Wie die Wiener Operngeschichte lehrt, hat unser Publikum, wie wohl kein zweites auf der Welt, ein unerhörtes Faible für wohltimbrierte Stimmen.
Ehe nach dem 2. Weltkrieg vor allem Hilde Güden mit ihrem Silberklang im jugendlich dramatischen Fach Triumphe feierte, gab es in diesem auch schon vor dem Krieg so etwas wie eine direkte Vorgängerin:
Esther Réthy.
Die am 22.10.1912 in Budapest gebürtige Künstlerin kam 1937 zu ihrem Wiener Debüt als Margarethe in der gleichnamigen Oper von Charles Gounod unter der Stabführung von Josef Krips.
Dieses erste Auftreten erobert die Herzen der Wiener Opernfans, und die Réthy sollte für mehr als 20 Jahre einer der ganz großen Lieblinge werden.
Ihr Opernrepertoire reichte von den Mozartpartien Susanne und Pamina über die Straussrollen Sophie und Zdenka bis hin zu Wagners Evchen in den "Meistersingern" im deutschen Fach, im italienischen von der Violetta über Mimi, Desdemona, Alice bis hin zur Nedda, im französischen Fach von der schon erwähnten Margarethe bis zur Micaela in Bizets "Carmen".
Also ein sehr weitgespannter Bogen ihres Stimmfaches - und zugleich ein großes Zeugnis ihrer Wandelbarkeit des stimmlichen Ausdruckes.
Nachdem sie auch sieben Jahre bei den Salzburger Festspielen mit großem Erfolg, ebenso in den USA tätig war, bekam die Karriere von Esther Réthy nach dem 2. Weltkrieg im Verband mit der Volksoper unter Direktor Juch einen zweiten und man möchte fast sagen erfolgreicheren Aspekt:
in den heute schon legendären Operettenaufführungen dieser Zeit wurde Esther Réthy wohl zur ersten wirklichen Operettenprimadonna.
Ihre strahlende Stimme, ihre unerhört intensive Bühnenerscheinung, aber auch ihr angeborener ungarischer Charme waren die sicheren Garanten für unzählbare Erfolge im Bereich der klassischen Operette.
Nach und nach wechselte sie völlig ins Gebiet der leichten Muse, doch blieb sie auch an der Volksoper mit kleinen Abstechern immer ihrem ursprünglichen Fach treu - man denke nur an ihre romantisch verklärte Agathe in Webers "Freischütz".
Sie lebte in Wien so gar nicht zurückgezogen in einer bezaubernden Villa im 19. Bezirk, und ich kann bezeugen es war bei ihr immer sehr gemütlich, von der sie etwa 1998, in eine kleinere Villa, mit ihrer Tochter, übersiedelte.
1951 begann sie, damals noch parallel zu ihrer Sängerkarriere, mit einem dritten Lebensaufgabe im Bereich der Musik: nämlich dem Unterricht von jungen Nachwuchskünstlern. (Zwei Namen kann ich hier nennen - Birgit Sarata und Guggi Löwinger).
Esther Réthy war eine einmalige, noch echt österreichisch-ungarische Mischung an Ausstrahlung, Bühnentemperament und in diesem Boden verwurzelte Stimme.
Vielleicht wird einigen von Euch ihre letzte Partie an der Volksoper als Lisa im "Land des Lächelns" in Erinnerung sein.
Wenn sie in ihrer großen Arie "Ich möcht' einmal wieder die Heimat sehen", so war Esther Réthy das tönende Besipiel dafür, dass Ungarn und Wien, zumindest was die Bühne betraf, ein Stück österreichische Musikgeschichte bleiben wird!
Esther Réthy starb am 28.1.2004, in Wien.
Liebe Grüße Peter, aus Wien.