Hallo, Rüdiger!
Ich kann mich an einen Artikel aus "The Gramophone" erinnern, in dem es um die frühen Stereo-Aufnahmen ging. Die HMV versuchte sich schon 1955 an der neuen Technik und nahm z. B. "Le nozze di Figaro" unter Vittorio Gui schon im Juli 1955 stereophon auf, im Mai 1956 folgte "Die Entführung aus dem Serail" unter Thomas Beecham - Produzent beider Opern war Lawrance Collingwood. Die 'Columbia' mit Walter Legge nahm aber im Mai 1956 den "Barbier von Bagdad" noch in mono auf!
Christopher Parker hat in dem obengenannten Artikel berichtet, dass er in einem kleinen Zimmer neben dem Kontrollraum seine Stereo-Aufnahmeapparatur installiert hatte und beispielsweise den "Rosenkavalier" während der Aufnahmen in der Kingsway Hall im Dezember 1956 auf Wunsch Herbert von Karajans mitschnitt. Die Aufstellung der Mikrofone für die Stereo-Klangbühne war mit dem 'Mono-Techniker' Douglas Larter abgestimmt worden, wodurch aber nur eine eingeschränkte Tiefenwirkung erzielt werden konnte. Es handelt sich also um eine einzige Aufnahme, die aber mit verschiedener Technik simultan festgehalten wurde.
Walter Legge stand anfangs der Stereotechnik kritisch gegenüber und meinte, er habe nicht jahrelang nach einem idealen Mischklang für seine Aufnahmen gesucht, um diesen Klang nun wieder auffächern zu müssen. Er kümmerte sich nicht um die Arbeit Parkers und hörte im Kontrollraum - der anfangs noch keine Möglichkeit zur Wiedergabe von stereophonen Bändern bot - nur Larters monaurale Aufnahmen ab.
Das führte zu dem von mir geschilderten Vorfall, dass ein Sänger in der "Capriccio"-Aufnahme vom September 1957 glaubte, sein Konkurrent sei durch die Mikrofonaufstellung akustisch bevorzugt worden. Er verlangte, dass die stereophon begonnene Aufnahme monaural fortgesetzt würde und Legge, der wie gesagt, nicht von der Stereotechnik überzeugt war, gab klein bei; zuvor war bereits der "Falstaff" im Juni 1956 auf Wunsch Karajans stereophon eingespielt worden. Übrigens entstanden auch die Aufnahmen von "Die Kluge" (Mai 1956) und "Der Mond" (März 1957) nur deshalb in stereo, weil Carl Orff, der bei beiden Aufnahmen anwesend war, darauf bestand.
Zum Schluss noch ein interessantes Detail: sowohl Christa Ludwig wie auch Teresa Stich-Randall waren in diesem "Rosenkavalier" nur 'zweite Wahl', denn ursprünglich sollten Irmgard Seefried und Rita Streich den 'Octavian' und die 'Sophie' singen. Doch die Seefried war exclusiv zur Konkurrenz (Deutsche Grammophon Gesellschaft) gewechselt und die Streich war hochschwanger und wollte nicht nach London fliegen. (Beide Sängerinnen haben am Anfang der 50er Jahre sowohl bei der EMI wie bei der DGG aufgenommen, wurden dann aber durch Verträge ausschließlich an die DGG gebunden.) Übrigens war Karajan auch skeptisch, was Christa Ludwig anging, die er ja als Kind in Aachen kennen gelernt hatte; er konnte nicht glauben, dass sie eine vollgültige Sängerin geworden war und ließ sie erst einmal vorsingen!
LG
Carlo
P. S.
Hast Du erraten, um welche zwei Sänger es bei der "Capriccio"-Aufnahme geht?