Literarische Empfehlungen - was lese ich gerade

  • Heute gekauft als Reiseliteratur für die nächsten Tage:


    Wilhelm Genazino: Die Liebesblödigkeit



    ich fürchte, ich werde alsbald einen Genazino nach dem anderen verschlingen.... :rolleyes:


  • Glückwunsch, der Mann hat Geschmack !


    Grüsse
    Achim :hello:


  • Klappentext


    Wilhelm Müller (1794-1827), der Dichter der Winterreise und der Schönen Müllerin, die durch Franz Schubert zu den berühmtesten Liederzyklen der Musikgeschichte wurden, war zu Lebzeiten einer der angesehensten deutschen Lyriker. Erika von Borries erzählt in ihrer anschaulichen und fesselnden Biographie sein Leben. Sie löst seine Texte aus dem Bann der Musik und gibt ihnen ihre literarische Bedeutung zurück. Wilhelm Müller hat es in seinem kurzen Leben vom einfachen Schneidersohn zum herzoglich Dessauischen Hofbibliothekar und Hofrat gebracht. In höchstem Maße sprachbegabt und weltoffen, wurde er einer der wichtigsten Vermittler der europäischen Literatur. Als Übersetzer, Kritiker, wissenschaftlicher Publizist und Schriftsteller arbeitete er vor allem für den liberalen Leipziger Verleger Brockhaus; daneben war Müller Lehrer für Latein und Griechisch an der Dessauer Gelehrtenschule. Mit seinen Liedern der Griechen engagierte sich Müller leidenschaftlich für den Freiheitskampf der Hellenen gegen die Türken, so daß er schon zu Lebzeiten den rühmenden Beinamen "Griechen-Müller" erhielt. Die Biographie zeichnet sein Leben und Wirken im Umfeld seiner Zeitgenossen Brentano, Eichendorff, Tieck, Gustav Schwab, Fouqué, Goethe u.a. nach: ein exemplarisches Leben zwischen Romantik und "Jungem Deutschland", zwischen den großen Hoffnungen der Befreiungskriege und der tiefen Enttäuschung im Restaurationszeitalter.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo,


    Las bis eben zum ersten mal:



    :faint: :faint: :faint:
    Das ist zuviel der Rache und des Mordens/Vertstümmelnst/Vergewaltigens...
    Die Menge der Toten spräche ja eigentlich (meinem Geschmack nach :pfeif: ) für die Lektüre, aber die Charaktere sind einfach nur ultraflach...


    LG
    Raphael

  • Zitat

    Original von raphaell


    Das ist zuviel der Rache und des Mordens/Vertstümmelnst/Vergewaltigens...
    Die Menge der Toten spräche ja eigentlich (meinem Geschmack nach :pfeif: ) für die Lektüre, aber die Charaktere sind einfach nur ultraflach...


    Tatsächlich? Hab' ich ganz anders in Erinnerung... O.k., Demetrius und Chiron sind etwas eindimensional und marionettenhaft (das sollen sie aber auch sein), aber sonst? Weder den Tituts, noch die Tamora und erst recht nicht die Lavinia kann ich als »flache« Charaktere empfinden. Vielleicht liegt's an der Neuübersetzung (die ich nicht kenne) - andererseits bürgt der Name Frank Günther ja eigentlich für Qualität.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von raphaell


    Das ist zuviel der Rache und des Mordens/Vertstümmelnst/Vergewaltigens...
    Die Menge der Toten spräche ja eigentlich (meinem Geschmack nach :pfeif: ) für die Lektüre, aber die Charaktere sind einfach nur ultraflach...


