Was erwartet Ihr von einer "Haydn -Sinfonie" ?

  • Zitat

    Von den frühen Haydn-Symphonien darf man nicht zu viel erwarten, die sind wohl eher etwas für "Fans


    Hier sieht man, daß ein großes und mächtiges Forum auch Nachteile haben kann - Das Statement hab ich einfach überlesese, da hätte ich viel dazu zu sagen - aber das werden wir vermutlich in einem anderen Thread (Frühe Haydn-Sinfonien) abhandeln.


    Heute war ich versucht - angeregt über die Ablehnung der Beecham-Aufnahme von späten Haydn Sinfonien - ein Spezialthema "interpretationen von späten Haydn Sinfonien" zu starten - jedoch das Thema passt vorzüglich hierher....


    Interessanterweise (auch ich mag Beecham - jedoch nur die Stereoaufnahmen) hat auch mich die Aufnahme einiger späten Haydn-Sinfonien durch Beecham gelangweilt - ja sogar Widerwillen hervorgerufen.


    Ich nehme aber an, daß es sich hiebei um das Phänomen der Gewöhnung handelt, habe ich in letzter Zeit doch vorwiedend spritzige uns schlanke sehr feurige Interpretationen gehört - und somit im Ohr...


    Bevor wir uns wieder den Einzelsinfonien Haydns zuwenden könnten wir uns generell mit dem Klang auseinandersetzen, der bei dier Aufführung (Aufnahme) von späten Haydn-Sinfonien angebracht wäre....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Hier sieht man, daß ein großes und mächtiges Forum auch Nachteile haben kann - Das Statement hab ich einfach überlesese, da hätte ich viel dazu zu sagen - aber das werden wir vermutlich in einem anderen Thread (Frühe Haydn-Sinfonien) abhandeln.


    Ich habe hier schon ein Problem der Abgrenzung. Bis wann ist "früh" und ab wann "mittel"? Bis ca. 35 früh, bis 60 mittel, bis 81 spätmittel, ab 82 spät? ?( einige sind ja auch fehldatiert)


    Zitat


    Interessanterweise (auch ich mag Beecham - jedoch nur die Stereoaufnahmen) hat auch mich die Aufnahme einiger späten Haydn-Sinfonien durch Beecham gelangweilt - ja sogar Widerwillen hervorgerufen.


    Ein objektives Problem bei Beecham, ist das er Präkritische Ausgaben der Noten verwendet, die Klarinette im Trio von 103,iii fehlt schlicht und einfach, ebenso andere Bläserstimmen.


    Zitat


    Ich nehme aber an, daß es sich hiebei um das Phänomen der Gewöhnung handelt, habe ich in letzter Zeit doch vorwiedend spritzige uns schlanke sehr feurige Interpretationen gehört - und somit im Ohr...


    Bevor wir uns wieder den Einzelsinfonien Haydns zuwenden könnten wir uns generell mit dem Klang auseinandersetzen, der bei dier Aufführung (Aufnahme) von späten Haydn-Sinfonien angebracht wäre....


    Ein farbiger und kontrastreicher Klang; Haydn galt als "lärmiger" und lauter Komponist; das Londoner Publikum hatte (nicht nur bei der Militärsinfonie) Assoziationen an aufeinanderprallende Armeen und dramatisch-heroisches Geschehnisse. Die Holz- und Blechbläser dürfen nicht von fetten Streichern zugedeckt werden. Die Kontraste reichen von fast kammermuskalischer Faktur in manchen Trios oder langsamen Sätzen bis zu lärmenden Tutti. Ein Variationensatz wie der beim "Paukenschlag" (#94) lebt ganz wesentlich von den Kontrasten in Klangfarbe und Textur.
    Viel Details gehen leider häufig unter...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Sie sind ähnlich zu behandeln wie Mozarts "späte " Sinfonien, einesteils wuchtig und majestätisch , andrerseits spritzig und durchhörbar.


    Hier stellt sich die Frage, welche man als Mozarts "späte" Sinfonien miteinbezieht. Zählen lediglich die letzten drei [Es-Dur KV 543, g-moll KV 550 und C-Dur KV 551] oder auch die D-Dur KV 504 [die würde ich z.B. dazuzählen] oder sogar noch die C-Dur KV 338 - das wäre nämlich die einzige, die ich als spritzig empfinden könnte.


    Aber: Was hat das mit Joseph Haydn zu tun?


    Ich empfinde Mozarts Sinfoniestil als grundlegend anders als jenen von Joseph Haydn. Zumal gerade bei den sogenannten Londoner Sinfonien - Mozart war, von früher Kindheit einmal abgesehen - nie in London, hat diese musikalische Luft nie geschnuppert, wie es z.B. Haydn, Joseph Martin Kraus, Martín y Soler und einigen anderen [unbekannten] zuteil wurde.


    Charles Rosen schreibt: "Symphonische Musik ist etwas gröber angelegt und konzentrierter geschrieben" - das trifft auf Haydn zu [wenn ich mit z.B. den Streichquartetten vergleiche], auf Mozart hingegen nicht. Was die Interpretation betrifft, so hat Rosen auch etwas zu sagen: "Führt ein Dirigent eine Symphonie von Mozart oder Haydn auf, als interpretiere und modelliere er eine Sonate, so verfälscht und verdunkelt er ihr Wesen, anstatt es zu erhellen. Die Musik soll nicht etwa für sich selbst sprechen, denn das ist ein unmögliches Prinzip [...]".


    Haydn selbst legte - natürlich! - sehr großen Wert auf die korrekte Ausführung seiner Sinfonien: "Nun bitte ich gehorsamst dem dortigen fürstl. Herrn Capellmeister zu melden, daß diese drei Sinfonien (bevor sie producirt werden) wegen so vielen Particularitäten genau und mit aller Attention wenigsten 1 mahl möchten probirt werden [...]" Das schreibt er über seine Sinfonien Nrn. 90-92 am 17. Oktober 1789.


