ZitatOriginal von Arietis
Eigentlich schade, dass die meisten Komponisten durch Wagners Opium so berauscht wurden, dass es keine innovative Weiterführung der Linie Brahms gab.
Das ist allerdings zu bezweifeln. Die übliche Lehre (also nicht Baumgartnerscher Revisionismus) ist, daß Brahms' thematische Arbeit & "entwickelnde Variation" für Zemlinsky, Schönberg usw. ebenso wichtig waren wie Wagners harmonische Entgrenzung. Auch der junge Strauss komponierte a la Brahms. Andererseits ist natürlich klar und völlig richtig, daß sich um 1890 junge Komponisten, möglichst schnell von einem eher konservativen Zeitgenossen emanzipieren. (ziemlich parallel das Verhältnis zu Bach, der alten Perücke, in der Mitte des 18. Jhds.) Wenn man dann etwas weiter schaut, und sich die ersten nach-expressionistischen neoklassizistischen Strömungen anschaut, so könnte man den roten Igel beinahe "Ick bün all do" ausrufen lassen: Man nehme z.B. Brahms B-Dur-Quartett.
Es ist andererseits ebenso richtig, daß der französisch-russische Strom, der gegen Schönberg &c der andere wichtige Quell der Moderne war, Brahms vielleicht noch distanzierter gegenübersteht als Wagner. Es hat aber auch nie jemand behauptet, daß das anders gewesen sei.
Und schließlich ist, wie gesagt, das überzogene "Fortschrittskriterium", zumal wenn es auf isolierte Atome wie bestimmte Akkorde reduziert wird, nicht sehr tauglich. Wie oben gesagt, man könnte ebenso fragen, wie ein Komponist beurteilt würde, wenn er der letzte der Geschichte gewesen sei. Das wäre ebenso einseitig, aber vielleicht in mancher Hinsicht auch erhellend.
JR