Salomon Jadassohn - ein deutscher Komponist, Pianist und Pädagoge

  • Hallo liebe Taminos,


    Melde mich auch mal wieder...! :O
    Habe auf dem Spielplan des Deutschen Kammerorchesters Berlin das 2.Klavierkonzert dieses mir bis dato vollig unbekannten Kommponisten entdeckt.
    Wikipedie gibt in als Lehrmeister zahlreicher Namenhafter Komponisten aus...


    Weiß jemand näheres über ihn und hat jemand Aufnahmen (womöglich sogar von dem genannten Werk)?


    LG
    Raphael

  • Hallo Raphaell,


    Jadassohn war eine der "Gallionsfiguren" der sogen. "Leipziger Schule" und seinerzeit als Lehrer europaweit gesucht. Die Liste seiner Schüler ist schier endlos. da ich aber keine einzige Komposition von ihm kenne, kann ich getrost
    auf den diesbezüglichen Wikipedia-Artikel verweisen, der mir inhaltlich kompetent scheint.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Jadassohn

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,


    ich habe schon mal etwas von Jadassohn gespielt, und zwar dessen Serenade op. 104. Das Stück ist für Holzbläseroktett plus 2 Flöten komponiert und besitzt bei Musikfreizeiten den Vorteil, daß die Flöten auch beschäftigt werden können.


    Diese Serenade zählt sicherlich nicht zu den ganz großen Meisterwerken, aber sie ist geschmackvoll und handwerklich sehr sicher geschrieben. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man sie hört, aber sie zu spielen hat durchaus großen Spaß gemacht (danach habe ich mir dann auch die Noten besorgt). Insofern scheint es mir schon schade, daß Jadassohn nahezu komplett vergessen wurde.


    Beste Grüße


    Bernd

  • Hallo, liebe Jadassohn-Entdecker!


    Mir war der Name Salomon Jadassohn auch völlig unbekannt, bis ich kürzlich in der Bibliothek eine sehr verlockend aussehende CD mit Kammermusik aus seiner Feder entdeckte.



    Salomon Jadassohn (1831-1902):


    Klaviertrio Nr. 4 in c-moll, Op. 85
    Klavierquartett Nr. 1 in c-moll, Op. 77
    Klavierquintett Nr. 3 in g-moll, Op. 126


    es spielt das:


    Solisten Ensemble Berlin


    bestehend aus:


    Birgitta Wollenweber, Klavier
    Matthias Wollong, 1 Violine
    Jörg Fassmann, 2. Violine
    Hartmut Rohde, Bratsche
    Michael Sanderling, Violoncello



    Diese CD ist ein echter Leckerbissen für Leute, die gerne Kammermusik mit Schönklang-Attitüde genießen. Wundervolle zum Träumen ermunternde Werke, die mich spontan begeisterten und Lust auf mehr erzeugten. Sozusagen ein Klangbad in Moll :]


    Die doppelte Tragik von Komponisten wie Jadassohn liegt darin, daß sie – neben dem "natürlichen" Vergessenwerden – zusätzlich noch durch den NS quasi "gewaltsam" aus dem öffentlichen Bewußtsein getilgt wurden. Um so wichtiger ist eine CD wie die oben abgebildete, welche es uns heute Lebenden ermöglicht, diese tolle Musik und ihren Schöpfer wieder in Erinnerung zu rufen und beide so dem Vergessen zu entreißen.


    In diesem Sinne!


    Laurenz :hello:

    `
    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
    .

  • Im Rahmen meiner Arbeiten am Thread-Directory kommen mir immer wieder Threads unter, die seit vielen Jahren ruhen. Es ist interessant zu beobachten, wie zeitabhängig Informationen doch sind. So ist die von Sonnensucher empfohlen Kammermusik CD- nicht mehr im Programm, der betreffende Link gelöscht.
    Nun aber die gute Nachricht: Seit sind einige Werke wieder der Öffentlichkeit zugängig gemacht worden, wobei ich zunächst auf die im Februar 2015 veröffentlichte CD mit den Sinfonien 1-4 von Salomon Jadassohn hinweise. Das passt gut in meinen "Hörplan", denn Jadassohn passt als Vertreter der Leipziger Schule sehr gut zu einem weiteren prominenten Mitglied dieser Richtung, nämlich Carl Reinecke, mit dem ich mich seit kurzem intensiver befasse. Vielleicht nur ein Tropfen auf den oft zitierten heissen Stein, aber vielleicht auch der erste von vielen. Schliesslich sagt man auch: Steter Tropfen höhlt den Stein....
    Wie dem auch sei: Man wird jedenfalls in nächster Zeit hier etwas mehr über diesen Komponisten und weitere Veröffentlichungen hören....

