Wolfgang Rihm - Formen des Ausdrucks / Ausdruck der Form

  • Wolfgang Rihm, Jahrgang 1952, gehört vielleicht zu den bekanntesten nach 1945 geborenen Komponisten Deutschlands; ganz sicher gehört er zu den vielseitigsten und produktivsten, vermutlich auch zu den provokativsten. Seine Biographie läßt sich leicht ergoogeln und muß daher hier nicht im Detail wiederholt werden. Erwähnt werden soll allein, daß er im Jahr 1972, gleichzeitig mit dem Abitur, ein Diplom für Komposition und Musiktheorie erwarb (er hatte ab 1968 an der Karlsruher Musikhochschule bei Eugen Werner Velte studiert). In der Folgezeit setzte er seine Studien in Karlsruhe unter anderem bei Wolfgang Fortner und Humphrey Searle fort; in den Jahren 1972/73 studierte er dann zudem in Köln bei Karlheinz Stockhausen.


    Rihms Werk umfasst ein überaus breites Spektrum: von Klavierstücken bis zu groß besetzten Orchesterkompositionen, Ensemble- und Kammermusik (darunter bisher 12 Streichquartette; ein 13. wird in der Saison 2008/09 in Essen uraufgeführt werden), Klavier- und Orchesterlieder, Chor- und Passionsmusik, Oper, Ballet und synästhetisches Musiktheater. Eine enge Verschränkung von Literatur/Dichtung/Drama (insbesondere Autoren wie Friedrich Nietzsche, Paul Celan und Antonin Artaud stellen hier Fixpunkte dar) und Musik stellt dabei ein Zentralcharakteristikum des Rihmschen Schaffens insbesondere seit den 1980er Jahren dar.


    Wenn man die Entwicklung des Komponisten Rihm seit den späten 1960er Jahren betrachtet, so lassen sich bisher grob vier Stil-Phasen unterscheiden:



    Serielle Anfänge und »Neue Einfachheit«


    Die ersten, zwischen 1968 und 1972 entstandenen Werke Rihms sind deutlich dem bis in die 1960er Jahren dominierenden kompositionstechnischen Paradigma des Serialismus verpflichtet. Neben kleineren Klavierwerken gehören zu der Werkgruppe dieser 1. Phase u.a. die 1968 entstandenen Lieder nach Texten von August Stramm (op. 1), das 1. Streichquartett (op. 2, 1970) sowie eine 1. Symphonie für großes Orchester (op. 3, 1969/70).


    Eine 2. Phase – und diese läßt sich sicherlich als Rihms provokativste fassen – ist von einer radikalen Abwendung vom Paradigma des Serialismus gekennzeichnet. Bestimmend für die Kompositionen dieser Phase wird eine orientierende Rückbesinnung auf das Werk von Alban Berg und Gustav Mahler und eine Einbeziehung von Ausdrucksmustern der Spät- und Spätestromantik. Das Primat des musikalischen Materials weicht hier – nicht sukzessive, sondern abrupt und radikal – einer Rückkehr zu einer Unmittelbarkeit des Ausdrucks. So löste die Uraufführung von Rihms 40minütiger »Morphonie für Orchester mit Solostreichquartett« (1972) im Rahmen der Donauseschinger Musiktage 1974 aufgrund der hier offensichtlich formulierten Absage an die materialorientierte Avantgarde einen Skandal aus.
    Rihm galt von nun an als das enfant terrible der deutschen Musikszene, dem man das Etikett der »Neuen Einfachheit« anklebte, den man gar zum Kopf einer Komponistengruppe stilisierte, die ebenfalls unter diesem Label zusammengefaßt wurde (u.a. Manfred Trojahn, Detlef Müller-Siemens, Hans-Jürgen von Bose, Heinz Winbeck, Reinhard Febel ...).


    »Neue Einfachheit« – dieses Etikett ist dabei so ziemlich alles- und nichtssagend: Einerseits trifft es sicherlich zu, daß Rihm seit den 1970er Jahren um eine Unmittelbarkeit des Ausdrucks und eine recht radikale Subjektivität bemüht ist (bisweilen tragen seine Werke dies auch mit ihren Titeln plakativ/provokativ vor sich her; etwa das 1976 entstandene 3. Streichquartett, das mit dem Titel »Im Innersten« versehen ist). Andererseits spielen formale und konstruktivistische Aspekte in Rihms Kompositionsweise weiterhin eine herausragende Rolle, ja Form und Konstruktion selbst werden hinsichtlich ihrer Ausdrucks- und Suggestionskräfte ausgelotet.


    Deutlich wird dies etwa anhand einer Reihe kürzerer Orchesterkompositionen, die Rihm in den 1970er Jahren folgen ließ und in denen er das in der »Morphonie« formulierte Programm weiterentwickelte. Zu nennen wären hier insbesondere »Dis-Kontur für großes Orchester« (1974; zu diesem Werk habe ich hier ein paar Sätze geschrieben), »Sub-Kontur für Orchester« (1974/75) (beide Werke machen ja bereits über die Titel wieder die Relevanz der Arbeit an formalen Parametern deutlich), »Lichtzwang. Erste Musik für Violine und Orchester« (1975/76), sowie die Symphonien Nr. 2 für großes Orchester (1975) und Nr. 3 für Soli, Chor und großes Orchester nach Texten von Friedrich Nietzsche und Arthur Rimbaud (1977, revidierte Fassung 1996).


    In dieser zweiten Phase entstanden auch erste musikdramatische Werke: die Kammeropern »Faust und Yorick« (1977) und »Jakob Lenz« (1979; nach Georg Büchner). Das zuletzt genannte Werk, das keineswegs - wie der Titel vielleicht suggerieren mag - an die gute alte Literaturoper anschließt, sondern im Gegenteil radikal mit ihr bricht, indem die Handlung eigentlich allein als verspiegelte Reflexion des Protagonisten (»Im Innersten« eben) präsentiert wird, ist bis heute Rihms am häufigsten gespieltes Bühnenwerk.


    Ende der 1970er Jahre zeichnet sich allerdings bereits wieder eine Veränderung im Ausdrucksgestus der Rihmschen Werke ab: Das ebenfalls 1979 entstandene »Konzert für Bratsche und Orchester« ist zwar noch dem Kompositionsstil dieser Phase verpflichtet, weist aber mit der sich abzeichnenden Tendenz zur Andeutung, zur Verknappungen und einem zwar immer noch expressiven jedoch nüchterneren Gestus Charakteristika auf, die für die Rihmsche Instrumentalmusik der 1980er Jahre, der 3. Werkphase, bestimmend werden sollte.



    »Theater der Grausamkeit« und »Chiffren«


    In dieser 3. Phase sind zwei Werklinien auffallend: Zum einen die Fortsetzung musikdramatischer Beschäftigung, zum anderen eine Fortsetzung der sich im Bratschenkonzert abzeichnenden Reduktion und Konzentration des Ausdrucks.


    In Kontext des Musiktheaters gewinnt für Rihm während der 1980er Jahre die Beschäftigung mit Antonin Artaud (1896-1948 ) große Bedeutung und führt zu einer grundsätzlichen Neuorientierung seiner Arbeiten für das Musiktheater. Erstes Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist »Tutuguri. Ein Tanzpoem« (1980/82). Das Werk basiert auf Antonin Artauds post-surrealistischem Text Tutuguri - La rite du soleil noir, der im Zusammenhang von Artauds Beschäftigung mit Riten und Kulten, Totemismus und Magie der indigenen Bevölkerung Mexikos entstanden war. In ihrem Kultus erkannte Artaud eine Kultur, die dem europäischen Logozentrismus entgegenzustehen schien. Im »Tutuguri«, dem »Tanz der schwarzen Sonne« entwarf Artaud das Bild einer vom europäischen Kolonialismus und der Hegemonie Europas geschändeten mesoamerikanischen Kultur.
    Allerdings legt Rihm seinem Tanz-TheaterWerk nicht allein den »Tutuguri«-Text zugrunde, sondern er folgt auch explizit Artauds Konzept eines »Theaters der Grausamkeit«, das dieser dem klassischen Sprechtheater diametral entgegensetzte: Abkehr vom Logozentrismus - Zerschlagung des Textes, der keiner diskursiven Logik mehr folgen sollte; Emanzipation der Körperlichkeit und Bewegung vom Text; Unterdrückung der Stimme; Gleichberechtigung von Geräusch und Stille (Artaud prägte hierfür die Formel der »schreienden Stille«); radikale Akzentuierung des Performativen. Dies alles mündet in einer zunächst archaisch anmutenden rituellen und kultischen Vorstellung von Theater.
    Diese Überlegungen habe natürlich Auswirkungen auf Rihms Musik, die in »Tutuguri« zu einer grellen Rauschhaftigkeit geführt wird. Wer bereit ist, seine Ohren aufzusperren, der wird sich der hypnotischen Kraft der Agressionen, Ängste, der unstillbaren Sehnsüchte und des verzweifelten Begehrens kaum entziehen können, die in dieser, häufig von ostinaten Figuren und massivem Schlagwerk bestimmten, ja getriebenen Musik Klang geworden sind.


    Ein weiteres MusiktheaterWerk, das in unmittelbarer Auseinanderstzung mit Artauds Theatertheorie und seinen Mexikoschriften entstand, ist »Die Eroberung von Mexiko« (1988/89; nach Texten von Antonin Artaud). Aber auch »Die Hamletmaschine« (1983/86; Text Heiner Müller) ist der Idee des Artaudschen Theaters der Grausamkeit durchaus verpflichtet.


    Die andere Linie des Rihmschen Schaffens der 1980er Jahre betrifft, wie gesagt, die Instrumentalmusik: hier zeichnet sich eine Tendenz zur Verknappung und Konzentration ab, und zwar auf verschiedenen Ebenen. Zunächst auf der Ebene des Orchesterapparats/der Ensembles, der/die in den Instrumentalwerken dieser Phase gegenüber den Werken der 1970er häufig deutlich reduziert wird/werden. Dann auch auf der Ebene der Ausdrucksmittel: statt der wuchernd-gewaltigen Klangblöcke, die die Werke der 1970er bestimmten, treten zunehmend Andeutungen; statt ungebremst-überschäumender Expressivität findet sich eine Chiffrisierung des Ausdrucks. Beispielhaft sind hier die Ensemble-Musik »Chiffre-Zyklus« (1982-2004) oder »Dunkles Spiel für kleines Orchester« (1988/90).



    Synthesen und »Übermalungen«


    Für die 1990er Jahre lässt sich dann eine 4. Phase feststellen, die vielleicht als eine Synthese der die Phasen 2 und 3 bestimmenen Charakteristika begriffen werden kann. Rihm kehrt hier in seinen Orchesterwerken wieder zu größeren Besetzungen zurück, auch die explosive Blockartigkeit der 1970er Jahre ist wieder deutlicher präsent. Allerdings wird der Orchesterapparat weniger massiert eingesetzt, bestimmend bleibt eine nüchternere, reduziertere Tonsprache, die als Ertrag der »Chiffre«-Phase verstanden werden kann. Bemerkenswert ist auch eine Hinwendung zu konzertanten Formen (»Gesungene Zeit. Zweite Musik für Violine und Orchester« [1991], »Dritte Musik für Violine und Orchester« [1993], »Musik für Oboe und Orchester« [1993/95; rev. 2002] und »Styx und Lethe. Musik für Violoncello und Orchester« [1997/98]). Außerdem beginnt in den 1990er Jahre eine charakteristische Verarbeitung musikalischer Formaspekte in einem permanenten Transformationsprozess. Paradigmatisch war hier zunächst das 1995 entstandene Orchesterwerk – der Name ist Programm – »Gejagte Form« [1995]. Ist hier der Prozess der Formtransformationen auf das Material eines einzelnen Werkes beschränkt, so zeichnet sich diese Arbeitsweise seit den späten 1990er Jahren (womit vielleicht eine 5. Phase begonnen hat) auch werkübergreifend ab: Das Material älterer eigener Kompositionen unterzieht Rihm einer transformierenden Neubearbeitung. Rihm selbst nennt diese Arbeitsweise »Überschreibungen« oder »Übermalungen«.



    Soviel zu Rihm erstmal von meiner Seite. Sicherlich habe ich alles ziemlich verknappt und verkürzt, sicherlich nur einige wenige Aspekte seines Werkes genannt. Die angeführten Werke spiegeln kaum einen Bruchteil seines umfangreichen Schaffens wider (über die Kammermusik ist ja fast noch gar nichts gesagt). Daher hoffe ich jetzt auf regeste Beteiligung an diesem Thread und bitte um Ergänzungen in jedweder Hinsicht.


    Also: Was kennt ihr von Rihm? Welche Aufführungen habt ihr gesehen, welche Einspielungen besitzt ihr? Welche seiner Werke schätzt ihr besonders, welche schätzt ihr nicht besonders – und warum ist das so?


    Falls übrigens jemand Interesse hat, Rihmsche Werke im Konzert zu hören: in der Saison 2008/09 ist Wolfgang Rihm Composer in Residence an der Philharmonie Essen – zahlreiche seiner Werke (Orchester- und Kammermusik) werden derowegen dort zur Aufführung gelangen. Ich jedenfalls werde ziemlich häufig dort sein...
    Vielleicht stelle ich die Aufführungstermine nächstens mal ein!


    Ach so, wer sich noch ein wenig mehr hinsichtlich Rihms für das Drumherumherum interessiert: es gibt ein ganz instruktives Filmportrait als DVD (Gespräche und Statements mit und über den Komponisten, Ausschnitte aus Uraufführungen, Proben- und Konzerten + CD-ROM-Teil mit Werkverzeichnis, Bibliografie, Diskografie, Partiturausschnitten, Texten....):


    Viele Grüße,
    Medard

  • Vielen Dank, lieber Medard, für diesen längst überfälligen Thread!


    Überfällig ist er schon deshalb, weil sich über Rihm so schön streiten lässt. Streiten? Ist Rihm denn nicht ganz im Sinne deiner Schilderung ungemein verdienstvoll? Gewiss ist er das, sonst hätte er nicht so viel Preise bekommen. Überdies muss er ein prächtiger Komponist sein. Sonst könnte er nicht so viele Werke in so kurzer Zeit fertig stellen.


    Jeder ahnt, jetzt kommt ein Aber. Dieses Aber, das sei vorab eingeräumt, ist höchst subjektiv und auf unzureichender Grundlage abgegeben. Denn ich muss zugeben, dass mir eine gerechte Bewertung Rihms unmöglich ist, weil ich weder über die dazu erforderlichen musikwissenschaftlichen und kompositionstechnischen Kenntnisse verfüge, noch auch nur annähernd mit dem ganzen Werk Rihms vertraut bin. Mit anderen Worten, ich äußere mich nur als gewöhnlicher Hörer und Besitzer einiger CDs – die ich mit der Zeit gern in diesem Thread der Reihe nach vorstellen werde.


    Das erste Aber betrifft den Abstand Rihms von der Hörerschaft. Dieser scheint mir übermäßig groß zu sein. Rihm ist nach meiner Wahrnehmung das personifizierte Niveau, der personifizierte Anspruch. Rihm gibt sich in Interviews – es gibt ein Interviewbuch mit ihm, das von Kulturjournalisten gern empfohlen wird -, in Booklettexten, in jeglichen Äußerungen gern vergeistigt. Seine Sujets entstammen der geistigen Hochkultur: Celan, Artaud, Hölderlin, darunter geht es nicht.


    Nun bin ich der Letzte, der einem Künstler – oder sonst jemandem – sein hohes Niveau vorwerfen würde. Doch war ich lange genug an der Uni, um zu wissen, dass geschwollenes Hochgeistigkeitsgerede zumeist auch verständlich ausgedrückt werden kann und das Trotzdem-Hochgeistiggerede regelmäßig absichtliches Distinguierungsmittel ist. Dieses Verhalten mag ich nicht. Überdies ist die Frage, an wen sich Rihm mit seiner Musik wendet. Es würde zu weit führen, hier die allgemeine Frage zu diskutieren, für welches Publikum Neue Musik geschrieben wird. Deshalb sei nur kurz gesagt, meine Position ist, dass Musik am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben und diese Teilhabe einfordern sollte. Rihm, so scheint mir, verhält sich gegenteilig, indem er sich auf eine gewollt musikphilosophische Attitüde und somit in den Elfenbeinturm zurückzieht.


    Das zweite Aber betrifft die Vielschreiberei. Es mag an meinem antiquierten Kunstverständnis liegen, dass ich einen Werkbegriff pflege, der ein fertiges Werk für wertvoller hält als eine Momentaufnahme eines im Entstehen begriffenen Werks. Rihm aber hat insbesondere mit seinem Chiffre-Zyklus dem work in progress-Gedanken das Wort geredet. Ja, ich weiß, die Prozesshaftigkeit, das Performative … Trotzdem, ich meine noch immer, dass es wertvoller ist, ein fertiges Werk zu präsentieren als eine Skizze. Mir scheint Rihms work in progress-Denken dazu zu führen, dass Rihm Werke veröffentlicht, die besser in der Arbeitsmaterial-Schublade geblieben wären. Eine kritischere Auslese würde Rihm gut tun.


    Genug der Vorrede, jetzt konkret. Die CD mit Musik von Rihm, die ich am häufigsten abspiele, ist diese:



    Enthalten ist mein Lieblingsstück von Rihm, das 13-minütige „Gejagte Form“.


    Rihm selbst macht zu dem Stück im Beiheft einige Anmerkungen, wobei er allerdings nahezu jede Aussage durch Einfügung von Fragezeichen relativiert. Nach meinem durch diese Anleitung(?) gewonnenen Verständnis geht es in dem Werk um das Verhältnis von Bewegung („Jagd“) und Erstarrung („Form“, gemeint ist die musikalische Form, z.B. also eine Fuge). Lebendigkeit schlägt musikalisch ausgedrückt stets irgendwann um in Erstarrung, weil die musikalische Aussage stets irgendwann Struktur, musikalische Form bekommt (sei es auf Komponistenseite durch den Kompositionsvorgang selbst oder auf Hörerseite durch die Neigung des Gehirns, gehörte Töne zu strukturieren). Dieser Moment des Umschlagens, betont Rihm, sei nicht konkret fassbar. Rihm versucht mit diesem Stück, ihn trotzdem zu packen zu bekommen, gewissermaßen in die Enge zu treiben.


    Nach meinem Hördruck findet dieses Umschlagen so gut wie gar nicht statt. Ich höre fast nur „Jagd“, so gut wie keine „Form“. Diese „Jagd“ aber ist für mich derart interessant – lebendig, ideenreich, Funken sprühend –, dass sie mich stets aufs Neue begeistert, so dass ich an dieser Stelle vorwegnehmen möchte: Allein wegen dieses Stückes ist die gezeigte, klanglich und spieltechnisch hervorragende CD eine dicke Empfehlung wert.


    Außer dem oben vorgestellten „Gejagte Form“ sind drei weitere Werke enthalten: „Verborgene Form (1995/97)“, „Chiffre I für Klavier und sieben Instrumente (1982)“ sowie „Silence to be beaten (Chiffre II) (1983)“.


    Verborgene Formen“ gehört wie „Gejagte Form“ zum Zyklus „Jagden und Formen“, ähnelt diesem Stück somit in Thematik und Herangehensweise. Eigentlich also müsste mir „Verborgene Formen“ auch gefallen. Tut es aber nicht. Das Funkensprühende, die Prägnanz des musikalischen Materials, die mir bei jenem Werk so gut gefällt, fehlt diesem leider – in meinen Ohren – völlig. Da ich zudem keinen roten Faden entdecke, ist „Verborgene Formen“ für mich leider belanglos.


    Chiffre I“ halte ich hingegen für sehr interessant. „Eine Folge klingender Zeichen, meist scharf gezeichnet, wie Hieroglyphen, Keilschriften, fremde Zeichen – aber eben Zeichen im Klang“, sei zu hören, schreibt Rihm im Booklet. Das Klavier, welches als Soloinstrument behandelt werde, spiele, als ob seine Attacke die Schrift erst in den Klangkörper treibe, den leeren Klangraum erst beschreibe.


    Diese Erläuterung Rihms, die er am Ende als bloße Gedanken, als falsch abtut – hier ist sie wieder, die oben kritisierte Attitüde –, hat mich beim ersten Lesen befremdet. Mittlerweile aber, nach mehrfachem Hören des Stückes, sehe ich das anders.


    Anfangs beherrscht das Klavier tatsächlich „meißelnd“ den Klangraum. Das „Meißeln“ erfolgt in hoher Frequenz, wirkt motorisch. Die sieben Instrumente reagieren auf das Zugeworfene. Interessante Effekte entstehen. Im Duktus Rihms: Es erfolgt eine Bedeutungskonstitution durch Weitergabe von nicht sprachlichen, eben hieroglyphenartigen (nur-klanglichen) Zeichen. Wie zum Beweis wird das „Meißeln“ am Ende vom Adressaten der Zeichensendung, von den sieben Instrumenten also, übernommen.


    Obwohl sich dieses Stück für mich als Gedanken anregend erwiesen hat, bleibt dennoch ein Aber. Verscheucht man die hochtrabenden Überlegungen und hört nur zu, erweist sich „Chiffre I“ als nicht ausgegoren genug, um als gültiges Musikstück dazustehen. Das Werk wirkt skizzenhaft, wie eine Studie. Rihm selbst ist das, wie oben beschrieben, nicht entgangen. So leitet er seinen Booklet-Text ein mit der Bemerkung: „Die Stücke mit dem Titel Chiffre… sind selbständige Teile einer Art work in progress." Oben habe ich mich zu dieser Skizzenhaftigkeit, Unfertigekeit bereits kritisch geäußert. Hier nochmals konkret: Es ist unklar, ob Rihm das Werk von vorneherein skizzenhaft angelegt hat - so tut er im Nachhinein - oder ob Rihm das fertige Werk nach der Komposition als nicht fertig erkannt hat. Ist letzteres der Fall, hätte ein Komponist früher das Werk in der Arbeitsschublade gelassen und von vorne angefangen. Rihm hingegen veröffentlicht es trotzdem. Sarkastisch formuliert: Warum auch nicht? Es erscheint in unserer Zeit ja als durchaus mutig, ein Werk zu schaffen und es als gültig vorzustellen. Die Behandlung des Oeuvres als bloße Skizze ist deutlich einfacher.


    Chiffre II“ hat mich wiederum eher kalt gelassen. Der Titel „Silence to be beaten“ drückt bereits aus, worum es geht: um den Widerstreit zwischen Stille – Rihm spricht im Booklet von Schweigen – und Musik. „Das Schweigen“, so meint Rihm, müsse besiegt werden, denn immer wieder wolle es übermächtig in die Musik eingreifen, diese existentiell vernichten.


    Wie "Chiffre II" klingt, ist nun leicht vorstellbar, denke ich. In Grobform: Normales musikalisches Geschehen, Decrescendo, Flirren, hereinbrechendes Schlagwerk, Stille, erneut Schlagwerk, Stille Pauken(?)crescendo. Erneut normales musikalisches Geschehen.


    Musiktheoretisch halte ich den geschilderten Gedankengang Rihms zu "Chiffre II" allerdings, das sei kurz angemerkt, für wenig überzeugend. Letztlich ist das Ausmaß des jeweiligen Musikbegriffs entscheidend. Zieht man das Begriffsfeld weit, bedeutet das Schweigen der Instrumente noch nicht die Abwesenheit von Musik, weil dieses bewusste (!) Schweigen ja dennoch vorhanden ist und somit als Musik im weiteren Sinne wahrgenommen werden kann, wie uns Cage in 4:22 gelehrt hat.


    Soweit erst mal. Genug Stoff für Diskussionen oder gar Kontroversen sollte vorhanden sein. Auf eure Äußerungen gespannt ist


    Thomas

  • Lieber Thomas,
    erstmal vielen Dank für Deinen ausführlichen und überaus instruktiven Beitrag, zu dem ich aktuell - weil ich ziemlich müde bin - nur ein kleines Beiseite formulieren möchte.


    Ob Rihm ein verdienstvoller Komponist ist oder nicht, sei zunächst mal dahingestellt. Ich habe in der Threaderöffnung versucht, einen allgemeinen und weitgehend neutralen Überblick zu geben. Daß ich gewisse Symphathien für sein Werk hege, dürfte (zumindest im Forum) kein Geheimnis sein und ist – zumindest im Bezug aufs »Tutuguri« – wohl auch in obigem Posting durchgeschlagen. Naja...


    Was Deine Bemerkung hinsichtlich des personifiziert Elitären bei Rihm anbetrifft, das sich insbesondere in der Wahl seiner literarischen Bezüge spiegele, habe ich einige Probleme. Nun bin ich – obgleich professionell mit Literatur befasst – nicht unbedingt jemand, der es für notwenig hält, ununterbrochen auf dem literarischen Höhenkamm herumzureiten. Dennoch frage ich mich, welche Art weniger »elitärer« Literatur einen Komponisten denn zur Auseinandersetzung reizen soll? Grisham ? Tamaro ? Pilcher ? Hesse ? ;)


    Rihms Auseinandersetzung mit Artaud beispielsweise hat – ganz unabhängig davon, ob der »durchschnittliche« Rezipient nun dessen Theatertheorie kennt oder zum Verständnis der Werke kennen müßte (der »durchschnittliche« Rezipient kennt aber auch nicht die Theatertheorien von Aristoteles bis Brecht, auch nicht die Bühnenästhetik Wagners) – zur Entstehung von IMO innovativen und auch überaus ausdrucksstarken, unmittelbar wirkenden Werken geführt. Die Lieder zu Texten von Stramm und auch die Beschäftigung mit Celan ebenso. Was ist dagegen einzuwenden?


    Was Deine Bemerkungen gegen die »Work in Progress«-Pose anbetrifft, muß ich Dir allerdings tendenziell zustimmen. Während ich etwa den Chiffre-Zyklus noch als wirklich überwältigend empfinde (da muß man dann allerdings schon das gesamte Ding haben) scheint mir das »Übermalen« und »Überschreiben« der letzten Jahre eher ein Zeichen saturierter Stagnation zu sein. Persönlich finde ich etwa weder »Gejagte Form« noch »Jagden und Formen« als besonders gelungen (hiezu nächstens mehr).


    Meines Erachtens hatte Rihm seine bisher stärksten Phasen in den 1970er und 1980er Jahren, wobei ich die konzertanten Werke der 1990er ebenfalls noch als ungeheuer hochwertig empfinde.


    Viele Grüße von einem übermüdeten
    Medard

  • Hallo zusammen,


    Zitat

    Original von Klawirr
    Dennoch frage ich mich, welche Art weniger »elitärer« Literatur einen Komponisten denn zur Auseinandersetzung reizen soll? Grisham ? Tamaro ? Pilcher ? Hesse ? ;)


    genauso wie bei Hölderlin kann man auch bei diesen AutorInnen sagen: Warum denn nicht? Eine Entscheidung gegen niedrigkarätigere Texte ist zumindest ein Indiz für ein Bedürfnis "auf der sicheren Seite" zu sein. Dabei ist es aber durchaus möglich, bei der Vertonung von vielleicht sogar Banalem neue Ebenen aufzumachen.
    Ein Gegenbeispiel(?): Die Texte im Pierrot lunaire von Schönberg (A. Giraud / O. E. Hartleben) machen nicht gerade einen Bogen um Klischees und sind in ihrem gleichförmigen Bau auch nicht besonders anspruchsvoll. Vielmehr wird einem in jedem der kurzen Gedichte die 1. Zeile noch zweimal um die Ohren gehaun wie ein Schlager-Refrain. Vielleicht zwar dann doch keine triviale Textvorlage, damals aber noch kein Klassiker, dafür fragwürdig.


    Das personifizierte Niveau ist Rihm für mich allerdings nicht . Zum einen finde ich seine Schwäche für verquaste Esoterik (einem Fernsehteam attestierte er mal, es sauge ihm Energie aus), zum andern vor allem seine Freundschaft mit dem Philosophen-Darsteller Sloterdijk (dessen Erfolg ja der eigentliche Skandal ist) sehr fragwürdig.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Zitat

    Original von Kontrapunkt
    Hallo zusammen,



    genauso wie bei Hölderlin kann man auch bei diesen AutorInnen sagen: Warum denn nicht? Eine Entscheidung gegen niedrigkarätigere Texte ist zumindest ein Indiz für ein Bedürfnis "auf der sicheren Seite" zu sein. Dabei ist es aber durchaus möglich, bei der Vertonung von vielleicht sogar Banalem neue Ebenen aufzumachen.
    Ein Gegenbeispiel(?): Die Texte im Pierrot lunaire von Schönberg (A. Giraud / O. E. Hartleben) machen nicht gerade einen Bogen um Klischees und sind in ihrem gleichförmigen Bau auch nicht besonders anspruchsvoll. Vielmehr wird einem in jedem der kurzen Gedichte die 1. Zeile noch zweimal um die Ohren gehaun wie ein Schlager-Refrain. Vielleicht zwar dann doch keine triviale Textvorlage, damals aber noch kein Klassiker, dafür fragwürdig.


    Ich habe gar kein Problem damit, wenn »triviale« Textvorlagen verwendet werden. Mein Einwand richtete sich eher dagegen, daß Thomas entlang der von Rihm gewählten Texte einen übermäßig großen Abstand Rihms zu seiner Hörerschaft konstatierte. Das finde ich doch eher fragwürdig. Daher habe ich Namen genannt, die vielleicht größere Nähe zu einer Hörerschaft bezeugen könnten... :D


    Abgesehen davon sind Hölderlin, Celan oder Nietzsche ja nun auch nicht besonders okkulte Namen, die von den Bewahrern irgendeines elitären Herrschaftswissens in verborgenen Nischen gehütet werden würden. Übrigens ist das Vertonen von Celan-Texten auch nicht unbedingt ein exklusives Merkmal des Rihmschen Schaffens - das haben Dittrich, Ruzicka, Reimann, Medek, Denhuff, Kalitzke, Stäbler und andere auch getan (sogar Michael Nyman hat Celan-Texte vertont). Und Nietzsche-Texte gibt’s schon bei Mahler...


    Einzig der Rekurs auf Artaud hat vielleicht einen etwas exklusiven Anstrich. Na und? – Die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dessen Theatertheorie können sich jedenfalls hören und sehen lassen und markieren zumindest mal eine interssante Position in den neueren Entwicklungen des Musiktheaters.


    Zitat

    Das personifizierte Niveau ist Rihm für mich allerdings nicht . Zum einen finde ich seine Schwäche für verquaste Esoterik (einem Fernsehteam attestierte er mal, es sauge ihm Energie aus), zum andern vor allem seine Freundschaft mit dem Philosophen-Darsteller Sloterdijk (dessen Erfolg ja der eigentliche Skandal ist) sehr fragwürdig.


    Das personifizierte Niveau ist Rihm für mich auch nicht. Ich denke, er hat einige recht niveauvolle Werke komponiert. Und allein das macht ihn für’s Forum interessant.
    Seine Esoterik ist mir dagegen ziemlich egal, die ist in seinen Werken nicht hörbar präsent (auch nicht in den ggf. zugrundeliegenden Texten) – und befreundet sein kann er von mir aus mit Sloterdijk (und wem sonst noch) so lange er will. Ich bin ja nicht gezwungen, die »Regeln für den Menschenpark« nochmals oder das »Sphären«-Konvolut überhaupt zu lesen.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Lieber Medard, lieber Kontrapunkt,


    zufällig bin ich heute in von der Weids Buch über „Die Musik des 20. Jahrhunderts“ auf ein Zitat von Brian Ferneyhough getroffen, das veranschaulichen mag, worum es mir bei der Kritik an dem personifizierten Elitären geht:


    „Ich möchte den Hörer immer im nervös-empfänglichen Zustand halten, so dass er in ein Dilemma gerät: Entweder er folgt auf dem geforderten Niveau oder er schaltet ab und folgt überhaupt nicht mehr. Ich hoffe, es gibt in dieser Musik keinen Zwischenbereich, denn ich möchte den Hörer zur Anteilnahme zwingen, entweder durch eine bejahende Wahl oder durch eine völlige Verweigerung“


    Mir geht es weniger um das Ob der Sujets – wobei ich eine Rihmsche Pilcher-Vertonung gern erleben würde, da bekäme das Wort von der Neuen Einfachheit eine ganz neue Bedeutung –, sondern um den Umgang mit dem fertigen Produkt. Bei Rihm habe ich den Eindruck gewonnen, dass er nach Art des Ferneyhough-Zitats an der Vermittlung seines Werks nicht interessiert ist, im Gegenteil sogar die altbekannten elitären Methoden der Abgrenzung nutzt. Solches Verhalten mag ich nicht.


    Allerdings mag dieser Eindruck Rihm nicht gerecht werden. Wie oben ausgeführt entstand er nicht auf hinreichender Grundlage, so dass es mir eigentlich besser anstünde, zu schweigen. Geäußert habe ich meinen Eindruck dennoch, weil ich daran interessiert war und noch immer bin, zu hören, wie die Sichtweise anderer ist.


    Fairerweise möchte ich jedoch einige Einwände gegen meinen Eindruck vorbringen: Zunächst spricht schon die Bereitschaft, CD-Texte zu verfassen, gegen ihn, dienen diese Texte ja gerade dem Kontakt zum Publikum, der Vermittlung des Werks. Zudem erscheint es aus Sicht der Serialisten der sechziger/siebziger Jahre geradezu paradox, Rihm sein Niveau vorzuwerfen, warfen sie, die für sich selbst das musiktheoretische Höchstniveau in Anspruch nahmen – Cocteau sprach mit Bezug auf Boulez von heftiger, arithmetischer Selbstbefriedigung –, Rihm doch gerade das Gegenteil, seine übergroße Einfachheit vor. Schließlich sollte ein Komponist vorrangig an seinem musikalischen Werk, nicht an seinen sonstigen Äußerungen, gemessen werden – es gibt Ausnahmen, siehe Pfitzner. Rihms musikalisches Werk weist nun aber viele Stücke auf, die den Hörer unmittelbar ansprechen, die eben keine Distanz zwischen Komponist und Publikum entstehen lassen, sondern aufgrund von Rihms Bekenntnis zum unmittelbaren Ausdruck und zur direkten Klangrede mit außerordentlicher Klangsinnlichkeit für sich einnehmen.


    Ein Beispiel für ein solches Werk ist das Violinkonzert „Gesungene Zeit“:



    Von Beginn an wirkt das Konzert nicht wie ein Konzert, sondern wie eine Violinsonate solo. Langsam spielt die Solovioline hohe Töne, die nicht enden wollen. Als wären sie ein einziger Faden, werden sie nahezu das ganze knapp 24 Minuten dauernde Konzert aneinander gereiht. „Den Faden spinnen, bis er ausgesponnen“, lautet denn auch das Motto, unter dem das Konzert steht. Das klein besetzte Orchester macht sich zunächst kaum bemerkbar. Es unterstützt nur die Violine, grundiert den Klang. Dieser Klang steht bewusst im Mittelpunkt. Rihm berichtet im Booklet, dass ihm in Anne-Sophie Mutters Spiel – für Frau Mutter hat Rihm das Konzert komponiert – nie jenes oft virtuosentypische Dünner- und Ärmerwerden des langsamen Spiels in der Höhenregion begegnet sei, vielmehr gerade dort: entlegene Fülle und Lebenskraft. Tatsächlich ist es diese von Rihms beschriebene Fähigkeit Mutters, besonders voll und warm zu spielen, die das Werk für mich so einnehmend sinnlich macht - soweit ich sehe, hat sich bis heute kein anderer Geiger an das Stück herangewagt. Das Konzert bleibt durchweg langsam. Zwischendurch sind einzelne härtere Klänge, auch tiefere Töne der Geige zu vernehmen. Sie stören den Ablauf, zerreißen den Faden jedoch nicht. Er klingt erst aus, als er ausgesponnen ist.


    Gesungene Zeit ist kein Werk, von dem ich sagen würde, dass es zu den absoluten Meisterwerken des 20. Jahrhunderts gehört. Gleichwohl ist es ein Rihm-Werk zum Genießen. Keine schräge Neu-Tönigkeit ist hier zu hören, sondern warme, sinnliche Musik. Nicht wenig, finde ich.


    Es liegt wohl an der Vielgestaltigkeit seines Gesamtwerks, dass Rihm so unterschiedliche Eindrücke hervorrufen kann. Eine Vielgestaltigkeit, die nach meinem Empfinden jedoch nicht aus einer Chamäleonhaftigkeit, einer Beliebigkeit des Stils entsteht, sondern sich organisch aus dem Durchlaufen verschiedener Phasen im kompositorischen Fortschreiten ergibt.


    Freundlich grüßt
    Thomas

  • Lieber Thomas,


    ich bin mir eben nicht sicher, ob die Auswahl der Texte und die bei Rihm ja recht extensiven Bezüge zur resp. auf Literatur (zum Teil ja auch in der reinen Instrumentalmusik) wirklich die Funktion einer Distanzierung haben - bzw. genutzt werden, um den Abstand zur Hörerschaft zu vergrößern. Ich habe vielmehr den Eindruck, daß Rihm über die Literatur als Bezugsgröße versucht seine Werke mit einer Bedeutung aufzuladen (ihr vielleicht besonderes Gewicht zu verleihen), vielleicht aber auch um die Zugänglichkeit nochmals zu erleichtern.


    Ein Beispiel wäre hier die »[Erste] Musik für Violine und Orchester« (1975/76). Sie trägt den Untertitel: »in memoriam Paul Celan«. Dies würde ja eigentlich ausreichen, um deutlich zu machen, daß es sich bei diesem Werk um eine, wie Rihm es 1979 formulierte, »imaginäre Totenrede auf den Dichter« handelt. Aber nein: das Werk bekommt noch die bedeutungsschwere Überschrift »Lichtzwang« und zitiert damit den Titel des letzten Gedichtbandes, dessen Publikation Celan noch selbst vorbereitet hat – eine Sammlung zumeist sehr kurzer, extrem konzentrierter und chiffrierter Gedichte. Das Ergebnis dieser Werkbenennung und -erklärung durch Rihm könnte man guten Gewissens als »Übercodierung« oder »Überladung« beschreiben, da man die Gedichte aus »Lichtzwang« gar nicht kennen muß, um einen Zugang zu dem Werk zu finden. Es wird nämlich keineswegs eine »Vertonung« der Texte angestrebt, auch nicht ein musikalisches Nachempfinden der Stimmungen dieser Gedichte.
    Dennoch ist der Titel »Lichtzwang« nicht einfach ein plakatives und beliebig bedeutungsschweres Etikett. Rihm versucht nämlich die innere Spannkraft des Kompositums »Lichtzwang« in ein kompositorisches Verfahren umzuschreiben, indem er der in der Höhe strahlende Solostimme der Violine (Rihm: »Höhe gleich Licht gleich Strahlen«) die »zwanghafte Orchestermasse« (Rihm) entgegenstellt. Das ist – wenn man das Werk hört – durchaus nachvollziehbar und IMO auch gelungen umgesetzt.


    So gesehen empfinde ich den Literaturbezug, der über den Titel hergestellt wird, weniger als Moment der Distanzierung vom Publikum, sondern eher als Moment der chiffrierten Offenlegung (nur vermeintlich ein Paradoxon) eines Prinzips formal-struktureller Bedeutungskonstitution.


    Das Werk gibt es übrigens auf folgender CD (János Négyesy [Violine], SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung: Ernest Bour):




    Von Rihms inzwischen drei »Musiken für Violine und Orchester« gefällt mir »Lichtzwang« am besten, weil das Orchester hier erheblich stärker gestalterisch involviert ist. Die Tendenz zum Monologischen, die Du anhand von »Gesungene Zeit« ja auch angesprochen hast und die für viele der mir bekannten Rihmschen Werke für Soloinstrument(e) und Orchester konstitutiv ist (die »Dritte Musik für Violine und Orchester«, die sich durch den Einsatz reichhaltiger Orchesterfarben etwas abhebt, ist da eher eine Ausnahme – dazu demnächst mehr), ist in »Lichtzwang« zwar auch bereits deutlich ausgeprägt, dennoch bleibt der Orchesterpart selbstständig und gewichtiger.


    An der »Gesungenen Zeit« gefällt mir der eher meditativ-melancholische Gestus sehr gut, der ja eigentlich nur genau einmal im ersten Teil durch eine Eruption des Orchesters aufgebrochen wird. Ein überaus ausgewogenes, ruhiges und dennoch suggestives Werk, das ich gern höre und durchaus auch als Erstkontakt mit der Musik Rihms für geeignet halte.


    Es scheint tatsächlich so zu sein, daß sich bisher kein Violinist neben ASM der »Gesungenen Zeit« angenommen hat, zumindest nicht für eine Einspielung auf Tonträger. Allerdings wird es am 4. Oktober 2008 (20.00 Uhr) in der Essener Philharmonie zu hören sein und zwar mit Benjamin Schmid (Violine) und dem Sinfonieorchester Wuppertal unter der Leitung von Toshiyuki Kamioka (auf dem Programm stehen außerdem Schuberts Rosamunde-Overtüre D 797 und die Große C-Dur Symphonie D 944).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Lieber Medard,


    danke für deine Ausführungen zum Literaturbezug. Diese kann ich nachvollziehen und finde ich übezeugend. Sie betreffen jedoch nur am Rande das von mir Gemeinte. Stellen wir uns Rihm im Interview vor, wie er auf eine Frage des Interviewers eine Antwort auf dem geistigen Hochkamm gibt und der Interviewer nachhakt: "Können Sie das bitte noch einmal in einfachen Worten sagen." Wie würde Rihm reagieren? Würde er an einer wirklichen Kommunikation interessiert sein und sagen: "Aber gern" oder würde er das Verlassen seines intellektuellen Hochplateaus und somit die Antwort verweigern? Mir scheint leider Letzteres der Fall. Manchmal ein bisschen weniger gestelzt, weniger intellektuelles Pfauenradschlagen, das würde ich mir wünschen. Damit soll es nun aber auch mit diesem Thema sein Bewenden haben. Wichtiger als Rihms Worte sind ohnehin seine Werke. Personen, die uns erklären, was Rihm will, gibt es ja genug - dich zum Beispiel.


    Anmerken möchte ich nur kurz, dass ich die von dir beschriebene "Überladung" nicht negativ sehe. Der Bezug eines musikalischen zu einem literarischen Werk kann meines Erachtens ruhig weitläufig sein. Eine gemeinsame Geisteshaltung, gewissermaßen eine Synästhetik im weiteren Sinne genügt mir durchaus.


    Bei der Suche im Forum bin ich auf einige lesenswerte Beiträge zu Werken von Rihm gestoßen, die ich an dieser Stelle gern zitieren möchte:





    Viele Grüße
    Thomas

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt


    Die gezeigten Einspielungen von »Dis-Kontur« sind übrigens - ich hatte das schonmal vor einiger Zeit in »Was höre ich gerade...« geschrieben - durchaus beide zu empfehlen, wobei Segerstam IMO letztlich doch die Nase vorn hat. Cambrelings Dirigat ist für meinen Geschmack dabei nämlich insgesamt eher etwas zu zahm, fast ein wenig antiseptisch. Jede Eruption wird genaustens ausgehört und ausgespielt – aber eben nicht rausgehauen. Schon die Schlagzeugintroduktion wirkt bei Cambreling eher gebändigt als wild-brutal.
    Das klingt bei Leif Segerstam ganz anders: Hier treffen die einleitenden Einzelschläge der kleinen Trommel den Hörer tatsächlich wie Peitschenhiebe, der folgende, auf Vierteln durchgeschlagene Rhythmus der Schlagwerkgruppe gleicht einer martialischen Maschinerie, die über den Hörer hinwegwalzt.


    Also: Schlecht ist Cambrelings Lesart mit Sicherheit nicht, für meinen Geschmack aber nicht radikal genug. Da ist Segerstam deutlich kompromissloser und intensiver. Die Hänssler-CD hat IMO jedenfalls eindeutig andere Vorzüge, nämlich Ernest Bours unglaublich intensive Lesart von »Sub-Kontur« und eben »Lichtzwang«.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Rihms Werk umfasst ein überaus breites Spektrum: von Klavierstücken bis zu groß besetzten Orchesterkompositionen, Ensemble- und Kammermusik (darunter bisher 12 Streichquartette; ein 13. wird in der Saison 2008/09 in Essen uraufgeführt werden),


    Hm, da bin ich wohl einer Fehlinformation aufgesessen. Es ist das Elfte Streichquartett, das am 18. Januar 2009 vom Takásc-Quartett in Essen uraufgeführt wird.


    Liegt jetzt das 12. Streichquartett einfach noch bei Rihm zuhause in irgeneiner Schublade herum oder sollten etwa falsche Zahlen durch den Äther geistern und sich auf gedrucktem Papier breit machen... ?


    Verwirrte Grüße,
    Medard

  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Klawirr
    Hm, da bin ich wohl einer Fehlinformation aufgesessen. Es ist das Elfte Streichquartett, das am 18. Januar 2009 vom Takásc-Quartett in Essen uraufgeführt wird.


    Liegt jetzt das 12. Streichquartett einfach noch bei Rihm zuhause in irgeneiner Schublade herum oder sollten etwa falsche Zahlen durch den Äther geistern und sich auf gedrucktem Papier breit machen... ?


    Lieber Medard,


    das zwölfte Streichquartett ist bereits uraufgeführt worden, nämlich 2002 in Reggio Emilia. Die Komposition des elften Quartetts wurde zwar bereits 1998 (also vor dem zwölften) begonnen, aber erst im letzten Jahr zu Ende geführt: ein Auftragswerk der Essener Philharmonie und des Takacs-Quartetts.


    Rihms Verlag, die Universal Edition, bietet im Internet eine vollständige Werkliste mit den wichtigsten Daten: entweder hier im HTML-Format oder hier als Pdf-Datei.


    Hier kann man nach vergangenen, aktuellen und bevorstehenden Aufführungen der Werke Rihms suchen.


    Im Rahmen seiner fortlaufenden Gesamteinspielung aller Rihm-Quartette hat das Minguet-Quartett auch das 12. Streichquartett Rihms aufgenommen:





    Viele Grüße


    Bernd

  • Lieber Bernd,
    danke für die Entwirrung. Inzwischen hatte ich auch nochmals im Werkverzeichnis nachgeschaut (ist im ROM-Teil der im Eingangsposting gezeigten DVD enthalten [das ist IMO übrigens hübscher als das online verfügbare Verzeichnis, weil nicht alphabetisch sondern systematisch]).


    Ich war darauf gekommen, daß es das 13. Quartett sein müsse, das in Essen aufgeführt wird, weil ich eben irgendwann im Werkverzeichnis mal gesehen hatte, daß es ein 12. SQ bereits gibt. Manchmal ist nachschauen aber eben dann doch besser als ein wildes Fabulieren (ich hätte ja auch einfach nochmal auf der Homepage der Philharmionie Essen nachschauen können, aber ich war mir sooo sicher - und dann: tu mal was gegen falsche Überzeugungen... ).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Es ist das Elfte Streichquartett, das am 18. Januar 2009 vom Takásc-Quartett in Essen uraufgeführt wird.


    Hallo Medard,


    ein weitere UA eines Werkes gibt es auch schon viele eher. Wie ich gerade im aktuellen Programm der aktuellen 228. Gewandhaus-Saison gelesen habe:


    11.09.2008, 20:00 Uhr
    Großer Saal, Gewandhaus


    Wolfgang RIHM
    Coll’Arco – Vierte Musik für Violine und Orchester
    (Uraufführung, Auftragswerk des Gewandhauses zu Leipzig und des Lucerne Festivals)


    Carolin Widmann, Violine
    Gewandhausorchester, Riccardo Chailly


    [URL=http://www.gewandhaus.de/gwh.site,postext,spielplan-recherche,va_id,4703.html]Link Gewandhaus[/URL]


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)


  • Derzeit höre ich wieder einmal Rihms 1998 für die Donauschinger Musiktage entstandenes Styx und Lethe - Musik für Cello und Orchester - und komme mit ihm wieder einmal nicht zurecht. Wie ich im „Was hört ihr gerade“-Thread gesehen habe, besitzen einige von uns die oben abgebildete CD. Meine aus dieser Beobachtung erwachsene Hoffnung ist, ihr helft mir weiter.


    Als Gesprächsgrundlage lege ich im Folgenden einige Informationen und Gedanken zum Werk dar, ohne den Versuch unternehmen zu wollen, das Werk umfassend zu beschreiben:


    Glücklicherweise hat Rihm trotz ursprünglicher Ablehnung auf das Drängen des künstlerischen Leiters der Donaueschinger Musiktage hin einen Einführungstext für das Programmheft geschrieben und ist dieser Text online verfügbar: http://www.swr.de/swr2/donaues…3328422/wue87l/index.html


    Glücklicherweise? Liest man den Text, ist man zunächst einmal ob seiner sich nicht erschließenden Bedeutung befremdet. „Mein Stück ist sehr schön. Ich habe es selbst komponiert. Ich bin klug.“, heißt es in dem Text unter anderem. So kommt es, dass der geneigte Leser seine Geneigtheit verliert und sich fragt: „Will der mich verarschen?“


    Das scheint mir inzwischen nicht der Fall. Wohl aber spielt Rihm aus der Not heraus, musikalische Vorgänge mit Worten nicht beikommen zu können und dadurch sprachlos zu sein, humorvoll-kauzig mit der an einen Einführungstext gerichteten Erwartungshaltung.


    Nach mehrmaliger Lektüre des Textes bin ich der Ansicht, dass in ihm entgegen dem ersten Eindruck doch wertvolle Hinweise enthalten sind. Trotzdem halte ich fest, dass sich Henze entsprechend der von mir in den vorangegangenen Beiträgen kritisierten Distanzierungs-Haltung der Kommunikation mit seinem Publikum verweigert hat. Indem er zunächst keinen und dann auf das Drängen hin nur einen intellektualistisch gestammelten Text liefert, betreibt er die oben angesprochene Publikumsabgrenzung. Sein Text passt hervorragend in unseren Hermetik-Thread, nicht nur, weil wir uns dort an derartigen Ausführungen zu weiden pflegen, sondern auch, weil der Text hermetisch funktioniert, da Rihm durch seinen Text die Laien, die nicht sein Niveau Habenden draußen vor lässt und so der altbekannten Kritik an der Neuen Musik im Elfenbeinturm neue Nahrung gibt.


    Jetzt soll die Streitaxt aber zurück ins Körbchen, jetzt geht es um die Musik:


    Mein erster Eindruck von dem Werk war negativ. Mir gefiel nicht, was da passierte. Das, was ich am Cellospiel mag, findet hier kaum statt. Nichts Attraktives, Dankbares gibt es hier, würde Theophilus sagen. Keine schönen Kantilenen, keine ausgespielten Linien, kein schöner Ton, keine Farbe, stattdessen Dauergeschrammel. Von Beginn an ist der Solocellist dauerbeschäftigt damit, seinen Bogen nervös hin und her zu schrubben. Er beginnt im unteren Tonhöhenbereich seines Instruments und endet ganz oben. Das Orchester hat keine nennenswerte eigene Funktion, sondern begleitet den Solisten mit meist kurzen Kommentaren. Kein Thema ist zu hören, nur Motivfetzen erklingen. Im letzten Drittel, das Cello ist oben angekommen, tritt gegen 18:00 eine gesteigerte Wirrnis auf. Die Musik wird schneller bis sie bei 19:30 ganz zur Ruhe kommt. Das Geschrammel ist nunmehr nicht mehr zu hören. An dessen Stelle tritt ab 19:40 lyrische, melodienahe Musik, ohne dass eine ausgeprägte Melodie entstünde. Die Musik, das Cello bleibt gewissermaßen auf der Suche, der gesponnene Faden zu dünn, um zu halten. Gegen Ende ertönen einige dunkle Schläge. Dann ist das Werk zu Ende.


    Was also ist Styx und Lethe?


    Betrachte ich den ersten Abschnitt, kommt mir das Wort Klangflächenkompositon in den Sinn. Die von Rihm erzeugte Klangfläche ist nicht statisch, sondern lebendig, pulsierend, zuckend. Sie ist keine Klangwolke, dafür ist sie zu schwerfällig, sondern wirkt auf mich wie ein frei im Raum schwebendes, zähflüssiges, unbekanntes Etwas, einem frei im Raum schwebenden, brodelndem Hexensud ähnlich, wobei das Cello aus diesem Sud nicht heraus sticht, sondern in ihn eingebunden, dazugehörig ist und das Orchester über weite Teile nur als Verstärker des Cellos wirkt.


    Die Klangfläche ist nicht in der Art von Athmospheres fein gewoben, sondern sie ist grobkörnig, derb, atavistisch-wild. Kaum weiches Spiel ist von Orchester und Solocello zu hören, stattdessen zumeist hartes, zuschlagendes.


    Die Klangfläche durchmisst den Klangraum des Cellos von unten nach oben. Dieser Vorgang findet allmählich statt. Es gibt keine deutliche Rückung auf ein höheres Tonhöhenniveau. Die Einwürfe des Orchesters hingegen scheinen die Höhengewinnung des Solocellos vorzubereiten. Man stelle sich die Klangfläche Sci-Fi-mäßig als Begegnung der dritten Art vor: In der Mitte befindet sich die schwarze, alles verschlingende Klangfläche. Von allen Seiten her wird diese Klangfläche mit Energieblitzen beschossen (Magnetstrahlblitze aus Elektroden? Sci-Fi-Fans nach vorn!). Von unten her kommen tiefe Blitze, von oben her hohe. Die schwarze Fläche absorbiert die Energie. Weil mehr hohe Blitze zu absorbieren sind, verändert sich die Wolke nach oben hin. So gesehen findet auch hier ein per aspera ad astra statt.


    Was aber ist die Nacht, was das Licht? Ist die Musik, das Cello tatsächlich auf der Suche? Wonach? Steht das Cello für etwas? Für eine Person? Für Rihm? Für den Menschen im Allgemeinen?


    Wenn ich mir denn „Einführungstext“ Rihms nun vornehme, fallen mir mehrere Stellen ins Auge, die ich hier zitieren und sodann assoziativ ansprechen möchte:


    „Lieber Armin Köhler, endlich bin ich wahnsinnig geworden!“: Nicht zufällig benutzt Rihm das Wort „wahnsinnig geworden“. Im Formplan unter VII ist ein Linie in Pfeilform von links unten nach rechts oben zu sehen. Links unten steht „Anfang“, rechts oben steht „jetzt ist Schluß“. Dazwischen aber, etwa nach zwei Drittel des Pfeilweges ist Wegpunkt „Wahnsinn“ benannt. Geht es also in Styx und Lethe um das wahnsinnig werden? Passen würde es. Zunächst das nervöse Zucken des Solocellos, das nichts sinnvolles mehr zuwege kriegt. Einwürfe von außen („Ich höre Stimmen“?). Ab 18:00 dann die gesteigert Wirrnis, der Wahnsinn? Was aber bedeutet das noch Folgende? Handelt es sich schlicht um die Entrückung des in seiner eigenen geistigen Welt womöglich sediert vor sich hin Lebenden?


    „Das Stück beginnt…“, „Es wiederholt sich nichts.“: Wo ein Beginn ist, ist auch ein Ende. Das Werk steht also nicht nur für sich, sondern schildert einen ablaufenden Vorgang.


    „Mandelbrotmengen“: Ein Begriff aus der Chaostheorie: So chaotisch die Welt auch bei genauer Betrachtungsweise sein mag, ergibt sich doch etwas Geordnetes. Ein Hinweis womöglich auf die Kompositionsweise. Kein herkömmlicher Aufbau ist gegeben, sondern komplexes Zusammenfügen von wild durcheinander Gewürfeltem, das insgesamt gesehen – bei holistischer Betrachtung – doch sinnvoll zusammen gehört.


    „Woher sollen denn die Wörter kommen? Weiß es einer??“: Ein Grundanliegen Rihms: Woher kommen die Wörter, die benötigt werden, um die Musik zu beschreiben. Wichtiger: Woher kommt die Musik? Rihm spricht davon, unmittelbar auszudrücken, was ihn umtreibt. Die Musik macht etwas mit ihm, was er ausdrückt. Komponieren ist für ihn kein mathematisches, serialistisches Tun, sondern Ausdruck der Ungeordnetheit.


    „so entsteht freier Raum“: Oben habe ich bereits den Eindruck des Frei-Schwebens beschrieben. Freier Raum hat auch einen negativen Aspekt: Frei schwebend kann bedeuten, dass die Bodenhaftung verloren gegangen ist.


    „Und der gehasste Fluß, der Styx bleibt aus eigener Kraft nicht überwindbar. Bleiern, grundlos“: Geht es also darum, den Styx zu überwinden und somit um die Sterblichkeit des Menschen? Ist das Geschrammel ein Symbol für die Arbeit des Sysiphos? Ist die Wirrnis die Erkenntnis, dass alles vergebens ist? Der Wahnsinn nicht psychiatrisch zu verstehen, sondern als Umschreibung dieser Erkenntnis? Ist das Folgende also nur die Einsicht in die Sinnlosigkeit des Tuns, die sich in Sinnlosigkeiten erschöpft?


    Was aber soll bei 13:08 der plötzliche Wind, frage ich mich. Und über den Gräbern saust der Wind, ist es das? Soll sich eine Assoziation mit dem Tod einstellen?


    Warum ist das Werk Styx und Lethe benannt? Stehen beide für die unüberwindbare Hürde? Warum dann auch Lethe und nicht nur Styx?


    In einem Beitrag „Zu den Donaueschinger Musiktagen 1998“ weist der Autor auf die Wendung ins desolat Lyrische hin (http://www.sinfonietta-archiv.…Saison02/Text_S3_2002.htm. Geht es vielleicht nur darum? Soll schlicht aufgezeigt werden, dass die Komposition nach der Methode der ersten zwei Drittel zu nichts führt (außer zum Wahnsinn), dass aber das Lyrische ebenfalls keine Lösung bietet, weil es desolat ist?


    Ein Amazon-Rezensent spricht demgegenüber davon, dass sich alle Instrumente plötzlich wie ein wild gewordener Araberhengst in einen Taumel aus Tornado-Marsch und Trivialität hineinsteigern und versteht dies als Verweigerung gegenüber dem Donaueschinger Publikum.


    Gefunden habe ich noch eine Rezension auf Klassik.com, in der Paul Hübner meint, Styx und Lethe führe das Virtuosenprinzip ad absurdum. Der Solist ergehe sich in virtuoser Dauerbeschäftigung, aus der kein anderer Ausweg als der der musikalischen Selbstzerstörung führen könne. Ja, so kann man es auch sehen. Passend dazu könnten die Musiker auf der Bühne ihre Instrumente zerkloppen, fällt mir dazu ein.


    Wie aber seht ihr es?


    fragt
    Thomas

  • Hmmh, mein Versuch, durch eine bewusst offen gestaltete Werkbeschreibung einen Austausch über Styx und Lethe zu initiieren, muss nach nunmehr vier Tagen ohne Anwort wohl als gescheitert angesehen werden. Schade, gerade diese Musik für Cello und Orchester trägt sehr viel besprechenswertes in sich, finde ich. Vielleicht habe ich das Werk zu uninteressant beschrieben, hat die Kurzcharakterisierung 18-minütiges Dauergeschrammel mit anschließender Wirrnis und abschließender Melodiesuche abschreckend gewirkt. Wie dem auch sei, als Ergebnis meines Versuchs bleibt festzuhalten: Rihm mit diesem Werk gelungen, was er womöglich unwillkürlich erstrebt hat: Er ist mit dieser Musik ganz allein.

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    Hmmh, mein Versuch, durch eine bewusst offen gestaltete Werkbeschreibung einen Austausch über das Styx und Lethe zu initiieren, muss nach nunmehr vier Tagen ohne Anwort wohl als gescheitert angesehen werden. Schade, gerade diese Musik für Cello und Orchester trägt sehr viel besprechenswertes in sich, finde ich. Vielleicht habe ich das Werk zu uninteressant beschrieben, hat die Kurzcharakterisierung 18-minütiges Dauergeschrammel mit anschließender Wirrnis und abschließender Melodiesuche abschreckend gewirkt. Wie dem auch sei, als Ergebnis meines Versuchs bleibt festzuhalten: Rihm mit diesem Werk gelungen, was er womöglich unwillkürlich erstrebt hat: Er ist mit dieser Musik ganz allein.


    Ach, Thomas, nicht so schnell resignieren. Ich hab' Deine Besprechung mit allergrößtem Interesse und mit Bewunderung gelesen und werde dazu sicher auch noch was schreiben. Habe aktuell aber nicht die Zeit gefunden, das Stück (das mir, wie ich anderenorts im Forum ja schon schrieb, ungemein gefällt) nochmal zu hören, weil ich gerade so mit Mahler's Dritter beschäftigt bin. Der Rihm kommt aber wieder...


    Viele Grüße,
    Medard

  • Lieber Medard,


    von resignieren kann gar nicht die Rede sein. Ich wollte bloß mittels einiger provokanter Zeilen eine Reaktion hevorrufen. Dank dir, dass du angebissen hast. Befriedigt übe ich mich fortan in Geduld. Denke jetzt aber bitte bloß nicht, du musst jetzt in Kürze was zu Styx und Lethe schreiben. Ist nicht nötig. Alles schön freiwillig. Und lass die Bewunderung doch bitte im Tornister. Wenn wir jetzt noch anfangen, uns gegenseitig Bewunderung zu zollen, kommen wir zu gar nichts mehr.


    Dabei fällt mir ein: Ich bewundere selbstverständlich neben allen anderen auch Blackadder. War er es nicht, der dich regelmäßig zur Vollendung deines Eröffnungsbeitrags gedrängt hat? Wo ist er? Wo äußert er sich? Hach, was bin ich gemein.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Lieber Thomas,


    o.k., ich packe die (allerdings ernst gemeinte) Bewunderung von oben wieder in der Tornister und belasse es beim (ebenfalls ernst gemeinten) Interesse. Mein Kommentar wird kommen (ich bitte dies als Drohung aufzufassen) - ich fühle mich da nicht verpflichtet, sondern hätte ohnehin irgendwann etwas zu »Styx und Lethe« geschrieben. Also: Dich trifft keine Schuld... ;)


    Herzliche Grüße,
    Medard

  • Dieser Tage ist eine neue CD aus der Wolfgang-Rihm-Edition von Hänssler erschienen:



    Die CD bietet in einer bemerkenswerten Zusammenstellung einen Überblick über die Entwicklung des »symphonischen« Schaffens Rihms. Enthalten ist die 1969 entstandene 1. Symphonie op. 3 und die 1975 entstandene 2. Symphonie für großes Orchester, die den etwas befremdlichen Titel »Erster und letzter Satz« trägt. Damit sind also zunächst zwei Beispiele aus Rihms frühen Schaffensperioden enthalten, denen mit Vers une symphonie fleuve III (1992/95) ein Beispiel für Rihms Auseinandersetzung mit der symphonischen Form aus den 1990er Jahren entgegengesetzt ist. Außerdem finden sich auf der CD zwei Vokalwerke: Nachtwach für 8 Soli, gemischten Chor, 4 Posaunen und Woodblock (1987/88 ) und Raumauge für Chor und Schlagzeug (1994).


    Heute möchte ich erstmal die Symphonien 1 und 2 kurz vorstellen. Zu Vers une symphonie fleuve III werde ich dann in den nächsten Tagen etwas folgen lassen (und zu den Chorwerken vielleicht auch).


    Die zweisätzige, mit kaum 10 Minuten sehr knappe 1. Symphonie, gewidmet dem Andenken Karl Amadeus Hartmanns, ist der Reihentechnik der Neuen Wiener Schule verpflichtet, zeigt aber gleichzeitig deutliche Anklänge des expressiven Stils Hartmanns. Der kurze Appassionato-Kopfsatz (3:41) beruht auf einer Zwölftonreihe, die weitgehend streng verarbeitet wird, dabei ist die Musik – typisch Rihmisch – ausdrucksstark und unmittelbar zugänglich. Eine von schroffen Gesten bestimmte zugleich jedoch homogen entwickelte Musik, die die blockartige Konstruktion späterer Kompositionen Rihms nur von ferne erahnen läßt. Der zweite Satz ist ein Adagio (6:35), das durchaus an den Hartmannschen Adagio-Typus denken läßt, in der Faktur allerdings kammermusikalische Transparenz aufweist. Während der erste Satz dynamisch vorwärtsdrängt und mit harten Konturen arbeitet, ist das Adagio verhaltener, zielt aber – da wieder am Hartmannschen Adagio-Typus orientiert – auf eine energiegeladene Klimax hin. Nach einer langen Generalpause folgt eine Rückkehr zum verhaltenen Adagio des Satzbeginns. Es handelt sich um einen konzentrierten, IMO sehr geschlossenen und gelungenen symphonischen Versuch des jungen Rihm.


    Im Booklet (Hans-Peter Jahn) ist zu lesen, daß sowohl die Bezeichnung des Werks als »Symphonie« als auch die Verwendung einer Opuszahl einen ironisch distanzierenden Kommentar zur Gattung »Symphonie« einerseits, eine »bewusste Provokation des Zeitgeistes in seinen Stereotypen Oppositionen gegen die Urformen der Musikgeschichte« formulieren würden. Während ich letzteres sofort anerkennen würde, scheint mir von einem ironischen Kommentar oder einer distanzierenden Auseinandersetzung mit der Gattung Symphonie wenig zu spüren zu sein. Im Gegenteil scheint mir hier eher der Versuch vorzuliegen, an die Hartmannsche Symphonik und damit an die symphonische Tradition dezidiert und (wenn man so will) durchaus affirmativ anzuschließen und diese fortzusetzten.


    Das sieht in der sechs Jahre später entstandenen 2. Symphonie schon ganz anders aus. Hier hat der Titel »Erster und letzter Satz« bereits eine solch ironisch-distanzierende Attitüde: Denn auch diese Symphonie besteht aus zwei Sätzen – eben dem ersten und dem letzten. Der Charakter der Musik ist dann alles andere als »ironisch«: Eine dunkle, gewichtige Musik hat Rihm hier komponiert. In der Struktur wird hier der blockartige Satz, der viele Rihmsche Kompositionen der 1970er Jahre bestimmt, mit den an Hartmann geschulten expressiven Entwicklungen, die die 1. Sinfonie bestimmt hatten kombiniert. Der etwa 10minütige »Erste Satz« hebt an mit einem an der Grenze der Hörbarkeit artikulierten Orgelpunkt der tiefen Streicher, der über ein etwa 1:10 währendes Crescendo ins forte gesteigert wird, um dann plötzlich abzubrechen. Es folgt eine quälend lange Generalpause (geschlagene 35 Sekunden), bevor sich eine expressive Musik, deutlich von den Streichern, Xylophon, Pauken und Schlagzeug beherrschte, getragene Musik mit einer schwermütige Melodie (ja tatsächlich: eine Melodie) entspinnt. Dieser getragene Charakter wird immer wieder von Blech/Schlagzeug Einwürfen aufgebrochen, bleibt jedoch zunächst bestimmend, bevor er durch expressiven Streicherpassagen (hier hatte ich mehrfach Assoziationen an Hartmanns 4.) die von einem percussiv eingesetzten Klavier unterstützt werden, abgelöst wird. Gegen Ende des Satzes gibt es eine gewaltige Schlußsteigerung, die aber keinen Auflösungs- oder gar Apotheosencharakter hat, sondern eher die dunkle Grundstimmung bestätigt.
    Der mit 4:57 nur halb so lange »letzte Satz« schließt attaca an. Überschrieben ist der Satz mit Marcia funebre. Mit wenigen Paukenschlägen wird ein Trauermarsch angekündigt, bevor eine schroffe, gewaltige, deutlich an die Schlußsteigerung des »Ersten Satzes« erinnernde Bläserkaskade einfällt. Hier findet sich ein ganz klarer blockartiger Bau, dessen aus dem Paukenrhythmus und der Bläserkaskade gewonnenes Material immer wieder – getrennt durch Generalpausen – gegeneinander gesetzt, transformiert und gesteigert wird. Gegen Ende des Satzes wird von den, hm, wie soll ich es nennen?, »gerissenen« Streichern der Marschrhythmus übernommen und immer stärker beschleunigt wird, bis der Marsch beinahe voran stürmt, dann plötzlich wieder abbricht und die Bläserkaskade ein letztes Mal einfällt, sich nach einem alleinstehenden Glockenschlag nochmals aufbäumt, um schließlich zu verklingen.


    Eigentlich hat man beim Hören den Eindruck eines einsätzigen Werks. Eine symphonische Entwicklung, wie sie für die 1. Symphonie IMO ganz klar noch zugrunde liegt, wird hier zunehmend in einen blockhaften Satz aufgelöst, die Unterscheidung in einen ersten und einen letzten Satz scheint mir hier tatsächlich eher eine ironisierende Wendung zu sein, in der zwar auf eine Tradition der Mehrsätzigkeit Bezug nimmt, diese aber im Verlauf der Musik, die über die knapp 15 Minuten des Werks zugleich überaus disparat und von scharfkantigen, unaufgelösten Gegensätzen bestimmt, dabei hinsichtlich des Materials aber sehr geschlossen ist, zugleich bestätigt (der »letzte Satz« gibt die Verlaufsform endgültig zugunsten des Blockhaften auf und erhält so eine eigenständige Struktur) und unterminiert, indem Material und Charakter der beiden Sätze eine große Enge zeigen, der »letzte Satz« beinahe wie eine Verdichtung oder Engführung des »ersten« erscheint.


    Beide Symphonien gefallen mir überaus gut – wobei man tatsächlich anmerken muß, daß man insbesondere in der 1. Symphonie den späteren Rihmschen Personalstil nur erahnen kann. Selbst die 2. Symphonie, die ja nach der gewaltigen Morphonie (1972) und auch nach Dis-Kontur (1974) entstanden ist, zeigt eine unmittelbarer faßliche Geschlossenheit und offensichtlichere Homogenität, als es für viele andere Orchesterwerke Rihms aus den 1970ern typisch ist.


    Der Veröffentlichung einer Einspielung der Symphonie Nr. 3 für Soli, Chor und großes Orchester (1977, revidierte Fassung 1996) darf man ganz sicherlich gespannt entgegensehen.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Im Radio überraschten mich die Mehrere kurze Walzer für Klavier 4-händig, gespielt vom Duo Eckerle. Sie erinnern stark an Schubert und sind doch etwas eigenartig dazu (das Spannende ist, daß Rihm hier in den Möglichkeiten am Klavier eingeschränkt wird :P )


    Vielleicht lege ich mir diese CD doch irgendwann einmal zu:



    Kennt sie jemand?


    :hello:


    Ulli

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Hallo,
    heute zwischen 16.05 und 17.00 Uhr ist dieses Werk von Rihm in "BR Klassik" (vormals Bayern4) zu hören mit Andreas Grau und Götz Schumacher.


    Viele Grüße


    Sinfonie


    :hello:

  • Je älter Wolfgang Rihm wird (und so alt ist er ja noch gar nicht), umso hemmungsloser bedient er sich meiner Beobachtung nach aus der Musikgeschichte.


    UND DAS IST GUT SO.


    Warum?


    Nun dadurch wird seine Musik zunehmend zugänglicher und entfernt sich von den abstrakten Klängen der 70er Jahre. Avantgarde-Puristen rümpfen sicher die Nase, ich tue es nicht, im Gegenteil. Das Cellokonzert ist so ein typisches Beispiel dafür. Es gefällt mir auf Anhieb, d.h. schon beim ersten Hören, das kommt nicht so häufig vor bei zeitgenössischer Musik. Es changiert zwischen Anklängen an die Spätromantik und einem Berg'schen Expressionismus und fasziniert über die gesamte Strecke von 27 min. Ich kann keinen kompositorischen "Masterplan" erkennen und vielleicht gibt es auch gar keinen. Vielleicht ist es eine dieser "Stream-of consciousness"-Kompositionen. Egal, wenn so etwas dabei heraus kommt, ist mir das wurscht. Wo nimmt der Mann nur diese Klangphantasie her, die mich bei seinen neueren Stücken immer wieder fasziniert?

    Bei der vorliegenden Aufnahme handelt es sich um die Welturaufführung, also einen live Mitschnitt. Das hört man aber nicht. Tanja Tetzlaff spielt den - nach eigener Aussage und ich glaub ihr - horrend schwierigen Solopart absolut souverän und klangschön und die Kammerphilharmonie Bremen zeigt, dass sie mehr drauf hat als nur exzellenten Beethoven. Altmeister Peter Ruzicka dirigiert.


    Die Cellistin schreibt im Booklet: "Wer wird sich für so ein unbekanntes Repertoire interessieren? Wer hört überhaupt noch klassische Musik und dazu noch solche? Wer hört sie nicht nur nebenbei, beim Abwaschen, Autofahren oder sich unterhaltend, sondern setzt sich wirklich mit einem Glas Wein hin und lauscht, folgt den Intentionen der Komponisten und den Emotionen der Spieler? Wer hört die CD ein zweites oder drittes Mal, um die Stücke besser kennenzulernen, zu verstehen, vielleicht den ersten Eindruck zu korrigieren?"


    Nun das Glas Weine hatte ich dabei (einen Syrah aus Washington State), abgewaschen habe ich auch nicht, und ja, ich werde diese CD sicher noch mehrmals hören und hoffentlich viele weitere Taminos auch. Die anderen Diskutanten dieses threads sind ja wohl leider alle abhanden gekommen. Schade eigentlich.

  • Gestern in der Köln Philharmonie, nach dem Sturm und vor der 5. von Sibelius. Ein Tripelkonzert für Klavier, Cello und Geige mit kleinem Orchester. ich fand es langweilig, vorhersehbar und eigentlich ärgerlich. Mein Gott, wie oft muss man denn noch Hörgewohnheiten durchbrechen. Immer wieder die selben Disharmonien. Ganz bestimmt gab es jede Menge Zitate von wer weiß wem. Dafür fast keine Melodien, keine Bögen. Ewig dieses Geklimpere auf den hohen Tönen des Klaviers. So was hört man immer, wenn es modern wird.
    Das mag schwierig gewesen sein, schön war das nicht.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wolfgang Rihm wurde am 13. März 1952 geborren. Zu diesem Anlass poste ich heute eine CD, die erst am 27. März erscheint. Sie heißt "Et Lux", und es handelt sich wohl um ein Requiem:


    Wolfgang Rihm feiert heute seinen 63. Geburtstag.


    Herzlichen Glückwunsch!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Im Radio überraschten mich die Mehrere kurze Walzer für Klavier 4-händig, gespielt vom Duo Eckerle. Sie erinnern stark an Schubert und sind doch etwas eigenartig dazu (das Spannende ist, daß Rihm hier in den Möglichkeiten am Klavier eingeschränkt wird


    Hallo,
    heute zwischen 16.05 und 17.00 Uhr ist dieses Werk von Rihm in "BR Klassik" (vormals Bayern4) zu hören mit Andreas Grau und Götz Schumacher.
    Viele Grüße
    Sinfonie



    Hallo,
    diese CD habe ich. Für mich erstaunlich, wie nahe Rihm am Walzer ist - an Schubert möchte ich aber bezweifeln, wohl eher an den Walzern von Hindemith, aber auch Brahms.
    Die Aufnahme ist sehr gut, was besonders am Flügel liegt mit seinem warmen, weichen Klang und der präsenten tiefen Lage.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Wer dem ausufernden und recht unübersichtlichen Werkkanon von Wolfgang Rihm etwas näherkommen möchte, hat dazu günstig Gelegenheit, denn der Werbepartner bietet 6 CDs aus der Reihe bei Haenssler für je € 4,99 an. Einige der CDs wurden hier vorgestellt.




  • Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • astewes

    Hat den Titel des Themas von „Formen des Ausdrucks / Ausdruck der Form. Der Komponist Wolfgang Rihm“ zu „Wolfgang Rihm - Formen des Ausdrucks / Ausdruck der Form“ geändert.
  • Jagden und Formen ist ein Orchesterwerk Wolfgang Rihms, das im Konzert ein Erfolg ist. Zwischen 1995 und 2001 arbeitete er an der Partitur.


    2001 gab es die Uraufführung mit dem Ensemble Modern und Dominique My in Basel. Die Deutsche Grammophon nahm die Aufnahme in ihr Programm auf.



    2008 fand es die endgültige Form für eine szenische Aufführung einer Choreographie von Sasha Walz am Schauspiel Frankfurt. Das Ensemble Modern mit George Benjamin hat es in dem erweiterten Zustand aufgenommen.



    Andere Orchester haben sich dem Werk ebenfalls angenommen: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Franck Ollu



    2022 brachte die Universal Edition eine Studienpartitur heraus. 2024 ist sie bereits nicht mehr erhältlich.


    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Das Lesen des Booklets zur 2020-er Einspielung mit George Benjamin ist interessant. Rihm musste etwas zu seiner Komposition Gejagte Formen (mittlerweile Bestandteil von Jagden und Formnen) schreiben und schrieb wie immer seinen sehr eigenen Stil.


  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose