Hallo zusammen,
Zeit für einen weiteren Thread zu Beethovens Streichquartetten. Als Thema dieses Mal das 1. aus den drei dem russischen Botschafter in Wien, Razumovsky, gewidmeten Quartetten, opus 59.
Das Quartett kann getrost als revolutionär benannt werden. Enstanden zur Zeit der 4. Symphonie und des 4. Klavierkonzerts hat es, ähnlich wie die Eroica die Symphonie als Gattung veränderte, dem Genre Streichquartett völlig neue Möglichkeiten eröffnet - und sowohl Musiker als auch Publikum völlig unvorbereitet getroffen. Lediglich die Allgemeine Musikalische Zeitung äußerte sich positiv, merkte aber an, dass die Kompositionen nicht leicht zu verstehen sein. Durchaus richtig, denn hört man zum Beispiel das F-Dur-Quartett, fragt man sich schon, wie diese Musik 200 Jahre *alt* sein kann.
Rein äußerlich besticht zunächt die Länge des Werkes: Mit rund 40 Minuten (je nach Interpretation) ist es mit Abstand das längste bis zu diesem Zeitpunkt komponierte Quartett. Auffällig ist, dass die ersten drei Sätze jeweils der klassischen Sonatenform folgen - ebenfalls bis dato noch nicht bekannt gewesen.
Während der erste Satz vor allem durch seine thematische Vielfalt (und breit angelegte Form) besticht, sind es für mich vor allem das Allegretto und (noch mehr) das Adagio molto e mesto, die begeistern. Im Allegretto darf das Cello das melodische Material und das rhythmische Grundmuster als erstes vortragen - in Form von einzelnen Noten. Nach und nach kommen die anderen Stimmen zum Zuge, teils allein, teil zusammen, immer im Wechsel. Fast schon minimalistisch in der Konzeption und dennoch entstehen daraus fast zehn Minuten voller Abwechslungsreichtung.
Der langsame Satz ist eine der ersten *persönlichen* Äußerungen Beethovens: "Eine Trauerweide oder ein Akazienbaum auf das Grab meines Buders" soll Beethoven über die ersten Entwürfe geschrieben haben. Ob es sich dabei um den ein Jahr vor Beethoven geborenen, allerdings schon nach einer Woche verstorbenen Bruder oder den lebenden Casper handelte ist nicht klar. Ähnlich wie das Allegretto findet man hier eigentlich nur ganz wenig Material, aus dem etwas entstehen könnte - glaubt man: Das Resultat besticht einfach durch eine einnehmende Gefühlswelt. Ich vergesse alles um mich herum und lausche einfach nur gebannt.
Das finale Allegro basiert auf einer vom Cello vorgetragenen russischen Melodie - auch Mussorgsky hat sie in Boris Godunov verwendet. Es ist kein fröhlicher "Kehraus", so wie er noch in den opera 18 stattfand. Natürlich bricht sich positive Energie Bahn, dennoch gibt es immer wieder Momente des zweifelnden Verharrens.
Im folgenden ein paar Rezensionen