    LG
    Raphael


    Hm, ich kann mich auch überhaupt nicht daran erinnern, die Charaktere als flach empfunden zu haben ... weder beim Lesen noch bei der englischen Inszenierung, die ich mal im Neusser Shakespeare-Theater sah. Natürlich ist in Shakespeare-Dramen immer eine gewisse Menge an Charakteren von der Stange dabei, aber fast immer wird das von ihnen erwartete Klischeeverhalten durch sprachliche Feinheiten „hinterrücks“ aufgebrochen oder oft sogar die Klischees als solche selbstreflexiv-ironisch zur Debatte gestellt.


    Aber gerade in dieser Hinsicht hapert es in der Tat generell an der Übersetzung, da hat Medard recht, und da kann auch Frank Günther nichts dran ändern. Deutsche Übersetzungen sind grundsätzlich hilflos, wenn es um die Übersetzung dialektaler, soziolektaler und/oder idiosynkratischer Eigenheiten im Sprechverhalten geht, die ganz wesentliche Mittel sind, mit denen Shakespeare das Selbstverständnis seiner Charaktere „demontiert“.


    Auf jeden Fall ist es das Shakespeare-Stück mit dem höchsten Blutbadfaktor, wenn auch nicht unbedingt das mit dem höchsten Bodycount. Aber es ist immer noch harmlos und fürs Vormittagsprogramm geeignet im Vergleich zum durchschnittlichen freundlichen Jakobinischen Rachedrama von Nebenan, LOL! 8o


    Gruß,
    ^_^J.

  • Hm..."falch" ist viellicht der falsche ausdruck - aber dadurch, dass so viele Menschen ihr leben lassen (sollen/müssen), leidet doch die Charakterentwicklung sher darunter. Die emotionalen Reflexionen und Reaktionen werden sehr schnell abgehandelt und es kommt zum nächsten Racheplan/akt. Es ist einfach zu schnell, wenn ihr mich versteht?!
    Das Gemetzel erscheint mir oft zu plumb...
    Allein schon der erste (oder wars schon der zweite?) Mord von Titus an seinem eigenen Sohn - etwas übertrieben, oder? Ich kann diese Reaktion leider nicht nachvollziehen...
    Tamora finde ich allerdings durchaus angemessen ausgearbeitet. Ihr Charakter ist gut ausgeleuchtet und man scheint ihre beweggründe und ihren Hass zu verstehen. Aber der Rest...hm...kommt irgendwie zu kurz...

  • Gerard Reve


    Moedig Voorwaarts (Mutig voran)



    Eine Sammlung Briefe an einen seiner Verleger aus den Jahren 1974 bis 1997 (dem Jahr in dem Alzheimer ihm den Federhalter aus der Hand nahm).


    Umwerfend. Vielleicht werde ich ein paar Gustostückerln übersetzen und hier einstreuen.


    :jubel: :jubel: :jubel:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Apropos flacher Shakespeare: Heinrich VIII. ist nicht so der Hit...
    Ich glaube, die wirklich großartigen Shakespeare-Werke habe ich schon gelesen. Vielleicht ja noch Richard III., der hat ja auch einen guten Ruf (das Theaterstück, nicht die Person), den Titus habe ich auch noch nie gelesen...


    Zur Entspannung für zwischendurch:


  • Zitat

    Original von Pius
    Zur Entspannung für zwischendurch:



    Hm, was mag Dietmar Dath wohl mit Mathematik anstellen. Ist das was Ernstes? Ich kenne von ihm bisher nur zwei (wirklich seeeeeehr abgefahrene) Romane:


    Cordula killt dich oder wir sind doch nicht die Nemesis von jedem Pfeinfenheini. Roman der Auferstehung, Berlin: Verbrecher Verlag 1995


    und


    Die Ehre des Rudels, Berlin: Maas 1996


    Ich lese aktuell übrigens:



    :faint:


    Wundervoll sachliche Poesie! Wohl niemals zuvor und niemals danach ist die Romantik eines Kiefernwaldes präziser in ihre Einzelaspekte zersungen worden!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ganz herzlich,
    Medard

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  • Hallo, Medard!