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salomon JADASSOHN: Sinfonie Nr 1


    Heute habe ich mich -spät aber doch - mit der Sinfonie Nr 1 von Salomon Jadassohn (1831-1902) befasst. Sie stammt aus dem Jahre 1860 und ist Julius Rietz (1812-1877) gewidmet. Am 15. November desselben Jahres wurde sie unter dem Dirigat des Komponisten im Leipziger Gewandhaus erstmals aufgeführt. Die Sinfonie wurde von Publikum und Kritik positiv aufgenommen.


    Der erste Satz (Allegro con brio) beginnt forsch und fröhlich, Dennoch bleibt er ein wenig freundlich-belanglos Im 2. Satz (Scherzo - Allegro vivace) sind Anklänge an Mendelssohn zu hören. Der dritte Satz (largo e mesto) ist ein Trauermarch, dessen Thema immer wieder variiert wird. Das Booklet der hier gezeigten cpo-Aufnahme verweist auf die Ähnlichkeit mit Beethovens dem Allegretto aus Beethoven Sinfonie Nr 7. Der Finalsatz (Allegro molto vivace) ist vielleicht am ausdrucksstärksten. Schwung rasant bringt er die knapp 21 minütige Sinfonie zu Ende.
    Trotz aller Vorbilder und Zitate (Im Booklet ist das geradezu minutiös aufgeführt) hat sich richtige Begeisterung nicht eingestellt, Das mag sich bei mehrmaligem Hören ändern. Trotzdem bin ich schon gespannt auf die weiteren 3 Sinfonien Jadassohns deren letzte 28 nach der ersten entstanden ist,,,


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salomon JADASSOHN: Sinfonie Nr 2


    Heute habe ich mich der zweiten Sinfonie Jadassohns gewidmet. Prinzipiell ist sie ähnlich freundlich. belanglos wie die erste
    Jadassohn komponierte sie drei Jahre nach seiner ersten und brachte sie am 26. November 1863 mit dem Leipziger Gewandhausorchester zur Aufführung. Das Booklet der cpo Aufnahme weist auf Einflüsse von Robert Schumann hin, ich hätte hier eher gemeint, daß Mendelssohn als Pate gestanden habe, allerdings erreicht Jadassohn nicht dessen musikalische Wirkung. Durchaus positiv würde ich den 2, Satz sehen (andante non troppo lento) der auf mich den besten Eindruck machte.
    Mich wundert, daß Jadassohn - er war erzkonservativ in seiner musikalischen Auffassung - mich nicht wirklich begeistern kann, aber auf mich wirkt er - alles in allem - doch ein wenig zu trocken akademisch. Zudem ist da kein Thema, welchem ich einen hohen Wiedererkennungswert zusprechen möchte. - Schade.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat Alfred Schmidt

    Zitat

    Zudem ist da kein Thema, welchem ich einen hohen Wiedererkennungswert zusprechen möchte. - Schade.....


