Die wichtigsten Komponisten des 19. Jahrhunderts

  • Zitat

    Original von Arietis


    Eigentlich schade, dass die meisten Komponisten durch Wagners Opium so berauscht wurden, dass es keine innovative Weiterführung der Linie Brahms gab.


    Das ist allerdings zu bezweifeln. Die übliche Lehre (also nicht Baumgartnerscher Revisionismus) ist, daß Brahms' thematische Arbeit & "entwickelnde Variation" für Zemlinsky, Schönberg usw. ebenso wichtig waren wie Wagners harmonische Entgrenzung. Auch der junge Strauss komponierte a la Brahms. Andererseits ist natürlich klar und völlig richtig, daß sich um 1890 junge Komponisten, möglichst schnell von einem eher konservativen Zeitgenossen emanzipieren. (ziemlich parallel das Verhältnis zu Bach, der alten Perücke, in der Mitte des 18. Jhds.) Wenn man dann etwas weiter schaut, und sich die ersten nach-expressionistischen neoklassizistischen Strömungen anschaut, so könnte man den roten Igel beinahe "Ick bün all do" ausrufen lassen: Man nehme z.B. Brahms B-Dur-Quartett.


    Es ist andererseits ebenso richtig, daß der französisch-russische Strom, der gegen Schönberg &c der andere wichtige Quell der Moderne war, Brahms vielleicht noch distanzierter gegenübersteht als Wagner. Es hat aber auch nie jemand behauptet, daß das anders gewesen sei.


    Und schließlich ist, wie gesagt, das überzogene "Fortschrittskriterium", zumal wenn es auf isolierte Atome wie bestimmte Akkorde reduziert wird, nicht sehr tauglich. Wie oben gesagt, man könnte ebenso fragen, wie ein Komponist beurteilt würde, wenn er der letzte der Geschichte gewesen sei. Das wäre ebenso einseitig, aber vielleicht in mancher Hinsicht auch erhellend.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes,

    Zitat

    Die übliche Lehre (also nicht Baumgartnerscher Revisionismus) ist, daß Brahms' thematische Arbeit & "entwickelnde Variation" für Zemlinsky, Schönberg usw. ebenso wichtig waren wie Wagners harmonische Entgrenzung. Auch der junge Strauss komponierte a la Brahms.


    Mit der Zeit wird es langweilig, wenn ich mich immer wiederholen muß. Aber sei's drum. Die Auswirkungen von Brahms auf Schönberg, Zemlinsky und Co. bestehen nur, weil Brahms ein zeitlich näherer Komponist war (damals galt das Neue als interessanter als das Alte!); was Schönberg und Co. bei Brahms fanden, hätten sie ebenso, und in konsequenterer Form, bei Beethoven und Schumann finden können. Sie beziehen sich nämlich nicht auf die Harmonik von Brahms, sondern auf seine Motivverwandlungen - und die sind nun wirklich bei Beethoven und Schumann vorhanden, und zwar nicht in nuce, sondern in voller Ausprägung.
    Harmonisch begründet Schönberg (bitte seine Harmonielehre lesen!) seine Dissonanzentheorie auf Bach, nicht auf Brahms.


    ***


    Dein wackerer Kampf gegen den von Aristide Hignard (Schüler von Halévy, komponierte u.a. Opern nach Libretti von Jules Verne) in Komposition unterwiesenen Amateurkomponisten aus Frankreich in allen Ehren - aber er haut nicht hin. Chabrier, dessen "Gwendoline" seine uninteressanteste, weil wagnerischste Oper ist, ist harmonisch wesentlich weiter als Brahms - aber nicht nur das: Während Brahms in trüber Romantiksuppe fischt, erfreut Chabrier seine Zuhörer mit entschlacktem Klassizismus, schlägt in den Liedern schon auch einmal den Tonfall eines Chansons an und wirft die romantische Ästhetik über Bord. Was ihn zur bedeutenden Gestalt einer Gegenbewegung zu Wagner macht und die gesamte französische Musik inspiriert.
    Wenn man natürlich französische Musik als solche für der deutschen von vorneherein unterlegen betrachtet, mag man die letzten Endes zurück zur unüberwindlichen Mauer von "Tristan"-Chromatik und wagnerscher Satztechnik führende, aber in Brahms entspringende Sackgasse Regers für eine Entwicklung halten.
    Jetzt krame ich nur noch in meinem Gedächtnis nach den bedeutenden Reger-Nachfolgern. Und mir fällt keiner ein...
    Wahrscheinlich Alzheimer...
    :hello:


