Lieblingspassagen aus literarischen Werken

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    Liebe Grüße Peter

  • Oscar Wilde - The young King


    He stood before the image of Christ, and on his right hand and on his left were the marvellous vessels of gold, the chalice with the yellow wine, and the vial with the holy oil. He knelt before the image of Christ, and the great candles burned brightly by the jewelled shrine, and the smoke of the incense curled in thin blue wreaths through the dome. He bowed his head in prayer, and the priests in their stiff copes crept away from the altar.
    And suddenly a wild tumult came from the street outside, and in entered the nobles with drawn swords and nodding plumes, and shields of polished steel. 'Where is this dreamer of dreams?' they cried. 'Where is this King, who is apparelled like a beggar - this boy who brings shame upon our state? Surely we will slay him, for he is unworthy to rule over us.'
    And the young King bowed his head again, and prayed, and when he had finished his prayer he rose up, and turning round he looked at them sadly.
    And lo! through the painted windows came the sunlight streaming upon him, and the sunbeams wove round him a tissued robe that was fairer than the robe that had been fashioned for his pleasure. The dead staff blossomed, and bare lilies that were whiter than pearls.The dry thorn blossomed, and bare roses that were redder than rubies. Whiter than fine pearls were the lilies, and their stems were of bright silver. Redder than male rubies were the roses, and their leaves were of beaten gold.
    He stood there in the raiment of a king, and the gates of the jewelled shrine flew open, and from the crystal of the many-rayed monstrance shone a marvellous and mystical light. He stood there in a king's raiment, and the Glory of God filled the place, and the saints in their carven niches seemed to move. In the fair raiment of a king he stood before them, and the organ pealed out its music,and the trumpeters blew upon their trumpets, and the singing boys sang.
    And the people fell upon their knees in awe, and the nobles sheathed their swords and did homage, and the Bishop's face grew pale, and his hands trembled. 'A greater than I hath crowned thee,'he cried, and he knelt before him.
    And the young King came down from the high altar, and passed home through the midst of the people. But no man dared look upon his face, for it was like the face of an angel.


    LG, Paul

  • Ein Meisterstück der Schöpfung ist der Mensch schon auch deswegen, daß er bei allem Determinismus glaubt, er agiere als freies Wesen.


    G. C. Lichtenberg

  • Das Hotel Vernon, in dem jener exklusive Klub der englischen Aristokratie, die „Zwölf wahren Fischer“, sein jährliches Festmahl hielt, war eine Einrichtung, wie sie nur in einer oligarchischen Gesellschaft bestehen kann, die den Snobismus fast bis zur Verrücktheit treibt.


    Dieses Hotel war die paradoxe Einrichtung einer verkehrten Welt: ein „exklusives“ kaufmännisches Unternehmen. Das heißt, es machte sich nicht dadurch bezahlt, daß es Leute anzog, sondern buchstäblich dadurch, daß es sie abwies. Inmitten einer Plutokratie werden die Kaufleute bald schlau genug, ihre Kundschaft an Zurückhaltung zu übertreffen. Sie schaffen geradezu Schwierigkeiten, damit ihre reichen, gelangweilten Kunden Geld und Geschicklichkeit aufwenden müssen, um sie zu überwinden. Falls es in London ein modernes Hotel gäbe, das keiner betreten dürfte, der unter sechs Fuß groß wäre, so würde die Gesellschaft demütig Gruppen von sechs Fuß großen Leuten bilden, nur um dort essen zu dürfen. Falls es ein teures Lokal gäbe, das aus einer bloßen Laune seines Besitzers nur Donnerstag nachmittag geöffnet hätte, so wäre es am Donnerstag nachmittag überfüllt.


    […]


    Der Klub der „Zwölf wahren Fischer“ wäre nie darauf eingegangen, anderswo als an einem solchen Ort zu speisen, denn er bestand auf luxuriöser Abgeschlossenheit; der bloße Gedanke, daß ein anderer Klub im gleichen Gebäude auch nur speiste, hätte die Mitglieder sehr aus der Fassung gebracht.