    Zitat

    Original von Klawirr


    Hm, was mag Dietmar Dath wohl mit Mathematik anstellen. Ist das was Ernstes? Ich kenne von ihm bisher nur zwei (wirklich seeeeeehr abgefahrene) Romane:


    Dath hat hier einige auf "abgefahren" getunte Mathematikerbiographien zusammengestellt - jede in einem anderen Stil. Eine gewisse Ahnung von Mathematik scheint er zu haben, es sind auch einige Mathematiker-"Insider" untergebracht. Sein Humor und seine Art zu schreiben sind durchaus merkwürdig, aber bei Mathematikern ist er da wahrscheinlich an der richtigen Adresse.
    Ansonsten kenne ich ihn aus dem Feuilleton der FAZ, für das er Artikel schreibt.


    Viele Grüße,
    Pius


  • Kennst Du Signéponge = Signsponge von Derrida? Oder Psyche: Inventions of the Other über Ponges „Fable“?


    Gruß,
    ^_^J.

  • Zitat

    Original von gyokusai
    Kennst Du Signéponge = Signsponge von Derrida? Oder Psyche: Inventions of the Other über Ponges „Fable“?


    Gruß,
    ^_^J.


    Nö, leider nicht... Psyche: Inventions of the Other hab ich grade mal geordert. Signéponge = Signsponge ist ja nur zu unverschämten Preisen zu bekommen... Da muß die Bib herhalten...
    Viele Grüße und danke für die Tips!
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    ... Signéponge = Signsponge ist ja nur zu unverschämten Preisen zu bekommen... Da muß die Bib herhalten...
    Medard


    Das gilt leider für einige Texte von Derrida, zumindest für die englischen Ausgaben. Ich weiß nicht, wie es mit den deutschen Ausgaben ist: ich hatte schon vor Urzeiten gleich bei der Grammatologie feststellen dürfen, daß ich die deutschen Übersetzungen ebenso uninformiert wie unlesbar finde (und auch nicht verstehe). Französisch habe ich gerade diesen Monat erst angefangen zu lernen, das dauert sicher noch ein paar Jahrzehnte, bis ich Derrida im Original lesen kann!


    Signéponge = Signsponge ist übrigens, glaube ich, so ziemlich das abgefahrenste, was er je geschrieben hat, *kicher*. Mach Dich auf psychedelische Wortspielorgien gefaßt ...


    Liebe Grüße,
    ^_^J.

  • Hallo.


    Ich habe jetzt mit der Lektüre von "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini" von Helmut Krausser begonnen. Krausser hat mir zuletzt mit seiner "Karton-Geschichte" viel Vergnügen bereitet. Dies brachte mich, nach einem kurzen Querlesen in dem neuen Buch dazu, letzteres auch zu erwerben. Und das, obwohl mir Puccini nur dem Namen nach vertraut ist. Bewusst habe ich ihn bislang nicht gehört.
    Deshalb eine, hier vielleicht deplatzierte, Bitte: Was wäre mir (der gemeinhin Opern von Wagner konsumiert) von Puccini zu empfehlen? Denn ich möchte doch - tatsächlich wie "die Musik zum Buch" - ein wenig Puccini kennenlernen; zumal Krausser aus Liebe zu Puccinis Opern dieses Buch verfasste.


    Vielen Dank im voraus.


    :hello:


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Hallo.


    Kurzer Nachtrag: Habe den heutigen freien Tag auch dazu genutzt, bei meiner nahe gelegenen Musikalienhandlung "Tosca" zu erwerben; in der Einspielung unter Karajan. Mal sehen, ob das die Lektüre bereichert.


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot


  • Hallo Ekkehard,
    ob du als ausgewiesener Wagnerfan Puccini goutierst, bezweifle ich ein wenig, hoffentlich hältst du uns auf dem Laufenden! ;)
    "Tosca" ist sicher ein guter Einstieg, da die Musik deutlich dramtischer ist als z.B. "La Boheme". Eine Referenzaufnahme ist natürlich Callas/Gobbi, mein liebster Live-Cavaradossi war immer Giacomo Aragall, daher liebe ich die Verona-DVD (Aragall, Marton, Wixell), trotz der konventionellen Inszenierung.
    Bei der "Boheme" führt natürlich wenig an Björling/De los Angeles bzw. Pavarotti/Freni vorbei, ich besitze außerdem noch die Einspielungen mit Araiza/Ricciarelli, Gheorgiu/Alagna.
    Wenn du "Tosca" und "Boheme" überlebt und Lust auf mehr Puccini hast, lass es mich wissen :D
    Kannst du das Buch empfehlen?
    lg Severina :hello:

  • Lieber Ekkehard, ich rate Dir , Dich zunächstmal bei Edwin und Loge zu melden...... :D


    Da ich mit Puccini UND Wagner Probleme habe, bin ich ebenfalls gespannt auf deien Eindrücke , auch zu dem Buch. :yes:
    Mir persönlich ist Puccin iin jeder HinsichtZU.
    Wie zu stark gesüsste Schokolade, von der man nach einer halben Tasse eingentlich schon genug hat, aber den Rest nciht stehen lassen will.
    Ich würde dir als Wagnerianer vielleiciht erst mal zu seiner letzten Oper, der Turandot, raten. Zumindest findest Du darin eine wagnerartige Heroine(Turandot) eine sich nach bester Wagner-Manier opferne liebende Frau(Liù) und ein auf einer literarischen Vorlage basierendes Libretto, das nciht nur aus Liebeskitsch besteht. Und eine für meine Ohren wirklich nicht schlechte Musik. ;)


    Wenn es dir vor allem auf die Sänger und den Ariengenuss und nciht so sehr auf die Musik an sich ankommt, ist Tosca oder Bohème genauso gut, dann jedoch in top-Bestzung, um so richtig schwelgen zu können. Bei der Tosca ist das für mich wie für Severina: Callas mit Tito Gobbi, bei der Bohème Freni mit Pavarotti.


    Meiner Erfahrung nach haben es unsentimentalere Menschen mit dieser Musik umso schwerer, je weniger sie sich für Gesang an sich interessieren. Mein Mann z.B. läuft vor Puccini nur noch schreiend davon, nachdem ich ihm enmal die Bohème(live) zugemutet habe.
    Wenn allerdings Callas die Tosca singt, kann auch er nciht widerstehen.


    Dringend abraten würde ich (zum Einstieg) von Manon Lescaut oder Suor Angelica! Da ist der Kitschfaktor so prädominant, dass man schon vor den Sängern auf Knien liegen muss, um das als Neuling geniessen zu können.
    Falls Du allerdings zu der in Opernfragen sentimentalen Schwelge-Fraktion gehörst, dann ist auch Madame Butterfly der Hit :D
    Bon plaisir! :hello:

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  • Ich bin jetzt „durch“ mit Gerard Reves Briefwechsel „Mutig voran“ mit Bert und Netty de Groot – natürlich viel Blabla über Auflagen, Werbung, Buchumschläge, Vorschüsse, Royalties. Dazwischen aber auch echte Perlen auf dem Niveau seiner Bücher. Und ein Brief vom 1. August 1987 geht ausführlich ein auf das Werk von seinem Lieblingskonkurrenten Herrie Mulles. Unter anderem ist dort zu lesen (schnell hingeschlampte Rohübersetzung von mir):


