Hallo allerseits,
nach einem gestern mit Matthias / pfuetz gemeinsam besuchten und in vollen Zügen genossenen Konzert, möchte ich hier nun ein paar Eindrücke davon verlauten lassen.
Das im erst vor wenigen Monaten frisch eingeweihten Kongreßzentrum 'darmstadtium' stattgefundene Konzert mit dem verheißungsvollen Motto 'Ein Abend am Meer' vereinigte vier klug ausgewählte maritime Kompositionen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Der Konzertchor Darmstadt und die für diese einmalige Aufführung engagierte Philharmonie Südwestfalen präsentierten unter der Leitung des Gründers und langjährigen Leiters des Konzertchors, Wolfgang Seeliger, in der ersten Hälfte:
Richard Wagner (1813-1883):
Der fliegende Holländer - Ouvertüre für Orchester 1840/41
Ludwig van Beethoven (1770-1827):
Meeresstille und glückliche Fahrt - Kantate für gemischten Chor und Orchester, opus 112 1814/15
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847):
Die Hebriden - Konzert-Ouvertüre h-moll für Orchester, opus 26 1830
Bereits in Wagners Ouvertüre zum 'Fliegenden Holländer' verstand es die Philharmonie Südwestfalen, vor allem in den dramatischen Stellen ihre enorme Durchschlagskraft und dennoch gute Durchhörbarkeit aller Instrumentalstimmen unter Beweis zu stellen. Ein großartiger Auftakt, dem eine kleine, aber bemerkenswerte Rarität aus Ludwig van Beethovens Feder folgte - die mit sieben bis acht Minuten zwar recht kurz geratene, jedoch sehr effektvoll gestaltete Kantate 'Meeresstille und glückliche Fahrt' auf zwei Gedichte von Goethe. Darin vermochte der Konzertchor Darmstadt und die Philharmonie Südwestfalen vom suggestiven Beginn der Todesstille angesichts der Weite des bewegungslosen Meeres bis zum wirkungsvollen Höhepunkt, dem Herannahen des ersehnten Landes ebenfalls restlos zu überzeugen. Die Konzert-Ouvertüre 'Die Hebriden' von Mendelssohn bildete als wundervolles Klanggemälde den brillanten Abschluß des ersten Teils.
Ralph Vaughan Williams ( 1872-1958
Symphonie Nr. 1 D-dur "A Sea Symphony" für Sopran, Bariton, gemischten Chor, Orgel und Orchester 1903-09
Nach der Pause schließlich stand mit Ralph Vaughan Williams' symphonischem Erstling, der sogenannten 'Sea Symphony', (komponiert 1903-09 auf Gedichte aus der Sammlung 'Leaves of Grass' von Walt Whitman) das Hauptwerk des Abends auf dem Programm. Die Darbietung des sowohl bezüglich der großen Besetzung mit zwei Solisten, gemischtem Chor, Orgel und Orchester als auch der zeitlichen Ausdehnung von etwa 70 Minuten gewichtigen und imposanten Werkes vermochte die Zuhörer vom ersten Takt an zu fesseln. Allein der Beginn mit den schmetternden Fanfarenklängen der Blechbläser, dem daraufhin einsetzenden Ruf des Chores 'Behold, the sea itself' und dem mit voller Macht einfallenden großen Orchesters bildete einen der unvergeßlichsten Höhepunkte dieser herrlichen musikalischen Seereise! Dabei bewies Wolfgang Seeliger mit seinem umsichtigen Dirigat ein hervorragendes Gespür einerseits für den klanggewaltig-ekstatischen Charakter der Symphonie-Kantate, andererseits für die wunderbaren Schön- und Feinheiten der Partitur.
Die beiden jungen Solisten verrieten bereits vor ihrem jeweiligen Einsatz, anhand ihrer Gestik und Mimik, ihre unbedingte Affinität zu Vaughan Williams' zutiefst bewegendem und mitreißendem Meisterwerk. Dabei wußte der englische Bariton Christopher Foster mit seinem feinen, hellen Timbre vor allem in den lyrischen Passagen sowie die mit Foster verheiratete Sopranistin, Elizabeth Roberts, mit ihrem angenehm dunkelgetönten Vortrag vollstens zu überzeugen.
Auch der Konzertchor Darmstadt - wie üblich, möchte man sagen - mehr als nur ein zuverlässiger Partner, zeigte sich in bester Verfassung als hervorragend disponierter homogener und hoch engagiert agierender Klangkörper.
Die mir bis dahin noch unbekannte Philharmonie Südwestfalen fügte sich in die durch Engagement und Leidenschaft geprägte Aufführung ebenfalls durch enorme Spielfreude und vollen emotionalen Einsatz ein - ließ die brillante Partitur in gleißenden Farben erblühen.
Obwohl die 'Sea Symphony' ein in Deutschland äußerst selten gespieltes Opus darstellt, hatte ich dennoch vor vier Jahren, im Juli 2004, die Gelegenheit, das Werk in der baden-württembergischen Hauptstadt mit dem RSO Stuttgart des SWR unter der Leitung von Roger Norrington zu hören, so daß ich die Möglichkeit eines kurzen Vergleichs zwischen dem gestrigen Live-Eindruck mit dem damaligen ergreifen möchte.
Wie man unschwer vermuten wird, war die Stuttgarter Aufführung, was die technische Seite (Intonation, Synchronität der Mitwirkenden usw.) betrifft, die perfektere Darbietung. Die paar kleinen Patzer (bei den Hörnern) im Darmstädter Konzert waren bei dem professionellen Rundfunkorchester des SWR nicht zu bemerken. Allerdings erzeugte der schlanke und vibratolose Klang des Orchesters sowie der auf äußerste Klarheit und Durchhörbarkeit bedachte Norrington der Aufführung einen auf äußere Brillanz und Perfektion abgestimmte Kühle des Ausdrucks, die dem Werk meines Erachtens einen großen Abbruch tat.
Wolfgang Seeliger hingegen, mit seinem Sinn für die weiten Spannungsbögen der Partitur und die leidenschaftliche Komponente der Musik, machte die gestrige Aufführung zu einem sehr viel intensiveren, emotional packenderen Erlebnis! Und der volle Einsatz der beteiligten Interpreten tat sein übriges.
Als die letzten Töne der Kontrabässe im äußersten Pianissimo verklungen waren, hauchte eine Zuhörerin, drei Reihen hinter mir sitzend, ein leises, aber dennoch im ganzen Saal vernehmbares 'Wow!' und sprach damit aus, was wohl alle Konzertbesucher in diesem Moment dachten.
Herzliche Grüße
Johannes