    Aus Anlaß ihres jährlichen Klubessens pflegten die Fischer all ihre Schätze zur Schau zu stellen, nicht anders, als ob sie sich in einem Privathaus befänden. Dazu gehörte vor allem das berühmte Gedeck von Fischmessern und Gabeln, die nun einmal das Wahrzeichen des Vereins bildeten und von denen jedes einzelne Stück eine auserlesene Silberschmiedearbeit in Gestalt eines Fischers darstellte und am Griff mit einer großen Perle verziert war. Sie wurden jedesmal für den Fischgang aufgelegt, und dieser Gang war seit jeher das Herrlichste bei diesem herrlichen Mahl.


    Der Verein verfügte über eine Unmenge an Zeremonien und Gebräuchen, besaß aber weder eine Geschichte noch einen Zweck; und gerade dadurch war er so ungemein aristokratisch. Man mußte eigentlich nichts Besonderes sein, um einer der Zwölf Fischer werden zu dürfen, aber wenn man nicht bereits zu einem gewissen Personenkreis gehörte, dann wußte man nicht einmal von seiner Existenz.


    […]


    (Gilbert Keith Chesterton, The queer feet in: The innocence of Father Brown, 1911)

  • Und Tonio Kröger fuhr gen Norden. Er fuhr mit Komfort, denn er pflegte zu sagen, daß jemand, der es innerlich so viel schwerer hat als andere Leute, gerechten Anspruch auf ein wenig äußeres Behagen habe [...]


    (Thomas Mann, Tonio Kröger, 1903)

  • Ein Mensch war unter den Pharisäern, Nikodemos sein Name, ein führender Mann bei den Juden. Der kam nachts zu Jesus und sagte zu ihm: „Rhabbi, wir wissen, daß Du von Gott gekommen bist, als Lehrer. Niemand kann diese Dinge tun, wie Du sie tust, wenn nicht der Gott mit ihm ist.“


    Jesus antwortete ihm: „Nun gut, ich sage Dir, wer nicht von oben her und noch einmal geboren wird, der kann die Herrschaft Gottes nicht erleben.“


    Nikodemos sagte zu ihm: „Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon lange lebt? Man kann doch nicht in den Bauch seiner Mutter eingehen und ein zweites Mal entstehen?“


    Jesus antwortete: „Und ich sage Dir, wer nicht aus Wasser und Geist entsteht, kann nicht in den Herrschaftsbereich Gottes gelangen. Was auf natürlichem Weg entsteht, ist Natur. Was aus dem Geist entsteht, ist Geist.


    Der Geist läßt sich spüren, wo er will, man kann bisweilen geradezu seine Stimme hören. Aber man weiß doch nicht, was er eigentlich ist und nicht, wozu er da ist.


    So ist es mit jedem, der aus Geist entstanden ist.“



    (Johannes-Evangelium, 3, 1-8; die Übersetzung ist von mir)

  • In der Tat finden wir auch, daß, je mehr eine kultivierte Vernunft sich mit der Absicht auf den Genuß des Lebens und der Glückseligkeit abgibt, desto weiter der Mensch von der wahren Zufriedenheit abkomme, woraus bei vielen, und zwar den versuchtesten im Gebrauche derselben, wenn sie nur aufrichtig genug sind, es zu gestehen, ein gewisser Grad von Misologie, d.i. Haß der Vernunft entspringt, weil sie nach dem Überschlage alles Vorteils, den sie, ich will nicht sagen von der Erfindung der Künste des gemeinen Luxus, sondern sogar von den Wissenschaften (die ihnen am Ende auch ein Luxus des Verstandes zu sein scheinen) ziehen, dennoch finden, daß sie sich in der Tat nur mehr Mühseligkeit auf den Hals gezogen, als an Glückseligkeit gewonnen haben, und darüber endlich den gemeineren Schlag der Menschen, welcher der Leitung des bloßen Naturinstinkts näher ist und der seiner Vernunft nicht viel Einfluß auf sein Tun und Lassen verstattet, eher beneiden als geringschätzen.



    (Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, erster Abschnitt)

  • Nach dem eingeführten Gebrauch werden die Gelehrten in zwei Klassen, die der drei obern Fakultäten [Theologie, Jurisprudenz und Medizin] und die einer untern [Philosophie] eingeteilt.


    Man sieht wohl, daß bei dieser Einteilung und Benennung nicht der Gelehrtenstand, sondern die Regierung befragt worden ist. Denn zu den obern werden nur diejenigen gezählt, bei deren Lehren es die Regierung selbst interessiert, ob sie so oder anders beschaffen sein, oder öffentlich vorgetragen werden sollen, dahingegen diejenige, welche nur das Interesse der Wissenschaft zu besorgen hat, die untere genannt wird […]


    [Diese untere Fakultät, die Philosophie ist es auch], die, in Ansehung ihrer Lehren vom Befehle der Regierung unabhängig, keine Befehle zu geben, aber doch alle zu beurteilen, die Freiheit hat, die mit dem wissenschaftlichen Interesse, d.i. mit dem der Wahrheit, zu tun hat, wo die Vernunft öffentlich zu sprechen berechtigt sein muß; weil ohne eine solche [Fakultät] die Wahrheit (zum Schaden der Regierung selbst) nicht an den Tag kommen würde, die Vernunft aber ihrer Natur nach frei ist, und keine Befehle, etwas für wahr zu halten, annimmt. –


    Daß aber eine solche Fakultät, unerachtet dieses großes Vorzugs (der Freiheit) dennoch die untere genannt wird, davon ist die Ursache in der Natur des Menschen anzutreffen: daß nämlich der, welcher befehlen kann, ob er gleich ein demütiger Diener eines andern ist, sich doch vornehmer dünkt, als ein anderer, der zwar frei ist, aber niemanden zu befehlen hat.


    […]



    (Kant, Der Streit der Fakultäten, die kursiv gehaltenden Passagen sind meine Zusätze)

  • Rezension der Es-Dur-Symphonie, der Eroica


    Die einen, Beethoven´s ganz besondere Freunde, behaupten, gerade diese Sinfonie sei ein Meisterstück, das sei eben der wahre Styl für die höhere Musik, und wenn sie jetzt nicht gefällt, so komme das nur daher, weil das Publicum nicht kunstgebildet genug sei alle diese hohen Schönheiten zu fassen; nach ein paar tausend Jahren aber würde sie ihre Wirkung nicht verfehlen. –


    Der andere Theil spricht dieser Arbeit schlechterdings allen Kunstwerth ab und meint, darin sei ein ganz ungebändigtes Streben nach Auszeichnung und Sonderbarkeit sichtbar, das aber nirgends Schönheit oder wahre Erhabenheit und Kraft bewirkt hätte. […]


    Die dritte sehr kleine Partie steht in der Mitte; sie gesteht der Sinfonie manche Schönheiten zu, bekennt aber, daß der Zusammenhang oft ganz zerissen scheint, und daß die unendliche Dauer dieser längsten, vielleicht auch schwierigsten aller Symphonieen selbst Kenner ermüde, dem bloßen Liebhaber aber unerträglich werde.


    Sie wünscht, daß H. v. B. seine anerkannten großen Talente verwenden möge, uns Werke zu schenken, die seinen beiden ersten Symphonieen aus C und D gleichen […].


    Sie fürchtet aber, wenn Beethoven auf diesem Wege fort wandelt, so werde er und das Publicum übel dabei fahren. Die Musik könne so bald dahin kommen, daß jeder, der nicht genau mit den Regeln und Schwierigkeiten der Kunst vertraut ist, schlechterdings gar keinen Genuß bei ihr finde, sondern durch eine Menge unzusammenhängender und überhäufter Ideen und einen fortwährenden Tumult aller Instrumente zu Boden gedrückt, nur mit einem unangenehmen Gefühle der Ermattung den Conzertsaal verlasse.


    […]



    (Der Freimüthige, Nr. 83, 26. April 1805)

  • […]


    lebt wohl und vergeßt mich nicht ganz im Tode, ich habe es um euch verdient, indem ich in meinem Leben oft an euch gedacht, euch glücklich zu machen, seyd es –


    Ludwig van Beethoven


    Heiglnstadt
    am 6ten october 1802

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  • Exaltiertes Schwein


    (Rezept des futuristischen Luftmalers Fillia)


    Eine rohe, abgepellte Salami
    wird direkt in einem Teller serviert,
    der sehr heißen Expresso-Kaffee enthält,
    gemischt mit viel Eau de Cologne.


    (F. T. Marinetti / Fillia: Die Futuristische Küche, Stuttgart 1983 [Cotta's Bibliothek der Moderne 12], S. 171 [zuerst: Mailand 1932])

  • »Sie kommen in einem guten Moment, Fräulein Watson«, sagte der Regisseur, während Fräulein Watson an der Tür seines Büros erschien. »Wenn Sie nicht ganz ungeschickt sind, werde ich Sie brauchen können.« Fräulein Watson trat näher. »Ich wußte, daß ich in einem guten Moment käme, Herr Green«, sagte sie, mit mehr Mut, als sich mit dem Zittern ihrer Stimme vertrug. »Fräulein Marr fiel aus dem Sattel und brach sich, wenn nicht ein Bein, doch mindestens den Hals. Reiten kann ich.«
    »Es wird niemanden geben, der dies bezweifelt«, erwiderte Al Green. »Indessen scheiterte Fräulein Marr nicht an ihren Künsten, sondern an ihrem Mangel an Phantasie. Wir wollen nicht, daß Sie reiten. Wir wollen, daß Sie nicht reiten. Wir setzen Sie auf einen Gaul, der irrsinnig wird, wenn man ihn vom Auto nebenher kurbelt, und Sie dürfen nichts tun, als Ihrer Verzweiflung darüber Ausdruck geben. Trotzdem müssen Sie zu einem bestimmten Haus gelangen. Es ist ein Fehler des Manuskripts, daß es dies verlangt. Denn wir hätten sonst mit dem Sturz von Fräulein Marr eine schöne und echte Szene gehabt. So können wir ihn nur in der Hollywood-Woche verwenden.«


    (Arnolt Bronnen: Film und Leben – Barbara La Marr. Roman, Berlin 1928, S. 7)

  • Die Sonne neigte sich bereits zum Untergang, als Agathon, der sich in einem unwegsamen Walde verirret hatte, von der vergeblichen Bemühung einen Ausgang zu finden abgemattet, an dem Fuß eines Berges anlangte, welchen er noch zu ersteigen wünschte, in Hoffnung von dem Gipfel desselben irgend einen bewohnten Ort zu entdecken, wo er die Nacht zubringen könnte. Er schleppte sich also mit Mühe durch einen Fußweg hinauf, den er zwischen den Gesträuchen gewahr ward; allein da er ungefähr die Mitte des Berges erreicht hatte, fühlt er sich so entkräftet, daß er den Mut verlor den Gipfel erreichen zu können, der sich immer weiter von ihm zu entfernen schien, je mehr er ihm näher kam. Er warf sich also ganz Atemlos unter einen Baum hin, der eine kleine Terrasse umschaltete, auf welcher er die einbrechende Nacht zuzubringen beschloß.


    Wenn sich jemals ein Mensch in Umständen befunden hatte, die man unglücklich nennen kann, so war es dieser Jüngling in denjenigen, worin wir ihn das erstemal mit unsern Lesern bekannt machen. Vor wenigen Tagen noch ein Günstling des Glücks, und der Gegenstand des Neides seiner Mitbürger, befand er sich, durch einen plötzlichen Wechsel seines Vermögens, seiner Freunde, seines Vaterlands beraubt, allen Zufällen des widrigen Glücks, und selbst der Ungewißheit ausgesetzt, wie er das nackte Leben, das ihm allein übrig gelassen war, erhalten möchte. Allein ungeachtet so vieler Widerwärtigkeiten, die sich vereinigten seinen Mut niederzuschlagen, versichert uns doch die Geschichte, daß derjenige, der ihn in diesem Augenblick gesehen hätte, weder in seiner Mine noch in seinen Gebärden einige Spur von Verzweiflung, Ungeduld oder nur von Mißvergnügen hätte bemerken können.



    Liebe Grüße Peter

  • Schelten Sie diese Liebe nicht, Lisaweta; sie ist gut und fruchtbar. Sehnsucht ist darin und schwermütiger Neid und ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit.
    (Thomas Mann: Tonio Kröger)

  • Heirate, du wirst es bereuen; heirate nicht, du wirst es auch bereuen; heirate oder heirate nicht, du wirst beides bereuen; entweder du heiratest oder du heiratest nicht, du bereust beides. Lache über die Torheiten der Welt, du wirst es bereuen; weine über sie, du wirst es auch bereuen; lache über die Torheiten Welt oder weine über sie, du wirst beides bereuen; entweder du lachst über die Torheiten der Welt oder du weinst über sie, du bereust beides. Trau einem Mädchen, du wirst es bereuen; traue ihr nicht, du wirst es auch bereuen; trau einem Mädchen oder traue ihr nicht, du wirst beides bereuen; entweder du traust einem Mädchen oder du traust ihr nicht, du wirst beides bereuen. Erhänge dich, du wirst es bereuen; erhänge dich nicht, du wirst es bereuen; erhänge dich oder erhänge dich nicht, du wirst beides bereuen; entweder du erhängst dich oder du erhängst dich nicht, du wirst beides bereuen. Dies, meine Herren, ist aller Lebensweisheit Inbegriff.


    (Sören Kirkegaard: Entweder – Oder, München 1988, S. 49f.)

  • Man erzählt, daß, als einst ein König den Befehl zur Hinrichtung eines Gefangenen gegeben, dieser Unglückliche in seiner verzweifelten Lage anfing, in seiner Muttersprache Schmähreden und Lästerungen gegen ihn auszustoßen; denn das Sprichwort sagt: Wer keine Hoffnung mehr für sein Leben hegt, der sagt alles, was er auf dem Herzen trägt.


    »Wenn er verzweifelt, wird des Menschen Zunge länger;
    So stürzt geängstigt sich die Katze auf den Hund.«
    Bleibt aus Bedrängnis kein Entrinnen mehr,
    Ergreift die Hand des scharfen Schwertes Wehr.


    Der König fragte, was er sage? Ein edelgesinnter unter seinen Wesiren antwortete: O Herr, er sagt: »Und die ihren Zorn unterdrücken und den Menschen verzeihen, denn Gott liebt die Gütigen.« Der König hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm das Leben. Ein anderer Wesir aber, der das Gegenteil von jenem war, sagte: Für Leute unseres Standes ziemt es nicht, vor dem Könige etwas anderes als die Wahrheit zu reden; jener Mensch hat den König geschmäht und Unziemendes gesprochen. Der König runzelte die Stirn über diese Rede und sprach: Mir hat die Lüge,
    die er gesagt hat, besser gefallen, als diese Wahrheit, die du gesagt, denn jene beabsichtigte etwas Gutes, diese ist aus Bosheit hervorgegangen, und die Weisen haben gesagt: Eine Lüge, welche Gutes bezweckt, ist besser, als eine Wahrheit, welche Unheil versteckt.