    Die Londoner Sinfonien schliessen hier an, es sind die Nrn. 93-104 in D-Dur, G-Dur 'Mit dem Paukenschlag', c-moll, D-Dur [einst 'Miracle'], C-Dur, B-Dur, Es-Dur, G-Dur 'Militärsinfonie', D-Dur 'Die Uhr', B-Dur 'Miracle', Es-Dur 'mit dem Paukelwirbel', D-Dur 'London'.


    Allein schon die Vielzahl an Werkbeinamen ist bezeichnend für die Beliebtheit dieser Sinfonien zur damaligen Zeit - bei Haydn entstanden fast alle Werkbeinamen unmittelbar während oder nach der Uraufführung.


    Zitat


    Entgegen ihrem Ruf, sind diese Sinfonien sehr abwechslungsreich.
    Um das festzustellen muß man sie allerdings einige Male hören......


    Haydns Sinfonien sind sehr abwechslungsreich, was das rein musikalische betrifft - das wird auch dem Ersthörer m. E. umgehend auffallen. Die Struktur hingegen hat sich fast unverrückbar gefestigt: (1) Langsame Einleitung/Schneller Satz (2) zumeist lyrischer langsamer Satz (3) Menuett (4) witziges, spritziges Finale.


    Ich finde aber, man merkt hier bereits - ähnlich wie bei Mozart - die etwas schwindende Lebensfreude bzw. -kraft des Komponisten. Sie weicht aber zu Gunsten einer absoluten Erhabenheit - und Sicherheit!


    Zitat


    Von den frühen Haydn-Symphonien darf man nicht zu viel erwarten, die sind wohl eher etwas für "Fans"


    Ich persönlich erwarte von Musik gar nichts - so kann ich auch nicht enttäuscht, aber dennoch überrascht werden. Es ist persönliche Geschmacksfrage und nicht eine der Qualität, ob man mit Haydns frühen, den mittleren Sturm- und Drang-Werken, den reifen oder den Spätwerken beginnt.


    Cordialement
    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Was ich von Haydns Sinfonien erwarte? Meine Erwartung will ich klar und naiv formulieren:


    Schöne Musik!


    Schöne Musik, die sich innerhalb eines bestimmten Gestaltungsrahmens oder Programms bewegt. Ulli hat die Struktur klar beschrieben. Das es bei Haydn immer wieder überraschende Ausstiege aus diesem Rahmen oder einen Wechsel in der Reihenfolge gibt (Nr. 22, Nr. 31 und nicht wenige andere …), ist eine angenehme Überraschung, die die Regel bestätigt und voraussetzt. Welch einen Wohlklang eine Haydn-Sinfonie entfalten kann, die sich nur innerhalb dieser Konventionen bewegt, zeigt z.B. Esa-Pekka Salonens Einspielung der Sinfonie Nr. 82 („Der Bär“) mit dem Stockholm Chamber Orchestra.



    Mit der Bezeichnung ‚schöne Musik’ will ich Haydns Musik also in keiner Weise abwerten. Im Gegenteil, ich meine es als großes Lob.
    Dass innerhalb dieses konventionellen Rahmens unendlich viel möglich ist, beweist Haydn mit seinen wohlklingenden, phantasievollen, abwechslungsreichen Sinfonien ganz wunderbar.


    Es lohnt sich vermutlich nicht, für die meisten der Sinfonien ein eigenes Thema zu eröffnen. Vielleicht aber wäre ein Thread denkbar, in dem die Sinfonien und Aufnahmen ohne eigenen Thread etwas eingehender und konzentrierter vorgestellt und gesprochen werden können.


    Auch unter den frühen Sinfonien sind Meisterwerke, nicht nur die oben angesprochenen Nr. 22 („Der Philosoph“), Nr. 31 (Mit dem Hornsingnal“), sondern z.B. auch 6-8 (Tageszeiten), Nr. 26 („La Lamentatione“), Nr. 30 („Alleluja“).


    Ich höre Haydns Sinfonien gern in gemäßigter HIP-Aufführung (Pinnock, Hogwood) oder auch gern engagierte non-HIP-Einspielungen, wie z.B. Salonen oder die Londoner Sinfonien Slatkin. Ich habe sogar eine Nr. 101 (Die Uhr) in einer Klemperer-Einspielung. Eine non-HIP-Einspielung darf dann aber nicht zu routiniert sein ... aber für welche Musik gilt das schließlich nicht?


    Ich habe auch einige Einspielungen mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment, Leitung Sigiswald Kuijken (Pariser Sinfonien).



    Das ist großartig musiziert, ist mir aber eine Spur zu HIP. Trotzdem höre ich sie gern.


    Ich würde gern Meinungen hören über die Einspielungen von Jochum, Bernstein und Brüggen.


    Mit freundlichen Grüßen, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Zitat

    Original von Ulli


    Hier stellt sich die Frage, welche man als Mozarts "späte" Sinfonien miteinbezieht. Zählen lediglich die letzten drei [Es-Dur KV 543, g-moll KV 550 und C-Dur KV 551] oder auch die D-Dur KV 504 [die würde ich z.B. dazuzählen] oder sogar noch die C-Dur KV 338 - das wäre nämlich die einzige, die ich als spritzig empfinden könnte.


    als späte meint man oft nur die letzten 3 oder die letzten 4 oder die letzten 6. Die drei von ca. 1780 würde cih nicht spät nennen, sondern zusammen mit der pariser als "mittel". Alles andere ist m.E. früh.
    Spritzig würde ich z.B. die Finalsätze von 35,36, 39 nennen.


    Zitat


    Aber: Was hat das mit Joseph Haydn zu tun?


    Ich empfinde Mozarts Sinfoniestil als grundlegend anders als jenen von Joseph Haydn. Zumal gerade bei den sogenannten Londoner Sinfonien - Mozart war, von früher Kindheit einmal abgesehen - nie in London, hat diese musikalische Luft nie geschnuppert, wie es z.B. Haydn, Joseph Martin Kraus, Martín y Soler und einigen anderen [unbekannten] zuteil wurde.


    Charles Rosen schreibt: "Symphonische Musik ist etwas gröber angelegt und konzentrierter geschrieben" - das trifft auf Haydn zu [wenn ich mit z.B. den Streichquartetten vergleiche], auf Mozart hingegen nicht. Was die Interpretation betrifft, so hat Rosen auch etwas zu sagen: "Führt ein Dirigent eine Symphonie von Mozart oder Haydn auf, als interpretiere und modelliere er eine Sonate, so verfälscht und verdunkelt er ihr Wesen, anstatt es zu erhellen. Die Musik soll nicht etwa für sich selbst sprechen, denn das ist ein unmögliches Prinzip [...]".


    Mozarts Sinfonien sind m.E "opernhafter" (ich weiß, ein Klischee), auch leidenschaftlicher (als der späte Haydn) besonders aber breiter angelegt und "melodienseliger", Haydns sind knapper, witziger und haben noch ein paar Haydn-speziifische, schwer ohne Details zu beschreibende Qualitäten. Variationensätze sind sehr häufig bei Haydn, bei Mozart gibt es in den Sinfoneine gar keinen.


    Ich teile übrigens die Ansicht, dass 104 irgendwie gegen ihre Vorgänger abfiele, ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Allein der erste Satz ist grandios, Haydn bestreitet praktisch die gesamte Durchführung mit dem trivialsten 2 Takten des Hauptthemas, dieses Motiv entwickelt aber eine ungeheure Energie. Da konnte Beethovne wirklich noch was lernen. Der melancholisch-schlichte langsame Satz ist auch ein Favorit; hier herrscht so eine Stimmung, wie ich sie nur von Haydn kenne usw.


    viele Grüße


    JR

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  • Allen, die an der Sinfonie 104 zweifeln, empfehle ich die Einspielung mit der Academy of Ancient Music, Christopher Hogwood. Es gibt eine CD mit den Sinfonien 94, 100 und 104.


    Manko: es ist fast unmöglich, diese CD irgendwo aufzutreiben. Leider.


    Grüße von Andrew

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  • Bernsteins und Harnoncourts Pariser sind auf je ihre Weise spitzenmäßig. Harnoncourt ist aber nicht für jedermann; er ist hier wirklich anders. Kujken ist mir hier etwas zu schlank und kontrastarm. ich plane seit letzten Sommer eigentlich einen thread zu den Pariser Sinfonien, komme irgendwie nicht dazu :wacky:


    Weitere Empfehlungen:
    - die 4 oder so CDs, die Harnoncourt mit dem Concentus von den frühen & - mittleren gemacht hat (Teldec/Warner u.a. 31, 73, 45)
    - Brüggens "Londoner" (Philips)
    - Rosbaud 92 &104 (DG)
    - Klemperers 102 & 104 (EMI, nur in Japan z Zt.)
    - Scherchens DG Originals Masters Box (mono, stellenweise mittelprächtige Qualität, eher für Fans, aber an Expressivität in einigen unübertroffen (45, 49, 88, 92)


    (zur Not) irgendeine Aufnahme der häufig übersehenen Sinfonien 89-91. Wolff mit dem HR-Orchester dürfte zu den besseren einzeln erhältlichen gehören. #90 ist eine der besten (ebenso 70)


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Es lohnt sich vermutlich nicht, für die meisten der Sinfonien ein eigenes Thema zu eröffnen.


    Hallo


    Diesen Standpunkt teile ich ganz und gar nicht !!!


    Jedoch ist es weder möglich - noch anstrebenswert - ALLE Sinfonine in absebarer Zeit zu behandeln
    Nich immer bin ich glücklich mit den Wandlungen, die hier im Forum vor sich gehen - indes die Akzeptanz und- mehr noch - Wertschätzung der Haydn Sinfonien hat innerhalb des Forums sehr zugenommen. Ich wüsste nichts was dagegen spräche ALLE Haydn-Sinfonien nach und nach zu bespreche. jedoch ist das ein Werk das viele Monate bis Jahre in Anspruch nehmen wird - eine Tatsache - die mich nicht schreckt.....


    Frühe Sinfonien NICHT zu besprechen, hiesse das alte - oft gehörte und nachgeplapperte - Vorurteil von der "Minderwertigkeit" dieser Sinfonien
    implizit zu bestätigen - und dafür gebe ich mich keineswegs her !


    Aber- Alles braucht seine Zeit - und sein Publikum.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....




  • Dieser Standpunkt bezieht sich auch nicht auf die Qualität der Haydn-Sinfonien. Dass sich für die meisten Sinfonien von Haydn eine solche Einzel-Erörterung lohnt, steht für mich außer Frage.


    Vielmehr bezieht sich der Standpunkt auf die Frage, ob sich in ausreichender Zahl interessierte Personen einfinden, die sich an den Threads zu einzelnen Sinfonien beteiligen würden. Die Eröffnung vieler einzelner Threads zu einzelnen Haydn-Sinfonien lohnt sich doch nur, wenn sie dann auch mit Leben erfüllt sind.


    Es ist einige Male der Vorschlag gekommen, den Bereich der klassischen Instrumentalaufnahmen nach Komponisten zu gliedern. Vielleicht ließe sich ein Haydn-Projekt in eine solche Struktur sinnvoll eingliedern, wenn sich viele beteiligen ...


    Das Klischee von der angeblichen Minderwertigkeit früher Haydn-Sinfonien klärt sich in der Regel von selbst, wenn einige der oben aufgeführten Sinfonien in einer guten Einspielung gehört werden. Gerade läuft bei mir wieder die Nr.31 (in der leider nicht mehr erhältlichen Einspielung mit Goodman/Halstead).


