Du glaubst gar nicht, lieber Rheingold, wie sehr ich mich über Deine Worte hier freue. Und Du wirst auch sofort verstehen, warum das so ist, wenn ich Dir den Grund nenne: Ich glaubte, dass Du mir meine mehrfach hier geäußerten kritischen Urteile über den Liedkomponisten Loewe – im Unterschied zum Balladenkomponisten – verübelt hast und verärgert über mich bist.
Nun hatte ich ja mein Urteil auf die Besprechung mehrerer Lieder gestützt, indem ich sie genauer unter die Lupe nahm. Aber das ist so eine Sache, - mit dieser Lupe. Man analysiert und analysiert und reflektiert, und argumentiert in dem ruhigen Gefühl, sich auf Sachargumente stützen zu können. Dabei sind diese „Sachargumente“ nur vordergründig solche, es steckt nämlich noch jede Menge subjektive Emotionalität in ihnen.
Was will ich sagen? Zwar bin ich nach wie vor der Meinung, dass Loewe im Kern seines musikalischen Und kompositorischen Wesens ein Epiker und Dramatiker, kein Lyriker ist. Und Du selbst hast mir darin ja zugestimmt wenn Di sagst: „Loewe brauchte bei seinen Kompositionen den dramatischen erzählerischen Impuls, der in Balladen steckt.“
Genauso ist es!
ABER: Worin ich unrecht tat, das ist mir längst klar, und es ist mir noch klarer geworden, seitdem ich mich zur Erholung von meinem täglichen Studium des Liedschaffens der „Neuen Wiener Schule“ in diese CD-Edition „Complete Edition“ des Loeweschen Lied- und Balladenwerks hinein höre.
Ich entdecke dabei jede Menge Schätze und bin manchmal ganz entzückt darüber. Wie zum Beispiel gestern gerade über dieses Lied.
Traumlicht
(Friedrich Rückert)
Ein Licht im Traum
Hat mich besucht,
Es nahte kaum,
da nahm’s die Flucht.
Der Blick ist tief
Hier eingesenkt,
Den, als ich schlief,
Du mir geschenkt.
Hell dämmert mild
Am Tage wach,
O Nachtgebild,
Dein Glanz mir nach.
Komm oft, o Stern,
In meiner Ruh’!
Dir schließ ich gern
Die Augen zu.
Natürlich kann Loewe auch Lieder komponieren. Und das Bestechende daran ist, dass es bei ihm wirklich „Lieder“ im ursprünglichen, vom Ur-Typus des Volksliedes hergeleiteten Sinn des Wortes sind. Das heißt: Sie sind auf einer auf Kantabilität angelegten und entsprechend phrasierten Melodik aufgebaut, wie man wunderschön bei diesem Lied vernehmen kann. Und der zugeordnete Klaviersatz ist zwar in seiner Struktur im Grunde einfach, aber er leuchtet de Aussage der melodischen Linie mit seinen klanglichen Figuren und seiner Harmonik auf oft fast schon betörende Weise aus: Hier zum Beispiel mittels Rückungen von akkordischer Moll-Harmonik, die sich dann in Dur-Harmonik auflöst, - ganz dem zentralen lyrischen Bild vom „Traumlicht“ gemäß.
Worin ich unrecht tat, das ist, dass ich über die sachlichen Feststellungen zu Liedkompositionen Loewes hinausging und mich zu Werturteilen verstieg. Das war eine Dummheit. Und überdies habe ich dabei auch noch in völlig unzulässiger Weise verallgemeinert. Wie mir jetzt mehr und mehr bewusst wird.