Anton BRUCKNER: Sinfonie Nr 5

  • Lieber Wolfgang,


    eigentlich wollte ich an dieser Stelle meinen Kurzbericht (mehr geht ohne Aufschreiben nicht) über die Fünfte von Celi mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart vom 26. November 1981 posten, aber als ich deinen Beitrag sah, dachte ich mir, dass ich darauf erst antworten müsste.
    Zuerst möchte ich auf deine Antwort auf Josephs Posting eingehen, die mir aus dem Herzen spricht:

    Zitat

    Lieber Joseph; deine Aussage halte ich für falsch. ....

    Ich bin auch der Meinung, dass Karajan hier eine exorbitante Aufnahme (1976) zu Wege gebracht hat. Sollte jedoch auch mal die Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern aus dem Jahre 1969 zu normalen Preisen habhaft sein, werde ich sicher zuschlagen.
    Erstaunlich finde ich, dass du die Wand-Aufnahme aus 1974 erst letztes Jahr zum ersten Mal gehört hast, da die Fünfte komischerweise meine erste Wand-Aufnahme überhaupt war. Da jedoch die Gesamtaufnahme mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester kurz darauf in meinen Bestand kam, habe ich mich (leider) nicht oft genug mit der Fünften beschäftigt.



    Zitat

    Teleton: Aber trotzdem - erst, seitdem ich die Wand-Aufnahme / Kölner RSO (RCA) letztes Jahr gehört habe, ist die Sinfonie noch einmal in meiner Gunst gestiegen. Das liegt aber bei Wand einduetig daran, dass er das Werk insgesamt noch straffer gestaltet und auch das Adagio bei ihm nicht so fürchterlich breit ist.

    Das ist der Punkt, lieber Wolfgang. Die Satzbezeichnung lautet nun einmal "Adagio: Sehr langsam", und das ist nun einmal bei Wand nicht sehr langsam. Obowohl Günter Wan mein Lieblingsdirigent ist und bleibt, bin ich der Meinung, dass da noch etwas Anderes sein muss. Es ist vollkommen unerklärlich, warum Wand mit dem gleichen Orchester das Adagio 9 Minuten schneller spielt als zwei Jahre später Celi. Adagio ist Adagio, oder? Und "Sehr langsam" erst Recht. Natürlich weiß ich aus vielen Ausführungen, dass du ein Freund des schwungvollen, mitreißenden Musizierens bist. Mir geht das ähnlich, aber dennoch unterscheidet uns Eines. Ich bin noch mehr ein Freund der (adäquat gespielten) langsamen Sätze, und Schuld daran sind fünf Leute: Mozart, Beethoven, Schubert, Bruckner und Mahler. Was will man machen? Wenn ich an das Morendo in der Neunten Mahler denke oder an as Horn am Schluss der Neunten Bruckner, dann läuft mir schon allein davon ein Schauer über den Rücken.
    Das Adagio ist ja in meinen Augen keine Ruhepause zwischen dem schnellen Kopfsatz und dem noch schnelleren Scherzo, sonder ein nicht minder anstrengendes Innehalten, in dem die musikalischen Gedanken vertieft werden, bevor sie im Scherzo auf mehr spielerische Weise auf eine andere Ebene gebracht werden, um schließlich im Finale noch einmal zusammengebracht und zu einem Gipfelpunkt gebracht zu werden.


    Dass Günter Wand auch sehr wohl im adäquaten Tempo zu gestalten wusste, beweisen zum Beispiel seine Spielzeiten in der Aufnahme aus dem Lübecker Dom 1987 beim Abschlusskonzert des Schleswig-Holstein-Musikfestivals, als er die Achte aufführte. Ich stelle sie hier mal vergleichend gegenüber den Spielzeiten von Celi in Stuttgart im November 1976:


    Wand: 16:50-15:37-28:29-25:15,
    Celi: 16:16-13:52-27:08-26:04;


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ich habe heute Abend die Fünfte in der Interpretation Sergiu Celibidaches vom 26. November 1981 mit dem Stuttgarter Radio-Sinfoieorchester gehört. In den Sätzen geringfügig kürzer als ins seiner Münchener Aufnahme, ist sie m. E. doch auf gleichem interpretatorischen Niveau, und ich möchte auch sagen, dass es 1981 kein besseres Bruckner-Orchester in Deutschland gab. Das Kölner RSO unter Günter Wand war sicherlich auf gleichem Niveau, aber nicht besser. Zur gleichen Zeit stiegen zwei Dirigenten auf den Bruckner-Thron, wo sie m.E. heute noch thronen.
    Was die Fünfte betrifft, so finde ich nach wie vor nur das Adagio heikel, zumal außer Celibidache, Karajan und Jochum alle anderen diesen Satz m.E. zu schnell spielen. Was die Qualität dieser Aufnahme betrifft, so folgt sie exakt den komplizierten musikalischen Strukturen, die unerschütterlich in einem Steigerungslauf auf das Finale hinzielen. So stringent ist das erst wieder bei der Achten geschehen.
    Man ist beim Hören dieser Aufnahme geneigt zu fragen, was passiert wäre, wenn Celibidache in Stuttgart geblieben wäre. Gleichzeitig ist die Frage jedoch müßig, weil Celi bei dieser Aufnahme schon Chefdirigent in München war. Dennoch hat er in seiner Arbeit in Stuttgart dieses Orchester ungeheuer nach vorne gebracht.
    Leider Gottes ist in dieser Aufnahme der Paukist nicht so prägnant vertreten wie bei Karajan oder Celis Münchener Aufnahme. Aber dies ist nur ein kleiner Abstrich. Alles in allem ist dieses eine der besten Afunahmen der Fünften Bruckner überhaupt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Zu dem Kurzbericht Nr. 242 gehört natürlich diese Box. Da habe ich am 8. 1. leider die falsche Nummer erwischt.