    P.S.: Nach Medards Eintragung unten entschärft - obwohl ich nach wie vor glaube, daß hinter vielen oben artikulierten Meinungen die Überzeugung steckt, daß die deutsche Musik mit ihrer kontrapunktischen Disziplin und der Suche nach "Ewigkeitswerten" der französischen von vorneherein überlegen ist. Ich halte das jedoch für einen Trugschluß, denn man braucht nur die Parameter zu ändern, um zur genau gegenteiligen Auffassung zu gelangen.

    ...

  • Ich bin zwar kein Moderator, aber könntet ihr vielleicht diese wirklich abwegigen und völlig unangemessenen Kurzschlüsse zwischen formulierten Positionen und ihrer Rückführung auf irgendwelche angeblichen Ressentiments unterlassen. Wer solche - völlig an den Haaren herbeigezogenen - Argumentationsverstärker braucht, scheint wenig Vertrauen in Evidenz und Überzeugungskraft seiner Ausführungen zu haben.


    Habt's ihr das wirklich nötig?


    Viele Grüße
    Medard

  • Ich wundere mich etwas, dass Ihr die Begrifflichkeit "wichtig" in Bezug auf Komponisten einfach so hinnehmt und munter drauflosdiskutiert, sonst geht es bei solchen Threads doch häufig mehr um Definitionen als um die Ausgangsfrage... ;)
    Mir will das Wort "wichtig" in diesem Kontext jedenfalls nicht so recht in den Kopf, und Ihr versteht ja anscheinend auch alle etwas anderes darunter. Also: Wann ist ein Komponist eigentlich "wichtig"? Wenn seine Musik "wichtig" ist? Wann und wofür ist das der Fall? Und ist "wichtig" gleich "bedeutend", oder gibt es Unterschiede?



    Gruß,
    Spradow.

  • Lieber Spradow,


    liegt vielleicht daran, daß es eigtl. sonnenklar ist. Für die von Edwin vorgeschlagene Extremposition gilt in etwa: Entferne ein, zwei tragende Säulen eines Gebäudes und es wird kritisch. Entferne noch mehr, und das Haus stürzt ein. Wichtig genug?? ;)


    In Bezug auf Brahms gesprochen: dieser ist euer vielleicht edelstes und wertvollstes Gemälde in diesem Haus. Entferne es, und Du bist des Lebens nicht mehr glücklich. Aber Du hast noch ein Dach übern Kopp. Ist doch was.
    Womit nciht gesagt ist, daß die tragenden Säulen minder ästhetisch als Dein schönes Gemälde sind.


    :hello:
    Wulf


    P.S. habe vielleicht etwas über die Stränge geschlagen - es ging mir nur darum, aufzuzeigen, daß man tradierte Positionen durchaus kritisch und distanziert beobachten kann und man einer für manche extremen Perspektive durchaus mal folgen kann, ohne daß gleich Anarchie zu befürchten ist und jeder halbwegs musikalisch gebildete Mensch zu den Fahnen greift, auf denen "Nieder mit Brahms, es lebe Tschaikowskij" zu lesen ist. Und die darwinistische Perspektive einzunehmen, halte ich durchaus für gerechtfertigt - hätte nichts dagegen sagen wollen, wären Dvorak und Sibelius außen vor geblieben. Man muss seine Parameter ja nicht ändern, aber vielleicht auch akzeptieren können, daß bei einem Paradigmenwechsel sich durchaus andere Bilder ergeben.
    Insgesamt - das wurde bereits angesprochen - artet das Gnaze vermutlich wieder in einer Kleingeisterdiskussion aus.... :rolleyes:

  • Hallo Wulf,


    Diese "rekursive" Definition hat ein Problem in der Bewertung der obersten Ebene, wie Johannes schon geschrieben hat: Im Prinzip setzt sie ja die Bewertung der Nachfolger bzw. Beeinflussten eines Komponisten voraus, um ihn zu bewerten. Wenn man das Spielchen konsequent bis zur obersten Ebene fortsetzt, steht man vor der Frage, wie man die Wichtigkeit definiert, wenn ein Komponist keine Nachfolger hat. Null?