    Wenn der König handelt wie du sprichst,
    Unrecht ist's, so du nichts Gutes sprichst.


    [Sa'di: Rosengarten]



    Liebe Grüße Peter

  • Ein Wesir hatte einen schwachköpfigen Sohn; er schickte ihn zu einem Gelehrten und ließ ihm sagen: Erziehe diesen, vielleicht wird er gescheit. Der Gelehrte unterrichtete ihn einige Zeit, aber es wirkte nichts; zuletzt schickte er jemand zum Vater und ließ ihm sagen: Er ist nicht gescheit geworden, und mich hat er zum Narren gemacht.


    Wenn die Seele von Natur empfänglich,
    Dann nur wirkt Erziehung auf sie ein.
    Mag der Feger auch das Eisen reiben,
    Ist es schlecht, er macht's nicht gut und fein.
    Wasche siebenfach den Hund im Meere,
    Naß wird er und drum nur wen'ger rein.
    Führt man Jesu Esel auch nach Mekka,
    Wenn er kömmt, wird er ein Esel sein.


    [Sa'di: Rosengarten. ]



    Liebe Grüße Peter

  • Ich will es nicht versuchen, alle Damen zu beschreiben. Ich sage nur, dass einer jeden ganz besondere Bosheit aus den Augen blitzte. Auf allen Gesichtern konnte man Erwartung und eine geradezu krankhafte Ungeduld lesen. Einige von ihnen waren entschieden mit der Absicht gekommen, Augenzeugen eines unerhörten Skandals zu werden, und sie wären bestimmt sehr ungehalten gewesen, wenn es nicht zu einem solchen gekommen wäre.


    Onkelchens Traum


    Fjodor M. Dostojewskij

  • Liebe Diotima, danke, das gefällt mir besonders gut!!!! :yes:
    Ist das eine Beschreibung der Tamino-Mit-Leser?????? :D


    F.Q.


    Schade, dass mein Proust nun weg ist. Ist das frz. Original auch noch copyrightgeschützt?

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Schade, dass mein Proust nun weg ist. Ist das frz. Original auch noch copyrightgeschützt?


    Liebe Fairy Queen,


    das ist so das Problem mit Übersetzungen, ich bin ja auch auf meinen Sa'di angesprochen worden. Im Fall von Sa'di ist es kein Problem, aber von wann ist die Proust-Übersetzung? Mit dem Original hast Du keine Probleme - Proust ist 1922 gestorben.


    Liebe Grüße Peter

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  • Zitat

    Original von pbrixius
    aber von wann ist die Proust-Übersetzung? Mit dem Original hast Du keine Probleme - Proust ist 1922 gestorben.


    Fairy hatte aus der Übersetzung von Eva Rechel-Mertens zitiert - die stammt aus der ersten Hälfte der 50er Jahre, Frau Rechel-Mertens ist 1981 gestorben. In den 20ern ist nicht die ganze Recherche, aber immerhin Du côté de chez Swann von Rudolf Schottlaender übersetzt worden, der allerdings bis 1988 lebte. Die in den 90er Jahren herausgekommene Neuübersetzung von Luzius Keller kommt in Bezug auf das Copyright eh nicht in Frage.


    Bleibt wohl nur das Original. Man könnte je nach Lust und Laune natürlich eine eigene Übersetzung hinzufügen, die sich ggf. an den schon vorliegenden orientiert...


    Wobei mir - ohne die leidige Thematik wiederaufrollen zu wollen - das Zitat weniger Sätze aus Prousts Recherche, also eines Promillebestandteils eines Riesenwerks, doch als ein erlaubtes "Kleinzitat" im Sinne des Gesetzes erscheint (so wie Ulrich das im Copyright-Thread erläutert hat).