    „Das Hauptmerkmal des Werks von Kollege M. [Harry Mulisch, BBF] ist zugleich auch der Schlüssel zu seinem Erfolg: ein zwar geleckter und klischeemäßiger, dabei aber sehr zielgerichteter Sprachgebrauch in dem Sinn, dass die Sprache genauso oberflächlich ist wie das Mitgeteilte. Es geht im Hinblick auf den Erfolg nicht darum, tiefsinniges Werk zu schaffen, nur darum, dass das Werk den Eindruck erweckt, tiefsinnig zu sein. Ein Idiot der M. liest bekommt das Gefühl, ein Gelehrter zu sein der über alles mitreden kann. Alle Türen die von M. aufgestoßen werden stehen schon seit undenklichen Zeiten offen. Auch das Fehlen eines Themas ist ein Vorteil. Bei mir entdeckt der Leser zu seinem Schrecken, wer er selbst ist: ein Kinderschänder, ein Mörder, ein Sadist, usw. Aber wer will das erkennen? Man muss da Lust drauf haben. Ich sage den Menschen, dass sie die ewige Hölle verdienen und dass es sehr zweifelhaft ist, ob uns Gott durch seine Gnade erlöst hat. Mulisch sagt dem Leser, dass er, im Hinblick auf den Imperialismus und die internationalen Konzerne das Recht hat, gleich doppelt betrügerisch Sozialhilfe zu kassieren und dass er verrückt ist, wenn er dann noch seine Miete und die Stromrechnung bezahlt. Zurecht schreibt Kollege W.F. Hermans dass Kollege H.M. Ein Optimist ist. Doch ist das Werk von H.M. Veraltet, weil es leidenden Menschen nichts gibt. Es ist Werk für Menschen, die das Leben „super“ finden.“


    Und so weiter und so fort.


    Winkewinke,
    F

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Stifter beginnt man am Besten mit den "Bunten Steinen", eventuell wenn man sich die Zeit nimmt mit dem "Nachsommer".


    "Abdias" weicht ja ein wenig vom "normalen" Stifter ab, aber ich finde ihn nicht so schlecht, auch "Brigitta" oder "Der Blick vom Stephansturm" ist zu empfehlen.


    Muss aber sagen, dass Adalbert Stifter zu meinen Liebingsschriftstellern gehört.

    Einmal editiert, zuletzt von oper337 ()

  • Zurzeit lese ich (leider nur noch ca. 30 Seiten lang, denn dann ist dieses herrliche Buch zuende ...):





    Jonathan Franzen:
    Die Unruhezone. Eine Geschichte von mir
    Originaltitel: The Discomfort Zone
    Übersetzung: Schönfeld, Eike
    Rowohlt Verlag GmbH, 03/2007




    Zitat

    Jonathan Franzen über sich: über Kindheit, Vögel, deutsche Sprache, über Frauen und Charlie Brown. Wir lesen über eine Jugend im amerikanischen Mittelwesten und ein Erwachsenenleben in New York - mit berührenden Schilderungen etwa von Franzens Nöten beim Verkauf des Elternhauses nach dem Tod der Mutter und großartigen Verknüpfungen zwischen seiner gescheiterten Ehe, dem Problem der Erderwärmung und den Lebenslektionen, die man beim Beobachten von Vögeln lernt. Der Autor zeichnet das vielfarbige Porträt einer amerikanischen Mittelschichtfamilie unserer Zeit.



    Jonathan Franzen war ein Junge, der vor vielem Angst hatte: Tanzunterricht, Pissoiren, seinen Eltern. Er liebte Charlie Brown und wollte auf keinen Fall im Abseits stehen. Im Sommer fuhr er in christliche Feriencamps, und von einer Österreicherin in irritierend kurzen Röcken lernte er erste Brocken Deutsch. Bei seinem Bemühen, endlich seine Jungfräulichkeit zu verlieren, spielte Kafka eine Rolle, wie auch auf seinem Weg zum Schreiben.'Die Unruhezone' ist beides: Geschichte einer Jugend im amerikanischen Mittelwesten und eines Erwachsenenlebens in New York - mit berührenden Schilderungen etwa von Franzens Nöten beim Verkauf des Elternhauses nach dem Tod der Mutter und großartigen Verknüpfungen zwischen seiner gescheiterten Ehe, dem Problem der Erderwärmung und den Lebenslektionen, die man beim Beobachten von Vögeln lernt. Ein vielfarbiges, zwischen komisch-trotziger Selbstbefragung und Empathie oszillierendes Porträt einer amerikanischen Mittelschichtfamilie und eines Menschen in seiner Zeit.



