Debussy: Pelleas et Melisande - ein Werk aus der Traumwelt

  • Ich würde es natürlich lieber selbst hören und vor allem sehen, aber leider ist Wien nicht mal eben um die nächste Strassenecke gelegen, lieber Theophilus. ;(
    Deshalb hoffe ich, wie so oft, auf Tamino, um wenigstens imaginär dabeisehin zu können.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ich würde es natürlich lieber selbst hören und vor allem sehen, aber leider ist Wien nicht mal eben um die nächste Strassenecke gelegen, lieber Theophilus. ;(
    Deshalb hoffe ich, wie so oft, auf Tamino, um wenigstens imaginär dabeisehin zu können.


    Es wird aber - wie schon geschrieben - heute im Radio übertragen. Und da Ö1 auch im Internet vertreten ist...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Fairy Queen,


    Wien ist unerreichbar für mich. Da muss die Zeitung helfen:


    In der FAZ von gestern (auch heute noch online) schreibt ein sehr beeindruckter Jan Brachmann unter der Überschrift "Trieb-und-Hieb-Theater":


    "Nathalie Dessay bringt ihr erstes „Rühren Sie mich nicht an“ so hastig und augenrollend, so affektgeladen und sprungbereit hervor, dass schon mit dieser ersten Szene der Wald der Symbole wieder zum Brennholz der Leidenschaften wird. Auch Laurent Naouri, beim Wiener Publikum besonders gefeiert, legt seinen Golaud geradezu veristisch an: Beben, Grollen, Jammern, Hauchen, am Ende gar Brüllen wie der Bajazzo bei Leoncavallo. ....


    Dessay, vom Koloraturfach kommend, erprobt sich hier stimmlich durchaus reizvoll im Lyrischen; sie spielt die Mélisande als Verhängnisfrau, die sich vor ihrem Schwager Pelléas am Brunnen gleich selbst auf den Rücken legt und dem Mann die Weichseite darbietet. Pelléas ist auch ein echter Mann: Anders als vielfach üblich, wird er nicht von einem Tenor, sondern vom Bariton Stéphane Degout gesungen. Und der hat eine fantastische Stimme: rein, fest und streng gebunden im Ton, unglaublich strahlend in der Höhe, in allen Registern wie verchromt, allerdings auch ein wenig gleichförmig in dieser Sicherheit. Es ist nirgends etwas Kindliches im Umgang der beiden; sie tauschen keine unschuldigen Blicke und Zärtlichkeiten aus, sondern gehen recht erwachsen miteinander um."


    Und vom Orchester, schreibt der Autor, gehe eine tiefe, unerlöste Melancholie aus ...

    Beste Grüße!

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Weiss schon jemand etwas von der Aufführung?
    Freue mich über jede Info!


    Liebe Fairy,


    die meisten Rezensionen in der Presse gibt's auch online. Wie üblich von begrenzter Aussagekraft. Leider werden durch die erwünschte "indirekte" Verlinkung die Links zu Bandwürmern:



    "http://www.faz.net/s/Rub4D7EDEFA6BB3438E85981C05ED63D788/Doc~EB60374369193490AB9EDD5BD7AF5B41A~ATpl~Ecommon~Scontent.html"


    "http://www.welt.de/welt_print/article3028146/Vom-Ehering-bleibt-nur-ein-Kreis-im-Wasser.html"


    "http://kurier.at/kultur/286852.php"


    "http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3895&Alias=wzo&cob=391535&currentpage=0"


    "http://diepresse.com/home/kultur/news/443870/index.do?_vl_backlink=/home/kultur/news/index.do"



    Viele Grüße


    Bernd

  • Liebe Fairy Queen :



    alle Rezensionen , die ich kenne ( Wiener Zeitung.at , FAZ , Die Presse, Wien , Welt ) sind überschwneglich in ihren Rezensionen .