    Es bringt leider nicht viel, gegen diese Klischees zu argumentieren. Wer kein Ohr hat für gute Argumente, öffnet seine Ohren vielleicht doch für gute Musik. Und wer für gute Musik sein Ohr verschließt, wird auch den Argumenten gegenüber nicht offen sein.


    Freundliche Grüße aus dem regnerischen Nordwesten, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Zitat

    Vielmehr bezieht sich der Standpunkt auf die Frage, ob sich in ausreichender Zahl interessierte Personen einfinden, die sich an den Threads zu einzelnen Sinfonien beteiligen würden. Die Eröffnung vieler einzelner Threads zu einzelnen Haydn-Sinfonien lohnt sich doch nur, wenn sie dann auch mit Leben erfüllt sind.


    Voll d`accord.


    Niemand hat sich - so glaube ich wenigstens - mehr mit dieser Problematik befasst - als ich.


    Ich sehe das Projekt "Joseph Haydn" als ein langfristiges an, das ohne weiters auf einige Jahre verteilt werden darf. Der Leser muiß darauf brennen, wen eine neu Sinfonie besprochen wird - keinesfall sollte er denken: "O Gott bitte nicht schon wieder ...."


    Der Clan der Haydn-Kenner und -Liebhaber in diesem Forum ist in letzter Zeit erstaunlich gewachsen....


    LG


    aus Wien


    Alfred

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  • Salut,


    Von den Pariser Sinfonien sind die Nrn. 82 C-Dur, 83 g-moll und 85 D-Bur die wohl bekanntesten [L'Ours, La Poule und La Reine]. Was ist mit den übrigen 50 v.H. dieser Sechsergruppe? Ist nomen wirklich omen? Ist es tatsächlich so, dass Haydn-Sinfonien ohne Werkbeinamen weniger interessant sind?


    Ich habe jedenfalls heute nach langer Zeit die Sinfonien Nr. 86 und 87 in einer Einspielung des Orchestra of the Age of Enlightenment [Leitung: Sigiswald Kujiken] gehört. Von der 86ten war ich ganz angetan - hier war ja deutlich schon Beethoven zu hören, ein sicherlich unterschätzes Werk! Aber die Nr. 87?


    Ich glaube, bei der Uraufführung - wäre ich dabei gewesen - hätte ich mir ein zögerndes "Buh" nicht ersparen können. Sowas von langweilig! Die Sinfonie würde m. E. gerade mal als eine schlechte von Kozeluh durchgehen... zudem die Tonart: A-Dur. Das ist - mit zwei Ausnahmen! - keine Tonart für eine Sinfonie. Welche beiden Ausnahmen ich meine, dürfte klar sein: Mozarts KV 201 und Beethovens 7te.


    Mir kommt es gerade so vor, als habe Haydn einfach keine Lust gehabt, und in die Schublade mit seinen 1770er Skizzen gegriffen - was nicht heißt, daß seine Stum & Drang-Sinfonien "blöd" sind - aber irgendwie ist dieses 87. sinfonische Werk nicht "zeitgemäß".


    :no:


    An der Einspielung liegt es vermutlich nicht, denn das Orchestra of the Age of Enlightenment [das ich jetzt erst bewußt kennenlernte] hat mir in den übrigen bisher gehörten Interpretationen überwiegend sehr gut gefallen!


    Oder ist es so, dass Nr. 87 mit den vielen lyrischen Anteilen einfach aus der Art schlägt? Der zweite Satz jedenfalls war noch der beste für meinen Geschmack: recht schöne Holzbläserstellen und eine Anlehnung [oder Vorlage] an/für Mozart ["Prager"? - ich muß nochmals überlegen...]


    Meine Erwartungen an eine Haydn-Sinfonie wurden nicht erfüllt ;(


    :hello:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Von den Pariser Sinfonien sind die Nrn. 82 C-Dur, 83 g-moll und 85 D-Bur die wohl bekanntesten [L'Ours, La Poule und La Reine]. Was ist mit den übrigen 50 v.H. dieser Sechsergruppe? Ist nomen wirklich omen? Ist es tatsächlich so, dass Haydn-Sinfonien ohne Werkbeinamen weniger interessant sind?


    Nein.


    Zitat


    Ich habe jedenfalls heute nach langer Zeit die Sinfonien Nr. 86 und 87 in einer Einspielung des Orchestra of the Age of Enlightenment [Leitung: Sigiswald Kujiken] gehört. Von der 86ten war ich ganz angetan - hier war ja deutlich schon Beethoven zu hören, ein sicherlich unterschätzes Werk!


    86 ist mein Favorit unter den "Parisern" und eine meiner Lieblingssinfonien. Der langsame Satz ist einer der erstaunlichsten überhaupt von Haydn.


    Zitat


    Ich glaube, bei der Uraufführung - wäre ich dabei gewesen - hätte ich mir ein zögerndes "Buh" nicht ersparen können. Sowas von langweilig! Die Sinfonie würde m. E. gerade mal als eine schlechte von Kozeluh durchgehen... zudem die Tonart: A-Dur. Das ist - mit zwei Ausnahmen! - keine Tonart für eine Sinfonie. Welche beiden Ausnahmen ich meine, dürfte klar sein: Mozarts KV 201 und Beethovens 7te.


    Und z.B. Mendelssohns 4. und Haydns 87. (und 59. und noch ein paar, und noch eine Streichersinfonie von CPE Bach) :D


    Zitat


    Mir kommt es gerade so vor, als habe Haydn einfach keine Lust gehabt, und in die Schublade mit seinen 1770er Skizzen gegriffen - was nicht heißt, daß seine Stum & Drang-Sinfonien "blöd" sind - aber irgendwie ist dieses 87. sinfonische Werk nicht "zeitgemäß".