    Ein herrliches autobiografisches Buch über Kindheit und Jugend mit Charlie Brown als Identifikationsfigur, in kirchlichen Jugendgruppen, mit Kafka und eutscher Sprache, mit Sehnsucht nach Liebe und Verlangen nach Sex, mit unerwachsenen Eltern und allem, was man so braucht in diesen unruhigen Jahren.


    Sehr empfehlenswert, weil es witzig und tiefsinnig geschrieben wurde. Im Juli gibt es das auch als Taschenbuch.


    Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Nach der hochanregenden, in der nächsten Zeit noch mehrmals zu wiederholenden Lektüre von


    Siegfried J. Schmidt
    Geschichten und Diskurse


    ,


    dessen Schlussfolgerungen ich - wenn ich's könnte - gerne in die Musikanalyse-Debatte einbringen würde,



    lese ich jetzt gerade


    Jonathan Culler
    Dekonstruktion


    ,


    Beide Bücher kann ich an der "Postmoderne" Interessierten sehr warm empfehlen.


    Eher weniger gilt dies für


    ,


    das eher zähflüssig zu lesen ist (wenn auch interessant).


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Da mir Franzens "Unruhezone" gut gefallen hat, habe ich jetzt ein Buch hervorgeholt, das ich vor gut drei Jahren zu Lesen begonnen hatte, um etwa auf Seite 150 aufzuhören. Diesmal springt der Funke über. Obwohl es wirklich deprimierend ist (Eltern, die mit ihren Depressionen, Neurosen und sonstigen psychischen Problemen ihre Kinder für ihr Leben kontaminiert haben ... also das Übliche, wirklich sehr amüsant), ist es sehr spannend, mit einer präzisen Beobachtungsgabe, einfühlsam und dennoch nüchtern, z.T. sogar mit abgründigem Humor geschrieben.



    Jonathan Franzen: Die Korrekturen. Roman.
    Aus d. Amerikan. v. Bettina Abarbanell
    Originaltitel: The Corrections
    Rowohlt Verlag GmbH, 07/2002



    Zitat

    Nach fast fünfzig Jahren als Ehefrau und Mutter ist Enid Lambert entschlossen, ihr Leben ein wenig zu genießen. Alles könnte so angenehm sein, gemütlich, harmonisch - einfach schön. Doch die Parkinsonsche Krankheit hat ihren Mann Alfred immer fester im Griff, und die drei Kinder haben das traute Familienheim längst verlassen - um ihre eigenen tragikomischen Malaisen zu durchleben. Der älteste, Gary, stellvertretender Direktor einer Bank und Familienvater, steckt in einer Ehekrise und versucht mit aller Macht, seine Depressionen kleinzureden. Der mittlere, Chip, steht am Anfang einer vielversprechenden Karriere als Literaturprofessor, aber Liebestollheit wirft ihn aus der Bahn, und er findet sich in Litauen wieder, als verlängerter Arm eines Internet-Betrügers. Und das jüngste der Lambert-Kinder, die erfolgreiche Meisterköchin Denise, sinkt ins Bett eines verheirateten Mannes und setzt so, in den Augen der Mutter zumindest, Jugend und Zukunft aufs Spiel. In dem Wunsch, es sich endlich einmal so richtig gutgehen zu lassen - und Alfred aus seinem blauen Sessel zu locken, in dem er immer schläft -, verfolgt Enid nun ein hochgestecktes Ziel: Bald nach der Luxus-Kreuzfahrt, zu der sie voller Vorfreude mit Alfred aufbricht, möchte sie die ganze Familie zu einem letzten Weihnachtsfest zu Hause um sich scharen.