    Dies gilt nicht nur für Natalie Dessay , auch für ihren Mann und das gesamt Team .


    Cordialement ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Danke!


    Dank des unglaublichen Tamino-Feen-Express-Hilfsdienstes aus unerwartetsten Quellen( :lips: :angel:) habe ich gerade einen Mini-Ausschnitt gehört, und danach bin ich nun noch mehr überzeugt, dass das musikalsich eine Referenz werden kann.
    Dessays Stimme und Diktion passt so unglaublich gut zu dieser Rolle, wie ich erwartet hatte, de Billy dirigiert das Orchester so französisch wie erhofft und das, was ich von Naouri und Degout(den ich schon serh positiv nicht nur als Winterreisenden live erleben konnte) gehört habe, überzeugt auch.
    Nun bin ich wahnsinnig gespannt auf Live-Berichte geschätzter Taminas!!!!!
    Und was sagt Edwin dazu?
    Er kann sich doch kaum die Premiere entgangen lassen haben?????????


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Danke!


    Dank des unglaublichen Tamino-Feen-Express-Hilfsdienstes aus unerwartetsten Quellen( :lips: :angel:)


    Ist das ein Rätsel? 8)


    Was sagt denn Amfortas08 selbst zur musikalischen Qualität dieses Pelléas? :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Ich habe mir gerade ersten Akt reingezogen... Orchester finde ich gut, allerdings sind mir die Stimmen zu sehr iím Vordergrund, liegt wohl am Tonmeister... (aber viel besser als 08.04.06 unter Rattle in Salzburg, obwohl diese Wiedergabe so übern großen Klee gelobt wurde, die ich aber nicht so fetzig fand)....


    :hello:


  • ?( ?( ?(


    DAS hier ist ein Rätsel- für mich!


    Wer auch immer Amfortas sein mag (Dein Alter Ego????)- jedenfalls habe ich mich riesig gefreut!!!!! :yes:


    F.Q.

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    DAS hier ist ein Rätsel- für mich!


    Wer auch immer Amfortas sein mag (Dein Alter Ego????)- jedenfalls habe ich mich riesig gefreut!!!!! :yes:


    F.Q.


    Nee, Amfortas ist der freundliche Mituser, der direkt über Deinem letzten Beitrag gepostet hat - und ich habe geraten, dass er die "unerwartetste Quelle" gewesen sei, aus der Dein Pelléas-Mitschnitt stammt. Leider offenbar völlig danebengetippt, ich wollte mal wieder oberschlau sein... :rolleyes: :O


    Womit ich aber diesen offtopischen Ausflug, der natürlich gelöscht werden kann, schleunigst beendige.


    :untertauch:



    Viele Grüße


    Bernd



    PS: Die Sache ist geklärt und muss nicht weiterverfolgt werden. ;)

  • Kurzes Zwischenfeedback:
    ich habe mir gestern abend noch den 2. und 3. Akt reingezogen. Mir gefällt dieser Mitschnitt, finde aber dass der Orchesterpart mit Levine ( 05.02.05 NYC) oder mit Haitink (2007, Paris TV-Mitschnittarte) noch etwas deutlicher, filigraner uund intensiver klingt, als am 13.01.09 (es fetzt da einfach eine Spur mehr) ... aber ich möchte diese neue de-Billy-Pelleas auf keinen Fall in meiner Sammlung missen.. bin sehr gespannnt auf den nächsten Akt...
    (ach ja gehört zwar nicht hierher: aber vergesst mir bitte den Palestrina am Montag nicht.. dieses Werk ist mir nämlich genau so teuer wie die Pelleas und wird sogar noch stiefmütterlicher behandelt..)