    Die A-Dur ist zwar vermutlich (mit der Es-Dur) ein Jahr vor den anderen enststanden, ich glaube aber kaum, dass Haydn Skizzen aus der Zeit 15 Jahre vorher überhaupt aufbewahrt hat, obwohl die Ähnlichkeit des Anfangs mit der tatsächlich fast 20 Jahre früher entstandenen #59 "Feuer" frappierend ist. Sie ist allerdings die im Anspruch bescheidenste der 6 Pariser, daher wohl als Kehraus ans Ende gesetzt. Aber die Werke um 1770 sind i.A. sehr viel "eckiger" und schroffer.


    Gegen den langsamen Satz kann man m.E. wenig sagen, bei Menuett und Finale sehe ich auch keine wesentlichen Unterschiede zu den andern. Der Kopfsatz ist relativ leichtgewichtig, das ist wohl wahr. Mir gefällt er dennoch sehr gut, mit seinem "minimalistischen" Thematik und seiner Energie.


    Zitat


    An der Einspielung liegt es vermutlich nicht, denn das Orchestra of the Age of Enlightenment [das ich jetzt erst bewußt kennenlernte] hat mir in den übrigen bisher gehörten Interpretationen überwiegend sehr gut gefallen!


    Mir weniger. Damit will ich keineswegs sagen, dass die Einspielung schlecht ist, aber sie ist etwas lasch, wenig kontrastreich und dramatisch. Eher leicht und spritzig, was zwar eigentlich zu der #87 passen könnte. Sie profitiert dennoch vom wuchtigeren Zugriff Bernsteins oder Harnoncourts.


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von Ulli
    Meine Erwartungen an eine Haydn-Sinfonie wurden nicht erfüllt ;(


    :hello:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    86 ist mein Favorit unter den "Parisern" und eine meiner Lieblingssinfonien. Der langsame Satz ist einer der erstaunlichsten überhaupt von Haydn.


    Für mich ist die Königin der "Pariser" Sinfonien ganz klar La Reine - warum auch sonst heißt sie wohl so? ;) Dicht gefolgt wird sie von dem Bären und der Henne [in dieser Reihenfolge]. Der "Rest" reicht mir eigentlich nicht mal für die Ersatzbank.


    :hello:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Hi!


    Erwarte von einer haydn - symphonie vor allem diese interpretation ;) :



    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

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  • Interessant, daß Haydns Sinfonien nicht so richtig polarisieren vermögen, wie etwas jene von Beethoven ....


    Einiges möchte ich jedoch noch zum Thema beisteuern:


    Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist die Vielzahl der Sinfonien , die Haydn geschrieben hat - er selbst konnte (oder wollte? ) sich nicht mehr an alle erinnern und hat teilweise (bewusst?) Falsche Angaben gemacht, nach der Frage der Authenzität gewisser Werke. - Dazu ist zu bemerken, daß Hayn in willkommenes Opfer von Plagiatoren war, etliches wurde in Paris unter seinem Namen veröffentlich - und er konnte sich nicht wehren, wiewohl es ihn ärgerte, denn EINE schlechte Eigenschaft hatte Haydn zumindest: Er war geizig und kleinkrämerisch, so verkaufte er diverse Werke gleichzeitig an mehrere Auftraggeber und ließ diese im Glauben ein Unikat erworben zu haben.


    Man kann generell ja überhaupt nicht von "typischen" Haydn Sinfonien" sprechen - denn Haydn war einerseit sehr eperimentierfreudig, und musste andererseits seine Werke oft an die örtlichen und personellen Gegebenheiten anpassen.


    Frühe Haydn Sinfonien werden von den Anhängerns seiner "großsymphonisch" angelegten Werke eher mit Verachtung bis Unkenntnis gestraft - umgekehrt ist es wohl ebenso.


    Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Haydns Sinfonien sehr interpretationsabhängig sind (im Gegensatz beispielsweise zu jenen von Mozart): Manches Werk, welche in "Normalinterpretationen" lasch klingt, entfaltet im Idealfall, Farbe, Witz und Feuer.


    Einige der hier vorgestellten Aufnahmen fionde ich einfach langweilig - was sehr dem Bild entgegenzukommen scheint, welches sich viele von Haydn machen.


    Aber davon mehr in nächster Zeit....


    mfg
    aus Wien


    Alfred

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Interessant, daß Haydns Sinfonien nicht so richtig polarisieren vermögen, wie etwas jene von Beethoven ....


    Wenn Ulli noch ein bißchen so weiter macht und meine Favoriten als Ersatzspieler brandmarkt, dann sehe ich durchaus Polarisierung kommen :boese2:


    Zitat


    Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist die Vielzahl der Sinfonien, die Haydn geschrieben hat - er selbst konnte (oder wollte? ) sich nicht mehr an alle erinnern


    Das ist für uns Hörer heute meines Wissens aber kein echtes Problem. Unter den numerierten 104 Sinfonien gibt es höchstens einzelne Sätze bei einigen frühen Werken, deren Authentizität strittig ist.
    Aber insgesamt sind die 104 schon die, die sorgfältige Wissenschaftler unter vielen hundert Werken, die unter "Haydn" firmierten, heraussortiert haben.


    Zitat


    und hat teilweise (bewusst?) Falsche Angaben gemacht, nach der Frage der Authenzität gewisser Werke. - Dazu ist zu bemerken, daß Haydn in willkommenes Opfer von Plagiatoren war, etliches wurde in Paris unter seinem Namen veröffentlich - und er konnte sich nicht wehren, wiewohl es ihn ärgerte, denn EINE schlechte Eigenschaft hatte Haydn zumindest: Er war geizig und kleinkrämerisch, so verkaufte er diverse Werke gleichzeitig an mehrere Auftraggeber und ließ diese im Glauben ein Unikat erworben zu haben.