    Ich habe oben mal halb scherzhaft Johann Strauß (Vater) eingeworfen, von mir aus nimm den Sohn. Da hängt mit Sicherheit ein ganzer Baum von Walzer- und Operettenkomponisten dran. Warum sind diese beiden trotzdem nicht wichtig genug für die Liste? Dafür müssten zusätzliche Kriterien her; der "Musikdarwinismus" kann also nicht das alleinige Kriterium sein, oder die Liste ist im Sinne des "Musikdarwinismus" nicht stimmig.



    Gruß,
    Spradow.

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Mit der Zeit wird es langweilig, wenn ich mich immer wiederholen muß. Aber sei's drum. Die Auswirkungen von Brahms auf Schönberg, Zemlinsky und Co. bestehen nur, weil Brahms ein zeitlich näherer Komponist war (damals galt das Neue als interessanter als das Alte!); was Schönberg und Co. bei Brahms fanden, hätten sie ebenso, und in konsequenterer Form, bei Beethoven und Schumann finden können.


    Das stimmt so denke ich nicht, Schönberg bezieht sich auf die entwickelnde Variation, die Verknüpfung von Abschnitten (s. Brahms 4. Sinfonie Schlusssatz (und dann mit Weberns Passacaglia vergleichen!), Dinge, die man so ganz und gar nicht bei Beethoven und Schumann findet. Bei Beethoven hat man meistens eine Themenexposition, die zwei kontrastrierende Blöcke gegenübersetz. Bei Brahms 4. Sinfonie ist der 1. Satz quasi eine Durchführung der ersten 8 Takte.
    Außerdem ist der Gestus der Brahms'schen Musik ein völlig anderer als der poetisch freien Schumanns. Man höre sich nur die Schönberg'schen Quartette an (besonders das 4.) - das ist teilweise fast wie "Brahms auf atonal".
    Auf Strauss hatte Brahms auch einen großen Einfluss, wie Johannes schon erwähnt hat. Auch in den späteren Werken schimmert der Brahms durch, v. a. die Methode der Entwicklung aus kleinsten Keimzellen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat


    Gerne, wenn es denn stimmte. Tut's aber nicht. Bruckner -> (Rott) -> Mahler...


    :hello:


    Jetzt musst du mich aber aufklären, ich sehe zwischen Bruckner und Mahler außer der überdimensionalen Längen wenig Gemeinsamkeiten, weit weniger als zwischen Brahms und Schönberg.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Wulf,

    Zitat

    In Bezug auf Brahms gesprochen: dieser ist euer vielleicht edelstes und wertvollstes Gemälde in diesem Haus. Entferne es, und Du bist des Lebens nicht mehr glücklich. Aber Du hast noch ein Dach übern Kopp. Ist doch was. Womit nciht gesagt ist, daß die tragenden Säulen minder ästhetisch als Dein schönes Gemälde sind.


    Jetzt fühl ich mich fast in der Position des Moses, oh Du mein Aron... :D


    :hello:

    ...

  • Hallo Rappy,
    Bruckner bricht das dualistische Symphonie-Schema auf und entwickelt den Gedanken der (metaphysisch) "sprechenden" Symphonie durch Inkludieren von Klangzeichen. Diese Samenkörner treiben dann bei Mahler die kräftigsten Blüten.
    Monothematik gibt es u.a. bei Liszt - das Argument, er habe die Monothematik ja nur in Symphonischen Dichtungen angewendet, zählt insoferne nicht, als Schönbergs Anwendung ebenfalls in einer Symphonischen Dichtung stattfand. Insoferne ist die "Nacht" ästhetischer Liszt mit Schumann'scher Satztechnik.
    :hello:

    ...

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Wulf,


    Jetzt fühl ich mich fast in der Position des Moses, oh Du mein Aron... :D


    :hello:


    Lieber Edwin,


    hoppla, habe ich das "überspitzt formuliert" bzw. das "vereinfachend gesprochen" vergessen?? :pfeif::angel:


    :hello:
    Wulf

  • Hallo,


    der Streit bzgl. "Brahms-Anhängern" und "Neudeutscher Schule" ist über 100 Jahre alt und längst entschieden.