    :hello:

  • Cara Severina, ich warte sehnsüchtig auf Deinen Bericht!!!!
    Dove sei?????? :hello: :hello: :hello:



    Mir gefällt es ausserordentlich, ich bin aber immer noch nciht ganz durch.
    Naouri ist wirklich über sich selbst rausgewachsen in dieser Rolle.
    Ich hätte ihm das ehrlich gesagt SO GUT nicht zugetraut.
    Natalie Dessay , dabei bleibe ich bisland, ist eine idealbesetzung. Ihr Timbre und ihr Stil sind derartig rollenkonform, dass kleine vokale Schwachpunkte auf einer LIVE-Aufnahme für mich geradezu lächerlch und total negligeable sind.
    Wenn ich mir dann noch ihr schauspiel dazu vorstelle..... :jubel: :jubel: :jubel:


    Liebe Sevi, bitte erhöre mich!!!! Ich will das wenigstens durch Deine Augen sehen können :lips:


    F.Q.

  • Liebe Fairy, Dein Flehen hat mich erweicht, entgegen meiner ursprünglichen Absicht nun doch einen kleinen Bericht einzustellen, womit die feenkönigliche Neugierde hoffentlich gestillt ist! ;) :D
    Falls meine Ergüsse auch in diesem Thread stehen sollen - wovon ich jetzt nicht ausgehe - könnte sich vielleicht ein Mod erbarmen. :lips:
    lg Sevi :hello: :hello:

  • Dové????????
    ich finde den Beitrag nicht, bzw. kann den Thread nciht öffnen! ;( ;( ;(


    Aber mille grazie und mille e un bacio! :lips:
    Es gibt für mich ncihts Wertvolleres als FRAUENherzen erweichen zu können :yes:


    F.Q.


    Bitte erbarme sich ein Moderator. Ich will Severinas Beitrag endlich lesen können.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Bitte erbarme sich ein Moderator. Ich will Severinas Beitrag endlich lesen können.


    Liebe Feenkönigin,


    hier findest Du den Beitrag.


    Liebe Grüße Peter

  • Anlässlich dieser Premiere im Theater an der Wien, die mich persönlich weitaus stärker beeindruckt hat als die Serie unter Abbado in der Wiener Staatsoper (Premiere 1988), habe ich meine Schallplatten bzw. CD-Sammlung durchstöbert.
    Die Einspielung, durch die ich in meiner Jugend dieses Werk zunächst schätzen und schließlich lieben gelernt habe, war die unter Pierre Boulez. Die Einspielung entstand nach einer Aufführungsserie an Covent Garden und beeindruckt mich heute noch durch das Dirigat und zwei Rollengestaltungen: Elisabeth Söderström als Melisande und Donald McIntyre als Golaud.
    Vielleicht erscheint die Melisande dem einen oder anderen etwas distanziert, aber für mich ist es ein klug gestaltetes Rollenportrait und McIntyre ist ein wortdeutlicher, stimmgewaltiger und glaubhafter Golaud. Dass Boulez Debussy dirigieren kann muss nicht erst betont werden - zu dieser Zeit legte er besonders Wert auf klare Strukturen und Durchsichtigkeit des Klangbildes.

    Die Aufnahme unter Karajan, die manchmal in der Kritik nicht so besonders gut beurteilt wurde und wird, überstrahlte bei ihrem Erscheinen 1979 allerdings eine für mich besonders liebenswerte, durch und durch französische Aufnahme: Die Einspielung aus Lyon unter Serge Baudo mit der berührenden Michel Command als Melisande, dem jugendlichen Dormoy als Pelleas und mit dem für mich neben van Dam besten Golaud: Gabriel Bacquier.

    Wer kennt diese Einspielung noch, die zugegeben nicht gerade ein Starensemble vereinigt, aber dafür mit einer rein französische Besetzung einen idiomatischen Debussy realisiert?

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. (Friedrich Nietzsche)

  • Zitat

    Original von Giovanni Bertati
    Die Einspielung, durch die ich in meiner Jugend dieses Werk zunächst schätzen und schließlich lieben gelernt habe, war die unter Pierre Boulez. Die Einspielung entstand nach einer Aufführungsserie an Covent Garden und beeindruckt mich heute noch durch das Dirigat und zwei Rollengestaltungen: Elisabeth Söderström als Melisande und Donald McIntyre als Golaud.
    Vielleicht erscheint die Melisande dem einen oder anderen etwas distanziert, aber für mich ist es ein klug gestaltetes Rollenportrait und McIntyre ist ein wortdeutlicher, stimmgewaltiger und glaubhafter Golaud. Dass Boulez Debussy dirigieren kann muss nicht erst betont werden - zu dieser Zeit legte er besonders Wert auf klare Strukturen und Durchsichtigkeit des Klangbildes.


    Diese Aufnahme gehört zu meinen ganz alten Favoriten, ich habe den Pelléas durch sie kennengelernt (vor über 30 Jahren), sie immer wieder mal vorgenommen, jahrelang keine Alternativen berücksichtigt - mit dem Effekt, daß es mir heute kaum gelingt, diese Oper in einer anderen Interpretation zu akzeptieren (obwohl da inzwischen so viel auf dem Markt ist). Deine Bewunderung teile ich daher gern. Die Baudo-Einspielung (mir unbekannt) wurde im Forum, glaube ich, noch nie erwähnt, reiche Deine Frage also beherzt weiter...

  • Philhellenes ausnehmend schöner Mélisande-Thread geht mir an einer Stelle der Charakterisierung doch zu weit: Pelléas und Mélisande seien nicht in Golauds Sinne schuldig geworden.


    Will sagen: Kein Ehebruch?!


    Als amoralisches bzw. außermoralisches Wesen ist Mélisande in der beschriebenen Weise einer männlichen Projektionsfläche eine ferne Verwandte der Lulu. Über die würde man aber niemals einen Unschulds-Thread starten.


    Die Lulu ist sozusagen die perfekte Pendant-Oper zum Pelléas. Hier unverbindliche Märchenzeit, dort exaktes Großstadtmilieu; hier familiäre Unschärferelationen (Witwer, Halbbrüder etc.; Mélisandes Herkunft liegt ganz im Dunkeln); dort sozial genaue Verortung mit Doppelbelichtungen (Dr. Schön und Alwa als Liebhaber Lulus; entsprechend die Rolle Schigolchs). Auch Lulus Biographie verliert sich zuletzt im Vaguen des Skandals. - Der Eifersuchts-Plot, der in der Lulu groteske Züge annimmt, verbindet doch Golaud mit Dr. Schön in mehr als stimmlicher Hinsicht.


    Ich will den Vergleich nicht überstrapazieren. Bei Wedekind zumindest (ob bei Berg, ist die Frage) steht das Thema des Sexuellen im Vordergrund; das Drama steht aufs Kriegsfuß mit der damaligen Zensur und trieft förmlich vor Anzüglichkeiten.


    Debussy/Maeterlinck siedeln ihr Drama auf den ersten Blick in einer nebulösen, unkörperlichen Sphäre an. "Ne me touchez-pas!" lauten Mélisandes erste, zickige Worte; und man kann sich gut vorstellen, daß die Ehe für Golaud nicht sehr erfreulich wird.


    Die (das männliche Begehren anstachelnde) sexuelle Verweigerung der Frau weitet sich in der "Frau ohne Schatten" (Färberin) zur Apotheose der Ehekrise (dem korrespondiert übrigens die kinderlose, also letztlich unerfüllte Sexualität des Kaiserpaars, die entsprechend kurzfristig in der Eifersucht, gefühlsmäßig in der Versteinerung mündet).


    Wenn man auf Genreeinordnung ("unschuldige" Märchen) verzichtet und für das Thema der Sexualität im späten 19. Jh. im Allgemeinen und in Debussys Oper im Besonderen den Terminus "Verdrängung" akzeptiert, dann bietet der Pelléas einige der anstößigtsen Opernszenen überhaupt (z.B. die Voyeurszene Golaud/Yniold).


    Daß Yniold, als Kind, Sexualität nicht kennt und daher auch nicht sehen kann, macht ihn zum perfekten Instrument für einen Eifersüchtigen, der die Ungewißheit den Tatsachen vorzieht. (Ich vereinfache hier: Die Szene auf einer Schwelle spielt auch mit dem Schwellenalter Yniolds, dessen "j´ai terriblement peur!" genau auf die Urszenenangst hindeutet).


    Der häufig von Golaud verwendete Ausdruck der Kindereien ("vous êtes des enfants"; "ce sont là jeux d´enfants" etc.) erhalten daher einen gewissen Beiklang (so pflegte man z.B. das pubertäre Erwachen der Sexualität, nicht selten im gleichgeschlechtlichen Kontext, herunterzuspielen - Kehrreim: Das wächst sich aus).


    Man könnte es auch so sehen: Golaud "benutzt" das Vertrauen zu Pelléas, um Mélisandes Sinnlichkeit zu wecken (dies nicht als platte Psychologisierung, sondern als Nuance).


    Anders als im Tristan (oder bei Strauss im Rosenkavalier) zielt Debussys Musik nicht auf eine naturalistische Schilderung des sexuellen Aspekts der Liebe.


    Aber wenn man für die zentrale Szene III,1 das zweite Stück aus den "Chansons de Bilitis" hinzuzieht, "La chevelure", wird der durch und durch sexualisierte Kontext der Opernszene deutlich:


    "Il fait trop chaud dans la tour."


    "Mélisande, penche-toi un peu, que je voie tes cheveux dénoués."


    "Je vois une rose dans les ténèbres."


    "Tes cheveux (...) je les tiens dans la bouche"


    "ils m´inondent encore jusqu´au coeur"


    "ils m´aiment plus que toi."

    "j´embrasse tes cheveux. Je ne souffre plus au milieu de tes cheveux."



    *


    In "la chevelure" heißt es dem enstsprechend:


    "Je les caressais, et c´étaient les miens"; und dann:


    "Et peu à peu, il m´a semblé, tant nos membres étaient confondus, que je devenais toi-même ou que tu entrais en moi comme un songe."


    (Und mehr und mehr schien es mir, daß sich unsere Glieder miteinander verschmölzen, daß ich zu dir selbst würde, oder daß Du in mich eindrängest wie ein Traum). :angel:


    Die sublime, gleichwohl sexuelle Verschmelzungsphantasie wird von Bilitis bloß wiedergegeben, dabei aber als Traum ihrem Geliebten ("Il m´a dit: >Cette nuit j´ai rêvé.<") in den Mund gelegt.


    Die Szene endet: "Quand il eut achevé ..."; was heißt: Als er fertig war, und damit ist keineswegs das Erzählen des Traums gemeint. :pfeif:



    Von da aus gesehen, ist der "Symbolismus" der Turmszene recht durchsichtig; und wenn man so will, wird Mélisande hier zum ersten Mal vergewaltigt. (Daß ihre Haare Pelléas mehr lieben als Mélisande selbst, ist ein Topos der Vergewaltigung: "Komm, Baby, Du willst es doch!") Pelléas´ Äußerung, er leide nicht mehr inmitten von Mélisandes Haar, deutet auf die Utopie des Dramas (Erlösung weniger im Sinne Sentas). Das empfangene Glück ist sehr einseitig:


    "Tu es ma prisonnière cette nuit."


    "Tu ne t´en iras plus."


    (Das paßt zu Golauds Bruder). Mélisandes:


    "Tu m´as fait mal!" geht beinahe unter in dieser Leidenschaft; und die Geschichte mit ihren Täubchen gehört eher ins Poesiealbum.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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  • Hallo Farinelli,


    hallo westdeutsche Forumsmitglieder, hier kommt ein Programmhinweis:
    zur Zeit läuft Pelleas und Melisande am kleinen Theater in Aachen. Die Inszenierung ist modern, aber nicht unappetitlich. Ich fand sie handwerklich sehr gut gemacht. die Sänger sind gut, ohne Ausfall, und können alle gut französisch. Sensationell spielt das Orchester unter GMD Markus Bosch. Wie das blüht und rauscht und verstört und sich unter die Haut schleicht! dafür lohnt sich der Weg.


    Viel Spaß

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

  • Eine der subtilsten Opern überhaupt. Die hier wiedergegebenen Kritiken zeigen auch, dass fast jede Aufnahme ihren Reiz hat. Darüber möchte ich hier jetzt nicht sprechen, sondern über ein einmaliges Erlebnis berichten. Vor langen Jahren wurde im Schlosstheater Moers (eine sehr kleine, aber gute Bühne, die es immer noch gibt) "Pelleas" in der Original - Sprechfassung von Maurice Maeterlinck gegeben. Eine gute Inszenierung - aber ich bin tausend Tode gestorben, weil mir die Musik so fehlte und ich sie im Kopf mitsingen musste (jedenfalls an die Sachen, an die ich mich erinnerte). Am nächsten Abend gab es Düsseldorf "Pelleas" von Debussy, und um 23.00 war meine Welt wieder in Ordnung. Da dachte ich: was sind wir Opernfreaks für Glückspilze gegenüber den Menschen, die "nur" ins Sprechtheater gehen, welche reichere Welt steht uns zu Gebot!

    Warum sind Obamas Memoiren so dick (700 S.). Damit Trump sie nicht liest.

  • Das erste Mal in Berührung kam ich mit dieser Geschichte durch Maeterlincks Stück, danach wollte ich unbedingt diese dazugehörige Oper hören und wurde nicht enttäuscht, da sie die besondere Atmosphäre und den Symbolismus des Stücks ganz ausgezeichnet wiedergibt. Die Musik wird zum Miträger des Geheimnisses, das nie ganz gelöst wird.
    Bisher besaß ich die frühe Boulez-Aufnahme dieser Oper auf CD.

    Habe in viele andere Aufnahmen reingehört und mich nie entschließen können, mir eine zweite zuzulegen.
    Nach einiger Zeit wollte ich aber auch einmal eine Auffürhung sehen, um in Erfahrung zu bringen, wie das alles im Zusammenhang mit Bildern wirkt. Deswegen habe ich mir vor Kurzem folgende DVD gekauft und heute morgen angesehen :

    Pierre Boulez, Orchestra and Chorus of Welsh National Opera
    Alison Hagley, Neill Archer, Donald Maxwell etc.


    Hier im Thread kommt diese Inszenierung ja nicht so gut weg, zu kitschig und überladen heißt es da einige Male. Sicher, sie ist eher naturalistisch gehalten, die Angaben im Libretto, was die Orte angeht, sind ziemlich genau umgesetzt. Da es in dieser Oper allerlei Szenenwechsel und damit reichlich verschiedene Handlungsorte gibt, ist das auch immer ein technisch-logistisches Problem, aber mit einem Einheitsbühnenbild wäre es bei dieser Oper definitiv auch nicht getan, das ja selbst die Orte in diesem Werk Symbole für das Innenleben der Figuren bieten. Der Regisseur Peter Stein und Set Designer Karl-Ernst Herrmann haben die Bühnenbilder man könnte sagen scherenschnitt-artig aufgebaut, meist dunkler Hintergrund mit wenigen Details auf der Bühne, die in bestimmten Licht angestrahlt werden, was sehr wirkungsvoll ist, besonders zB in der Grottenszene oder der Schafszene mit Yniold. Was daran überladen sein soll, kann ich nicht richtig verstehen, es wirkt doch eher sehr schlicht (auf eine gute Art und Weise), in den Farben dezent und nicht mit vielen Kleinigkeiten überhäuft, sondern auf das Wesentliche beschränkt und unaufdringlich. Die Kostüme von Moidele Bickel sind im Stil des Mittelalter-Bildes der Präraffaelisten gestaltet, die zu Debussys Zeit wirkten und ich könnte mir gut vorstellen, das Maeterlinck und auch Debussy sowas im Sinn hatten. Eine Verschränkung von hochromantischen Rittervorstellungen und Gründerzeitschick, welche allerdings nicht immer eins zu eins übertragen wurde, sondern eine abstrahierte Mischung bilden. Die Personenführung ist dagegen manches Mal vielleicht wirklich etwas übertrieben, wobei es nicht immer auszumachen ist, ob das nur an den Regieanweisungen oder auch an den Sängern selbst liegt.
    Diese Sänger finde ich durch die Bank sehr gut, besonders Kenneth Cox als Arkel und Penelope Walker als Geneviève seien hier ausdrücklich erwähnt, die in ihren Nebenrollen wirklich glänzen. Mit Neill Archers Pelleas bin ich auch recht zufrieden, obwohl mir gerade in der großen Liebesszene noch ein wenig Enthusiasmus fehlt, aber seine Leistung in der Turmszene mit Melisandes Haar finde ich ausgezeichnet. Die Melisande von Alison Hagley wirkt am Anfang auf mich ein wenig zu dramatisch-forsch dafür wie ich diese Figur sehe, gerade in der Eingangszene ;oder auch in der ersten Brunnenszene mit Pelleas, wo sie mir ein paar zu offensichtlich laszive Bewegung macht (so sehe ich die Melisande nicht), jedoch gesanglich gibt es nichts an ihr auzusetzen. Mag sich seltsam anhören, aber für mich ist die Golaud-Figur immer sehr wichtig und der Knackpunkt. Für mich ist vor allem wichtig, dass Golaud nicht zu alt wirken darf. Natürlich wird immer wieder erwähnt er ergraue bereits, aber das ist für mich kein Anhaltspunkt ihn zu einer Art Frühgreis zu machen; was ich hier gut gelöst finde, denn Donald Maxwell scheint genau in dem Alter zu liegen, das mir vorschwebt (und man hat ihn auch nicht älter kostümiert), vor allem aber hört er sich auch so an. Ein allzu tiefer, dunkler Bariton ist meiner Meinung nach nichts für diese Figur (das Maxwell deswegen einige kleine Problemchen in der Tiefe hat, kann ich da noch verschmerzen). Wenn es lyrische Tenöre gibt, warum nicht auch lyrische Baritone? Er muss das Edle und Stattliche, das Golaud ja durchaus eigen ist, in der Stimme haben. Gerade dadurch wirken seine Ausbrüche ja auch viel heftiger, hier darf er sich mal richtig auslassen (wie in der Szene in der er Melisande an den Haaren schleift, in dieser Inszenierung gut dargestellt). Maxwell übertreibt vielleicht manchmal etwas mit seinern Gesten, dafür hat er aber auch sehr bewegende Momente zB in der besagten Schleif-Szene, die Szene mit Yniold und vor (er will "die Wahrheit" aus Melisande herausbringen) nach Melisandes Tod (sein leises Aufwimmern hat mich wirklich bewegt). Ich fände es falsch, ihn als eine Art "Bösewicht" dieser Oper darzustellen.
    Boulez (ich habe ja den Direktvergleich mit der frühen CD-Version) lässt hier dramatischer spielen, der Orchsterklang wirkt "dicker", treibender, nicht so sezilliert und analytisch (im positiven Sinn) wie in der frühen Aufnahme. Ich finde beides hat seinen Reiz und würde da keine vorziehen. Das Orchester der Waliser Nationaloper kann vielleicht nicht ganz mit dem des Covent Garden mithalten, aber enttäuscht definitv nicht.
    Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit dieser DVD.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)