    Das war durchaus übliche Praxis, noch Beethoven hat das mitunter ähnlich gemacht. Aber, wie gesagt, zumindest bei den Sinfonien und Streichquartetten ist nach Stand der Forschung heute nicht mehr viel strittig. Die Werke, die wir als Haydn kennen, sind von ihm. Und der Fall des "Serenadenquartetts" ist meines Wissens auch eindeutig (soweit sich so etwas historisch-philologisch klären läßt), nämlich nicht von Haydn.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Wenn Ulli noch ein bißchen so weiter macht und meine Favoriten als Ersatzspieler brandmarkt, dann sehe ich durchaus Polarisierung kommen


    Salut,


    Du scheinst da etwas zu verwechseln. Mir ist klar, dass der Thread nicht "Macht JRs Lieblings-Sinfonien nieder!" heißt. Meine Antwort bezog sich lediglich auf die Frage: Was erwartet Ihr von einer "Haydn -Sinfonie"? Zudem habe ich nicht einge einzige Sinfonie Haydns auf die Ersatzbank geschickt - sondern gleich disqualifizert [meinem derzeitigen Gusto entsprechend].


    Es scheint ja aber auch vortrefflichen Konsens zu geben.


    :]


    Viele Grüße
    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Erwartungsgemäß =) =) erwarte ich von Haydns Sinfonien
    Esprit, Heiterkeit, eine Art Klassik-Swing und das alles
    auf einem recht hohen kompositionstechnischen Niveau.
    Viele Stücke sind für meine Begriffe tiefgründiger als die meisten
    Sinfonien Mozarts, dabei aber nicht gerade von solch einer
    existenziellen Wucht wie das sinfonische Werk
    Beethovens, das in meisten Fällen viel mehr
    Aufnahmekapazitäten und Aufmerksamkeit erfordert.
    Besonders erfreulich erscheint mir, dass Haydn
    auch für die melancholischen Phasen das eine
    oder andere schöne Stück komponiert hat. ;( :)

    Ich würde mich hüten, zu behaupten,
    ich kenne das gesamte sinfonische Werk dieses
    außerordentlichen Komponisten,
    bin aber auf dem besten Wege dahin und
    füttere meinen MP3-Spieler systematisch mit Haydns Sinfonien.
    Die "Oxford" Nr. 92 (AHHO & A. Fischer) kann ich jeden Tag hören! :jubel:


    "Der Philosoph" Nr. 22, "Farewell" Nr. 45, "La Passione" Nr. 49,
    "Das Wunder" Nr. 96 und die "London" Nr. 104
    gehören zur Top-Ten.


    Herzlichst


    Viktor


    :hello:

  • Was ich an Haydn am liebsten mag sind seine oft fantastischen Durchführungen in den ersten Sätzen, besonders wenn sie reichlich kontrapunktisch gearbeitet sind (besonders in den Sinfonien 98, 99 und 104)
    und etliche seiner langsamen Sätze (besonders von Sinf. 26, 88, 92, 99 und 104).


    Mein Lieblingssinfonien: 31, 44, 45, 60, 67, 83, 86, 88, 92, 94, 98-101, 104


    Seine Streichquartette sprechen mich nur ausnahmsweise an, vor allem ein früheres in f-moll mit einem herrlichen langsamen Satz und einer tollen Schlußfuge. Schrecklich langweilig finde ich seine Klaviersonaten und seine so hochgerühmten Oratorien erreichen mich auch kaum (außer der Schlußfuge zur Schöpfung).

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan

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  • Hallo an alle "Taminos",


    bei dem Begriff "Haydn-Symphonie" denke ich immer an ein klassisches, formvollendetes und ausgewogenes Meisterwerk, das man mehr ernst nehmen sollte als es heute üblich ist, denn leider wird der große Joseph Haydn sein kindisches "Papa"-Image nicht los.


    Haydn-Symphonien sind stets unterhaltsam und melodienreich - und vor allem letzteres ist in der Musik doch eine sehr seltene und wichtige Gabe.

  • Zitat

    Original von Helge Kreisköther
    Haydn-Symphonien sind stets unterhaltsam und melodienreich - und vor allem letzteres ist in der Musik doch eine sehr seltene und wichtige Gabe.


    Gestern habe ich noch ungläubig den Kopf geschüttelt ...
    Jetzt habe ich seit langem wieder ein paar Londoner Sinfonien gehört - die sind tatsächlich melodienreicher als die anderen Sinfonien - mir mitunter schon fast zu "populistisch".


    Auf jeden Fall sind Haydns Sinfonien nicht "stets" melodienreich - keinesfalls. Haydn hat schließlich 104 Sinfonien komponiert und nur 15 davon sind die "Londoner". Natürlich gibt es überall Motive, hier und dort Melodien, aber Melodienreichtum als "seltene und wichtige Gabe" funktioniert für die Sinfonien vor den Londonern nicht, denke ich.
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Gestern habe ich noch ungläubig den Kopf geschüttelt ...
    Jetzt habe ich seit langem wieder ein paar Londoner Sinfonien gehört - die sind tatsächlich melodienreicher als die anderen Sinfonien - mir mitunter schon fast zu "populistisch".


    Auf jeden Fall sind Haydns Sinfonien nicht "stets" melodienreich - keinesfalls. Haydn hat schließlich 104 Sinfonien komponiert und nur 15 davon sind die "Londoner".


    nur 12! (und die Concertante)
    Immerhin ist Rosen der "volkstümliche" Stil, besonders des späten Haydn ab den 1790ern, ein eigenes Unterkapitel wert. Das bedeutet eben auch, daß es nicht der durchweg dominierende Stil ist. (Auch bei Mozart könnte man z.B. die Klavierkonzerte 537 (und teils auch 595 und das Klarinettenkonzert) den weniger eingängigen wie 491 oder 503 gegenüberstellen.)


    Zitat


    Natürlich gibt es überall Motive, hier und dort Melodien, aber Melodienreichtum als "seltene und wichtige Gabe" funktioniert für die Sinfonien vor den Londonern nicht, denke ich.


