten und Schwerfälligkeiten sind einfach nicht auszuräumen. Zwar funktioniert es trotzdem oft erstaunlich gut, aber das bleiben Teilerfolge. Auf der anderen Seite merkt man aber auch, selbst wenn man mit der italienischen Fassung gut vertraut ist, wie einem gewisse Szenen plötzlich mehr unter die Haut gehen.
    Dazu kommen zwei hervorragende Interpreten der Hauptpartien: Teresa Stich-Randall als Violetta und Karl Terkal als Alfred. Die perfekte Artikulation der Stich-Randall, einer geborenen Amerikanerin, beschämt ganze Heerscharen von späteren Sängerinnen deutscher Muttersprache. Und irgendwie denkt man, daß auch bei der Callas trotz mancher "Fehler" und Einwände die Gesamtwirkung das vergessen ließ. Diese Violetta-Interpretation braucht sich nicht vor klingenden italienischen Namen zu verstecken. Für Karl Terkal gilt das fast noch in höherem Maß. Sein mehr viriles als jugendliches Timbre ließ mich vor dem ersten Hören etwas zweifeln, doch meine Skepsis schmolz wie Schnee in der Sonne. Einer der besten Alfreds, die ich je gehört habe. Soviel intelligente Gesangskultur und stimmliche Hochform - bitte selbst anhören!
    Robert Blasius als Vater Germont hat es daneben nicht leicht, entledigt sich seiner schweren Aufgabe aber mehr als nur ordentlich (daß ihm in seiner großen Arie z.B. "Qua-halen" passieren, sehe ich ihm deshalb gerne nach). Seine Stimme war eine Entdeckung für mich.


    Müßte ich aus allen vorhandenen "Traviatas" zehn für die Insel auswählen, diese wäre wahrscheinlich dabei.


    LG


    Waldi

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