Die Wiener Staatsoper hat endlich wieder ein Capriccio (Richard Strauss) im Repertoire. Schon seit längerer Zeit habe ich keinen so völlig unwidersprochenen Jubel für eine Neuinszenierung - Regie und Bühne Marco Arturo Marelli, Kostüme Dagmar Niefind - erlebt.
Aber langsam, die Besetzung
Dirigent: Philippe Jordan
Gräfin: Renee Fleming
Graf: Bo Skovhus
Flamand: Michael Schade
Olivier: Adrian Eröd
La Roche: Franz Hawlata
Clairon: Angelika Kirchschlager
Monsieur Taupe: Peter Jelosits
italienische Sänger: Jane Archibald, Cosmin Ifrim
Richard Strauss liegt den Wr.Philharmonikern sehr, Philippe Jordan hat sorgfältig einstudiert, eine makellose Leistung. Ein wenig mehr schwelgend und weniger kühl hätte es an manchen Stellen sein können, das ist aber mein subjektiver Wunsch, sonst nix zu meckern.
Die Sänger: Allen voran Adrian Eröd mit schauspielerisch und gesanglicher Meisterleistung, einen subtileren Olivier kann man sich nicht vorstellen. Bei seinem .."er komponiert mich.." kam schon fast ein wenig Beckmesser'sche Verbissenheit durch. Michael Schade stand ihm nicht nach, ein hinreissender Flamand der sehr glaubhaft macht, warum die Gräfin ihm (also der Musik) vielleicht eine Nuance mehr Sympathie schenkt als Olivier (dem Wort). Angelika Kirchschlager wie immer bildschön und stimmlich brilliant als Clairon, sie ist nur vielleicht eine Spur weniger zickige Diva als die Rolle verlangen würde. Bo Skovhus, den ich auch schon in der Rolle des Olivier gehört hatte, gibt einen etwas hypermotorischen aber sonst herrlich überzeichneten dümmlich-dekadenten Adeligen. Der La Roche ist mit Hawlata vielleicht etwas zu "jung" besetzt - ich habe die Freude gehabt noch Walter Berry in dieser Rolle zu hören. Stimmlich ist er Geschmackssache (was das einzige-ungerechtfertigte- Buh des Abends bezeugt), mir hat er gut gefallen. Die Regie bedenkt ihn auch mit einigen sehr effektvollen kleinen Gags, die Hawlata genüßlich ausspielt. Die kleineren Rollen waren durchwegs angemessen bis gut besetzt.
Und - Renee Fleming? Wahrscheinlich liegt es an mir, ich habe sie noch nie live erlebt und kenne nur die vielen hymnischen Artikel über sie in diversen Opernzeitungen, meine Erwartungshaltung war also sehr hoch. Sie ist sehr hübsch, schauspielerisch lieb, stimmlich gut. Aber subjektiv war es eine sehr gute aber nicht die exzeptionelle Gräfin die ich mir erwartet hatte. Wunderschön, aber ohne Gänsehaut. Ich würdige die Leistung ohne von ihr berührt zu sein.
Das Bühnenbild ist vordergründig sehr ästhetisch und auch ausgezeichnet bespielbar. Ein durchgehend intensiv blauer, glänzender Boden, runde "Paravent" elemente die immer wieder verdreht neue Blicke und Räume ergeben ohne dabei zu unruhig zu werden. Einige Elemente als Rokkoko-Spiegelwände, die sparsame Möblierung aus Acrylglas aber mit stilistischen Anklängen an die zeitentsprechende klassische Form. Nur zwei eher moderne Schreibtische für Olivier und Flamand setzen moderne Akzente und heben diese beiden Rollen zusätzlich hervor. Wunderschön der Effekt während der Mondmusik den Vorhang zu schliessen (man kann endlich mal ohne Zwischenaktivität konzentriert zuhören), danach öffnet sich der Vorhang und alle vorher geteilte Segmente ergeben einen halbrunden Spiegelsalon. Die Kostüme sind beim oberflächlichen Hinsehen klassisch, wenn man genau schaut merkt man wie geschickt sie verfremdet wurden. Klassisch aber doch zeitgemäß - es geht also doch! Kleine Kritik gibts zu dem monstösen Kleid der Gräfin im letzten Bild.
Die Personenführung wie immer bei Marelli ausgezeichnet und jede noch so kleine Geste immer aus dem Text heraus erarbeitet. Er packt vielleicht ein wenig viel Klamauk hinein, was diesem doch so theoretisch-allegorischem Stück aber durchaus manchmal Auflockerung bringt. Köstlich seine Regiezitate zur "italienischen Oper". Marelli zeigt wieder einmal wie man modern inszenieren kann ohne dabei ein Werk zu zerstören.
Beim Verlassen des Hauses waren eigentlich nur strahlende, glückliche Gesichter zu sehen, nur die nachfolgende Begegnung mit gröhlenden Fußballfans brachte den grauen Alltag zurück.
Gesamturteil: ein toller Abend
LG
Isis