    Heute nun habe ich die Fünfte aus dieser Box gehört. Ich war auf die Idee gekommen, weil Jochum, der diese Aufnahme im Februar 1980 in der Lukas-Kirche in Dresden fertiggestellt hat, in der Interpretation des Adagios von der temporalen Ausdehnung näher an Karajan und Celi I und II ist als an allen anderen Dirigenten, die ich in meiner Sammlung habe. Und wer jetzt glaubt, dies sei eine langsame Aufnahme, der hat sich geschnitten.
    Schon der Kopfsatz ist der helle Wahnsinn. Wer diese Aufnahme vorurteilsfrei hört, der kann nicht verstehen, warum man Jochum in der Vergangenheit öfter vorgeworfen hat, er habe seine Bruckner-Interpretationen mit pseudo-religiösem Weihrauch ummantelt. Welch ein Unsinn. Von allen Einspielungen, die ich in den letzten vierzehn Tagen von dieser Symphonie gehört habe, hat diese im Kopfsatz (und nicht nur da), den meisten Drive. Sie birst von Energie, und die nach der Adagio-Einleitung vorgenommene Satzbezeichnung Allegro ist über weite Teile ein Allegro vivace e con brio, erinnert in ihrer Rasse an Beethoven und lässt schon hier ahnen, welche gewaltige Symphonie da auf den Hörer zukommt. Je öfter ich jetzt die Fünfte höre, und dann auch noch in so einer Einspielung, desto weniger verstehe ich, warum ich in der Vergangenheit mehr oder weniger einen Bogen um sie gemacht habe.
    Ich hatte in einem der früheren Berichte erwähnt, dass der Spannungsbogen m. E. nicht in allen von mir gehörten Interpretationen in gleicher Weise von Satz zu Satz verläuft, dass der eie Dirigent die Entwicklung zum Finale hin aufbaut, der andere schon in einem vorherigen Satz einen Höhepunkt sieht. Wenn ich ehrlich sein soll, dann sehe ich hier eine besondere Situation. Einem furiosen Kopfsatz folgt ein Adagio, das gleichwohl auch gewaltige Eruptionen gebiert und ein Scherzo von einem anderen Stern. Das grenzt an Raserei. Das hätte man vor allen Dingen Jochum sicher nicht zugetraut. Und das Finale, sicherlich in Aufbau und Dramatik dem der Achten mindestens ebenbürtig, an Schwierigkeit wahrscheinlich noch überlegen, krönt diese Einspielung noch. Auch musikalisch gelingt Jochum die Vorwegnahme der letzten vier Akkorde der Achten vielleicht am besten.
    In einem anderen Thread zu einer anderen Zeit hatte ich mich schon einmal über Jochums Dresdner Gesamtaufnahme ausgelassen und das Dresdner Blech und das vorzügliche Zusammenspiel des Orchesters gelobt sowie die Qualität jedes einzelnen Musikers. Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzfügen.
    Was Jochum betrifft, so ist das Bruckner-Podium, um eine Anleihe aus dem Sport zu nehmen, mit Günter Wand, Sergiu Celibidache und Eugen Jochum endgültig besetzt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Mehrere Jahre (!) besaß ich von Bruckner nur diese Jochumbox. Daher ist das für mich natürlich irgendwann das "Original" geworden, alles andere waren Variationen. Daher kann ich natürlich überhaupt nciht objektiv sein (was aber ja auch selten mein Ziel ist). Gerade die 5. habe ich relativ häufig gehört, - weil sie so lang ist. D.h. für mich, wenn ich mal richtig Zeit zum Musikhören hatte, was nicht so oft passiert, dann gönnte ich mir die 5. Und nach wie vor höre ich genau diese immer noch sehr gern.
    Nun meint Willi, dass ihn die Kraft besonders beeindruckt. Kann ich verstehen. Aber es gibt doch einige, die das noch viel weiter treib en. Ich erwähne hier wieder einmal Markus Bosch. Viele andere, deutlich mehr, nehmen sehr viel mehr zurück. Insofern würde ich Jochum als die goldene Mitte verstehen.


    "Pseudoreligiöser Weihrauch" werde Jochum vorgeworfen schreibt Willi. Ich kenne diese Vorwürfe nicht, aber frage mcih sofort, ob das denn überhaupt ein Vorwurf ist? Ist es nicht gerade diese Frömmigkeit, die sich nicht an gängige Religionsriten hält, die viel archaisches, naturhaftes, ja vielleicht heidnisches hat, die Bruckners Reiz ausmacht? Dieses Erstarren von Größerem als wir verstehen können? Es kommt ja nicht von ungefähr, dass auf den Covern immer wieder Gebirge zu sehen sind. Wenn also Jochum es schafft, dieses Transzendentale auszudrücken, dann ist das doch gut!!


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Hallo Yorick, alles ;) .


    Die EMI-Box enthält Aufnahmen mit den Münchner Philharmonikern und die der DGG frühere Einspielungen mit dem SWR SO und dem schwedischen RSO (aus 1969-1981).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Was Jochum betrifft, so ist das Bruckner-Podium, um eine Anleihe aus dem Sport zu nehmen, mit Günter Wand, Sergiu Celibidache und Eugen Jochum endgültig besetzt.


    Lieber Willi,


    vergib die endgültigen Plätze nicht zu früh. ;)


    Ohne ihn explizit hineinheben zu wollen in den "musikalischen Olymp" bin ich gespannt, wie Du die Aufnahme mit Barenboim finden wirst.


    Abgesehen davon wurde ich mit der erst bei der EMI erst-, später dann bei Brilliant wieder-veröffentlichten Gesamtaufnahme nie recht warm, weil mir die Klangqualität überhaupt nicht zusagte.


    Ich stimme aber mit den positiven Aussagen bezüglich Jochum überein, weil es u.a. noch einen Live-Mitschnitt aus der Basilika Ottobeuren vom 30. und 31. Mai 1964 gibt, den ich für ein "Monument" halte, eine Sternstunde in der Aufführungshistorie von Bruckners 5.:



    "Mein Olymp" beinhaltet neben den hier vorgestellten Aufnahmen von Gielen (unschlagbare Transparenz), von Dohnanyi und Chailly (sehr ausgewogen mit hervorragenden Orchestern), von Herreweghe ("Bruckner hip", aber das funktioniert, weil Herreweghe eine neue, "farbige" Sichtweise auf Bruckner aufzeigt) noch "zweimal München":



    -Haitink ist eher der "klassisch-ausgewogenen" Fraktion zuzuordnen und wartet ebenfalls mit einem hervorragenden Orchester auf. Er hat es nicht nötig, Bruckners Musik mittels dynamischen und tempomäßigen Eingriffen "interessanter" zu machen (denn das hat die Musik wiederum nicht nötig), sondern er spielt "großartiges großartig".


    -Bei Sawallisch (und zwar bei allen Bruckner-Aufnahmen Sawallischs) beeindruckt mich die "menschliche Wärme", die er dem Werk angedeihen läßt. Bei ihm ist besonders die Liebe, die Hingabe zum Schaffen Bruckners zu spüren.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Norbert: Ich stimme aber mit deinen positiven Aussagen bezüglich Jochum überein, weil es u.a. noch einen Live-Mitschnit aus der Basilika Ottobeuren vom 30. uns 31. Mai 1964 gibt, den ich für ein Monument halte...

    Ottobeuren scheint ja ein gutes Pflaster für Bruckner und Bruckner-Titanen zu sein, lieber Norbert, weil dort, wenn ich mich recht erinnere, Günter Wand im Jahr 1979 eine veritable Aufnahme von der Neunten machte, ich meine mit dem RSO Stuttgart. Er selbst hat diese Aufnahme aus der Erinnerung heraus wohl sehr sehr hoch gehängt.
    Was mein "Bruckner-Podium" betrifft, so habe ich es mit den drei Dirigenten besetzt, die immer als ausgesprochene Bruckner-Dirigenten gegolten haben. Barenboim, dessen Aufnahmen ich ebenfalls schätze, ist dagegen mehr Universalist. Ich kann allerdings noch nichts zu seinerm früheren Chikagoer GA sagen, von der ich nur die Erste und das Te Deum habe. Dass Sawallisch, den ich mit Mozart, Beethoven und Schubert und Wagner habe, auch Bruckner-Aufnahmen gemacht hat, wusste ich gar nicht. Schönen Dank für den Tipp.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ottobeuren scheint ja ein gutes Pflaster für Bruckner und Bruckner-Titanen zu sein, lieber Norbert, weil dort, wenn ich mich recht erinnere, Günter Wand im Jahr 1979 eine veritable Aufnahme von der Neunten machte, ich meine mit dem RSO Stuttgart. Er selbst hat diese Aufnahme aus der Erinnerung heraus wohl sehr sehr hoch gehängt.


    Lieber Willi,


    so ist es.


    Auch diese Aufnahme ist schlichtweg ein Monument; für mich die beste Bruckner-Aufnahme der 9. Sinfonie, die Wand je gemacht hat, versehen mit der strahlendsten Schlußcoda im 1. Satz, die ich kenne. Seinerzeit stellte ich sie hier genauer vor.


    Zitat

    Was mein "Bruckner-Podium" betrifft, so habe ich es mit den drei Dirigenten besetzt, die immer als ausgesprochene Bruckner-Dirigenten gegolten haben. Barenboim, dessen Aufnahmen ich ebenfalls schätze, ist dagegen mehr Universalist. Ich kann allerdings noch nichts zu seinerm früheren Chikagoer GA sagen, von der ich nur die Erste und das Te Deum habe.

    D'accord soweit einerseits, auch wenn Jochum z.B. erheblich "universaler" war als gemeinhin bekannt und Barenboim schon den (mindestens) dritten Zyklus aller Bruckner-Sinfonien veröffentlicht hat (0-9 mit dem CSO, 1-9 mit den Berl. Philh. und ?-9 mit der Staatskapelle Berlin).


    Aber sei's drum. Daß alle drei von Dir genannten Dirigenten herausragend gute Bruckner Interpreten waren, ist zweifelsfrei richtig.



    Zitat

    Dass Sawallisch, den ich mit Mozart, Beethoven und Schubert und Wagner habe, auch Bruckner-Aufnahmen gemacht hat, wusste ich gar nicht. Schönen Dank für den Tipp.

    Bitte, gerne geschehen.
    Abgesehen von der 6. Sinfonie, die ich als tontechnisch unglaublich problematisch in Erinnerung habe (komplett verhallt), sind alle anderen Aufnahmen für mich uneingeschränkt empfehlenswert. Wie ich bereits schrieb: Bei Sawallisch spürt man die Liebe zum Werk (auch bei den von ihn aufgenommenen Schubert-Messen übrigens).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lorin Maazel ist mitnichten ein Name, der einem als erstes einfällt, denkt man an die Symphonien von Anton Bruckner. Dies mag vielerlei Gründe haben. Zum einen ist Maazel kein "genuiner" Bruckner-Dirigent, eher ein "Universaldirigent", zum anderen sind seine Aufnahmen unstreitbar nicht alle von der allerhöchsten Güte. Besonders bei seinen neueren Einspielungen ist man vorsichtig, wie man hier im Forum auch merkt. Ende 2010 erfolgte die Veröffentlichung eines kompletten Bruckner-Zyklus durch das BR-Label — über ein Jahrzehnt, nachdem dieser entstanden war (1999). Nun kann man sich fragen, wieso es solange gedauert hat. Dies vorweg: An mangelhafter Qualität lag es bestimmt nicht. Tatsächlich beweist dieser Zyklus große Geschlossenheit, vermutlich begünstigt durch die schnelle Abfolge, in der die Aufnahmen entstanden sind, nicht über etliche Jahre verteilt wie viele "klassischen" Zyklen.


    Um es gleich zu sagen: Es gibt keinen Ausfall in der Box. Besonders gelingen Maazel die frühen vier Symphonien (inklusive der "Nullten"), die man selten so großsymphonisch und mächtig hörte. In diesem Thread soll es allerdings um die Fünfte gehen, die neben der Achten gewaltigste, wie ich meine, im Finale gar noch größer ("Das monumentalste Finale der Weltgeschichte", sagte einst Furtwängler). Ich würde soweit gehen und sie zum Highlight dieser Gesamtaufnahme erklären. Lassen wir zunächst die reinen Spielzeiten sprechen:


    I. 23:09, II. 15:05, III. 14:33, IV. 27:07


    Was fällt auf? Den ersten Satz nimmt Maazel langsam, langsamer gar als Celibidache. Trotzdem trifft er den Tonfall m. E. genau. Im Adagio ist er dann erstaunlich flott: 15 Minuten! Schneller als Günter Wand, von anderen ganz zu schweigen. Karajan ist hier sechs Minuten langsamer, Celibidache gar fast zehn. "Überromantisierung" also nicht zu befürchten. Das Scherzo bewegt sich dann wiederum im Rahmen, minimal langsamer als Karajan, genauso schnell wie Celibidache, etwas schneller als Klemperer. Der Höhepunkt nicht nur dieser Aufnahme natürlich das Finale. Und hier übertrifft sich Maazel selbst: Sage und schreibe 27 Minuten lässt er sich Zeit! Das Interessante ist, dass es nicht verschleppt wirkt. Die enorme Spieldauer rührt daher, weil er die Finalcoda extrem langsam angeht. Die Wirkung ist atemberaubend. Die Streicher am Ende des Satzes (übrigens auch in der Coda des Kopfsatzes) hörte ich noch nie so detailliert. Seltsamerweise ist Celibidache in der Coda des Finales viel schneller, gar nicht unter den langsamsten Vertretern. Wenn ganz zuletzt die Pauken aufheulen, verzögert Maazel die letzten Takte ins Unermessliche. Das Ergebnis gibt ihm Recht. Genauso verzögert wollte ich den allerletzten Takt immer hören. Hier bekommt man es geboten. Das ist die Imposanz der Heiligen Dreifaltigkeit in musica. Wer Weihrauch bei Jochum sucht, findet ihn eher hier.


    Dass Maazel die gewaltigen Klangmassen dieses Mammutwerkes dank des hervorragenden und kongenialen Klangkörpers, des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, stets im Griff hat, ist kein Wunder. Man merkt eben doch, dass dieser Dirigent eine enorme Erfahrung hat. Ein Rezensent betonte zurecht die herausragende, sehr plastische Klangtechnik, in welcher diese Aufnahmen eingefangen wurden. Besser geht's kaum. Sie rundet das sehr positive Gesamtbild dieser Gesamtaufnahme ab.


    Faizit: Für alle Maazel-Verächter eine echte Kampfansage. Die Fünfte alleine ist die Box wert. Dem Furtwängler'schen Ausspruch wird kaum eine andere mir bekannte Aufnahme so sehr gerecht wie diese hier.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Hallo Joseph,


    deinen Eindrücken kann ich mich nur anschließen! Was Maazel hier ablieferte ist einfach grandios. Ähnlich verhält es sich auch mit seinen Strauss-Aufnahmen! Hier wird immer noch von Thielemanns "Alpensinfonie" gesprochen. Auch hier ist Maazel Top!



    :hello: LT

  • Zitat

    Was fällt auf? Den ersten Saatz nimmt Maazel langsam, langsamer gar als Celibidache. Trotzdem trifft er den Tonfall m.E. genau. Im Adagio ist er dann erstaunlich flott: 15 Minuten, schneller gar als Wand von den anderen ganz zu schweigen.......

    Das ist ja für mich eben noch ein Rätsel, lieber Joseph. Ich habe das für zunächst versucht so zu lösen: Die Satzbezeichnung lautet: "Adagio - sehr langsam", und nach meiner Kenntnis und in meiner Sammlung erfüllen nur Celi I (Stuttgart), Celi II (München) und Karajan (Berlin) diese Vorschrift, Jochum (Dresden) kommt mit gut 19 Minuten dem in etwa nahe. Wand (zwischen gut 15 und 16 bis knapp 16 1/2 Minuten (BPh) und die anderen nehmen das Adagio m.E. etwas zu schnell. Ich habe weder ein Metronom noch eine Partitur, und wenn ja, welche?, deshalb kann ich dazu (noch) nichts sagen. Nur eines: Bei den Schnelleren steht das "Sehr langsam" oftmals eingeklammert, als ob es "ad libitum" zu nehmen wäre.
    Aber dein Tipp mit Maazel ist für mich generell sehr wertvoll. Ich habe ihn zur Saisoneröffnung in Essen gesehen mit den Münchenern. Es gab Wagner, Schubert und Strauss vom Feinsten. Seitdem interessieren mich auch seine Aufnahmen.
    Nacher werde ich mir die oben erwähnte Aufnahme Wands mit den Berliner Philharmonikern genehmigen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Nun bin ich gerade mit der Fünften unter Wand mit den Berliner Philharmonikern durch. kurz nach seinem 84. Geburtstag hat er sie in Berlin aufgeführt und sich damit nachträglich ein besonders schönes Geburtstagsgeschenk gemacht. Denn diese Aufnahme gehört- bei einer Einschränkung, die ich in meiner Beurteilung machen muss: dem relativ hohen Tempo des "Adagio: Sehr langsam", das im 2. Satz vorgeschrieben ist und auch in der von ihm verwendeten "Originalversion", editiert von Robert Haas 1935, verzeichnet sein müsste, zu den besten, die jemals aufgenommen wurden. So passiert nämlich gerade in dieser Aufnahme das Unglaubliche, dass nämlich die "normale" Adagio-Einleitung des Kopfsatzes langsamer sit als das "Adagio: Sehr langsam" des 2. Satzes, dass mir hier wirklich sehr zügig erscheint. Wie ich diesen Knoten aufbekomme, darüber muss ich mir noch Gedanken machen. Da sowohl Wand als auch Karajan als auch Celibidache als auch Jochum offenbar die gleiche Edition (Haas) verwneden, müssten sie auch die gleichen Noten dirigieren. Es dürfte also keine Auslassungen geben. Dann werde ich mal, wenn ich meine ursprüngliche Intention, nämlich alle 6 Symphonien (4-9) der von mir anfänglich besprochenen Klemperer-Box durchzuhören und darüber zu berichten, beendet habe, bestimmte Ausschnitte aller in Rede stehenden Fünften (Wand, Karajan, Celibidache und Jochum) mit der Stoppuhr verfolgen, Vielleicht kommen wir dann weiter, und vielleicht sind dann die Antipoden Wand und Celibidache im Adagio wirklich so unterschiedlich schnell (langsam) unterwegs.


    Doch nun zurück zu dieser Aufnahme: mit "Gigantisch" lässt sie sich am besten beschreiben. Meine schon öfter ausgesprochenen Feststellung, dass Günter Wand wohl derjenige ist, der die "gewaltigsten" Brucknerschen Crescendi zu Wege bringt, trifft auch hier zu. Die Dynamikverläufe in Bruckners Werken sind ja terrassenförmig. Nun kann bei zwei oder mehr Terrassen von gleicher Höhendifferenz diese aus unterschiedlich vielen Stufen bestehen. Wenn zum Beispiel eine Terrasse von 4 Meter Höhendifferenz aus 8 Stufen besteht, hat jede Stufe eine Höhe von 50 cm. Besteht sie jedoch aus 10 Stufen, so hat jede Stufe eine Höhe von 40 cm, bei 16 Stufen 25 cm usw. Günter Wand ist nun in der Lage, sein Orchester so differenziert crescendieren zu lassen, dass der Eindruck entsteht, sein Crescendo sei am gewaltigsten, obwohl er vielleicht nicht lauter spielen lässt als ein Kollege, aber feinere Abstufungen wählt. Und da er gleichzeitig (vor allem das Blech) immer schärfer spielen lässt, entsteht dieser gigantische Höreindruck. Ganz "ohrenfällig" wurde das für mich 2001, als ich in Lübeck im MUK (Musik- und Kongresszentrum) saß und er vor der Pause Schuberts Unvollendete dirigierte und nach der Pause Bruckners Unvollendete. In beiden Sinfonien gibt es Beispiele, die das belegen, bei Bruckner natürlich noch mehr als bei Schubert.
    Aber es ist faszinierend, ihm zuzusehen, wie er das macht. Er scheint mit den Blicken seine Musiker zu hypnotisieren und mit seinen "langen Krakenarmen" unmerklich längere Ausschläge zu produzieren, die kaum merklich geringere dynamische Abstufungen erzeugen. Diese frappierende Feststellung machte ich auch heute Abend beim Abhören dieser Aufnahme.
    Was macht sie nun weiter so "gigantisch"? Sicherlich auch die überragende Aufnahmequalität mit einer ungeheuren Transparenz, mit diesen fantastischen Streichern und Blechhbläsern. Auch das organische Fließen dieser Aufnahme einer für sich ungeheuer schwierigen Sinfonie in ihrem Ablauf, mit ihren vielen melodischen und rhythmischen Wendungen, mit ihrer gewaltigen Klangkuppel, die an die Klangkuppel einer gewaltigen Orgel in einem gewaltigen Dom erinnert. Günter Wand setzt das ungeheuer gut um, was Anton Bruckner in einer Zeit, als es ihm nicht gut ging, als er depressiv war, für eine Leistung erbrachte, die seinem persönlichen Zustand genau entgegengesetzt war. Das erinnert mich an Schubert, dem es eigentlich während seines ganzen Lebens so ging, das gerade einmal halb so lange währte wie das Bruckners.
    Neben den schon genannten Instrumentengruppen der Berliner Philharmoniker ist sicher auch noch Rainer Seegers zu nennen, der seit 1986 als Nachfolger Werner Thärichens Solopaukist bei den Berliner Philharmonikern ist. Das ist auch ein Zeichen von Kontiinuität, dass es seit Furtwänglers Zeiten (1948) nur zwei Solopaukisten bis heute gab, Werner Thärichen (36 Jahre) und nun schon seit 26 Jahren Rainer Seegers. Es muss eben alles passen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Von der großartigen Gielen-Einspielung (intercord, vergriffen) gibt es z Zt. ein Exemplar auf Ebay (nicht mein Angebot, keine Bekanntschaft mit dem Anbieter). Vielleicht interessiert es ja jemanden. (Diesen Hinweis werde ich nach ca. einer Woche wieder löschen.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hier noch ein hoch seriöser Beitrag zum Thema:


    als ich vorhin rein zufällig nach Anton Bruckner und Lothar Matthäus googelte :P ;), habe ich gelernt, daß sich die Rock-Band The White Stripes die Erkennungsmelodie ihres, offenbar unter Fußballfans sehr beliebten, Hits 'Seven Nation Army' wohl von Bruckner 'ausgeliehen' hat:


    Für die im Garage Rock-Bereich weniger bewanderten zum nachhören: Youtube
    Als Vergleich das Original (erstmals taucht die Stelle bei ca. 3:19 auf): Youtube


    Und hier noch eine kleine Abhandlung zum Thema, sogar mit ein paar Noten: Jan Reichow

  • Nach über einem Jahr Pause, in dem offenbar keiner neue Erkenntnisse über Bruckners Fünfte gewonnen hat, will ich hier mal wieder einen Kurzbericht einstellen:

    Ich hatte Anfang des Jahres begonnen, mich um die DVD-Aufnahmen Günter Wands vom Schleswig-Holstein-Musikfestival zu kümmern. Bisher hatte ich nur Die DVD's von Lübeck 2001 (Eröffnungskonzert, in dem ich selbst zugegen war) mit Schuberts Achter und Bruckners Neunter) sowie das Abschlusskonzert von Kiel 1997 (Schuberts Fünfte und Brahms Erste). Dieser Tage kam nun das Abschlusskonzert Lübeck 1995 (Schuberts Achte und Neunte) und heute das Eröffnungskonzert von Lübeck 1998 (Bruckners Fünfte dazu.
    Ich bin nun nach dem Hören und Sehen geneigt, diese Aufnahme zumindest auf eine Stufe zu stellen mit der Berliner Aufnahme von 1996. Das war vom ersten bis zum letzten Moment mitreißend, wie übrigens auch in Berlin. Ein "bisschen" Berlin war übrigens auch dabei. Der NDR, oder Günter Wand, wer auch immer, hatte sich für dieses Konzert den Solopaukisten der Berliner Philharmoniker, Rainer Seegers ausgeliehen, der natürlich als langjaähriges Mitglied der Berliner Philharmoniker eine ausgezeichnet Visitenkarte abegeben hat (Übrigens originell: der zweite Mann an den Berliner Pauken, Wieland Welzel, stammt gebürtig aus Lübeck.. Auch sonst saß ein Großaufgebot auf dem Podium, speziell bei den Streichern, allein zehn Kontrabässe und 12 Celli waren zu sehen und bestens zu hören.
    Ansonsten hatten nicht nur die berückenden Streicher, sondern auch die Bläser einen sehr guten Tag erwischt, und Günter Wand hatte Gott sei Dank nicht das Problem (wie Norbert in einem Posting von 2005 in diesem Thread schilderte), das Eugen Jochum nach eigenen Angaben Ende der Fünfziger Jahre bei einem Konzert in der Fünften gehabt hatte, dass nämlich den Blechbläsern wohl in der Finalcoda die Puste so ziemlich ausgegangen war, weil sie erschöpft waren. Die Blechbläser des NDR-Sinfonie-Orchesters waren noch bei besten Kräften, um diese Hammercoda, die nach einem 70-minütigen Anlauf endlich erreicht war, so richtig zum Glänzen zu bringen. Und ich habe in meinen bisherigen DVD-Aufnahmen noch nicht gesehen, dass Günter Wand in einem Konzert so oft gelächelt hat wie in diesem, also muss er auch mehr als zufrieden gewesen sein, denn am Ende spendet er sogar seinem Orchester Beifall.


    Die Angabe der Spielzeit des Finales auf der DVD ist übrigens irreführend: 32:34 min. konnte ich mir beim besten "Willi" bei Günter Wand nicht vorstellen. So waren denn die Zeiten:


    Berlin... 1996: 21-31-16:10-14:21-24:19 -- 76:21 min.;
    Lübeck 1998: 21:31-15:50-14:20-24:19 -- 76:00 min.;


    Angesichts dieser Vergleichszeiten wird denn auch wieder mal offensichtlich, wie genau Günter Wands innere Uhr ging und wie sehr er diese Riesenpartitur in ihrem temporalen Binnenverhältnis und in ihrem absoluten Zeitablauf verinnerlicht hatte.
    Ich habe mir auch die DVD vom legendären Londoner Konzert Günter Wands 1990 aus der Royal Albert Hall von Bruckners Fünfter mit dem BBC Symphony Orchestra, dessen Principal Guest Conductor er damals war, bestellt. Mal schaun, wie die so abschneidet:


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Anton Bruckner: Symphonie Nr. 5 B-dur,
    BBC Symphony Orchestra,
    Dirigent: Günter Wand:
    AD: 9. September 1990, Royal Albert Hall, London
    Spielzeiten: 20:09-14:53-13:37-23:02 -- 71:41 min.;


    Überraschenderweise ist heute schon diese DVD eingetroffen, und da ich erst Chorprobe hatte, konnte ich hinterher erst hören und sehen. Ich heb ja nun mittlerweile schon etliche Übertragungen aus der Royal Albert Hall verfolgt, und ich glaube, dass sich viele Leute ein völlig falsches Bild von den "BBC Proms" machen, wenn sie glauben, dass da nur Show geboten wird. Das mag vielleicht zu einem geringen Teil bei der "Last Night of the Proms" zutreffen, auch wenn dort meistens höchst ernsthaft musiziert wird.
    Aber das war bei Günter Wand, der zu dem Zeitpunkt "First Guest Conductor" (Erster Gastdirigent) der BBC Symphony war, nicht zu befürchten und wäre mit ihm auch gar nicht zu machen gewesen. Er war ein Mann, der durch und durch mit den Wurzeln verbunden war, auf denen sein Werdegang beruhte, und er hat stets solche Auslandsengagements wie das in London nur zu seinen hauptsächlich auf musikalischen Gründen (ausreichend Proben) beruhenden Bedingungen angenommen. Diese Bedingungen fand er bei der BBC vor.
    Eine Kritik der "Times" von 1986 über ein Konzert des "Principal Guest Conductor" der BBC mag die damalige Situation beschreiben:

    Zitat

    Times: Das Problem mit Günter Wand ist, daß er in uns eine tiefe Unzufriedenheit hinterläßt, wenn wir weniger bedeutende Dirigenten, die weder so viel gesehen noch so lange gelebt haben, bei der Arbeit hören. Und wenn dieser Vergleich vielleicht anrüchig ist, dann kann ich nur sagen: Es ist schwer, sehr schwer, sich mit weniger zu begnügen als mit jener Klarheit und Tiefe des Verständnisses, die Beethoven und Bruckner gestern abend belebten. Bruckners Neunte, letzte und unvollendete Symphonie kann wohl nur von einem Dirigenten adäquat wiedergegeben werden, der über Wands Vertrauen und die Fähigkeit gebietet, die Einzelteile mit dem Ganzen in Beziehung zu setzen. Man könnte über die bewegliche Balance der Streicher im ersten Melodiebogen des ersten Satzes schreiben: man könnte die ungewöhnliche reiche Farbpalette der Blechbläser registrieren. Was aber wirklich zählt, ist Wands Fähigkeit, die Begründung von Dynamik, Tempo und Orchestration in einem weitblickenden Entwurf zu verschmelzen. Die Tatsache, daß das übliche Gemurmel des Publikums während der (Satz-)Pausen gänzlich ausblieb, sagt genug über Günter Wands Leistung


    Ich habe hier das ganze Zitat des Times-Kritikers gebracht, weil es genau meinen Eindruck des vier Jahre später gespielten Konzertes von den Proms wiedergibt.
    Nun hatte ich gestern Abend noch gerade über das Konzert vom SHMF 1998 der gleichen Symphonie berichtet, nicht wissend, dass ich schon heute Abend über das Konzert von den Proms berichten könnte. Wiederum muss zuerst angemerkt werden, dass ähnlich wie in Lübeck ein ungeheures und auch unausgesprochenes Verständnis zwischen Orchester und Dirigent herrschte, was in Lübeck noch mehr zu erklären war als in London. Aber zwei Dinge waren in London doch anders, zum einen das vierfache Publikum und zum anderen eine kaum begreifliche Disziplin desselben. Vielleicht war es das, was Günter Wand noch mehr angetrieben hat zu dieser grandiosen Leistung. Ähnlich wie in Lübeck fünf Jahre später war auch hier an seinem Gesicht abzulesen, wie gut ihm das alles gefiel, sprich wie gut das alles war. Auch das BBC Symphony Orchestra war groß dimensioniert, und vor allem, es war auf einem TOP-Niveau.
    Günter Wand war zum Zeitpunkt des Konzertes 78 3/4 Jahre alt und sein Grundpuls war noch ein wenig schneller, wenngleich ich vermuten möchte, dass er von der gesamten Atmosphäre in der Hall noch zusätzlich zu einer geringfügig schnelleren Gangart inspiriert worden sein mag.
    Jedenfalls hat auch dieses Konzert mein Verständnis der Fünften Bruckner weiter erheblich gefördert und mein Interesse an ihr für weitere Hörsitzungen erheblich gesteigert. Schon jetzt bin ich geneigt, ihre Bedeutung in meinem Fokus weiter in das Zentrum zu verschieben.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute für wenige Euronen bei Oxfam gefunden:



    Majestätisch würde ich sie nennen, diese Aufnahme und was die ostdeutschen Kollegen hier 1961 aufs Band gezaubert haben, dürfte auch die Kollegen im Westen beeindruckt haben. Klanglich immer noch mehr als konkurrenzfähig.

  • Bruckners Fünfte — nicht wenigen galt und gilt sie als die schwierigste und am schwersten zugängliche der Symphonien des etwas sonderbaren österreichischen Komponisten. Ein sehr persönliches Werk eines tief im (katholischen) Glauben verwurzelten Einzelgängers. In der Fünften deuten sich bereits die gewaltigen Ausmaße der letzten drei Symphonien an, die durch die bis heute vergleichsweise selten gespielte Sechste gewissermaßen unterbrochen wurden. Für Dirigenten wie Günter Wand war sie die am längsten gemiedene Bruckner-Symphonie — nicht aus Abneigung, sondern aus Ehrfurcht. Tatsächlich ist die Zahl derjenigen, die bei diesem monumentalen Werk keine allzu großen Glanzleistungen ablieferten, groß — darunter auch sehr prominente Namen, die Fehldeutungen auf hohem Niveau aufnahmen. Dass eine wirkliche Durchdringung der B-Dur-Symphonie indes nicht zwangsläufig eine eigene Verortung im Katholizismus bedingt, haben Dirigenten wie Sergiu Celibidache oder eben Günter Wand eindrucksvoll unter Beweis gestellt.


    Ein Name, der in Europa bedauerlicherweise allzu oft vergessen wird, wenn es um die wirklich großen Bruckner-Interpreten geht, ist jener des Japaners Takashi Asahina (1908—2001). Seine der Nachwelt vermachte Bruckner-Diskographie dürfte — freilich auch dank einer unermüdlichen Anhängerschaft in seinem Mutterland — die gewaltigste sein. Allein von der 5. Symphonie sind nicht weniger als zehn Aufnahmen bekannt. Neun davon entstanden mit japanischen Orchestern, darunter fünf mit seinem eigenen, dem Osaka Philharmonic Orchestra, dem er sagenhafte 54 Jahre lang (1947—2001) vorstand. Unter diesen Aufnahmen, welche die Jahre von 1973 bis 2001 abdecken, ragt eine ganz besonders heraus. Die Rede ist von einem mittlerweile als legendär eingestuften Gastauftritt beim Chicago Symphony Orchestra in der dortigen Orchestra Hall vom 16. Mai 1996. Asahina war damals also sage und schreibe bereits 88 Jahre alt. Gleichwohl lehnte er jedwede etwaige Erleichterung bei seinem Dirigat dieses Mammutwerkes ab und bestand darauf, auch mit bald 90 stehend zu dirigieren. Man kann das Ganze sogar bildlich verfolgen, scheute der Japanische Rundfunk NHK doch keine Mühen und Kosten, um dieses späte Debüt bei einem der weltbesten Orchester auf Film festzuhalten. Dass die DVD im Jahre 2006, zehn Jahre nach dem Konzert, nur in Japan erschien, ist freilich für den europäischen und auch amerikanischen Sammler bedauerlich. Noch immer habe ich die Hoffnung, dass das Chicago Symphony Orchestra einmal selbst eine offizielle Veröffentlichung der Chicagoer Konzerte Asahinas herausbringt. Er dirigierte in der Tat nämlich noch im Oktober 1996 eine weitere Konzertreihe, welche Wagners "Meistersinger"-Vorspiel und Bruckners 9. Symphonie beinhalteten und nicht weniger exzeptionell gelangen.


    Vorangestellt werden sollte, dass die Nowak-Edition gespielt wird. Den Kopfsatz nimmt Asahina mit einer Spielzeit von 23:59 sehr breit, hierin nicht einmal von Celibidache übertroffen. Gleichwohl ist aufgrund der Meisterschaft Asahinas und der Orchesterkultur der Chicagoer kein Sekündchen Langeweile angesagt. Die in Adagio notierte Introduktion ist hier wirklich langsam, und das nicht zum Leidwesen des Dargebotenen. Bereits beim ersten feierlichen Blechbläserchoral offenbart sich die Überlegenheit der "Brass Section" des CSO, darunter der berühmte Erste Trompeter Bud Herseth. Unnachahmlich geschickte Rubati, die vom Orchester selbstredend makellos durchgeführt werden, durchziehen den Satz. Das Crescendo am Ende desselben liefert bereits einen Ausblick auf die herrlichen Dinge, die da noch folgen werden. Triumphal klingt der Kopfsatz aus und spricht schon für sich allein genommen eine deutliche Sprache.


    Das himmlische Adagio geht Asahina mit 17:04 vergleichsweise moderat und in Relation beinahe geschwind an. Celibidache braucht in seiner langsamsten Aufnahme über sieben Minuten mehr Zeit. Von der reinen Spielzeit her ist der japanische Altmeister hier dem nur ein wenig flotteren Wand und auch dem jeden Anflug von Sentimentalität verabscheuenden Klemperer deutlich näher als dem Rumänen und auch (man höre und staune) Solti, der auf 21:27 kommt. Natürlich erklingt das Hauptmotiv des Satzes trotzdem in erhabenem Tonfall und wird der hier gebotenen Feierlichkeit gerecht. Das Spiel des Chicago Symphony Orchestra lässt wiederum die Herzen eines jeden Brucknerianers höher schlagen. Auch wenn es zuweilen inflationär gebraucht wird: Besser geht's nicht!


    Das Scherzo fällt mit einer reinen Spielzeit von 13:55 nicht aus der Reihe. Die Wuchtigkeit dieses schnellen Satzes fällt im Vergleich zum vorhergehenden Adagio stark auf. Auch hier wieder die überragende Spielkultur des CSO, welches den gewaltigen Klangmassen Bruckners immer ohne Anstrengungserscheinungen Herr wird. Der Ländler wird dabei schön herausgearbeitet.


    An die Introduktion des Kopfsatzes erinnernd, beginnt schließlich das Finale, das hier mit 26:49 ohne Frage bereits auf dem Papier den in ihm angelegten megalomanischen Charakter unterstreicht. Der hier glänzend ausgeführte Vortrag der Klarinette lässt bereits das Hauptthema erahnen. Die Drosselung des Tempos durch Asahina spricht für sich und erweist sich wiederum als geschickt. Das Chicagoer Blech kann in diesem Finalsatz freilich regelrecht auftrumpfen. Bereits beim ersten Auftreten der Blechbläser erzittert im übertragenen Sinne die Erde. Den Ruf einer "Klangkathedrale" verdankt die Fünfte zweifelsohne ganz primär diesem Schlusssatz. Auch in den Generalpausen reißt der Spannungsbogen nicht ab. Dem Höhepunkt nicht nur der 5. Symphonie, sondern vielleicht des kompletten Œuvre Bruckners nähert sich Asahina bedächtig. In der Einleitung der Coda kommt es zu einer sukzessiven und sehr wirkungsvollen Zurücknahme des Tempos mit dadurch erzielter maximaler Spannungssteigerung. Majestätisch setzt das volle Orchester anschließend ein. Nun ist das Chicago Symphony Orchestra in seinem Element und kostet dies hörbar aus. Unsagbar mächtig und doch sehr differenziert geben die Blechbläser nun alles. Erwecken schon gewöhnliche Aufnahmen dieses Werkes an diesem Punkt den Eindruck einer in Musik gesetzten, zum Himmel emporstrebenden gotischen Kathedrale, so muss man hier schon zum Beispiel der größenwahnsinnigen Kathedrale von Beauvais (deren Vierungsturm nach nur vier Jahren als höchstes Gebäude der Christenheit im Jahre 1573 einstürzte) greifen, um eine Entsprechung zu finden. Das Bild vom Durchschreiten des Himmelstores unter dem prunkvollen Klang der englischen Fanfaren ist in dieser Aufnahme womöglich so gegenwärtig wie in keiner anderen. Gerade in dieser Passage übertrifft sich das Chicago Symphony Orchestra selbst und liefert den Beleg, dass es das vermutlich beste Orchester der Welt ist. Vor erhebender Erbauung hält man einen Moment inne und fragt sich hypothetisch, was da wohl möglich gewesen wäre, hätte Asahina das CSO als Musikdirektor geleitet. Dieses Tondokument verweist alle anderen Aufnahmen dieses Werkes mit dem CSO, seien sie von Solti, Barenboim, Boulez oder Wand, auf die Ränge.


    Mit einer Gesamtspielzeit von 82 Minuten steht dieses Gastspiel in Chicago hinsichtlich der absoluten Spielzeit am unteren Ende der Skala. Interpretatorisch steht es fraglos ganz oben und stellt seit kurzem meine persönliche Lieblingsaufnahme dieses Werkes dar. Zwar kommt Celibidache in seiner spätesten Aufnahme (auf EMI) dem nahe, doch fällt die Leistung der Münchner Philharmoniker im direkten Vergleich doch um einiges ab. Es handelt sich bei der Chicagoer Asahina-Aufnahme um das Dokument einer leider nur zeitlich befristeten Zusammenarbeit auf allerhöchstem künstlerischen Niveau und wird wohl noch heute die Erinnerungen so manches Orchestermitglieds und auch Zuhörers wecken, welche an diesem magischen Konzert vom 16. Mai 1996 in der Orchestra Hall von Chicago teilnehmen durften.


    Fazit:


    Dirigat: 10/10
    Orchesterleistung: 10/10
    Tonqualität: 9/10


    Den Rundfunkmitschnitt (der vermutlich nicht absolut 1:1 identisch ist mit dem Video) findet man auf YouTube:



    Im Nachfolgenden ein Hinweis auf die im Zusammenhang mit diesem Konzert entstandene kurze japanische Dokumentation, welche auch der DVD beigefügt und derzeit dankenswerterweise frei zugänglich gemacht wurde. Dafür wurden auch der Präsident und einige Spitzenmusiker des CSO (auf Englisch) interviewt und zeigten sich sehr beeindruckt von den Vorstellungen und der Umsetzung Asahinas.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich möchte einen Teil meines heutigen Konzertberichtes, den die Fünfte Bruckner betreffenden, auch nach hierher kopieren:


    Nach der Pause hatte Jukka Pekka Saraste das Reich für sich, und das Podium war bis auf den letzten Mann gefüllt:
    Saraste_Jukka_Pekka_c_Stian_Andersen_2012.jpg
    Ich muss vielleicht vorausschicken, dass ich m. E. die Fünfte Bruckner noch nie live im Konzert erlebt hatte, ähnlich wie die Erste und Zweite. Alle anderen habe ich zum Teil mehrfach erlebt, am häufigsten die Neunte, die Achte und die Vierte, die ich vor etlichen Jahren auf dem Schleswig Holstein-Musikfestival allein zweimal in zwei Tagen erleben durfte (mit Christoph von Dohnany).
    Um das ganze etwas einzuordnen, möchte ich zunächst die überschlagsweise registrierten Satzzeiten nennen:


    17 - 21 - 15 - 24 --- 77 min;


    Man kann also zweifellos sagen, dass Saraste hier wirklich den ganzen Bruckner geliefert hat, und wie ich vermute, in der Originalfassung, d. h. in einer Fassung, die keine Striche erfahren hat. Und er hat die Musik atmen lassen. Ich fühlte mich sofort zuhause, obwohl ich die Fünfte hauptsächlich durch die häufig gehörten Einspielungen Wands und Celibidaches kennen-und lieben lernte.


    Von Günter Wand stammt auch die erste Aufnahme vom 7. 7. 1974, mit dem das WDR-Sinfonieorchester seinen Siegeszug der Bruckner-Sinfonien begann, und nun, 42 Jahre später, scheint Jukka Pekka Saraste den Siegeszug fortzusetzen. Eine Aufnahme der Achten existiert ja schon,

    und wir dürfen auf weitere Glanztaten gespannt sein.
    Jedenfalls begleite ich die Symbiose WDR-Saraste schon etliche Jahre, und die Bindung wird immer enger. Zuletzt kam sogar das Orchester mit seinem Dirigenten und einem veritablen Pianisten an meinen Wohnort (allerdings nicht meinetwegen) und gab ein grandioses Beethoven-Konzert.
    Zum Schluss möchte ich noch einige Mitglieder des Orchesters vorstellen:
    Zunächst einmal wäre da der junge 1. Konzertmeister Slava Chestiglazov, der sein Orchester gut auf die jeweiligen Aufgaben einschwor:
    slava_chestiglazov106~_v-gseapremiumxl.jpg
    Dann möchte ich noch den Hornisten Joachim Pöltl vorstellen, dem ich noch am Dienstag zum 63. Geburtstag gratulieren konnte:
    poeltl104~_v-ARDFotogalerie.jpg
    und als Dritten den, den ich immer bewundere, wenn ich in Köln bin, und er auf dem Podium sitzt, den Solopaukisten Werner Kühn:
    kuehn140~_v-TeaserAufmacher.jpg
    Doch auch jeder und jede andere hat großes Lob verdient für diesen erfüllenden Abend.
    Allgemein ist festzustellen, dass das Orchester eine berückende Pianokultur an den Tag legte, vor allem in den Streichern, und dass der imposante Blechbläserapparat (17 Blechbläser) einen kräftigen Glanz über das Orchester legte.
    Nun bin ich ganz gespannt auf den Sonntagmorgen, wenn in der Matinee der zweite Teil dieser Eröffnungskonzerte stattfindet mit einer ähnlichen Programmgestaltung:
    Bartok: Violinkonzert Nr. 2 Sz112 (1937/38)
    Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 5 cis-moll
    Michael Barenboim, Violine,
    Gürzenich-Orchester
    Francois Xavier Roth, Dirigent


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Interessierte können heir den Anfang meiens Berichtes einsehen: Konzertbesuche und Bewertung

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich muß zugeben, dass ich Claudio Abbado bisher als Bruckner-Dirigent nicht so ganz auf dem Schirm hatte. Ich kannte lediglich eine alte Decca-Scheibe mit der 1. Trotzdem habe ich vor einiger Zeit die DGG-Box mit seinen Bruckneraufnahmen auf Grund des günstigen Preises mitgenommen und daraus heute die 5. gehört. Und ich bin begeistert, was für eine tolle und toll klingende Aufnahme. IMO genau das richtige Tempo (eher auf der zügigen Seite, zügiger als Schuricht an gleichem Ort, fast identisch mit Horenstein, der nur im Scherzo und letzten Satz etwas langsamer ist) und das richtige Timing, von dem phantastischen Spiel der Wiener ganz zu schweigen. Ich kenne zahlreiche Aufnahmen dieses Stücks, aber dies ist für mich eine der besten.

  • Haitink ist eher der "klassisch-ausgewogenen" Fraktion zuzuordnen und wartet ebenfalls mit einem hervorragenden Orchester auf. Er hat es nicht nötig, Bruckners Musik mittels dynamischen und tempomäßigen Eingriffen "interessanter" zu machen (denn das hat die Musik wiederrum nicht nötig), sondern er spielt "großartiges großartig".


    Von diesem Dirigenten gibt es eine Aufnahme von 2012 mit dem Royal Concertgebouw Orchestra,
    die auch bei »Radio4-NL« als Mitschnitt (Download; Concertos) momentan erhältlich ist.


    Wem MP3 (256 kB) nicht zu minderwertig ist, sollte die Gelegenheit nutzen … ;)

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)



  • Auch ich kann mich dem nur anschließen, habe die CD durch Zufall in der Bücherei entdeckt und muss sagen ich war begeistert :)

    Die gute Zeit fällt nicht vom Himmel, sondern wir schaffen sie selbst; sie liegt in unserem Herzen eingeschlossen

    .

  • Danke, dass Du diese Aufnahme nach einigen Jahren wieder an die Oberfläche holst. Ich habe sie lange nicht mehr gehört, aber ich habe besonders das sehr monumental aufgezogene Finale in Erinnerung. Maazel war einer der Dirigenten, die die Langsamkeit mit Leben füllen konnten. Die Box war beim Erscheinungsdatum durch ein Versehen des Anbieters für ein paar Euro als Download erhältlich, da habe ich nicht lange gezögert.


    Du kannst zu jpc übrigens leicht korrekt verlinken, indem Du die jpc Bestllnummer (steht bei jedem jpc-Artikel bei der Produktinformation), hier 4986289 , einfach zwischen [jpc] und [/jpc] (bzw. jpc -Button bei der Beitragserstellung) placierst. ;) Ergebnis:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Bruckner Sinfonie Nr.5 B-dur

    Günter Wand mit dem Chicago Symphony Orchestra

    Die Art und Weise, in der das Chicago Symphony Orchestra unter Wand spielen, bringt Bruckners Fünfte gleich einem vollmundigen Wein zu Gehör. Die Töne sind groß und rund, der Instrumentalklang ist eine Wucht. Wir hören nicht bloß die dynamischen Steigerungen respektive Zurücknahmen, die von einem Satzabschnitt zum nächsten führen, sondern vielmehr auch im Kleinen das Auf- und Abschwellen von Melodien.Der Wand nimmt sich für die langsamen Passagen Zeit ,währenddessen bei den schnellen Tempi Zügiger unterwegs ist. :)

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Ja, sehr schade, dass das Chicago Symphony Orchestra drei ausgezeichnete Mitschnitte der Fünften von Bruckner zurückhält: 1979 unter Sir Georg Solti anlässlich des Papstbesuches in Chicago (viel besser als die Studioeinspielung), 1989 unter Günter Wand sowie 1996 unter Takashi Asahina (siehe weiter oben im Thread).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Bruckner Sinfonie Nr.5

    Takashi Asahina mit dem Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra

    Live vom 3.September 1988 aus der Sankt Mary's Kathedrale

    Original Version (Haas Fassung)

    s-l500.jpg


    Geprägt ist die Sinfonie von einem tiefen Ernst, der aber zu keinem Zeitpunkt in erdrückende Schwere abdriftet. Diese Fünfte ist zwar ein Kraftprotz, allerdings keinesfalls schwerfällig. Der Kopfsatz beginnt zaghaft tastend, bevor ein schmetternder Übergang zeigt, welches Spektrum den Hörer erwartet. Das Adagio entwickelt eine fesselnde Sogwirkung. Eine tänzelnde Leichtigkeit paart sich im anschließenden Scherzo mit mächtigem Aufbrausen. Der Finalsatz beginnt wie der Auftakt der Sinfonie. Er zeigt extreme Gegensätze und endet in einem rauschhaften, glühenden Finale, das die Stille nach dem letzten Takt förmlich herbeizwingt.

    1.22:30

    2:17:05

    3.14:33

    4:27:09

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Die Fassungen

    Von der fünften Symphonie gibt es folgende Fassungen:


    - Originalfassung 1876, nicht editiert oder rekonstruierbar

    - Fassung 1878, Edition Haas (1935)

    - Fassung 1878, Edition Nowak (1951)

    - Fassung 1896, Edition Schalk (1896)


    Die nicht rekonstruierbare Erstfassung spielt keine Rolle, die Schalk-Bearbeitung de facto auch nicht mehr. So bleiben praktisch nur die Editionen von Haas und Nowak.


    In der Literatur liest man häufig, dass diese Editionen sich quasi nicht unterscheiden würden. Wo aber liegen die wenigen Differenzen?


    Deryck Cooke führt es aus:


    I 309, vla; 314, trpt 2.

    II Nil.

    III 71-4, bass trb, tuba.

    IV 589, vln 1 und 2.


    Drei der vier Unterschiede seien bloße Korrekturen Nowaks Haas'scher Missdeutungen und fielen bei der Aufführung praktisch nicht ins Gewicht. Bzgl. der vierten (III 71-4) lägen beide Bearbeiter offensichtlich falsch. Die Bassposaune müsste eine Staccato-Viertelnote A auf dem ersten Schlag jedes Taktes haben und die Tuba müsste hier pausieren (ein guter Dirigent würde dies bei der Probe von selbst erkennen). In beiden Editionen wird zudem ein langer Strich vorgeschlagen (die Takte 270-374 im Finale sind markiert mit "Vi-de"), der zu ignorieren sei, da er die Proportionen des Satzes verschiebe und schwerlich von Bruckner selbst erwogen sein könne.


    Literatur: Deryck Cooke, The Bruckner Problem Simplified 4: Symphonies 5-9, in: The Musical Times, Vol. 110, No. 1515 (Mai 1969), S. 479-482, hier S. 479.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • abruckner.com stellt als Download des Monats März folgende seltene Aufnahme im verlustfreien flac-Format zur Verfügung:


    Bruckner: Symphonie Nr. 5 B-Dur
    Concertgebouw-Orchester Amsterdam
    Dirigent: Paul van Kempen
    Aufnahme: Concertgebouw, Amsterdam, 13. März 1941 (Produktion des Niederländischen Rundfunks)


    Dieser uralte Mitschnitt ist aus historischen Gründen bedeutsam. van Kempen sprang damals für den verhinderten Eduard van Beinum ein. Aufgrund seines nicht eindeutig distanzierten Verhältnisses zu den Nationalsozialisten war van Kempen nach dem Krieg in den Niederlanden eine hochumstrittene Figur. Noch 1951 kam es im Amsterdamer Concertgebouw zu tumultartigen Szenen, als van Kempen abermals für van Beinum einsprang, so dass eines der Konzerte abgebrochen werden musste. Die nun verfügbare Fünfte von Bruckner ist für den Sammler gewiss von Interesse, da sie bislang offenbar noch nie auf Tonträger erhältlich war.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Bzgl. der vierten (III 71-4) lägen beide Bearbeiter offensichtlich falsch. Die Bassposaune müsste eine Staccato-Viertelnote A auf dem ersten Schlag jedes Taktes haben und die Tuba müsste hier pausieren (ein guter Dirigent würde dies bei der Probe von selbst erkennen). In beiden Editionen wird zudem ein langer Strich vorgeschlagen (die Takte 270-374 im Finale sind markiert mit "Vi-de"), der zu ignorieren sei, da er die Proportionen des Satzes verschiebe und schwerlich von Bruckner selbst erwogen sein könne.

    Bruckners 5. Sinfonie ist für mich die beste, obwohl sie viele für schwierig halten. Ein wunderbares Thema im ersten Satz ab Takt 51 beginnend in Bratschen und Celli, das sich dann auch im großartigen Finale mit seiner Doppelfuge (185 Takte!) wiederfindet. Die besten Aufnahmen sind für mich ohne Zweifel die mit Günter Wand und dem NDR-Sinfonieorchester sowohl auf CD 1989 in Hamburg , als auch auf DVD 1998 in Lübeck. Ich sehe keine sonderlichen Unterschiede in den Fassungen, so wie sie heute gespielt werden, allerdings gehen in meinen Aufnahmen die Tempi von gut 68 Minuten bei Furtwängler 1942 bis zu gut 82 Minuten beii Thielemann 2005.

    Die von dir genannte Stelle im 3. Satz Takte 71-74 habe ich mit meiner-Partitur (Novak) verglichen. Da pausiert die Tuba und die Bassposaune spielt das A mit staccato. Die Takte 270-374 im Finale werden eigentlich immer gespielt. Darauf möchte ich auch nicht verzichten. Novak bezieht sich im übrigen in seinem Vorwort in der Partitur auch auf Haas.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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