    Ich habe offenbar zu wenig Gespür dafür. Aber ich habe nie so recht verstanden, worin genau die angebliche, besondere Gabe der melodischen Erfindung bestehen soll. Man verwendet sie ja durchaus, um Komponisten wie z.B. Beethoven, Brahms, Schönberg zu kritisieren. Das geht mitunter soweit, zu behaupten, Schönberg habe die 12-Tonmusik erfunden, weil er melodisch so unbegabt gewesen sei, damit das niemand merkt. Ich kenne zu wenig von Schönberg, aber bei Beethoven oder Brahms konnte ich nie nachvollziehen, daß ihnen diese Gabe mangelt. Umgekehrt sehe ich oft nicht so ganz ein, warum ich anerkannte Melodiker wie Mozart, Schubert, Tschaikowsky deswegen besonders bewundern soll, nicht aber dutzende von Unterhaltungskomponisten. Mir ist auch überhaupt nicht klar, inwieweit hier "Inspiration" wichtiger ist als "Technik" und bei anderen musikalischen Parametern nicht. Ich verstehe damit weder die Isolation dieses Aspekts so richtig noch kann ich den angeblichen Mangel anhand etlicher genannter Beispiele nachvollziehen. (Ziemlich unmelodisch finde ich, abgesehen von Einleitung, Andante und Trio z.B. Schuberts Große C-Dur-Sinfonie, aber ich sehe das eigentlich nicht als Manko.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich finde nicht das man Beethoven und Brahms einen Mangel an guten melodischen Einfällen vorwerfen kann. Sicher war es bei Komponisten wie Mozart, Mendelssohn, Tschaikowsky usw. noch ausgeprägter und häufiger, der Kompositionsstil im Regelfall auch anders. Aber wenn man will ist es nicht allzu schwer auch bei Beethoven und Brahms einige prägnante, melodische Themen zu finden.
    Bei Beethoven zB der letzte Satz des 5.KK, das 1.KK ist sowieso voll damit, die beiden Violinromanzen, der langsame Satz der "Pathetique"-Sonate, die wunderschön zerbrechlich, verzweifelte Melodie in der Coriolan-Ouvertüre, einiges in der Leonoren-Ouv., natürlich die "Frühlings-Sonate" op.24 um nur ein paar Beispiele zu nennen, bei Brahms zB 1.Satz seiner 2.Sinfonie, einiges im Violinkonzert, 1.und letzter Satz seines 1.Klaviertrios in h-moll, das "Rondo alla Zingarese" des 1.Klavierquartetts, das sehr schöne Andante des 3.Kl.Qu. wie auch der letzte Satz davon, einiges im 2.KK (natürlich auch die Ungarischen Tänze) usw.
    Von einer "melodischen Unbegabung" merke ich da nichts.
    Da würden mir andere Komponisten einfallen. :stumm:
    Und das sich ihre Werke nicht immer vordergründig auf Melodien stützten ist ja nicht verkehrt, lebt ja eine interessante Musik nicht nur davon inwieweit sie melodisch ausgeprägt ist.
    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Hallo!


    Also ich habe noch nicht alle Sinfonien Haydn gehört, aber die die ich hörte liebte ich auf Anhieb!
    Haydn wird als Sinfoniker noch immer unteschätzt, viele Leute (auch im klassischen Bereich!) kennen allerhöchstens Londoner und vl noch Pariser...wenns gut geht... 8o


    Aber wenn ich eine neue Haydn höre, dann kann ich ganz sicher sein, dass sie gaaaaaanz anders ist, wie alle anderen vorher, das muss ich nicht mal mehr erwarten.
    Dieses ewige, "Immer-was-Neues" bei Haydn ist großartig!
    Und dann kommt noch viel Mut und gaaaaaanz viel Humor dazu...
    Perfect!...


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

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  • Ich grabe den Thread mal wieder aus, weil von mir kein passender gefunden werden wollte (Allgemeiner Thread über die Sinfonien oder Ouvertüren). Genau um letztere geht es mir allerdings quasi mittelbar:


    Ein Forenuser jedenfalls "steht" (wenn ich das so richtig interpretiert habe) auf moll-Sinfonien. Dazu gerne eine Ergänzung in Form einer Ouvertüre, die m. E. ein sehr gute (g)-moll-Sinfonie hätte werden können; anzusiedeln 1779 zwischen I:70 und I:75 ... namentlich jene zu L'Isola disabitata Hob. XXVIII:9:



    Apollo's Fire

    Jeannette Sorell


    Für mich neben jener zur L'Anima del Filosofo (Orfeo ed Euridice) und Il ritorno di Tobia eine der besten Haydn-Ouvertüren, die nicht in den Sinfonienkanon eingegangen sind.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Ich habe offenbar zu wenig Gespür dafür. Aber ich habe nie so recht verstanden, worin genau die angebliche, besondere Gabe der melodischen Erfindung bestehen soll. Man verwendet sie ja durchaus, um Komponisten wie z.B. Beethoven, Brahms, Schönberg zu kritisieren. Das geht mitunter soweit, zu behaupten, Schönberg habe die 12-Tonmusik erfunden, weil er melodisch so unbegabt gewesen sei, damit das niemand merkt. Ich kenne zu wenig von Schönberg, aber bei Beethoven oder Brahms konnte ich nie nachvollziehen, daß ihnen diese Gabe mangelt. Umgekehrt sehe ich oft nicht so ganz ein, warum ich anerkannte Melodiker wie Mozart, Schubert, Tschaikowsky deswegen besonders bewundern soll, nicht aber dutzende von Unterhaltungskomponisten.

    Endlich sagt es einmal einer so deutlich. Die kompositorische Kunst hat nur teilweise etwas mit melodischer Erfindung zu tun, sonst wäre vielleicht Peter Kreuder einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts ... Na dann, Goodbye Johnny :(


    Für meine Begriffe liegt die Bedeutung Haydns nicht in seinen Melodien, sondern in seiner Experimentier- und musikalischen Formkunst. Man verfolge einfach seine Streichquartette. Eine ganze Gattung so tiefgehend zu prägen, ..... das ..... ist eine musikalische Leistung :jubel:Und es scheint doch so zu sein, dass er das mit den Sinfonien auch geschafft hat. Wo gibt es das denn noch in der Musikgeschichte?


    .... Und wo wir gerade dabei sind, was ist mit dem Klaviertrio? ... Was erwarte ich also von Haydn Sinfonien? einen musikalischen Genuss allererster Güte :hello:

  • Ich glaube, andersrum wird ein Schuh daraus:


    Nicht, daß Beethoven, Brahms u. Konsorten kein Gespür für melodische Stränge hätten; im Gegenteil. Aber zumindest Beethoven lässt z.T. ganz bewußt damit auf sich warten und baut sich diese erst puzzleartig zusammen - dahinter steckt m. E. ein neues Konzept, das Spannung und Erwartung erzeugt: z.B. Übergang der lgs. Einleitung zum Hauptsatz der 7. Sinfonie oder der Beginn der 9. Sinfonie: man wird als Hörer auf die (vorgetäuschte) Suche nach dem Thema mitgenommen, was zunächst etwas sperrig wirken mag. Es werden auch etwas bewußt sperrigere (vllt. unglücklich ausgedrück; eher rhythmisch fokussierte) Hauptthemen den melodische(re)n Seitenthemen gegenübergestellt - diese Form der zusätlichen Abwechslung gab es bei Haydn und Mozart z.B. noch nicht so ausgeprägt.


    Ansonsten kann ich nicht finden, Beethoven sei unmelodisch(er als Haydn); schon gar nicht bei den lgs. Sätzen der genannten Sinfonien, aber auch op. 13 zum Beispiel.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Ein Forenuser jedenfalls "steht" (wenn ich das so richtig interpretiert habe) auf moll-Sinfonien. Dazu gerne eine Ergänzung in Form einer Ouvertüre, die m. E. ein sehr gute (g)-moll-Sinfonie hätte werden können; anzusiedeln 1779 zwischen I:70 und I:75 ... namentlich jene zu L'Isola disabitata Hob. XXVIII:9:


    Lieber Ulli, danke für diese Einstellung. Dieses Stück hat alles, was mir Haydn so wert macht. Melodien, Abwechslung, Überraschungen, Schwung, Subtilität. Damit könnte diese Ouvertüre glatt in die 40er eingereiht werden (du bevorzugst 70-75), wo sich mit 43, 44, 45 und 49 meine Lieblingssinfonien befinden. Gegenüber diesem mitreißenden Schwung sind die späten Sinfonien doch, bei aller Kompositionskunst, etwa behäbig.

    Auch ein Wiedersehen mit Apollo´s Fire freut mich. ich glaube, ich war der erste (?), der dieses Ensemble hier vorgestellt hat. Nach England haben sie es wohl schon geschafft, von Auftritten in Deutschland habe ich leider noch nichts gehört. Sie sind unglaublich vielseitig, besonders wenn der (Soliten-) Chor dazukommt. Da empfehle ich "The Three Amandas"!

    "...bad info is worse than no info at all... (N.Taleby)

  • Für meine Begriffe liegt die Bedeutung Haydns nicht in seinen Melodien, sondern in seiner Experimentier- und musikalischen Formkunst.

    Das wird heut vielfach so gesehen, aber meiner Meinung nach ist das ein Irrweg.

    Haydn hat (wie übrigens auch Beethoven) etliche sehr eingängige Melodien geschaffen.

    "Experimentierkunst" ist heute gefragt, wobei man durchaus hässliches in Kauf nimmt, man stellt heutw in "Musikwassenschafterkreisen" die "Originalität" und das "Neue" über eine ästhetisches oder gefälliges GEsamtergebnis. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß es hier - wie in vielen Bereichen- eine Verschiebung von Worbedeutungen gegeben hat. Das Wort "gefällig" war dereinst ein Qualitätsbegriff. heute hat es einen negativen Beigeschmack - wenn nicht mehr.

    ES wurde weiter oben angedeutet, daß der "Schlager" (eigentlich auch im Aussterben begriffen) meist aud eingängigen Melodien fusst. Das klingt auch ein wenig abwertend. Aber es ist genau das, was die MEhrheit aller Muskhörer weg von der klassischen Musk zum Schlager und zu Volksmusik treibt.(Früher sagte man "Gassenhauer" oder auch "Ohrwurm)

    ES ist IM der Mehrheit der Hörerschaft egal wie komplex eine Partitur ist, wie originall, wie konstruiert, wie intellektuell - Musik muss gefallen. Daraus hat sich ja letztlich der Crossover entwickelt,mit all den eingängigen Themen. Der Gefangnenchor aus Nabucco mag hier als Beispiel dienen, die einzige nummer aus dieser Oper, die faktisch "jeder kennt - und mitsummen kann.

    Ich komme zurück zu Haydn. Fürmeinen persönlichen Geschmack gibt es dreierlei Arten seiner Sinfonien die mich zufriedenstellen.

    A) die "großen" eindrucksvollen und klangprächtigen Sinfonien als typische Vertreter der klassischen Sinfone um 1780 ff

    B) Die frühen mit wenigen Mitteln großartige Wirkungen erzielt hat ("Sinfonie NR 1")

    C) repäsentativen strahlenden und die vom Typus "Jagdsinfonie"


    Kurz alles, was unter den Begriff "schön" fällt. MUSik gehört zu den "schönen" Künsten die von den MUSEN gschützt werden. Da sind vielerlei Bereich abgedeckt - einer für Musikexperimente und Disharmonie allerdings nicht.


    Über den Erfolg von "Schlagern", HITS, etc könnte man - obwohl am Rande von OT - einen eignen Thread starten...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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