    Das hattest Du, wenn ich mich recht erinnere, lieber Alfred, auch bezüglich der Klavierkonzerte konstatiert. Die Sinfonien kennen ich nicht, bei den Klavierkonzerten schienen mir gerade im 2. KK (erster und dritter Satz) doch einige Passagen dabei, das recht leicht im Ohr bleiben. Aber jeder springt dann eben doch auf andere Tonfolgen an.
    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang
    Das ist ja der große Vorteil eines Klassikforums, dass hier durchaus sehr subjektive Meinungen geäussert werden können, die zueinander in Widerspruch stehen. Der Leser wird sehr schnell herausfinden mit welchem Tamino Mitglied er quasi auf einer Welle liegt, so habe ich es bei den deutschen Kritikern gehalten. Wenn diese bei einer Aufnahme die Brüche des Werkes und die Zerrissenheit des Werkes, sowie den Verzicht auf jeglichen Schönklang lobten, dann wusste ich, daß ich dieser Aufnahme auszuweichen hatte. Ich finde den Vogen wieder zurück zum eigentlichen Thema: Bin gespannt ob irgendjemand weiterer noch einige Bemerkungen über Jadassohn schreibt......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salomon Jadassohn ist in den letzten Jahren zu einem meiner Lieblingskomponisten 'der zweiten Reihe' geworden. Ähnlich wie zuvor Moscheles oder Gade lehrte er am Leipziger Konservatorium und galt als herausragender Musikpädagoge. Zu seinen Schülern gehörten u.a. Grieg, Albeniz oder Busoni. Und ähnlich wie zumindest bei Moscheles, sind seine durchaus bemerkenswerten Werke heute kaum noch bekannt und werden nahezu nie gespielt. Die Gründe sind auch hier wieder zahlreich und nicht bis ins Letzte nachzuvollziehen.

    Dank cpo sind die Sinfonien eingespielt, hyperion hat die beiden Klavierkonzerte (zusammen mit Draesekes KK) in die Romantik-Reihe aufgenommen und ein paar wenige Kammermusik-Werke sind ebenfalls zu haben.

    Da mir die Musik Jadassohns wirklich ausnehmend gut gefällt, bedauere ich sehr, dass hier noch nicht mehr erschlossen wurde (ich würde sofort alles kaufen).

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Mich versetzt immer wieder das Ebenmaß der vier Sinfonien von Jadassohn in Erstaunen. Als ob er habe vorführen wollen, wie man als Komponist mit dieser Form verantwortungsvoll umgehen müsse. Nach meinem bescheidenen Urteil handelt es sich um bedeutende Meisterwerke. Er ließ sich nicht von einem Thema, einem musikalischen Einfall treiben. Ehr bremst er sich selbst ein wenig aus. Ich empfinde seine Musik als sehr kontroilliert, meine ihr anzuhören, dass komponieren Schwerstarbeit ist. Mich würde interessieren, wie lange er an einer Sinfonie arbeitete. Weiß das jemand? Du vielleicht, Tristan? Deshalb kann ich sie auch unter allen Umständen hören, muss nicht dafür aufgelegt oder in Stimmung sein. Die langsamen Sätze sind mir die liebsten. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll? Es gibt Momenten, in denen mir Vollendung wie ich sie bei Beethoven, Mozart oder Haydn finde, etwas auf die Nerven geht. ;) Dann flüchte ich mich in die "zweite Reihe", wenngleich ich mit dieser Kategorisierung meine Schwierungkeiten habe. Deshalb rette ich mich auch in die Anführungsstriche.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mich versetzt immer wieder das Ebenmaß der vier Sinfonien von Jadassohn in Erstaunen. Als ob er habe vorführen wollen, wie man als Komponist mit dieser Form verantwortungsvoll umgehen müsse. Nach meinem bescheidenen Urteil handelt es sich um bedeutende Meisterwerke. Er ließ sich nicht von einem Thema, einem musikalischen Einfall treiben. Ehr bremst er sich selbst ein wenig aus. Ich empfinde seine Musik als sehr kontroilliert, meine ihr anzuhören, dass komponieren Schwerstarbeit ist. Mich würde interessieren, wie lange er an einer Sinfonie arbeitete. Weiß das jemand? Du vielleicht, Tristan?

    Ich kann gut nachvollziehen was du schreibst, mir geht es teilweise ähnlich, lieber Rheingold.

    Ich wusste nicht wie lange Jadassohn an seinen Sinfonien komponierte. Aber ich konnte es über einen Online-Zugang zur Leipziger Uni-Bibo zumindest für die 4. Sinfonie rausfinden: Sie wurde 1886 begonnen, mehrfach liegen gelassen und 1889 vollendet (Hiltner: Leipziger Musiker). Das passt zu deiner Vermutung einer kompositorischen Schwerstarbeit.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Die oben (Beitrag #4) erwähnte Kammermusik-CD mit dem 4. Klaviertrio, 1. Klavierquartett & 3. Klavierquintett ist wirklich ein Leckerbissen. Schönste Kammermusik. Ich habe diese CD, da sie leider vergriffen ist, für zu viel Geld antiquarisch gekauft. Und bin doch froh sie zu haben, da an Kammermusik ansonsten nur noch die ersten drei Klaviertrios zu bekommen ist.


