Was mich an Anton Bruckner fasziniert

  • Wie soll man da Aufnahmen vergleichen, wenn es so viele Fassungen gibt. Ich besitze die 3,4,7 und 9. mit Inbal (Teldec) mit dem Hinweis, dass es sich hier um die Originalfassung handelt. Da Bruckner die Überarbeitungen selbst vorgenommen hat, sind da nicht alle Fasungen die Originalfassung?


    Lieber Bernward,


    auf meinen Aufnahmen mit Inbal steht überall "Erstfassung" und das ist exakt der Unterschied zur "Originalfassung".


    Alles das, was Bruckner selbst komponiert bzw. später bearbeitet hat, ist natürlich, anders als die Bearbeitungen, durch Schalk, Löwe, Weingartner etc., "original Bruckner".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Sorry Norbert, es muss richtig "Erstfassung" heißen.


    Darf ich bei dieser Gelegenheit anfragen, ob Du die Neunte von Dvorak mit Böhm und die WPO kennst. Danke.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Du darfst ;) .


    Ich weiß, welche Aufnahme Du meinst, aber ich kenne sie leider nicht. Sie würde mich sehr interessieren, aber jenseits der 30 € möchte ich für eine CD nicht ausgeben.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Eine wichtige Frage ist auch, welche Fassung der jeweiligen Symphonie als die "gelungenste" erachtet werden soll. Während die meisten Komponisten, die ihre Werke überarbeiteten, mit der Erstfassung offensichtlich nicht restlos glücklich waren und sie deshalb einer Revision unterzogen, liegt der Fall bei Bruckner ganz anders. Wie die Sache bei seiner Nullten bzw. Doppelnullten lag, weshalb er sie nicht in seinen Kanon aufnahm - ich weiß es nicht, wahrscheinlich sah er in ihnen die ersten Schritte zur Erreichung einer symphonischen Faktur, ähnlich wie auch Schubert einen ebenso steinigen Weg beschreiten mußte.


    Was aber die verschiedenen Fassungen betrifft, so wissen wir, dass diese als Einflussnahme von aussen erfolgten, wobei Bruckner diese Einwände fast kritiklos übernahm.


    Das ist meines Wissens so nicht richtig. Zwar gab Kritik (wohlgemerkt von Freunden und Bewunderern) den Anstoß, aber Bruckner hat die Stücke natürlich selbst umgearbeitet. Es ist keineswegs so, dass man einfach sagen könnte, die Erstfassungen seien authentischer.
    Davon muss man natürlich weiterhin die stark gekürzten Fassungen unterscheiden, die Schalk u.a. nach Bruckners Tod erstellten und aufführten.


    Zitat


    Deshalb würde mich besonders interessieren, wie Bruckner-Kenner und -Liebhaber diese Situation bewerten - dafür wäre ich sehr dankbar.


    Ich fürchte, dazu muss man sich durch die entsprechenden threads wühlen, in denen das teilweise schon diskutiert wird. Viele der Unterschiede zwischen den üblichen und oft eingespielten Fassungen sind auch eher marginal.
    Ich bin hier alles andere als ein Experte, aber die stärksten Differenzen bestehen wohl bei der 3., 4. und 8. Bei der 8. ist die Coda des Kopfsatzes dazugekommen (verlöschend, statt triumphal). Bei der 4. ist das Scherzo ein völlig neukomponierter Satz und auch das Finale weist deutliche Unterschiede auf. Bei der 3. (wo ich die Erstfassung nicht kenne)
    Meines Wissens wurden diese stark unterschiedlichen Fassungen erstmals in den 1980ern von Inbal eingespielt(?) Alle berühmten Bruckner-Dirigenten haben sich an Spätfassungen (wobei es hier wie gesagt immer noch kleinere Unterschiede gibt) gehalten.


    (Sehe gerade, dass das alles doch schon gesagt wurde... selber schuld, wenn man nebenher arbeiten muss...)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was mich an Bruckner nicht fasziniert - Die vielen Fassungen -


    Das sehe ich ähnlich. Ich habe hier weder einen Überblick noch Lust, mir einen zu verschaffen. Nur die Urfassung der 4. habe ich mal bewusst gekauft und die gefällt mir überhaupt nicht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wie soll man da Aufnahmen vergleichen, wenn es so viele Fassungen gibt?


    Indem man vielleicht in diesem Fall das Vergleichen hintan stellt und einfach jede Aufnahme für sich selbst beurteilt. Man muss nicht immer Listen führen...


    Irgendwann stellen sich ganz automatisch Präferenzen für einzelne Fassungen ein.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ja Theo,


    aber es geht nicht nur um das Vergleichen schlechthin, sondern welches ist die von BRUCKNER AUTORISIERTE FASSUNG?
    Nowak mit Erstfassung zu vergleichen wäre ja nur sinnvoll, um für sich zu entscheiden, welche einem besser gefällt. Aber um festzustellen, welches Orchester mit welchem Dirigenten einem am besten gefällt, wäre es aber sehr hilfreich, sich die gleichen Fassungen anzuhören.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)



  • Das mit dem Reagieren auf allzu affirmatives Auftreten ist vielleicht auch ein Generationenthema. Ich kann zu Amfortas' Alter nichts sagen, aber ich vermute stark, dass er nach 1945 geboren wurde.


    Wir "spät Geborenen" wurden sensibilisert gegen allzu affirmatives Auftreten. Wurden feinfühlig gemacht, wenn große Massen euphorisiert "Jaaa!" rufen. Wurden dazu abgerichtet, hinzuhören, wenn jemand mit besonders viel äußerem Prunk und Pomp auftritt und versucht, mit einfachen, aber großen emotionalen Wirkungen zu arbeiten, die letztlich auf Überwältigung, auf das absolute "Ja" abzielen.


    Es ist klar, aus welchen historisch-politischen Gründen die Nachkriegsgeneration so erzogen wurde.


    Auf die Musik Bruckners treffen nun viele der Aspekte zu, die ich oben nannte. Bruckner gehörte zu denen, die 1000 Jahre lang instrumentalisiert wurden, wie auch Wagner. Ich kann die Reserviertheit von Amfortas verstehen! Wir wissen, welche Generation sich vom äußeren Schein, vom Prunk, von den Massen, von den einfachen emotionalen Botschaften hat verführen lassen. Das wurde uns immer wieder gesagt.


    Das soll kein Vorwurf gegen die früher Geborenen sein. Es ist nur ein Versuch, zu erklären, wo denn die Ursachen dafür liegen könnten, dass wir später Geborenen nicht mehr bereit sind, uns vom Grandiosen unkritisch überwältigen zu lassen.

  • Ich kann die Reserviertheit .... verstehen! Wir wissen, welche Generation sich vom äußeren Schein, vom Prunk, von den Massen, von den einfachen emotionalen Botschaften hat verführen lassen. Das wurde uns immer wieder gesagt.


    Das soll kein Vorwurf gegen die früher Geborenen sein. Es ist nur ein Versuch, zu erklären, wo denn die Ursachen dafür liegen könnten, dass wir später Geborenen nicht mehr bereit sind, uns vom Grandiosen unkritisch überwältigen zu lassen.

    Hallo Wolfram,


    ja schon, aber wenn man doch (zum Glück) antirassistisch und demokratisch erzogen und aufgewachsen ist und von sich selbst genau weiss, dass man aufgrund dessen bis in die letzte Zelle seines Seins für die dumpf überhebliche Menschenverachtung der Nazis niemals empfänglich sein wird, dann kann man sich doch die legitime Frage stellen, warum ich mir von diesen Braunen, von denen Deutschland bereits vor jetzt 66 Jahren befreit wurde, die herrliche Musik Bruckners, die ja weit vor deren Zeit entstand, durch reflexhafte Gewissensreaktionen beeinträchtigen lassen soll.
    Die schlimmen, nie wieder gut zu machenden Verbrechen sind ja nicht ein Ausfluss brucknerscher Noten. Allerdings wurde Bruckner von den Nazis -wie andere Komponisten und Musiker auch- für ihre Zwecke missbraucht, wofür weder er, noch seine Musik etwas kann.
    Diesem Affirmativen kann ich mich also, im Alter von Mitte 40, hingeben und ausliefern, wenn es denn wirklich gute Musik ist.
    Soeben habe ich eine heute eingetroffene CD gehört, auf der die Wagnersche Meistersingerouvertüre enthalten ist (Emi, Karajan).
    Ich kann diese - wie ich finde- wahnsinnig gute und berauschende Musik nicht hören, ohne gleich in Takt 1 mich ihren Aussagen vollkommend bejahend hinzugeben. Oder, um Wolframs Worte zu gebrauchen: ich habe mich vom Grandiosen unkritisch überwältigen lassen.


    Warum gerade auch dieses Werk bei irgendwelchen Nazi-Veranstaltungen gespielt werden sollte, ist mir schon sehr klar.
    Aber ich sehe es nicht ein, dass ich mir von der Erinnerung an diese Sch....kerle die Freude an dieser Musik beeinträchtigen lassen soll, genauso wie ich es auch für notwendig halte, zwischen der Person Wagner und seinem Genius, der uns in seinen Werken zurecht überwältigen kann, zu unterscheiden.
    So sehen und halten es ja auch bekannte Musiker jüdischer Abstammung, allen voran der vielseitige Barenboim.


    Leider kann ich meine Gefühle und Gedanken zu Bruckner noch nicht derart sortieren, dass ich nachvollziehbar formulieren könnte, was mich an seiner Musik so fasziniert. Ich kann nur sagen: Sie beginnt mich nicht nur zu interessieren, sondern auch enorm zu faszinieren, und das mit zunehmender Heftigkeit. Es hat auf jeden Fall etwas mit dem Klang und der genial modulierenden Harmonik zu tun. Momentan bin ich aber in einer Phase des schwelgenden Eintauchens in diese Welten, so dass ich vorerst dabei bleibe, diese Werke "nur" musikalisch denkend und fühlend zu erfahren, sie also auf dieser Ebene erst einmal zu lernen.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Du sprichst mir - obwohl Baujahr 1940 (!) - aus der Seele, lieber Glockenton!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)


  • "Das monumentalste Finale der Weltgeschichte." (Wilhelm Furtwängler über den 4. Satz von Bruckners 5. Symphonie)


    Recht hat er.


    Was soll an dem wunderbaren Choral bitte unangenehm ideologisch sein? Jetzt fehlt bloß noch der Hinweis auf das Reichs-Bruckner-Orchester.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also,
    das finde ich schon beinahe lustig!
    Bruckner, den Erzkatholen, für ne Blubo Ideologie zu vereinahmen, hat schon 1933 - 1945 nicht richtig geklappt.
    War wohl ein Versuch der Österreicher im Fahrwasser von Wagner auch mal nen Punkt zu kriegen, brachte aber nix!

    Das besonders Affirmative geht wohl mehr auf Kirchenmusik zurück.
    Deswegen u. a. schätze ich Bruckner. Er macht dieses ganzes Kontrapunktgedribbel genießbar. (Und wegen der Adagios der 8. und 6.)
    Vor allem, wenn es schlank, streng und schnell dargeboten wird. So wie bei Andreae oder Wand.


    Das unterscheidet ihn wohltuend von Wagner, dessen Musik ich mit dem Zitat "Weihrauch und Sperma" einmal für mich bestens beschrieben fand.


    Allerdings, da gebe ich Amfortas recht, hat Brahms in den letzten 20 Jahren für mich immer mehr gewonnen.


    Doch Werke, wie die 8. oder 7. und 6. erst dann die 5. von Bruckner sind Feste für das Ohr, die lange vorbereitet werden müssen.
    Dafür brauche ich Interpretationen, die nüchtern, eher norddeutsch sind. Neuerdings schätze ich die Aufnahmen von Haitink sehr (die nach 1995).
    Jochum, Furtwängler und Co sind da nicht geeignet. Furtwängler wird unfreiwillig komisch mit seinem Stop and Go Gehetze, Jochum ist mir dann doch zu sakral, besonders sein Spätwerk ab Dresden. Das verstehe ich dann nicht mehr.
    Sehr wohl aber mag ich Böhm, dessen 8. aus Köln ich sehr schätze. Und Hvk und Giulini, wenn wir schon mal bei den Alten sind.


    Gruß S.

  • Hallo Wolfram,


    ja schon, aber wenn man doch (zum Glück) antirassistisch und demokratisch erzogen und aufgewachsen ist und von sich selbst genau weiss, dass man aufgrund dessen bis in die letzte Zelle seines Seins für die dumpf überhebliche Menschenverachtung der Nazis niemals empfänglich sein wird, dann kann man sich doch die legitime Frage stellen, warum ich mir von diesen Braunen, von denen Deutschland bereits vor jetzt 66 Jahren befreit wurde, die herrliche Musik Bruckners, die ja weit vor deren Zeit entstand, durch reflexhafte Gewissensreaktionen beeinträchtigen lassen soll.


    Lieber Glockenton,


    ich finde alles richtig, was Du da sagst. Doch ich meine, wenn ein Mensch sagt, dass er seine Post-1945-Prägung nicht einfach ablegen kann und daher ungebrochen positiv gezeichneten Weltbildern kritisch gegenüber steht, dann kann ich das nachvollziehen. - Ich sage das nicht von mir, aber ich könnte es bei einem anderen nachvollziehen.


    Die schlimmen, nie wieder gut zu machenden Verbrechen sind ja nicht ein Ausfluss brucknerscher Noten. Allerdings wurde Bruckner von den Nazis -wie andere Komponisten und Musiker auch- für ihre Zwecke missbraucht, wofür weder er, noch seine Musik etwas kann.


    Wieder stimme ich dir völlig zu. Hitler mochte ja auch Schäferhunde, doch das kann für uns kein Grund sein, Schäferhunden kritisch gegenüber zu stehen.


    Diesem Affirmativen kann ich mich also, im Alter von Mitte 40, hingeben und ausliefern, wenn es denn wirklich gute Musik ist.


    Na, da sind wir ja in derselben Alterklasse ... :hello:


    ... ich kann das auch: mich dieser Musik ausliefern (meistens überlege ich aber: Wie hat der das gemacht, was ist die Architektur, wie kriegt man das kompositorisch hin?). Ich wollte ja nur aufzeigen, warum es Menschen geben könnte, denen das qua Prägung eventuell nicht so leicht gelingt. Anlass war Hammels Bemerkung dazu, die mir ein wenig gegen den Strich ging.


    Im Übrigen meine ich, dass es viel mehr Gründe gibt, einem ungebrochen positiv gezeichneten Weltbild kritisch gegenüber zu stehen als die Zeit von 1933 bis 1945. Das man eine Vision davon haben kann, dass es ein "heiles" Ganzes gibt, dass diese Welt mit ihren Widersprüchen und Unvollkommenheiten nicht das Letzte ist, was wir erwarten dürfen - klar.


    Bruckner versucht aber, diese Vision sozusagen irdisch greifbar werden zu lassen. Ich finde zumindest diskutierbar, ob das klappen muss. Dass es für viele Menschen klappt - selig seien sie - würde ich nie bestreiten und gönne dies ihnen.


    Nebenbei: Durch seinen Versuch, den Himmel auf Erden herbeizuzaubern, macht er diese Vision übrigens klein. Denn was uns erwartet, ist größer als das, was wir uns vorstellen können. Insbesondere ist es größer als das, was durch Menschen komponierbar ist.


    Das gilt auch für

    Zitat von Joseph II.

    "Das monumentalste Finale der Weltgeschichte." (Wilhelm Furtwängler über den 4. Satz von Bruckners 5. Symphonie)


    Mag sein - aber eben das monumentalste Finale der Geschichte dieser Welt.


    Ich halte die Finali von Mahlers 6. und 9. Sinfonie oder den Schlussgesang der Götterdämmerung mit ihrer Kombination von Leitmotiven auch für geeignete Kandidaten um diesen (fragwürdigen) Titel, aber ich bin ja auch nicht Furtwängler ... :hello:


    Das Finale von Mahlers 9. kommt mir allerdings mit seinem eben gerade nicht affirmativen Gestus viel berührender vor als das von Bruckners 5.


  • Bruckner versucht aber, diese Vision sozusagen irdisch greifbar werden zu lassen. Ich finde zumindest diskutierbar, ob das klappen muss. Dass es für viele Menschen klappt - selig seien sie - würde ich nie bestreiten und gönne dies ihnen.


    Nebenbei: Durch seinen Versuch, den Himmel auf Erden herbeizuzaubern, macht er diese Vision übrigens klein. Denn was uns erwartet, ist größer als das, was wir uns vorstellen können. Insbesondere ist es größer als das, was durch Menschen komponierbar ist.


    Lieber Wolfram,
    gerade Bruckner in seiner tiefen Frömmigkeit war doch sehr jenseitsgewandt, so dass ich glaube, er komponierte jede Note - wahrscheinlich den 2. Satz seiner E-Dur ausgenommen, da er hier Wagners Ableben in erschütternder Weise gedachte, aber vielleicht ist sogar hier ein Erlösungsgedanke im christlichen Sinne enthalten - in seiner jenseitsgewandten Gläubigkeit, wobei er dem mühseligen Erdenleben die Verheißung einer ewigen Glückseligkeit im Jenseits gegenüberstellte. Er hatte sicherlich nicht die Absicht, "den Himmel auf Erden herbeizuzaubern", sondern die freudvolle Verheißung in einer anderen Welt als Lohn für das jammervolle Erdenleben anzustreben.


    "Denn was uns erwartet, ist größer als das, was wir uns vorstellen können. Insbesondere ist es größer als das, was durch Menschen komponierbar ist." Diese Behauptung ist wie so oft bei dir in apodiktischer Form ausgesprochen, die ein Nichtgläubiger wie ich nicht akzeptieren kann - auch wenn er sich irren sollte.


    NB: Das Sterbehaus Bruckners im Wiener Schloß Belvedere ist nur einige hundert Meter von meinem Wohnhaus entfernt. Dass er seine letzte Ruhestätte auf eigenem Wunsch unter der herrlichen Orgel von Sankt Florian fand, bestätigt um so eindrücklicher, dass Bruckner das dornige Erdenleben nur als Vorstufe für die eigentliche Bestimmung - das erlösende Himmelreich - sah.


    Dazu passt auch der Hinweis, dass in meiner an das Belvedere angrenzenden Gasse schräg gegenüber eine prachtvolle Villa steht, die die holländische Botschaft beherbergt. Erbaut wurde sie, weil die Staatsoper mit allen Mitteln Richard Strauss als Direktor haben wollte, was erst gelang, als man ihm ebendiese Villa erbauen ließ - mit einem Privatzugang in den Botanischen Garten des Schlosses Belvedere ...

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • - wahrscheinlich den 2. Satz seiner E-Dur ausgenommen, da er hier Wagners Ableben in erschütternder Weise gedachte,


    Lieber Milletre,


    danke für Deine Worte!


    Der zweite Satz der siebten Sinfonie war - wenn ich mich richtig erinnere - bereits weitgehend komponiert, als Bruckner die Botschaft von Wagners Tod erhielt.


    Bruckner fügte nach Erhalt dieser Nachricht lediglich in die Coda diejenige Stelle ein, in der die vier Wagner-Tuben alleine spielen (nach dem Höhepunkt mit dem Beckenschlag, wenn die Streicher aufhören, die Tuben spielen das "Ne confundar"-Motiv aus Bruckners "Te Deum", das bereits die zweite Phrase des ersten Themas dieses Satzes bildet, alleine über einem lamentoartig absteigenden Bass).


    Diese Stelle ist die Wagner zugedachte Musik, der Rest war wohl schon vorher da. - Wann er die sonstigen Wagner-Anspielungen in diesem Satz einfügte, weiß ich allerdings nicht.

  • Lieber Wolfram,
    ich danke dir für die präzisierende Aufklärung - das habe ich nicht gewußt.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich bin nicht "Mitte 40" sondern Jahrgang 1940.


    Wagners Antisemitismus ist bekannt, wie der von Vielen vor ihm und nach ihm - nach wie vor anhaltend!


    Und wie steht's mit der "Wehrmachtserfolgsmeldungsmusik" von Liszt?


    Bruckner (er war von Wagners Harmonik fasziniert) in diesem Zusammenhang in einem Atem mit ihm zu nennen - scheint mir verfehlt.


    Auch das von "sbummer" genannte Zitat , dass Wagners Musik mit "Weihrauch und Sperma" gut beschrieben sei - scheint mir verfehlt.


    Aber dass man sich nun in Berlin mit Pfitzners Musik "unkritisch" befasst (er hatte noch, nach meiner Kenntnis, an die/den - ich weiß nicht genau an wen - Kriegsverbecher im "Nürnberger Tribunal" Ergebenheitsadressen geschrieben) - das erscheint mir nun tatsächlich als verfehlt!


    zweiterbass


    Nachsatz: Damit ist/soll kein politischer Disput angestoßen/sein.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Aber dass man sich nun in Berlin mit Pfitzners Musik "unkritisch" befasst (er hatte noch, nach meiner Kenntnis, an die/den - ich weiß nicht genau an wen - Kriegsverbecher im "Nürnberger Tribunal" Ergebenheitsadressen geschrieben) - das erscheint mir nun tatsächlich als verfehlt!


    Daß man sich aus diesem Grund mit Pfitzners Person kritisch befasst liegt nahe. In Bezug auf seine Musik erschließt sich mir das nicht. Auch finde ich, daß Pfitzner lange genug Komponist non grata war, und daß seine regelrechte Verbannung aus dem Musikleben der letzten Jahrzehnte in keinem Verhältnis zu seiner politischen Rolle im dritten Reich steht, wenn man das z.B. mal mit der völlig ungebrochenen Rezeption des Direktors der Reichsmusikkammer Richard Strauss vergleicht.


    Aber zurück zum Thema:


    Als ich in der Pubertät begann Klassik zu hören, lernte ich nach wenigen Anläufen (vier Jahreszeiten, Dvorak 9., kleine Nachtmusik) Bruckners 9. kennen und empfand es als Offenbarung. Von da an war ich Bruckner-Fan und hörte mich nachts per Kopfhörer durch seine Sinfonien (die ich nach und nach - immer wenn ich Geld hatte - erst als bespielte MCs, später als LPs beim damaligen Ur-Saturn in Köln kaufte). Mittlerweile höre ich nur noch phasenweise Bruckner, aber meine Beziehung zu seiner Musik ist immer eine besondere geblieben (auf gewisse Weise hat mich Bruckner auch aus einer ziemlich kaputten Kindheit "gerettet").


    Mich fasziniert seine merkwürdige Sonderstellung in der Musikgeschichte, keine Musik empfinde ich so wie Bruckners einfach dastehend wie ein Naturereignis. Insofern kommt mir auch der Einwand, seine Finale seien zu affirmativ und seine Monumentalität erinnere an eine falsche Ideologie so vor, als wolle man den Alpen vorwerfen, ihr Anblick sei zu monumental und affirmativ.


    Gruß Byron

    non confundar in aeternum

  • Hallo Byron,


    warum weicht Dein Beitrag hier im Forum erheblich von dem ab, was ich als übliche E-Mail-Nachricht über die Tamino-Funktion erhalten habe?


    Das ist kein irgendwie gearteter Vorwurf an Dich, ich bitte nur um Klärung (von der Forenleitung?).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Lieber Zweiterbass,


    ich bin nich Byron, erlaube mir aber eine Antwort, da mich sein Beitrag insofern sehr berührt hat, weil er genau das widerspiegelt, was mir die Musik Bruckners bedeutet.


    Es liegt in der Natuir der Sache, dass Diskussionen gerne den Pfad ihrer Fragestellung verlassen, um dann, wie hier bei Tamino oft, im außermusikalischen zu mäandern. Byron ist auf die Eingangsfrage zurückgekommen, was ihm denn Bruckners Musik bedeute. Und da habe ich nichts hinzuzufügen. Mein Erweckungserlebnis war übrigens die 6. Brucknersinfonie unter Otto Klemperer. Für mich als gottgläubigen Menschen ist es zuweilen so, dass ich das Gefühl habe, dass Gott über die Musik Bruckners zu den Menschen spricht. Das ist nun sehr persönlich und nicht übertragbar, indes mein Faszinosum an der Musik Anton Bruckners. Besser Worte fallen mir zu ihm nicht ein.


    Liebe Grüße vom Thomas

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Thomas: Für mich als gottgläubigen Menschen ist es zuweilen so, dass ich das Gefühl habe, dass Gott durch die Musik Bruckners zu den Menschen spricht.

    Lieber Thomas, ich war in der Vergangenheit bei Gott nicht mit allem einverstanden, was du hier im Forum gesagt hast, aber das hätte ich auch nicht besser ausdrücken können. Ich empfinde genau so.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Byron,


    warum weicht Dein Beitrag hier im Forum erheblich von dem ab, was ich als übliche E-Mail-Nachricht über die Tamino-Funktion erhalten habe?


    Lieber Zweiterbass,
    mea culpa, ich habe meinen Beitrag bearbeitet, weil ich sowieso fand, daß ich da zuviel OT gepostet hatte und dann hatte ich mich etwas vergallopiert und nehme den Abschnitt komplett zurück - sorry!


    Gruß Byron

    non confundar in aeternum

  • Für mich als gottgläubigen Menschen ist es zuweilen so, dass ich das Gefühl habe, dass Gott über die Musik Bruckners zu den Menschen spricht.


    Wir hatten über Affirmatives bei Bruckner gesprochen. Anstelle einer persönlichen Entgegnung folgende Stelle, 1. Kön 19, 11-13:


    11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. 13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle. Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia?


    Darum finde ich Sätze wie das Finale von Mahlers 9. Sinfonie näher an dem, was Thomas und andere meinen, als alle bombastischen Stellen des ganzen Bruckner zusammen.

  • Darum finde ich Sätze wie das Finale von Mahlers 9. Sinfonie näher an dem, was Thomas und andere meinen, als alle bombastischen Stellen des ganzen Bruckner zusammen.


    Hallo Wolfram,
    das bleibt Dir unbenommen und ist für mich gut nachvollziehbar, rufen doch die Mahlersätze wie der 4. der 9., der 4. der 10. oder Das Lied von der Erde (auch hier besonders der letzte Satz) in uns das Gefühl hervor, an letzte Dinge zu rühren. Sie tun dies in wunderbarer Weise aber anders als bei Bruckner.


    Für mich als gottgläubigen Menschen ist es zuweilen so, dass ich das Gefühl habe, dass Gott über die Musik Bruckners zu den Menschen spricht.

    "Was mich an Anton Bruckner fasziniert" ist eine persönliche Empfindung über die sich schwer streiten läßt und die nicht alle Menschen teilen müssen. Was Thomas Pape beschreibt, scheinen aber immer wieder Hörer unabhängig voneinander ganz ähnlich zu erleben. Als ich mit ca. 15 Jahren Bruckners 9. kennenlernte, hatte ich von zu Hause aus keinerlei Bezug zu irgendeinem religiösen Glauben. Auch von Bruckners Religiösität hatte ich keine Ahnung und hörte die Neunte eigentlich sehr unvoreingenommen, weil völlig unvorbereitet. Trotzdem habe auch ich die Musik so empfunden, als zeige sich mir Gott. In meiner eher schwierigen Lebenssituation damals, hat mir die Musik Hoffnung vermittelt, indem sie mir etwas gezeigt hat, das anders ist als die Welt um mich herum. Und das ist vielleicht das Beste, was Musik erreichen kann.


    Gruß Byron

    non confundar in aeternum

  • "Gott sei Dank", dass Jeder von uns ein einzigartiges Individuum ist mit auch wieder unverwechselbaren Lebenserfahrungen


    und deswegen ein und dasselbe Musikstück völlig unterschiedliche Empfindungen in Jedem von uns wach rufen können.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • JA ICH KENNE SIE!!!! :P
    Das Locus iste und das Ave Maria sind für mich die großartigsten Motetten, die Bruckner je geschrieben hat (Obwohl es noch andere fantastische Motetten von ihm gibt, da wären beispielsweise das "Tota pulchra es, Maria" oder das "Os justi"...)
    In einer großartigen Einspielung vom Monteverdi-Choir unter Gardiner werden diese Werke wohl zum Himmel auf Erden :angel:


    Die Windhaager Messe habe ich erst zweimal gehört: einmal in einer recht passablen Aufführung bei uns im Ort (wo zwar nicht so auf die Werktreue geschaut wurde, aber immerhin), und einer Einspielung, die ich einmal hatte, aber schlechterdings der Gemeindebibliothek gespendet habe, weil diese Einspielung sowasvonmies war (quasi als kleines, warmherzig gemeintes Geschenk :D )


    Würde aber gerne die Windhaager Messe einmal in einer guten Einspielung hören (bzw. kaufen), wenn du Tipps hast... :S
    Denn die Messe fand ich grundsätzlich sehr gelungen, auch wenn die Interpretationen zu wünschen übrig ließen...


    Grüße :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Ich habe im Chor alle fünf Graduale von Bruckner mitgesungen - das Beste? das Schönste?


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

    Einmal editiert, zuletzt von zweiterbass ()

  • Ich habe im Chor alle fünf Graduale von Bruckner mitgesungen - das Beste? das Schönste?


    zweiterbass

    Das Ave Maria und das Locus iste - zumindest für mich.
    Wobei für mich alle geistlichen Werke von Bruckner eine besondere Anziehung haben.
    Ich mag ziemlich das gesamte Werk von Bruckner - klar die Sinfonien (auch 0., 00. finde ich eher interessant als umwerfend), das geistliche Werk von den Motteten, Graduale hin zu den Messen, Requiem, Te Deum, das Streichquintett, oder aber auch das Klavierwerk, mit dem ich mich in letzter Zeit sehr beschäftige.


    Für Bruckner gilt Ähnliches wie für Bach, den Bernstein einmal wie folgt kommentierte:


    "Für Bach war alles in der Musik Religion, sie zu schreiben war ein Glaubensbekenntnis, sie zu spielen ein Gottesdienst. Jede Note war nur an Gott gerichtet. Das trifft auf alle Teile seines Werkes zu, wie weltlich auch immer ihr Verwendungszweck gewesen war."


    Bruckner nimmt bei mir eine zentrale bedeutende Rolle ein. Er ist einer der ganz großen Komponisten, egal mit welchem Komponisten (aus jeder Epoche) ich ihn vergleiche, Bruckner kommt immer gut weg ;)
    Es gibt nur wenige, die ich aufgrund ihres umfangreicheren Werkverzeichnisses ein wenig höher einstufe.
    Glaubt mir, es sind wirklich sehr wenige... ^^


    Grüße :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Hallo,


    meine lieblings sinfonien sind die 4. und die 7. - die 4. war meine allererste cd die ich in singapur gekauft hatte ( 1988 ) - diese aufnahme von solti ist mir immernoch eine der liebsten. jetzt habe ich gerade die Celibidache Edition bestellt - sie enthält die sinfonien 3-9 mit den münchnern - da ich langsame tempi bevorzuge ist die vorfreude groß. vorbestellbar bei unseren partnern zum identischen preis von 28,99 - da musste ich zuschlagen.


    gruss


    kalli


    p.s. bin ich der einzige der bruckner mag und zu wagner einfach keinen richtigen zugang findet ?

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