    Freundliche Grüße von Andrew, der diese deprimierend-schöne Lektüre mit Haydns Tobias-Oratorium und anderer schöner Musik kompensiert.

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Hallo severina, hallo Fairy Queen,


    vielen Dank für Eure Hinweise!
    Zunächst: Ja, das Buch kann ich empfehlen (ich habe jüngst in einer Zeitungsanzeige gelesen, dass Elke Heidenreich dies auch tut - nun gut, ich bleibe trotzdem bei meiner Empfehlung). Bei Krausser schätze ich, dass er so eine irgendwie staunende Herangehensweise an seine Geschichten pflegt; er schildert vielfach kleine Wunder, die eben nur dem oberflächlichen Betrachter gewöhnlich erscheinen können. Wobei diese Geschichte von ihrem Sujet her schon dem Normalen enthoben ist. Puccini. Krausser hat ja zudem offenbar akribisch recherchiert und einige Puccini-Rätsel lösen können. Wer eigentlich kein spezielles Interesse an Puccini hat, dem wird das Buch aber immerhin Sittengemälde sein können. Also, wie gesagt, eine Empfehlung.
    Und das Werk des Maestro? Nun. Nein, so richtig warm werde ich damit wohl nicht. Wobei es wahrscheinlich auch schlauer gewesen wäre, eine Einspielung mit der Callas zu besorgen (aber die hatte mein Musikalienhändler um die Ecke nun mal nicht). So sitze ich hier mit der Karajan/Price-Einspielung (lustig: auf dem neuen Cover der CD scheinen Karajan und Price verbotene Dinge miteinander zu tun), die gewiss nicht schlecht ist, mich aber nicht umwirft. Sentimental, Liebeskitsch - das waren ja Worte, die ihr verwendetet. Dem will ich nicht widersprechen, es sind halt sehr große Gefühle im Spiel - und das auf eine für mein Empfinden doch offensichtlichere, süßlichere Weise als bei Wagner. Leider erinnert mich das in schlechteren Momenten an das italienische Theaterstück, das der junge Vito Corleone im zweiten Teil des "Paten" besucht - Entschuldigung. Aber natürlich bereue ich den Erwerb jetzt nicht. Manches kannte ich (unbewussterweise) sogar. Und "Turandot" will ich aufgrund der Empfehlung auch gern mal probieren.
    Nochmals danke.


    :hello:


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Derzeit lese ich:


    Robert Walser: Jakob von Gunten


    Ich habe erst einige Seiten gelesen, aber ich fühle mich angezogen von der eigenartigen Atmosphäre diese Buches - irgend etwas beginnt in mir zu schwingen. Diese Charaktäre scheinen alle aus einer sehr fragilen Welt zu stammen - die mir irgendwie vertraut scheint..


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nach Adalbert Stifters "Brigitta" sowie seinem "Waldsteig" gab es


    Gustav Sack
    Ein verbummelter Student
    S. Fischer, 1917


    - ein ziemlich düsterer, in den ausgedehnten Bewusstseinsstrom-Passagen recht psychedelisch anmutender, faszinierender Roman.


    Und jetzt widme ich mich Otto von Simson: Peter Paul Rubens, Zabern 2003 & mittlerweile anscheinend vergriffen.



    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Wieder widme ich mich Otto von Simson: Peter Paul Rubens, Zabern 1996 [sorry, war eine Schlamperei von mir]




    Ein wundervoll lesbares, die Gratwanderung zwischen zu wenig Denkfutter und den Leser ermüdender Überinterpretation mit Grazie zu einem Genuss machendes, den sowieso schon heiß geliebten Maler mir immer noch näher bringendes Werk.


    Und dann dieser Rubens: was für ein Mensch! Was für ein Maler! Was für ein Leben!

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

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