    Das Fortschrittskriterium, d. h. der Zwang zum ewig Neuem oder Erstmaligem bestimmter Avantgarde-Bewegungen führt doch genau genommen lediglich zu der Verengung des Blicks.


    Nach über 100 Jahren, einen bereits damals überflüssigen Kampf noch einmal aufzuwärmen, ist keine Avantgarde sondern Denkkonservatismus.


    Bis dann.

  • Zitat

    Zitate Keith
    Das Fortschrittskriterium, d. h. der Zwang zum ewig Neuen oder Erstmaligen bestimmter Avantgarde-Bewegungen führt doch genau genommen lediglich zu der Verengung des Blicks.


    Nein, es führt, wie jede Regel, zur Erweiterung des eigenen Gesichtsfeldes. Das nennt man auch Positionsbestimmung. In der Kunst ist der hemmungslose Pluralismus die unsinnigste Haltung überhaupt.


    Zitat

    Nach über 100 Jahren einen bereits damals überflüssigen Kampf noch einmal aufzuwärmen ist keine Avantgarde sondern Denkkonservatismus.


    Konservativ ist nicht der Konflikt zwischen konservativ und fortschrittlich, sondern die Behauptung, daß dieser Konflikt konservativ sei.


    :hello:

    ...

  • Hallo,


    Zitat:
    "Nein, es führt, wie jede Regel, zur Erweiterung des eigenen Gesichtsfeldes. Das nennt man auch Positionsbestimmung. In der Kunst ist der hemmungslose Pluralismus die unsinnigste Haltung überhaupt." (Edwin)


    "Blick"----"Gesichtsfeldes"'???


    "Positionsbestimmung"???


    "hemmungslose Pluralismus"???


    Bis dann.

  • und hier nun meine liste:


    1770 – 1827 Ludwig van Beethoven
    1786 - 1826 Carl-Maria von Weber
    1791 - 1864 Giacomo Meyerbeer
    1792 – 1868 Gioacchino Rossini
    1797 – 1828 Franz Schubert
    1803 – 1869 Hector Berlioz
    1809 – 1847 Felix Mendelssohn-Bartholdy
    1810 – 1849 Frédéric Chopin
    1810 – 1856 Robert Schumann
    1811 – 1886 Franz Liszt
    1813 – 1883 Richard Wagner
    1813 – 1901 Giuseppe Verdi
    1822 - 1890 Cesar Franck
    1824 – 1896 Anton Bruckner
    1833 - 1897 Johannes Brahms
    1839 – 1881 Modest Mussorgski
    1840 - 1893 Pjotr Tschaikowski
    1844 - 1908 Nikolai Rimski-Korsakow
    1860 - 1911 Gustav Mahler
    1860 - 1903 Hugo Wolf

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo klingsor!


    Das ist ja fast meine Liste vom Beginn ...
    :]
    Interessant finde ich die Suche nach dem "wichtigsten Franzosen" zwischen Berlioz und Debussy. Früher hätte ich auch Franck genommen, bis mir das eine zu deutsche Sicht auf die französische Musikkultur zu sein schien. Am besten gefällt uns dann der, der am nächsten dem überragenden Meister der Deutschen in der Generation nach Wagner (Brahms natürlich) zu sein scheint.


    Wir bringen für die Qualitäten der Eleganz und der Finesse der Harmonik zu wenig Gespür zusammen, um zu verstehen, warum Fauré so toll sein soll. Da Fauré also (im Gegensatz zu Franck oder Chabrier) zu den Meistern gehört, die mir zu hoch sind, setze ich ihn auf die Liste.
    :D


    Bei Chabrier hingegen sehe ich Mängel in der Instrumentation. Gwendoline scheint ja nicht die Ursache seines möglichen Ruhms zu sein, eher die kürzeren Stücke, die ich zwar liebe, aber leider nur in der etwas beliebig und auf kurzfristigen Effekt kalkulierten Instrumentation kenne (ich empfehle einen Vergleich mit dem genialen Brahms in Sachen Instrumentation). Also, mit JR, auf zu seinen Klavierwerken. Dennoch werde ich vorher Fauré trainieren, da erwarte ich mehr.
    :hello:

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Keith,
    immer noch besser, nicht verstehen als mißverstehen. Und da zweifle noch einer am Fortschritt...!
    Bis dann.
    :hello:


    Hallo Edwin,


    ...Phrase! :hello:
    Das konntest Du schon besser...! ;)


    Bis dann.


  • Klingsors Liste scheint mir mit Übersicht zusammengestellt und wohl abgewogen. Ich schließe mich ihr gerne an. Alle wesentlichen Genres sind mit den wichtigsten Komponisten vertreten. Richtig ist es – wie man auch immer zur Grand opéra stehen mag – mit Meyerbeer den Hauptvertreter dieses bedeutenden Zweigs der Oper des 19. Jahrhunderts aufzunehmen. Mahler gehört mit seinem Schaffen viel mehr dem 19. als dem 20. Jahrhundert an. Janacek und Debussy gehören dagegen mehr ins 20. Jahrhundert. Dvorak und Smetana sind letztlich weniger wichtige Vertreter der „deutschen Musik“ mit regionalem Lokalkolorit. Ich neige dazu, zusätzlich noch Johann Strauß (Sohn) aufnehmen zu wollen.


    Loge

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  • Achtung, Eigenwerbung!


    Mangelnde Vertrautheit mit wenigstens dem wesentlichen Werk aller möglichen Kandidaten ist angesichts der Überfülle des Angebots keine Schande. Selbst die Kenntnisreichsten unter uns, zu denen ich mich wahrlich nicht rechne, werden da ihre blinden Flecken haben. Das macht die Erstellung solcher Listen unmöglich, wenn man sich da nicht zur radikalen Subjektivität bekennen will. Was sollte aber dagegen sprechen, die Essenz, soweit überhaupt eine zu gewinnen ist, aus der Summe der individuellen Listen zu ziehen?


    Am Beispiel Chabrier:


    Wer Chabrier aus der Liste eliminieren will, sitzt dem hier doch sonst so verpönten Kriterium der (ohnehin zu begrenzten) Popularität und Bekanntheit auf. Bevor man sich also entscheidet, ihn aufzunehmen oder zu eliminieren, sollte man die Werke mindestens einigermaßen kennen, welche in diesen Threads angesprochen und von sehr verschiedenen Seiten gelobt wurden:


    Ein impressionistischer Komet - Emmanuel Chabrier 1841 - 1894


    Meisterwerk im Pech - Chabriers LE ROI MALGRE LUI


    Bei aller Wertschätzung für Faurés REQUIEM, seine diversen Konzert- und Klavierstücke und der etwas gedämpfteren für seine Oper PENELOPE scheint mir Chabrier frischer, aufregender und sowieso innovativer - im Sinne von respektloser gegenüber der Tradition - zu sein. Nun gibt es aber eingestandenermaßen vieles, was ich von Fauré gar nicht erst kenne oder das mich beim ersten Anhören nicht genug ansprach um es besser kennenlernen zu wollen.


    Deswegen geht es mir nicht darum, einen Franzosen auf Kosten eines anderen, mir weniger nahen zu deckeln. Alle bisher und schon gar auf Klingsors Liste Erwähnten verdienen es, ernsthaft in Betracht gezgen zu werden. Desgleichen die nur von mir genannten. Vielleicht hilft da wirklich nur das quasi demokratische System, möglichst viele subjektive Listen zu erstellen und die in der Summe auszuwerten.
    Je mehr Taminos sich daran beteiligen, um so relevanter dürfte die Liste für den allgemeinen Nutzen werden. Dann wissen wir zwar immer noch nicht, welche Komponisten die wichtigsten sind (warum auch?), wohl aber etwas besser, welche die Taminos für die bedeutendsten erachten.


    Vielleicht hilft es uns aber noch mehr, wenn wir noch mehr einzelne Komponisten und Werke vorstellen statt mehr oder weniger unergiebige Gesellschaftsspiele mit Listen zu perpetuieren, deren Hauptwert darin zu bestehen scheint, dass man sich so trefflich und googlerelevant darüber ereifern kann.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Vielleicht hilft es uns aber noch mehr, wenn wir noch mehr einzelne Komponisten und Werke vorstellen statt mehr oder weniger unergiebige Gesellschaftsspiele mit Listen zu perpetuieren, deren Hauptwert darin zu bestehen scheint, dass man sich so trefflich und googlerelevant darüber ereifern kann.


    Mich persönlich interessiert es einfach, wer welche Komponisten auswählen würde.
    Und zwar mehr, als wenn einer sagt: Dieser ist ein ganz Großer (Wieviele würde er so bezeichnen? Wie hoch schätzt er ihn also wirklich?) Man kann dieses Etikett jedem umhängen, der heute noch oder wieder gespielt wird.


    Von einer Konsensliste halte ich gar nichts. Die ist letztlich unehrlich. Statistiken sind auch nett, aber es interessiert mich schon, von wem die jeweilige Auswahl ist, wie derjenige sonst denkt/auswählt/empfindet, was man im Forum ja schön nachlesen kann.


    Wer keine Lust hat, braucht ja nicht mitmachen.

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Bevor man sich also entscheidet, ihn aufzunehmen oder zu eliminieren, sollte man die Werke mindestens einigermaßen kennen, welche in diesen Threads angesprochen und von sehr verschiedenen Seiten gelobt wurden


    Also so Tamino-abhängig sind wir nun auch noch nicht ...
    Was wir kennenlernen wollen und was sich gerade nicht ausgeht, entscheidet immer noch jeder selber.


    Letztlich müßte man ja alles kennen, um auswählen zu dürfen, und das geht nicht.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Letztlich müßte man ja alles kennen, um auswählen zu dürfen, und das geht nicht.


    Eben. :yes:


    Bei dem Interesse an den subjektiven Listen einzelner Taminos treffen wir uns ja durchaus, denn auch ich sehe darin vor allem eine Hilfe zur Einirdnung bestimmter Stellungnahmen und idealerweise Hinweise auf vordringlich zu beseitigende blinde Flecken. Ob dann noch jemand die Summen addiert und was dabei raus kommt, ist mir auch ziemlich wurscht.


    Wenn das aber allgemein zuträfe, wundert mich doch sehr, warum die ganzen Diskussionen hier immer wieder darum entbrennen, ob der oder jener (nicht) in eine solche Liste gehört.


    Vielleicht sollte man die Listen wirklich umbenennen in Eure und nicht Die wichtigsten Komponisten...


    :hello: Jacques Rideamus

  • Natürlich ist es subjektiv, wen jeder von uns für besonders wichtig hält - Edwins Pseudodarwinismus soll das womöglich unterstreichen, da er da eine Gangart predigt, die nicht die seine ist - aber das ist (jedenfalls bei einigen unter uns) nicht dasselbe wie "Lieblings-"komponist.

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Wer Chabrier aus der Liste eliminieren will, sitzt dem hier doch sonst so verpönten Kriterium der (ohnehin zu begrenzten) Popularität und Bekanntheit auf.


    Ich finde das gar nicht so verpönt und ich gebe gern zu, daß das ein Hauptkriterium gegen zB Chabrier ist. Ich habe extra nochmal nachgeschlagen: Für die üblichen Konzertführer ist er schlicht nicht existent! Von meinen drei Opernführern (ein alter von 1930, Reclam und Kloiber (ergänzt u. überarbeitet von Konold) wird in keinem einzigen auch nur eines seiner Werke besprochen!
    Der alte und Konold besprechen Louise von G. Charpentier, aber nichts von Chabrier. Im Reclamschen Orchestermusikführer wird er nur erwähnt, nicht gesondert behandelt, Konolds Konzertführer bespricht immerhin Espana und die Suite Pastorale. Klaviermusikführer habe ich keinen. (Und das dürfte kaum ausschließlich auf chauvinistische Neigungen der Autoren zurückgehen, sondern die tatsächliche Rezeption ganz gut wiedergeben.)
    Ich habe mal in diese Stücke hineingehört, will jetzt kein Urteil abgeben, aber die Orchestermusik scheint mir nicht zu rechfertigen, ihn Franck oder Saint-Saens vorzuziehen. (Ich persönlich mag z.B. Chaussons Sinfonie lieber als Francks oder das Orgelmonster, aber insgesamt sind die erstgenannten vermutlich zentralere Komponisten). Die Klaviermusik gefiel mir anhand der Schnipsel zwar auch ganz gut, aber da könnte man vermutlich mit gleichem, oder mehr Recht Albeniz oder Granados vorschlagen.
    Also muß seine Bedeutung auf den Opern ruhen, die praktisch nicht gespielt werden.
    Wenn demnach derlei Listen der Rehabilitierung Unterschätzter oder Vergessener dienen sollten, gehört Chabrier hinein und es ist gewiß sinnvoll, auf ihn aufmerksam zu machen. Aber eine derartige Randexistenz ist für mich mit Zweck, die wichtigsten Komponisten einer Epoche aufzuzählen nicht vereinbar.


    Zitat


    Bei aller Wertschätzung für Faurés REQUIEM, seine diversen Konzert- und Klavierstücke und der etwas gedämpfteren für seine Oper PENELOPE scheint mir Chabrier frischer, aufregender und sowieso innovativer - im Sinne von respektloser gegenüber der Tradition - zu sein. Nun gibt es aber eingestandenermaßen vieles, was ich von Fauré gar nicht erst kenne oder das mich beim ersten Anhören nicht genug ansprach um es besser kennenlernen zu wollen.


    Ich teile zumindest die Verwunderung über den vorgeblich so hohen Rang Faurés, m.E. komponiert er für seine Generation ähnlich oder noch konservativer als Brahms und von ähnlich begrenzter Wirkung, bzw. der Einfluß besteht eben "nur" aufgrund raumzeitlicher Nähe. Die Orchestermusik ist völlig unbedeutend


    Zitat


    Vielleicht hilft es uns aber noch mehr, wenn wir noch mehr einzelne Komponisten und Werke vorstellen statt mehr oder weniger unergiebige Gesellschaftsspiele mit Listen zu perpetuieren, deren Hauptwert darin zu bestehen scheint, dass man sich so trefflich und googlerelevant darüber ereifern kann.


    Ja klar. Daher sind solche Listen ja auch Unsinn ;)


    Auf die Brahms-Diskussion gehe ich nicht mehr ein. Es wurde genug gesagt. Bei Edwin ist das ein Rationalisierungsversuch persönlicher Abneigungen und Vorlieben, der von keiner Musikgeschichte geteilt wird (vgl. analoge Diskussionen zu Verdi) und nur durch ein isoliertes, dazu fragwürdiges Kriterium begründet werden kann. Besonders unglaubwürdig angesichts seines Eintretens für Bruckner oder Britten, die sich ebenso leicht oder eher leichter eliminieren ließen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Womit wir wieder bei dem Ziel solcher Listen wären.


    Ich kann angesichts der Unmöglichkeit, über ein bis vier konsensfähige Namen hinaus eine allgemeingültige Liste der wichtigsten Komponisten schlechthin zu erstellen, keine andere zusammenstellen und vertreten als eine Liste derjenigen, die mir selbst am wichtigsten sind. Und da gehören Chabrier, Offenbach und Strauß nun einmal hinein, wenn ich meine Kriterien zugunde lege und nicht nur zeigen will, dass ich weiß, was in diesem Kreis vielleicht eher konsensfähig wäre.


    Solange keine verbindliche Definition dessen vorgegeben ist, was das "wichtige" konstituiert, vielleicht auch gar nicht gegeben, höchstens von der Neigung des Threaderstellers vorgegeben werden kann, gehe ich mit KSM wenigstens dahin gehend konform, dass eine Liste nur als Reflex der Kenntnisse und Vorlieben des jeweiligen Erstellers sinnvoll ist. Schon die Überlegung, einen gewissen Proporz zwischen einzelnen Gattungen und Herkunftsländern berücksichtigen zu wollen, unterläuft sie ja.


    Weitaus sinnvoller (für mich!) als die Abwägung relativer Werte unterschiedlichster Künstler finde ich es deshalb nach wie vor, wenn man versucht, einzelne Werke oder Komponisten vorzustellen und deren besondere Wertschätzung durch mich zu begründen. Ich habe versucht, das in diesem Forum für einzelne Werke Chabriers zu tun und habe das auch weiterhin vor. Ob das jemanden interessiert, kann ich nur hoffen oder nach Möglichkeit durch meine Beiträge zu erreichen versuchen. Über allgemeine Listen funktioniert das offensichtlich nicht.


    Deshalb geht es mir bei Chabrier wie JR mit Brahms. Im besten Fall wirft die Diskussion darüber vielleicht einige Anstöße ab, das eigene Urteil zu überprüfen und blinde Flecken auszufüllen. Das ist auch schon was, mehr aber auch nicht.


    Deshalb schließe ich meine Beiträge zum Listenteil dieses Threads mit dieser leicht radikalisierten Liste der mir derzeit wichtigsten 20 Komponisten des 19. Jahrhunderts ab:


    1770 - 1827 Ludwig van Beethoven
    1786 - 1826 Carl Maria von Weber
    1791 - 1864 Giacomo Meyerbeer
    1792 - 1868 Gioachino Rossini
    1797 - 1828 Franz Schubert
    1803 - 1869 Hector Berlioz
    1809 - 1847 Felix Mendelssohn-Bartholdy
    1810 - 1849 Frédéric Chopin
    1810 - 1856 Robert Schumann
    1813 - 1883 Richard Wagner
    1813 - 1901 Giuseppe Verdi
    1819 - 1880 Jacques Offenbach
    1824 - 1884 Bedrich Smetana
    1825 - 1899 Johann Strauß II
    1833 - 1897 Johannes Brahms
    1838 - 1875 Georges Bizet
    1840 - 1893 Pjotr Tschaikowski
    1841 - 1894 Emmanuel Chabrier
    1841 - 1904 Antonin Dvorak
    1843 - 1907 Edvard Grieg


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich teile zumindest die Verwunderung über den vorgeblich so hohen Rang Faurés, m.E. komponiert er für seine Generation ähnlich oder noch konservativer als Brahms und von ähnlich begrenzter Wirkung, bzw. der Einfluß besteht eben "nur" aufgrund raumzeitlicher Nähe. Die Orchestermusik ist völlig unbedeutend


    Ich wüßte gern, wen man eigentlich in Frankreich auswählen würde. Chabrier, d'Indy oder Duparc wohl eher nicht, eher Franck, Saint-Saens, Fauré oder Chausson?

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Aber eine derartige Randexistenz ist für mich mit Zweck, die wichtigsten Komponisten einer Epoche aufzuzählen nicht vereinbar.
    JR


    Hallo Johannes,


    mal unabhängig davon, ob Chabrier nun mitfährt oder nicht: für mich ist eine Korrelation zwischen der Präsenz gewisser Komponisten in (alten) Nachschlagewerken und ihrer Bedeutung für diese Liste eher verfehlt.


    Ich habe eben mal in meinem rororo-Musikhandbuch aus dem Jahre 1973 nachgeschlagen (ehemals "Meyer Handbuch für Musik").


    Da wird einem Komponisten namens Hermann Reutter der gleiche Raum wie Bartok oder Debussy eingeräumt (aus heutiger Sicht: randexistenzieller als Reutter gehts ja kaum noch) , Nielsen erhält den gleichen Platz, der auch Rangström zugestanden wird. Aber Carl Nielsen und nicht Ludolf Nielsen!!


    Das ist sicher nur EIN Lexikon.


    Wenn ich mir aber den Konold zu Rate ziehe, tauchen Komponisten wie Boieldieu, Leoncavallo,Giordano, Nicolai, Schillings auf. Chabrier nicht.


    Soll ich daraus den Umkehrschluss ziehen, insofern, daß diesen Komponisten noch eher eine Position in der Warteschlange gesichert ist, da nicht so randexistenziell? Tauchen ja immerhin in einem Standard-Lexikon der Oper auf.


    Bei Csampai und bei Schreiber sieht es aber schon wieder anders aus - in Sachen Chabrier.


    nebenbei: die Meisterwerke befinden sich nicht nur in der Oper. Auch die Klaviermusik ist vorzüglich und weist in Richtung Ravel (pittoreske Stücke etc.)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Ich wüßte gern, wen man eigentlich in Frankreich auswählen würde. Chabrier, d'Indy oder Duparc wohl eher nicht, eher Franck, Saint-Saens, Fauré oder Chausson?


    Man muss ja nicht unbedingt alle Nationen zur jeder Zeit vertreten haben. Die französische Musik blühte doch eigentlich erst mit Debussy wieder so richtig auf. Und der bezog sich meines Wissens nach mehr auf Wagner und die Russen als auf Komponisten wie Saint-Saens.
    Ich wüsste mal gerne, welches Werk von Saint-Saens wichtiger gewesen sein soll als Brahms 4. Sinfonie (Edwin sprach sich immerhin für ersteren aus, wollte aber letzteren weglassen).

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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