    Viele Grüße


    Bernd

  • Und als sie am folgenden Tage von Bethanien weggegangen waren, hungerte ihn. Und er sah von ferne einen Feigenbaum, der Blätter hatte und ging hin, ob er nun etwas daran fände. Und als er zu ihm hinkam, fand er nichts als Blätter, es war nämlich nicht die Zeit der Feigen. Und er begann und sprach zu ihm: In Ewigkeit soll nie mehr jemand eine Frucht von dir essen! Und seine Jünger hörten es. [...] Und als sie am Morgen vorübergingen, sahen sie den Feigenbaum bis zu den Wurzeln verdorrt.


    Ev. nach Markus, Kap. 11, Vs. 12-14 u. 20

  • Ach Herr, du großer und heiliger Gott, der du Bund und Gnade bewahrt hast denen, die dich lieben und deine Gebote halten! Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von deinen Geboten und Rechten abgewichen. Wir gehorchten nicht deinen Knechten, den Propheten, die in deinem Namen zu unsern Königen, Fürsten, Vätern und zu allem Volk des Landes redeten. Du, Herr, bist gerecht, wir aber müssen uns alle heute schämen.


    Daniel 9, 4-7

  • Lieber Bernd, mein Zitat war sozusagen der Extract in nucissime, den man aus Proust Recherche ziehen könnte und deshalb und weil mich diese Zeilen einstens bis ins Mark getroffen haben und ich es kaum fassen konte, was da an Wahrheitspfeil sich in mich bohrte, sind sie mir so teuer.
    Da hier nicht so Viele französisch können, stelle ich nciht das Original ein. Evtl mache ich demnächst wirklich bei Copyright-Übersetzungen eigene Versionen, wie du schon vorschlägst.


    Fairy Queen

  • Moral


    El tiempo de los caballeros no van a regresar,
    y el caballo orgulloso tiene hambre que pasar.
    Pero el burro miserable siempre estará lleno,
    le nunca faltará su su avena ni su heno.


    Text Heinrich Heine, seit 55.735 Tagen tot.
    Übersetzung audiamus, seit 1 Tag Übersetzer.




    .

  • „… und so …“



    (Beda Venerabilis, Ius translationis vulgare, aus § 1313, Abs. 13 m, Gemeinschaftsübersetzung Sir Alex Aftermath, Estrid Björnsdotter, Johann Gansfleisch d. Neueste, Wim Pannenkoek, Gerôme Pois d´Énumérer, Trine Tatendrang, Torquato Translatio de Torquemada, Helga Xenophoboulos-Häberle, Gruppe Nimius Tempus, Das Studio für intellektuelles Design Bedburg-Hau sowie Konlektorat „Beschädigung durch Bücher“ der Anna Amalia Bibliothek Bo-Weitmar. Verlag für Medienwirklichkeiten und Menschenführung, Wiesbaden 2008.)


    Ich habe mit allen Übersetzerinnen und Übersetzern gesprochen und mich ihrer ausdrücklichen Genehmigung zur Verwendung jener von mir zitierten Passagen aus Bedas neunbändiger Neuübertragung versichert.



    G WvSt.

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wobei mir - ohne die leidige Thematik wiederaufrollen zu wollen - das Zitat weniger Sätze aus Prousts Recherche, also eines Promillebestandteils eines Riesenwerks, doch als ein erlaubtes "Kleinzitat" im Sinne des Gesetzes erscheint (so wie Ulrich das im Copyright-Thread erläutert hat).


    Lieber Bernd,


    mir widerstrebt es auch, solche kurzen Texte zu verschieben, ein "Kleinzitat" setzt aber mE zumindest einen kleinen Kontext voraus, in dem das Zitat gebraucht wird, reicht da der Thread-Titel?


    Das Dumme ist dabei, dass es schwierig ist, verständlich zu machen, wo man die Grenzen zieht. Da istz.B. aus einem Copyright geschützten Werk eine ganze Anzahl von Einzeiler von demselben User in verschiedenen Beiträgen hintereinander zitiert worden. Muss ich das nun als längeres Zitat sehen, das listigerweise auf mehrere Postings verteilt wurde oder nicht? Und es fing wieder mit Einzeiler an, dann kamen Zweizeiler, wach wurde ich erst heute Morgen, als es dann richtige Blöcke aus copyrightgeschützten Werken waren.


    Verloren gegangen ist nichts, aber ... Principiis obsta!


    Liebe Grüße Peter


  • Nur damit es keine Missverständnisse gibt, sei es nochmal klar und deutlich erklärt:


    Die Annahme, man dürfe Kleinzitate immer verwenden, ist falsch.


    Das Kleinzitat ist geregelt in § 51 S. 2 Nr. 2 UrhG. Dieser Satz lautet zusammengezogen: "Zulässig ist dies insbesondere, wenn Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden."


    Erforderlich für das erlaubte (Klein)Zitieren nach dieser Norm ist somit zweierlei: Erstens darf es sich nur um eine Stelle handeln (= Kleinzitat). Zweitens aber muss diese Stelle (das Kleinzitat) in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden.


    Diese zweite Bedingung ist in keinem der oben genannten Beiträge erfüllt! (Sie ist aber auch nur relevant, wenn das Urheberrecht noch besteht)


    Abgesehen davon wird regelmäßig die Quelle nicht genau genug angegeben.


    Viele Grüße (und entschuldigt bitte die Störung)
    Thomas


    Nachtrag: Wie ich gerade sehe, hat Peter bereits in dieselbe Kerbe gestoßen. Eines sollte wohl klar sein: Der Thread-Titel ist kein selbständiges Sprachwerk.

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    Eines sollte wohl klar sein: Der Thread-Titel ist kein selbständiges Sprachwerk.


    Das stimmt! Aber er gibt Anlaß ebensolche kennenzulernen. Ich weiß, ich weiß schon: Spaß an der Sprachkunst und infernalische Neugierde ist nichts, worum sich das Urheberrecht Gedanken macht. Die Hoffung daß jemand, der den »Traum der Alpen« gelesen hat, vielleicht Lust bekommt, sich den »Landläufigen Tod« am Stück zu Gemüte zu führen, treibt die Schützer geistigen Eigentums nicht um. Das ist eben ihre Sache nicht. Aber es ist eben die meine. Mich interessiert die Literatur, nicht der Literat (dessen Bücher [leider] auch nicht gekauft werden, wenn keine Auszüge bei Tamino oder sonstwo im WWW herumspuken). Das alles aber hatten wir gemeinsam schon anderenorts - und müssen es nicht wiederholen. Ich bekenne: ich habe in diesem Thread wieder gesündigt (ich kann aber nicht anders, das ist 'ne Art Zwangshandlung. »Meine« Literatur ist eben noch nicht 55-2300 Jahre alt - hat sie deshalb kein Recht bekannt gemacht zu werden? Dante, Shakespeare, Goethe und Dostojewskij kennt doch eh jeder ;)).


    Liebe Grüße,
    Medard


    p.s.: kann und sollte dann irgendwann wieder gelöscht werden.

  • Lieber Medard,


    nichts, aber auch gar nichts spricht dagegen, dass du uns deine Literatur näher bringst. Die Wirkungsmacht dieses Näherbringens wird aber um ein Vielfaches gesteigert, wenn du uns in einigen weiteren Sätzen darlegst, warum du gerade dieses Zitat so wertvoll findest - oder dich sonstwie dazu verhältst. Wenn deine Ausführungen zum Warum in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang des Zitats stehen, sind die oben genannten beiden Bedingungen erfüllt und du kannst munter (klein)zitieren.


    Also heiter weiter.


    Lieben Gruß, Thomas

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