    Hervorheben möchte ich zwei Sätze, die mir besonders gefallen. Das ist zunächst der langsame 2. Satz im 3. Klavierquintett Op. 126. Dieses Andante tranquillo zeichnet sich durch ein ziemlich romantisches, gesangliches Thema von schlichter Schönheit aus, das ansprechend bearbeitet und verziert wird. Dieser musikalische Fluss zieht mich in seinen Bann!

    Und besonders angetan hat es mir der Kopfsatz des 4. Klaviertrios Op. 85. Ich würde diese Musik als unspektakulär spektakulär bezeichnen. Warum dieser Widerspruch? Weil die Musik trotz des schroffen Hauptthemas in typisch Jadassohnscher Zurückhaltung beginnt. Selten klingt ein so aufrüttelnder Beginn so schnell so elegant. Was mich begeistert - und manchmal sind es diese Kleinigkeiten - ist der harmonische Wandel nach etwa 90 Sekunden Spielzeit. Da ist eingeleitet von einem Klaviertriller plötzlich 'Tristansche Schwüle'. Die folgende Passage bringt mitreißende Modulationen und für mich noch einen Tristan-Moment. Ja das kennt man zwar so oder ähnlich, aber hier kommt es a) unerwartet und b) in bezwingender Eleganz. Tolle Musik!


    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Die vier Sinfonien Jadassohns halte ich, ähnlich wie Rheingold1876 für kleine Meisterwerke. Besonders gefallen mir die 2. und 4. Sinfonie.

    Die 2. Sinfonie Op. 28 in A-Dur hat Alfred im #7 schon einmal behandelt. Ich komme für mich zu einem positiveren Urteil über die Musik. Ich gebe Alfred recht, dass ich besonders im 1. Satz (Allegro moderato) viele Anklänge an Mendelssohn höre, weniger an Schumann. Der äußerst optimistische und freudige Beginn der Musik hat etwas ansteckendes und – wie ich finde – durchaus einen hohen Wiedererkennungswert. Die Verarbeitung des Materials ist akademisch, klingt manchmal brillant, manchmal introvertiert. Das Fanfarenartige des Themas wird in der feurigen Coda so richtig zelebriert. Das von Hörnern eingeleitete Andante non troppo findet zu einem elegant-getragenem Gesang mit wirklich schönen Momenten. Der längste Satz der Sinfonie atmet einen weiten Atem. Aber die Steigerungen (die mich gelegentlich an die Kompositions-Technik Beethovens erinnern) halten die Spannung hoch. Ein hüpfendes, typisch romantisches Scherzo (Molto vivace) bleibt naturgemäß die leichtgewichtigere (aber gut komponierte) Abwechslung in der Sinfonie. Das abschließende Allegro grazioso ist interessant: Es nimmt den Duktus des Kopfsatzes im veränderten Rhythmus auf und lässt die Musik damit, wie der Name impliziert, graziler und eleganter klingen. Eine Geschlossenheit des gesamten Werkes wird hier deutlich, die man so oder ähnlich in allen Jadassohn-Sinfonien findet.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Nun zu meinem Lieblingswerk:

    Die 4. Sinfonie Op. 101 in c-Moll ist die dramatischste und für mich packendste Sinfonie Jadassohns. Ein Allegro patetico eröffnet mit einer klagenden und feierlichen Einleitung, an die sich ein drängendes, manchmal sogar ge-drängtes, knappes Allegro anschließt. Das c-Moll-Thema bleibt mit seinem dramatischen Pochen dennoch gesanglich. Eine von den Holzbläsern eingeleitete Überleitung gefällt mir besonders. Das ist doch absolut bezwingende Musik und sollte aufgeführt werden! Das nachfolgende Scherzo zeichnet ebenfalls durch einen unruhigeren Charakter als in den anderen Sinfonien aus, mit denen es aber den springend-hüpfenden Grundgedanken teilt. Ganz zum Duktus dieser Sinfonie passt auch das Adagio affetuoso, eine Art dramatischer Trauermarsch. Die Musik ist feierlich, dramatisch auf- und abwogend, manchmal ergreifend. Alles in allem ein großer, romantischer Sinfoniesatz. Das Finale, Allegro decido beginnt mit der exakt gleichen Einleitung des Kopfsatzes. Das Prinzip der Verwandtschaft zwischen Haupt- und Finalsatz aus den anderen Sinfonien Jadassohns ist hier also auf die Spitze getrieben. Als schnelles Allegro folgt nun aber ein freudiges Thema, das mich zunächst an Brahms, dann an Mendelssohn erinnert und doch von eigenem Schlag ist. Euphorisch und doch immer noch ein wenig trotzig beendet dieser längste aller seiner Sinfoniesätze (etwa zehn Minuten) Jadassohns letzte Sinfonie.


    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Salomon JADASSOHN: Sinfonie Nr 1 op. 24 in C-dur


    Ich habe gestern die 1 Sinfonie Jadassohns ein zweites Mal gehört - und diesmal hat sie mir besser gefallen als beim ersten Mal.

    Ob das auf den Einfluß von "Tristan2511", den Text des Booklets (Ich hab ihn diesmal konzentrierter gelesen) oder eine entspanntere Stimmung beim Hören zurückzuführen ist ? Ich weiß es nicht.

    Leider bleibt die Tatsache, daß Jadassohn in keinem der mir zur Verfügung stehenden Konzertführer auch nur mit einer Zeile erwähnt wird. Da hört man dann eben kritischer. Im Booklet wird - quasi als Referenz gedacht - erwöhnt, daß er Schüler von Carl Reinecke war - einer "Gallionsfigur der Leipziger Schule"

    Aber das ist eine Schache Empfehlung. Denn auch Reinicke wird von heutigen Konzertführern geflissentlich ignoriert...

    Da ist es dann schon schwierig in einem Klassikforum - oder sonstwo - Interesse zu erzeugen.

    Es gibt übrigens seit 2018 eine Neuauflage einer Doppel-CD von Cameo Classics (nun im Besitz von Lyrita), wo ebenfalls die 1. Sinfonie enthalten ist.Sie scheint mir geringfügig plastischer und natürlicher zu klingen, als die cpo Aufnahme (?) Es spielt das Belarussian State Symphony Orchestra unter Marius Stravinsky.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ob das auf den Einfluß von "Tristan2511", den Text des Booklets (Ich hab ihn diesmal konzentrierter gelesen) oder eine entspanntere Stimmung beim Hören zurückzuführen ist ?

    Ich hätte da eine eindeutige Theorie 8o

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • In #8 erwähnt JLang das 2. Klavierkonzert Op. 90 lobend, was ich gut nachvollziehen kann. Ich möchte eine Lanze für das kurz zuvor entstandene 1. Klavierkonzert Op. 89 brechen. Ein klanglich erstmal typisches romantisches Klavierkonzert, mit seinem leidenschaftlichen und skalengeprägten Beginn. Auffällig ist aber der äußerst kurze Kopfsatz (eigentlich nur eine Einleitung), dem nach zwei Minuten sofort ein Adagio folgt. Der gesamte Fokus des Konzerts liegt auf dem interessanten Finale (Ballade, Allegro patetico). Der drängende, marschierende Duktus der Musik nimmt den kurzen Kopfsatz auf. Sogleich steigt das Soloklavier mit virtuosen Akkorden ein. Es entwickelt sich ein abwechslungsreicher Satz, mit schwelgerischer Orchesterbegleitung zu perlenden Läufen des Soloklaviers. In der Entwicklung des Materials wird das Hauptthema zur Fanfare und entwickelt durchaus fesselnde Energien. Für mich wieder so eine Entdeckung der hyperion-Reihe.

    Beste Grüße von Tristan2511


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  • Salomon JADASSOHN: Sinfonie Nr 2 op. 28 in A-dur


    Seit einigen Tagen höre ich wiederholt die Sinfonie Nr 2. Aber mir will der Zugang nicht wirklich glücken. Durchwegs freundlich und strahlend, vermisse ich dennoch ein individuelles Gepräge, Die Sinfonie entstand 3 Jahre nach der überaus erfolgreichen ersten. Wie diese Sinfonie vom Publikum und von der Kritik aufgenommen wurde steht im Booklet nicht zu lesen. Die Uraufführung dieser Ferdinand Hiller (1811-1886) gewidmeten Sinfonie fand am 26. November im Gewandhaus-Orchester in Leipzig unter dem Dirigat von Jadasson persönlich statt. In einer Notiz der Neuen Berliner Musikzeitung vom 2.Dezember 1863 findet dies Erwähnung, ohne indes mehr darüber zu schreiben.
    Wir müssen uns allerdings vor Augen halten, daß man in jenen Tagen - Beethoven vielleicht ausgenommen - Sinfonien nicht nach ihrer Genialität beurteilte, sondern nach ihrem "allgemeinen Unterhaltungswert." bzw ihrer Neuheit. Und im Umfeld der Sinfonien ihrer Zeit kann sie durchaus bestehen...

    Die Sinfonie hat 4 Sätze


    I. Allegro molto vivace e con brio

    II. Andante non troppo lento

    III. Molto vivace allegro

    IV. Allegro grazioso


    Der momentane Preis von 9.99 Euro für alle 4 Sinfonen auf 2 CDS macht die Kaufentscheidung relativ leicht....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salomon JADASSOHN: Sinfonie Nr 3 op. 50 in D-dur


    13 Jahre hat sich Jadassohn zeit gelassen, bis er seinen Sinfonien eine weitere hinzufügte. Der Grund für die lange Pause ist unbekannt. In einem Brief an Julius Rietz (1812-1877) im September 1876, dem er schon seine erste Sinfonie gewidmet hatte, bot er diesem die genannte 3. Sinfonie für eine Aufführung mit dem der Dresdner Hofkapelle an und bezeichnete sie als "das Beste, wwas er bislang gemacht habe" in der Tat wurde die Anregung angenommen, und im März 1877 dort aufgeführt - allerdings unter dem Dirigat von Ernst von Schuch (1846-1914)der daselbst - wie Rietz - Hofkapellmeister war (später dann sogar GMD)

    Diese uraufführung fällt in das Todesjahr von Rietz - vielleich war er damals schon in schlechter Verfassung. Hinweise auf die Todesursache habe ich nicht gefunden.

    Jadassohn hat indessen die Sinfonie unter eigener Stabführung bereits Ende 1876 in Leipzig aufgeführt


    Die Sätze:


    1) Allegro appassionata

    2) Andante un poco tenuto

    3) Menuetto Allegro Non troppo viva

    4) Finale aLLegro fiera non troppo vivace


    Wenn Jadassohn von seiner bislang besten Sinfonie spricht, dann kann ich ihm beipflichten (Die 4. kenne ich noch nicht)

    Die einzelnen Sätze sind sehr einfallsreich und markant, wobei ich - was bei mir selten der Fall ist - dem langsamen Satz den Vorzug gebe.

    Lieblich und Versonnen - teilweise von überirdischer Schönheit.


    Die zeitgenössischen Kritiken waren überwiegend positiv.

    Über Reaktionen des Publikums ist mir nichts bekannt...


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • In Deutschland Musiker zu sein, gehört einem Kapitel an, das in der Danteschen Hölle fehlt.

    Das sagte der Komponist Felix Draeseke, den Arte im Juniheft vorstellt. Ich kannte den Namen schon, habe aber noch nie etwas von ihm gehört. Es gibt ein paar CDs, die im Arte-Heft vorgestellt werden. Erhältlich sind da 4 Sinfonien, Klavierwerke, Streichquartette. Es gibt eine CD, auf der Klavierwerke von Draeseke und Jadassohn zu hören sind.

    Ich könnte mir vorstellen, dass hier die Hörer von Jadassohn auch über Felix Draeseke Bescheid wissen und uns diesen Komponisten vorstellen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • In Deutschland Musiker zu sein, gehört einem Kapitel an, das in der Danteschen Hölle fehlt.

    Das sagte der Komponist Felix Draeseke, den Arte im Juniheft vorstellt. Ich kannte den Namen schon, habe aber noch nie etwas von ihm gehört. Es gibt ein paar CDs, die im Arte-Heft vorgestellt werden. Erhältlich sind da 4 Sinfonien, Klavierwerke, Streichquartette. Es gibt eine CD, auf der Klavierwerke von Draeseke und Jadassohn zu hören sind.

    Ich könnte mir vorstellen, dass hier die Hörer von Jadassohn auch über Felix Draeseke Bescheid wissen und uns diesen Komponisten vorstellen.

    Draeseke schätze ich trotz seiner manchmal etwas spröden Musik ebenfalls sehr und schreibe sicher hier auch zu ihm, wenn ich ihn das nächste Mal höre, lieber Dr. Pingel. Ich glaube ich beseitze von Draeseke zu ziemlich alles was erhältlich ist, ebenso von Jadassohn - was leider nicht allzuviel ist...

    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Salomon JADASSOHN: Sinfonie NR.4 op. 101 in c-moll



    1888 komponierte Jadassohn seine 4. und letzte Sinfonie. Er führte sie im gleichen Jahr selber auf. Wenngleich jede Sinfonie anders gestrickt ist, so gibt es doch einen roten Faden. Jadassohn war ein geachtetet Lehrer und auch Komponist und es ist auch interessant Aussagen von 2Kritikern der Erntstehungszeit - im Booklet jeweils in zweis Sätzen zitiert - zu lesen. Zwar ist die eine Kritik freundlich, wohlwollend, Positiv , die andere kritisch undtendenziell ablehnend. Zu Begeisterungsstürmen oder Haßtiraden hat es offenbar nicht gereicht - aber wenn man will, dann kann man zwischen den Zeilen lesen was denn Jadassohns Haltung eigentlich ausmacht - und warum er sich nicht dauerhaft durchsetzen konnte. "Fern von allem Gesuchten und Geschraubten" - das ist im Text der positiven Kritik zu lesen. Kann aber auch als "konventionell" gedeutent werden - ebenso wie die Bemerkung des ablehnenden Kritikers, der den "Pariser Plauderton" des Scherzos beanstandete. Undim Prinzip sagen beide Kritiker, daß Jadassohns Musik irgendwie "gefällig" (was damals noch kein Negativbegriff war !!) - aber eben nicht mitreissend war. Ich finde sie weder besonders beeindruckend, noch spröde oder gar abstoßend. Es gibt durchaus eingängige Stellen, die mir gefallen, aber der Gesamteindruck bleit doch irgendwie unverbindlich. Keineswegs blaß oder farblos, auch nicht langweilig, es gibt durchaus mitreißendes. Aber der Zauber erlischt, sobald die Sinfonie verklungen ist. Es gibt - eigenartig bei der selbst bekundeten Vorliebe Jadassohns zur Melodie - kaum etwas, das bei mir hängenbleibt. Und so war der Weg der Werke in die Vergessenheit wohl einer der vorbestimmt war - und daran wird sich vermutlich auch in Zukunft wenig ändern lassen.....

    Allerdings sollte man als musikhistorisch interessierte Person die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen alle 4 Sinfonien - und 2 Cavatinen für Soloinstrument und Orchester - eine mit Violine, die andere mit Cello - auf 2 CDs zum Spottpreis von 9.99 Euro zu erwerben. Bei allen Einschränkungen - Dieser Kauf ist bestimmt kein Fehler.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ... wie die Bemerkung des ablehnenden Kritikers, der den "Pariser Plauderton" des Scherzos beanstandete.

    Für die damalige Zeit - also um 1888 vor dem Hintergrund der deutsch-französischen Erbfeindschaft - was das ein vernichtendes Urteil. Für mich ist das Scherzo der beste Satz der 4. Sinfonie. Die musikalischen Einfälle und deren Verabeitung beeindrucken mich sehr. Einmal gehört, geht einem das Hauptthema nicht mehr aus dem Sinn.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent