Hallo zusammen,
für Opernszenen, in denen die Staatsmacht sich selbst feiert und sich zugleich feiern lässt, ist meiner subjektiven Meinung nach Giuseppe Verdi der größte aller Komponisten. Allein schon das, was er in Don Carlo auffährt, würde für diese Beurteilung voll und ganz ausreichen: mal ganz abgesehen vom Tableau der Autodafé-Szene gibt es auch noch die Szene im Kloster von San Yuste zwischen Posa und dem Infanten, in die der Auftritt des Herrscherpaars hereinplatzt –und was für ein Auftritt! – der echte Philipp II wird nicht spektakulärer erschienen sein. Der musikalische und szenische Aufwand ist enorm, und er ist auch für uns noch überaus mitreißend.
Nun ist es aber so, dass derartige Szenen bei Verdi auch fast immer einen kritischen Beigeschmack haben. Der Maestro wusste zwar, dass die Staatsmacht sich feiern lässt und dass ihr bei Machtdemonstrationen keine musikalische und erst recht keine finanzielle Investition zu hoch ist, aber immer ist dem Nonkonformisten Verdi klar, und das ist auch hörbar, dass mit dem Aufwand etwas „Unechtes“ verbunden ist, etwas, was Menschen, auch Königen, eigentlich nicht zusteht.
Und Verdi hat eine Menge solcher Momente komponiert, von seinen frühesten Opern an, sei es die Eingangsszene aus Alzira oder , ebenfalls als Eingangsszene, das Triumphgelage des Attila, bis hin zur Senatsszene des Simon Boccanegra, der Siegesfeier in Aida und der Empfangsszene des Ludovico im Otello.
Vergleicht man mit Philipps Auftritt zum Beispiel den des Wotan im zweiten Aufzug der Walküre, dann wird man zugeben müssen, dass Wagner es, all dem ihm oft unterstellten Bombast zum Trotz, deutlich bescheidener angehen lässt. Beethoven dagegen lässt es sowohl bei Pizarros wie dann später auch bei des Ministers Auftritt mächtig krachen – da hat Verdi schon ziemlich gut hingeschaut.
Wem fallen weitere „Repräsentationsszenen der Macht“ ein? – und wie kann man deren Funktion im Drama einordnen? – kann man sie vielleicht klassifizieren? Und gibt es am Ende gar Hörempfehlungen? – und wie man diese auch noch therapeutisch einsetzen kann?
Ein Beispiel: wenn ich mich wieder mal an einer Verdi’schen Prunkszene sattgehört habe und das Fernsehen einschalte, dort beim Zappen auf einem Nachrichtenkanal lande, auf dem ein Politiker sich und seine Partei feiert für all die Wohltaten, die er mir durch seine selbstlose Tätigkeit hat zukommen lassen, dann muss ich mich einfach abreagieren, und dann landet der Auftritt der griechischen Könige – „Vioci les rois de la Gréce!“ - aus La belle Hélène im CD-Player, eine der wahrhaft königlichsten Veralberungen aller Machtauftritte, die jemals geschrieben wurden. Was Offenbach dabei aus seinem kleinen Orchester holt ist umwerfend und zeugt von höchster Instrumentierungskunst, und er kennt seine Pappenheimer Verdi und Berlioz. Und wenn dann in der darauf folgenden Rätselszene die verstimmten Kindertröten dazukommen (in der Minkowski-Aufnahme einfach hinreißend), dann geht es mir wieder besser.
Gruß
Pylades