Adventstürchen - der TAMINO-Adventskalender 2008

  • Liebe Taminas und Taminos,


    wie schön, dass wir es im Endspurt doch noch erreicht haben, dass der Tamino-Adventskalender in diesem Jahr in der vierten Auflage erscheinen kann.


    Noch einmal zur Erinnerung:
    Jeder Teilnehmer stellt an dem von ihm gewählten Tag einen Beitrag ein. Das Thema kann frei gewählt werden. Wie in den Vorjahren können es Anekdoten, Eigenerlebnisse, Gedichte, kurze Prosageschichten usw. sein, sie sollten aber wenigstens im weitesten Sinn einen Bezug zur Klassischen Musik und/oder Advent oder Weihnachten haben.


    Die Betreffzeile lautet dann:
    Erstes Türchen: 01.12.2008
    usw.


    Bitte keine Kommentare zu den Beiträgen schreiben. Hierfür gibt es einen eigenen Thread.


    An den Kalender schließt sich in diesem Jahr kein Voting an. Da schon mehrere Spenden angekündigt sind und ich die Hoffnung habe, dass noch die eine oder andere hinzukommt, wird es diesmal eine Lotterie geben.


    Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass Ihr unter Euren Beitrag, eine Zahl zwischen 1 und 24 und einen Buchstaben des Alphabets (ohne Q, X und Y) setzt. Zahl und Buchstabe dürfen sich jedoch nicht wiederholen.


    Es macht zwar etwas zusätzliche Arbeit, lasst Euch einfach überraschen. Der Schleier wird in der Woche nach Weihnachten gelüftet.


    Ich freue mich jetzt schon auf Eure Beiträge und wünsche uns allen eine schöne weitere Adventszeit 2008.


    Emotione

  • Advent steht für die Zeit, in der man auf das Kommen des Erlösers wartete. Dem entspricht die Dunkelheit, in der die Hoffnung auf eine bessere Zeit nur den Schein einer einzigen Kerze hat. Advent ist eine Zeit der Besinnung, eine Zeit, in der man früher fastete. Deshalb stelle ich zwei Texte an den Anfang, einer von Klabund und einer von Fanny Lewald - Zeugen der Dunkelheit und des Lichtes.


    Fanny Lewald: Meine Lebensgeschichte


    Unsere Freude an dem ersten Adventssonntage hatte einen noch viel geringeren Anlaß. Sie beruhte auf einem kleinen Spielzeug, welches aus zwei, auf grobe Holzsplitter gesteckten vergoldeten Aepfeln bestand, die mit ein Paar Sträußchen von Buxbaum und einem oder zwei aus grobem Thon geformten Vögelchen verziert waren, welche aber nur die Phantasie von Kindern für Vögel zu halten im Stande war. Die ganze Pyramide kostete vielleicht sechs Pfennige, aber – und darauf beruht ein großer Theil der Freude in dem Kinde – wir liebten sie, weil sie nur in der Adventswoche zu kaufen war, weil wir sie alle Jahre zum ersten Advent geschenkt bekommen hatten, weil wir sicher waren, daß man sie uns immer wieder schenken würde, und weil sie uns auf solche Weise überhaupt zu einem Sinnbild der herannahenden Weihnachtszeit geworden war. Sie war uns eine wundervolle Verkündigung, und der Engel, welcher mit seinem Lilienstengel vor der Jungfrau erschien, um ihr die Geburt des Erlösers zu verkünden, konnte sie nicht glücklicher machen, als uns der Anblick unserer Eltern, wenn sie Abends, vom Ausgehen heimkehrend, uns die ersten Pfeffernüsse und die Aepfelbäumchen in das Zimmer brachten. Es umfloß sie ein wahrer Goldglanz von Hoffnungen, Alles, was wir erwünschten und erwarteten, trat in unsern Gesichtskreis, und nun, von diesem ersten Adventssonntage ab, fingen wir zu zählen an, bis endlich mit dem Weihnachtsabende die helle Glückessonne für uns aufging, deren Strahlen uns durch das ganze Jahr nicht zu leuchten aufhören sollten.



    Klabund: Der polnische Jungschütze


    (Für Ira)


    Ich bekam von der Lazarettinspektion eine Karte, ob ich nicht einen schwerverwundeten polnischen Jungschützen besuchen wolle, der vor drei Tagen eingeliefert sei. Er verweigere jede Nahrungsaufnahme. Glaube sich noch immer in Feindesland. Deliriere. Da niemand polnisch spreche, könne man sich mit ihm nicht verständigen.


    Ich machte mich auf den Weg.


    Er lag in einer Einzelkammer. Auf seinem Nachttisch stand ein kleiner künstlicher Weihnachtsbaum mit winzigen roten Lichtern besteckt. Es war der zweite Advent.


    »Wer da?« sagte er auf polnisch und krümmte seine linke Hand auf der Bettdecke wie einen Revolver gegen mich.


    »Gut Freund,« gab ich polnisch zurück.


    »Das ist nicht die Parole,« sagte er mißtrauisch, »aber Sie sprechen wenigstens polnisch. Die Parole lautet Warschau. Wer sind Sie?« Jetzt betrachtete er mich. »Sie lächeln so friedlich. Sie sind kein Russe. Sie sprechen polnisch. Sind Sie der Tod? Der Tod spricht polnisch. Mein Herr, wenn ich mich Ihnen vorstellen darf, damit Sie nicht irren: Konstantin Barzynski, Professor der Naturgeschichte in Tarnopol. 31 Jahre alt. Wer sollte glauben, daß die Welt erst 31 Jahre besteht? Aber es ist so. O die kleinen Tarnopoler Mädchen! Aus den Vorstädten. Sie schreiben mir immer Karten mit blonden oder schwarzen Mädchenköpfen und einen Vers darunter:


    Ach bitte schön und sei so gut,
    Du weißt ja, wie die Liebe tut.


    Ich bin ein rechter Sünder. Ich habe schlimme Augen. Wie der Hunger. Und der Hunger hat Augen wie ein ruthenischer Pope. Im Juli war ich noch in Spalato. Ich kann nicht sagen, daß man die Österreicher in Dalmatien liebt.


    In Spalato im Hotel war ein junges Ehepaar. Entzückend. Entzückend naiv. Einmal traf ich sie abends am Strand. »Schani,« sagte sie, »nimm dich vor den Schlangen in acht. Tritt nicht aus Versehen auf eine Kreuzotter.« »Meine Herrschaften,« sagte ich, »es gibt keine Schlangen am Meeresstrande. Sie können sich auf mich berufen. Ich unterrichte Naturgeschichte in Tarnopol.«


    Als ich nach Hause kam, entdeckte ich ein kleines Kind auf meinem Bett. Ich dachte, es wäre mir plötzlich eines geboren worden ... von den kleinen Tarnopoler Mädchen ... aber es war das Kind der Wirtin. Die dalmatischen Frauen ratschen gern und legen ihre Kinder derweilen ab, wo es ihnen paßt. Aber mein Herr, das Schlimmste kommt erst. Haben Sie einmal Digitalis genommen? Ich möchte jeden einzelnen Russen mit meinen Händen erwürgen und zuvor den Nikolajewitsch. Die Russen erkennen die polnischen Jungschützen nicht als Soldaten an. Sie hatten etliche der unseren gefangen genommen. Wir zogen die Straße ihres Rückzuges her. Obgleich ich Professor der Naturgeschichte bin und die Naturgesetze definieren kann – wurde ich verrückt. Ich wurde derartig verrückt, daß es mir ganz egal war, als einer neben mir niederfiel ... Bauchschuß ... und wie ein Schwein schrie. Herr ...die Bäume der Straßen waren als Weihnachtsbäume dekoriert ... mit polnischen Jungschützen. Sechs hingen immer an einem Baum. Hübsch regelmäßig. Ich warf meinen Kopf herum und brüllte lauter als eine Feldhaubitze. Und dann kletterte ich den ersten Baum empor und schnitt die ersten sechs ab. Sie sollten nicht in der Luft hängen und zu Rauchfleisch dörren. Sie sollten ihr ehrliches katholisches Begräbnis haben. Die Haut hing wie in Fetzen von meinen Händen. Aber ich grub im Schweiße meines Angesichts ein Grab, drei Stunden lang, da war es so tief, daß nach meiner Berechnung 120 Mann Platz darin hatten. Ich stieg auf den nächsten Baum. Und schnitt sechs ab. Sie fielen wie reife Birnen vom Baum. Da stieg ich auf den dritten, dann auf den vierten Baum. Beim fünften spürte ich, daß ich nicht mehr weiter konnte. Daß ich im Begriff war, mich selber aufzuhängen. Das war denn auch das Ende vom Liede. Wie Sie mich hier sehen: hänge ich an einem Baum, mit fünf anderen polnischen Jungschützen. Ich wehe im Winde. Meine Knochen schlagen aneinander. Cis-Moll. Die verfluchten Muschiks schießen Scheiben nach mir. Bautz habe ich eine Kugel in der Lunge. Aber das macht nichts. Wenn ich keinen Speichel mehr habe, will ich ihnen meinen letzten Blutstropfen ins Gesicht speien ...




    Felix Mendelssohn-Bartholdy: Sinfonie Nr. 2
    - Stricke des Todes




    (Sopran und Tenor)


    Stricke des Todes hatten uns umfangen,
    und Angst der Hölle hatte uns getroffen,
    wir wandelten in Finsternis.
    Er aber spricht:
    Wache auf! der du schläfst,
    stehe auf von den Toten,
    ich will dich erleuchten.


    Wir riefen in der Finsternis:
    Hüter, ist die Nacht bald hin?
    Der Hüter aber sprach:
    Wenn der Morgen schon kommt,
    so wird es doch Nacht sein;
    wenn ihr schon fraget,
    so werdet ihr doch wiederkommen,
    und wieder fragen:
    Hüter, ist die Nacht bald hin?


    Die Nacht ist vergangen.


    1A :angel:


    Einen besinnlichen Advent wünscht


    Peter

  • Fairies Schokoladenseite









    Schokolade ist fassbar, greifbar und vor allem essbar gewordenes Glücksgefühl (Wim Wenders)






    Schokolade- das un- heimliche Laster- viel besser als ihr Ruf?!


    Das Thema „Schokolade“ habe ich gewählt, weil ich eine echte Schokoholikerin bin und hier
    nun die Gelegenheit nutze, ein Lob-(und Leid) Lied auf meine Droge, die ja gerade zur Advents und Weihnachtszeit Hochkonjunktur hat, zu singen.


    Solidaritätsbekundungen anderer Junkies sind mir von Herzen willkommen: ich strebe aber langfristig KEINE Selbsthilfegruppe der Anonymen Tamino Schokoholics (ATS) an, da ich nicht die geringste Absicht habe, von der Sucht geheilt zu werden- und sollte ich auch noch aus meinem letzten Konzertkleid herausplatzen......


    Die Schokolade (bzw die Kakaobohne) ist uns von den Mayas und Azteken überliefert und wurde im Schlepptau der Entdeckungen des Christoph Kolumbus nach Europa gebracht.
    Ich könnte ihm nachträglich dafür die Füsse küssen!!!!!!


    Lange Zeit ein reines Luxusgut für die High Society, sprich Adel und gehobenes Bürgertum, wurde die Schokolade im 19 JH sogar als Stärkungsmittel für Kranke in Apotheken verkauft.
    Was man bestens nachvollziehen kann, wenn man sich einmal über ihre Inhaltsstoffe und deren Wirkungen klar wird.
    Ich spreche hier wohlgemerkt von echter Schokolade und nciht von den bis zur Unkenntlichkeit verdünnten und degenerierten Vollmilchprodukten mit Schokogeschmack.
    Unter echter Schokolade verstehen Kenner Schwarze Schokolade mit einem sehr hohen Kakaomassenanteil und ohne aromatisierende Zusatzzutaten.
    Wobei natürlich nichts gegen Gewürze wie etwa Zimt, Cardamom, Minze, Mandeln, Orangenschalen oder Chili als gelegentliche nette Abwechslung einzuwenden ist.


    Weiße Schokolade ist ein Widerspruch in sich, aber wohl bekomm’s dem, der Zucker, Milch und Fett für stimulierend halten will.
    Stimulierend für den Wachstum der Fettzellen ist sie ganz sicher!



    Echte Schokolade ist ein mildes Anti-Depressivum und eine Art „Aufputschmittel“ der sanften aber nachhaltigen Art.
    Sie enthält koffeinartige Substanzen, eine Vorstufe des Serotonin, herzschützendes Flavonoid (das durch gleichzeitigen Genuss von Milch allerdings ausser Gefecht gesetzt wird, also keine Trinkschokolade für Herzkranke auf Rezept) und hat nach neueren Forschungen auch eine blutdrucksenkende Wirkung.


    Je nach Kakaoanteil enthält Schokolade auch den Wirkstoff „Cocoheal“, eine Art Hautrepariermittel mit positiven Auswirkungen auf die Wundheilung und gegen Falten.
    Beauty-Produkte mit Schokolade sind auch bereits auf dem Markt.
    (Kein Wunder, dass ich nun jedes Jahr noch mehr Schoggi brauche.....)


    Der erhebliche Nachteil der Schokolade soll aber nicht verschwiegen werden: ihr hoher Anteil an Fett und Zucker und damit eine erhebliche Quelle überflüssiger Kalorien, die nicht zur Sättigung sondern im Gegenteil zur Appetitsteigerung( z.B. über die Insulinausschüttung) und Einlagerung von Fettdepots führt.
    Eine Tafel Schokolade deckt bereits ein Viertel des täglichen Kalorienbedarfs eines durchschnittlichen Menschen ab.
    Dass Schokolade auch körperlich süchtig machen kann, wird als unwahrscheinlich betrachtet, die seelische Abhängigkeit kann ich( leider?) jederzeit beweisen....


    Die Beziehung zwischen Schokolade und Musik würde mich nun natürlich besonders interessieren, zumal mir dazu ausser „Cosi fan tutte“ und der armen Despina, die im Gegensatz zu den Damen Fiordiligi und Dorabella keine Schokolade trinken darf, nichts spontan einfällt.
    Ich werde parallel einen Thread „Schokolade in der Musik“ eröffnen, vielleicht fällt dem Ein oder anderen ja noch etwas ein?


    Auf einen meiner Lieblingsfilme "Chocolat" aufmerksam zu machen, ist wohl an dieser Stelle eher überflüssig.....


    Solidarische Grüsse an alle Co-Schokoholics und solche, die es werden wollen!












    Herzens-Bekenntnisse eines Schokoholics:




    Mancherlei naives Schaf,
    denkt sich "All you need is love".
    Aber ich in höchstem Grade
    brauche meine Schokolade.


    Von den Zehn bis zu den Ohren
    strömt sei mir durch alle Poren
    und am liebsten ich drin bade:
    wannenweise Schokolade!


    Nestlè, Milka, Lindt und Sprüngli
    sind das Höchste für mein Züngli
    Nicht mit Brillis und Saphiren
    kann man besser mich verführen.


    Doch die Schwarze nur, die Echte
    ohne Milch, die ist die Rechte!
    Erst ab 70 Stärkegrade
    will ich meine Schokolade!


    O wie liebt ich diese Sünde,
    ging sie nicht so auf die Pfünde.
    Aber dennoch kann mitnichten
    auf die Schoggi ich verzichten.


    Und verlass ich einst die Erde
    Ich zum Schokoengel werde.
    Ewig ohne Schames-Stöhnen
    kann ich dann dem Laster frönen!












    Biochemisch betrachtet ist Liebe nichts Anderes als grosse Mengen von Schokolade zu essen (Al Pacino)












    Rezept für die schnellste Mousse au Chocolat der Welt.


    Hier ein sturmerprobtes Turbo- Blitz-Rezept für alle Fälle, in denen nur noch Schokolade die Rettung bringen kann:


    Weihnachtsessen mit Schwiegerfamilie, wo man mit dem kleinsten Aufwand unter Beweis stellen will/soll, dass man zu grössten kulinarischen Künsten berufen ist


    Kindergeburtstag mit einer Horde kleiner Schoko-Crossies


    Allgemeiner und besonderer Weltschmerz


    Allerletzter Verführungsversuch




    300g schwarze Dessertschokolade (je stärkerer Kakaoanteil desto besser)
    1 Becher Creme fraiche
    2 Lôffel Cognac oder Rum oder Grappa oder Espresso oder Amaretto oder Whiskey- wie belieben
    evtl Gewürze wie Zimt, Caramom, Chili
    4 Eiweiss



    Schokolade in Stücke brechen, mit der Creme fraiche in einem Topf bei kleiner Hitze und unter Rühren auflôsen. Alkohol oder Espresso unterrühren , etwas abkühlen lassen. Die Eiweiss steifschlagen, unter die abgekühlte Schokocreme heben und mindestens 4 Stunden in den Kühlschrank stellen, besser eine ganze Nacht.
    Je nach Anlass in Champagnergläsern, Kristall-Dessertschalen, Plastikeierbechern servieren oder selbst drin baden.


    Wegen potentieller Schokoüberdosierung bitte unbedingt etwas Fruchtiges und starken Espresso dazu reichen. Bewährt ist ein Coulis(Fruchtsosse) aus pürierten Beerenfrüchten mit etwas Puderzucker gesüsst. Der leicht säuerliche Geschmach harmonier wunderbar mit der Schokolade!
    Bei Bedarf werden weitere Schokorezepte geliefert.














    Fairy Queen mit der tatkräftigen, liebenswürdigen, graphik-designerischen Unterstützung von Audiamus, dem ich von ganzem Schoko-Herzen für seine Ideen nebst fachmännischer Ausführung danke!


    Und nun muss ich ein Schokobad gegen Falten nehmen. Meine Urahnin Titania Die Erste schwörte darauf übrigens auch als probates Mittel gegen unstandesgemässe Eseleien .




    .










    M13


    Ich habe mich erdreistet meinen Buchstaben zu ändern, lieber Joschi :D



    [SIZE=7]Hi Fairy!
    Ich hab mich erdreistet, deine Zahl hier reinzustellen.
    LG Joschi[/SIZE]

  • Hallo!


    Den Text, den ich mir für den Adventskalender ausgesucht habe (gesucht stimmt eigentlich nicht, es war mein erster Gedanke), muß ich mit mehr eigenem Text umgeben, damit er als Zitat durchgeht (siehe Copyright), daher sei mir einiges Geschwafel entschuldigt.
    Im Kontext des Romans, aus dem der Abschnitt stammt („Alexis Sorbas“ von Nikos Kazantzakis [Übersetzer: Dr. Alexander Steinmetz]), ist er ein Neujahrs-Gedanke bzw. ein Neujahrs-Vorsatz. Da die Aussage aber zeitlos ist, paßt er der Abschnitt aber auch gut in die Adventszeit - insbesondere weil der berüchtigte „Weihnachsstreß“ ja nicht im Sinne dieses Festes ist.
    Es sind ganz persönliche Gedanken, die ich hier dazu niederschreibe – ich hoffe, ich erreiche damit den ein oder anderen.


    Ich erinnere mich eines Morgens, an dem ich auf einem Baum eine Schmetterlingspuppe entdeckt hatte. Der Schmetterling hatte gerade die Hülle gesprengt und schickte sich an auszuschlüpfen. Ich wartete lange, ungeduldig, denn ich hatte es eilig.
    Ich hauchte den Schmetterling an, und das Wunder begann sich vor meinen Augen in einem rascheren Ablauf als natürlich zu entfalten. Die Hülle öffnete sich ganz, der Schmetterling kroch heraus.
    Aber nie werde ich mein Entsetzen vergessen: seine Flügel waren noch gekrümmt und zerknittert. Der kleine Körper zitterte und suchte sie zu spannen, aber es war unmöglich. Auch ich versuchte, ihm mit meinem Atem zu helfen, doch umsonst. Ein allmähliches Reifen war nötig, die Flügel hätten sich langsam in der Sonne entfalten müssen, jetzt war es zu spät. Mein Atem hatte den Schmetterling gezwungen, zu früh auszukriechen, ein Siebenmonatskind.
    Er zappelte verzweifelt und starb nach einigen Sekunden auf meiner flachen Hand.


    Diese kleine Leiche, glaube ich, ist die schwerste Last, die mein Gewissen bedrückt. Heute begreife ich erst richtig, daß es eine Todsünde ist, die ewigen Gesetze zu vergewaltigen. Wir haben die Pflicht, uns nicht zu beeilen, nicht ungeduldig zu werden und dem ewigen Rhythmus der Natur mit Vertrauen zu folgen.


    Dieser Schmetterling steht symbolisch für die Opfer der Ungeduld, Hektik, des Schnell-Sein-Müssens. So ein „Opfer“ kann auch einfach nur ein schöner Gedanke, eine nette Geste oder ein nicht fertig geträumter Traum sein.
    Ich will jetzt nicht ein Utopia heraufbeschwören, in dem wir alle zeitlos vor uns hinträumen können – nein, unsere alltäglichen und größeren Aufgaben und Termine, unser Vorwärtsdrängen und unsere Schnelligkeit sind natürlich wichtig.
    Aber wir leben in einer Gesellschaft, die meiner Meinung nach zu schnell geworden ist, und Probleme in einer Geschwindigkeit produziert, die sie in der entsprechenden Zeit nicht mehr lösen kann.
    Ich bin davon überzeugt, daß es diesen „ewigen Rhythmus der Natur“ gibt, und daß in unserem Leben Streß und Frust entsteht, wenn wir dem ständig zuwider handeln – und daß wir solch kleine „Opfer“ hinterlassen.
    Ich habe mir fest vorgenommen, wo es mir möglich ist, mir kein Termindiktat aufzuerlegen (ich denke, die meisten macht man sich wirklich selbst), das mir im Inneren zuwider ist.
    Daß ich in meinem Leben alles schaffe, was ich mir vorstelle und überlege, ist schlicht nicht machbar. Ich komme langsam zu der Erkenntnis, die Beschäftigung mehr bewußt zu selektieren, das „weniger sinnvolle“ wegzulassen und mir für das Ausgewählte dann auch mehr Zeit zu lassen.


    Ich habe mich auch gerade eben an eine Mail erinnert, die ich mal einem Tamino vor Jahren geschrieben hatte (wahrscheinlich war ich da noch Student und hatte gut reden...) - und habe sie gefunden, und zitiere nun auch daraus:


    Reift in der untätigen Zeit der Charakter bzw. bildet man die eigene Persönlichkeit dabei, dann ist die Zeit keineswegs sinnlos vertan. Auch wenige gute Taten können viel Müßiggang ausgleichen. Ich sage das aus Überzeugung, da ich erfahren habe, daß im Nichtstun bzw. in der Passivität auch viel Kraft und Sinn liegen kann (die östlichen Philosophien sind uns da voraus - in der Ruhe liegt die Kraft). Der Agitationswahn der Moderne ist ohnehin ein Übel ohnegleichen.
    Wenn Zeit wirklich Geld ist, dann zeugt es von Armut, keine zu haben.



    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -



    Zum Abschluß gibt’s dann noch etwas heiteres:


    Ein paar Anregungen, wie man das Weihnachstfest dieses Jahr etwas anders gestalten könnte:


    "http://de.youtube.com/watch?v=jp8jIPaX9BM


    "http://de.youtube.com/watch?v=JHgYYc20Pws


    "http://de.youtube.com/watch?v=1xc5LcOEzTE


    Aber am allerbesten ist nach wie vor:


    "http://de.youtube.com/watch?v=_0_Sa-cw_Aw




    Ich wünsche allen hier eine frohe Weihnachtszeit!


    Pius.

  • Nach langem Suchen hatte ich einen Beitrag gefunden, der aber auch wieder sehr
    melancholisch gewesen wäre. Daher habe ich mich entschlossen, heute etwas Heiteres.


    Der patentierte Weihnachtsbaum


    Er war von Amerika gekommen, sorgsam in einer Kiste verpackt. Die einzelnen Teile waren numeriert, damit man sie zusammenstellen konnte, wie es sich gehört, und wenn alles ineinandergeschoben war, dann stand der patentierte Tannenbaum fix und fertig da. Der Stamm sah beinah ebenso aus wie ein wirklicher Tannenstamm, nur war er glänzender als dieser, weil er einen wundervollen patentierten Lacküberzug trug, seine Zweige saßen in viel regelmäßigerer Anordnung daran, als sie ein armer Waldbaum aufzuweisen vermag, und krümmten sich so elegant und so gleichmäßig, als hätten sie alle ein und denselben Anstandsunterricht genossen. Und wie herrlich grün waren die Zweige! Statt der Nadeln bekleidete sie feine weiche Chenille, die der Färber mit seinem besten Grün gefärbt hatte. So grün war kein Baum auf der weiten Welt. An jedem der Drahtzweige saß ein Kerzenhalter, und kleine Häkchen waren daran zum Befestigen des Konfektes und der silbernen Äpfel und goldenen Nüsse. Auch die Nüsse und Äpfel waren nach einem patentierten Verfahren aus Metall angefertigt. Sie ließen sich freilich nicht essen, aber dafür konnten sie stets wieder gebraucht werden, wenn Weihnachten kam. Und nun erst der Untersatz, auf dem der Baum stand! Der war aus Gußeisen, fein vernickelt und hatte eine Inschrift, die jedem, der lesen konnte, verkündete, daß der Baum patentiert sei. Der Untersatz barg außerdem noch ein Geheimnis, das erst am Heiligen Abend offenbart werden sollte, und auch dieses war patentiert. Es gab keinen patentierteren Tannenbaum als das Kunstwerk aus Amerika.


    Nun kam der Weihnachtsabend, und während die Kinder sehnsüchtig des Augenblicks harrten, in dem die Türen zum Bescherungszimmer geöffnet wurden, bauten die Eltern da drinnen auf. Die Liebe hatte die einzelnen Gaben gewählt, und wiederum war es die Liebe, welche half, die Geschenke auszubreiten, daß sie sich dem Empfänger anmutig darböten und er zuerst fände, worauf sein Wunsch am lebhaftesten gerichtet war. Manches wurde versteckt hingelegt, damit es erst später entdeckt werde und eine neue Überraschung bereite, nachdem die erste Freude sich ein wenig gelegt. Und zwischen all den Gaben stand der patentierte Tannenbaum. Die Eltern ließen noch einmal prüfend die Blicke in stiller Vorfreude über die Herrlichkeiten gleiten, welche Kinderherzen froher schlagen machen sollten als sonst an einem Tage im Jahre.


    »Ich vermisse nichts,« sagte die Mutter, »aber doch ist mir, als fehle etwas. Nur kann ich nicht finden, was es sein möchte.« »Es fehlt der Weihnachtsglanz,« erwiderte der Vater. »Laß uns die Kerzen anzünden, ihr Licht gibt erst dem Ganzen die Vollendung.«


    Als die Lichter an dem Patentbaume brannten, wurden die Türen weit geöffnet und wie von dem hellen Schimmer geblendet, standen die Kinder an der Schwelle. Dann aber, als sie zu den Gaben geleitet wurden, jedes an seinen Platz, jubelten sie auf. Nun war sie da, die Wonne seligen Gebens und beglückenden Empfangens.
    »Habt ihr euch den Tannenbaum schon genau angesehen?« fragte der Vater nach etlicher Weile. »Ist das ein wirklicher Tannenbaum?« entgegnete einer der Knaben. »Nein, aber er ist viel schöner. Und nun gebt acht, wie wunderbar er ist.«
    Bei diesen Worten drückte der Vater auf einen kleinen Knopf, der an dem nickelplattierten Fuße des Kunstbaumes angebracht war, und der Baum fing an, sich langsam zu drehen. Dazu spielte eine Musikdose einen lustigen Tanz. Das war das Geheimnis des patentierten Tannenbaumes.


    Einen Weihnachtsbaum, der sich dreht und obendrein selbst Musik dazu macht, hatten die Kinder noch nie gesehen. – »Gefällt er euch?« fragte der Vater und zog das Uhrwerk von neuem auf. Die Kinder schwiegen. »Hat dieser Baum sich im Walde auch die Geschichten mit dem Hasen erzählt, wie es in einem Märchenbuche steht?« begann einer der Knaben. – Der Vater lächelte. »Nein,« antwortete er, »dieser Baum ist kein Märchenbaum, den hat ein kluger Mann in Amerika gemacht.«


    »Er riecht nicht nach Weihnachten,« sagte die Schwester. »Nun weiß ich, was ich vermißte,« flüsterte die Frau ihrem Gatten zu. »Der Baum atmet nicht den würzigen Hauch aus wie die Tanne unserer Wälder. Ihm fehlt der Duft.« – Ob der patentierte Baum merkte, daß man tadelnd über ihn sprach, das ist schwer zu sagen, aber gerade in diesem Augenblick knackte es in seinem Uhrwerke, und während er ein neues, viel lustigeres Stück zu spielen begann, drehte er sich noch rascher als vorher. Man hätte glauben können, er wollte zeigen, was er konnte. Aber das schien nur so, denn das neue Stück und die raschere Bewegung waren auch patentiert.


    Mittlerweile hatte die Mutter sich entfernt, und als sie nach einiger Zeit zurückkehrte, brachte sie ein kleines Tannenbäumchen mit, das letzte, welches der Mann draußen auf der Straße den Vorübergehenden zum Kaufe anbot, das aber niemand haben wollte, weil es zu elend und erbärmlich war. Dann nahm sie Konfekt von dem patentierten Baum und schmückte den neuangekommenen damit, auch Netze und Goldpapier hängte sie daran und befestigte Wachslichter an seinen Zweigen. Ein Tischchen, mit einem weißen Tuche bedeckt, wurde für ihn hingestellt, und als er darauf stand und seine Kerzen brannten, scharten sich die Kinder um ihn. »Dies ist Weihnachten,« sagten sie. Als nun eins der Lichter sich neigte und die grünen Nadeln des Nachbarzweiges sengte, daß sie zischten, mußte es ausgeblasen werden. Ein leichter Rauchstreifen erhob sich von dem glimmenden Dochte. »Jetzt ist es ebenso Weihnachten wie sonst,« hieß es.
    Der patentierte Tannenbaum stand still, da er nicht wieder aufgezogen war, aber der kleine Waldtannenbaum durchduftete das ganze Zimmer mit seinem frischen harzigen Geruch. Die schiefe Wachskerze hatte ihm dabei zu helfen versucht, so gut es in ihren Kräften stand.


    Wenn Besuch während der Festtage kam, wurde der patentierte Baum gezeigt und mußte seine Kunststücke machen. Man fand ihn allgemein ganz außerordentlich, aber weil der Weihnachtsabend vorüber war, merkte man nicht, daß ihm das Beste fehle – die Kraft, Erinnerungen zu wecken, die Erinnerung an frühere Weihnachtsabende und an den grünen Wald, der nur unter dem Schneedache schlummert und der Auferstehung im Frühling wartet.


    Später wurde der patentierte Tannenbaum wieder auseinandergenommen, in seine Kiste gepackt und auf den Boden gestellt, jedes numerierte Stück des Stammes, jeder numerierte Zweig sorgsam in Seidenpapier eingewickelt.


    Ich bezweifle aber, daß er in diesem Jahre heruntergeholt und wieder zusammengesetzt werden wird, denn ich habe erfahren, es sei ein großer, schöner Tannenbaum bestellt, der fast bis an die Decke reicht, und auch Nüsse mit wirklichen Kernen und Äpfel, die man essen kann, werden am Abend, wenn die Kinder schlafen gegangen, emsig vergoldet und versilbert.


    Das sind schlechte Aussichten für den patentierten Tannenbaum.« –


    Julius Stinde 1841-1905 aus dem Roman "Familie Buchholz" 1884


    Nun wünsche ich Allen noch einen schönen Advent und Weihnachten ohne patentierte


    Emotione
    [SIZE=7]Veranstalter sowie unmittelbare Familienangehörige dieser sind vom Preisgewinn ausgeschlossen. [/SIZE]

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ein vielbesungenes, schönes Lied von Franz Grothe, u.a. gesungen von René Kollo:


    Kalenderlied
    Wenn es Dezember wurde, zählten wir als Kind,
    wie viele Blätter noch auf dem Kalender sind.
    An jedem Morgen wurde der vergang‘ ne Tag ein Stück Papier
    und mit der Mutter zusammen sangen wir:


    Kalender, Kalender, du bist ja schon so dünn,
    nun ist’s ja bis Weihnachten nicht mehr lange hin.


    So wie ein Baum ist der Kalender Jahr für Jahr,
    mit vielen Blättern dran, am ersten Januar.
    Doch jeden Tag wird dann ein neues Blatt vom Wind der Zeit verweht,
    bis im Dezember das Jahr zu Ende geht.


    Kalender, Kalender, du bist ja schon so dünn,
    nun ist’s ja bis Weihnachten nicht mehr lange hin.


    In unserm ganzen Leben bleibt ein kleines Stück,
    von der Erinnerung an jene Zeit zurück.
    Und wenn die Tage kürzer werden und der Schnee vom Himmel fällt,
    dann denken viele, ja, viele auf der Welt:


    Kalender, Kalender, du bist ja schon so dünn,
    nun ist’s ja bis Weihnachten nicht mehr lange hin.


    Eine besinnliche Adventszeit :angel: 5 E


  • Hallo liebe Leute!


    Ich möchte euch heuer mit meinem Adventfenster etwas über den heutigen Tag erzählen und ein wenig über die Geschichten berichten, die sich am heutigen Tage zugetragen haben. Ob Wahrheit, Fiktion oder eine Mischung von beiden, das mögt ihr selbst entscheiden…



    7. Dezember 1742: 8 Uhr morgens. Es war ein angenehmer Wintermorgen, lauwarm und schon sehr früh scheint die Sonne durch das sich lichtende Nebelmeer. Carl stand auf, und sah, dass seine Geliebte Anna Dorothea noch schlief. Er schnappte sich die Noten und begann alles noch einmal durchzulesen, ob er es auch wirklich angenehm gesetzt habe. Hoffentlich würde heute alles klappen, die ganze Welt erwarte Großes von ihm und seinem „Team“. Die Zeit verging nicht, immer nervöser wurde er, obwohl es erst am Abend losgehen würde. Anna Dorothea stand auf einmal im Zimmer. Er hatte sie mit seinem nervösen Herumgehen aufgeweckt. „Komm, Carl, leg dich noch einmal zu Bett. Du wirst deine Energie heut´ noch brauchen. Es wird ein anstrengender Tag.“- „Ja, du hast Recht, das wird er.“ Er ging mit ihr, widerwillig zwar, zu Bett, konnte aber kein Auge zutun. „Der König erwartet ein großes Werk“ dachte er und begann in der Sinfonia herumzukritzeln. „Es bringt ja eh nichts mehr“, dachte er gleich darauf, „das Orchester hat die Sinfonia schon einstudiert.“
    Doch er war mit den Anfangstakten nicht zufrieden. „Dann müssen sie´s noch mal einstudieren, und wenn ich durch die ganze Stadt laufen muss, um sie ins Theater zu zerren.“


    Carl stand erneut auf, um das Manuskript, die Sinfonia, die Arien, das Finale, durchzulesen. Immer fand er Kleinigkeiten zu bemängeln. „Die ganze Welt erwartet ein Meisterwerk von mir“, dachte er und begann an den Abend zu denken. Er sah das festlich erleuchtete Theater. Er sah den König, seinen Hofstaat, die hohen Herren der Stadtpolitik. Er sah die Musiker, die Sänger, andere berühmte Künstler, die alle darauf warten, dass es endlich losgeht. Die Musik beginnt und jeder beginnt zu lachen. „Was für ein Dilettant!“ rief ein Ratsherr. „Das kann ja selbst ein Hund besser schreiben“ rief ein weiterer. Carl begann zu schwitzen. Nervös sah er auf die Uhr. 8 Uhr 30- noch genug Zeit die Partitur zu ändern, dachte er.
    Dann dachte er an das Sujet. Das alte Ägypten, Cäsar und Kleopatra. „Ob das den Leuten gefiele?“ Er bejahte seine Frage sofort energisch, denn schließlich hatte Händels Oper vor Jahren einen Riesenerfolg. „Nur hatte der gute Sänger“, dachte Carl im Anschluss. „Er hatte eine Bordoni, einen Senesino, einen Berenstadt. Und wen habe ich?“, fragte er sich gleich darauf, leicht verzweifelt. „Mit Sängern wie damals würde jede Oper ein Erfolg werden.“, dachte er und begann zu verzweifeln, da er vom König erst im nächsten Jahr nach Italien geschickt werden würde, um „gute“ Sänger anzuwerben, wie es Händel für London gemacht hatte. Die Sänger, die er aus Italien mitgebracht hatte, passten dem König überhaupt nicht. Carl befürchtete damals schon, dass er seinen Posten verlieren wird, da dem König die Kastraten zu arg kreischten, die Primadonnen zu teuer waren und die Bassisten zu versoffen waren. Als er so über seine früheren Opern nachdachte, bemerkte er, dass er heute zum ersten Male richtige Angst vor einer Premiere hatte. „Na gut“, dachte er, „so eine wichtige Vorstellung habe ich auch noch nie gehabt.“


    Inzwischen war einige Zeit vergangen und Carl war ins Theater gegangen. Er traf ein, als die Aufbauarbeiten für die Kulissen in vollem Gange waren. „Die Leute werden staunen, wenn sie die großartigen Pyramiden auf der Bühne stehen sehen“, dachte er, denn das Publikum kannte die Kulissen noch nicht. Bei der Generalprobe vor einigen Tagen war noch nichts fertig. Er schöpfte Optimismus, dachte aber gleich daran, wie lächerlich es aussah, und wie die Leute gelacht haben, als die Sänger auf der leeren Bühne herumgehen mussten. Der Gedanke, verspottet zu werden, traf ihn wie ein Faustschlag.


    „Buon giorno, Maestro“ ertönte es durch den Zuschauerraum. Es war Finini, der Bass, der am Abend den Tolomeo geben wird. Finini war ein erfahrener Sänger, er hatte etliches von Hasse, von Leo, von Porpora und vielen anderen auf die Bühne gebracht. Sein Ruf wird die Leute sicher in die Vorstellung treiben, schließlich war er vom König selbst ausgesucht worden und mit viel Geld hierher gelockt worden. Carl zeigte Finini seine Änderungen an der Partitur. Finini nickte zufrieden, nun gefiel ihm die Arie endlich. Er bat Carl ihm auch die bestellten Änderungen an den Hauptpartien zu zeigen. Finini lobte Carl in den höchsten Tönen und dieser schnappte das Lob begierig auf, schließlich, so hatte ihm der König „versprochen“, hängt an dem heutigen Abend seine weitere musikalische Laufbahn. Carl und Finini gingen nochmals die wichtigsten Stellen der Partitur am Cembalo durch und Carl sang dem Italiener einige Stellen vor, Carl hatte ebenfalls eine sehr gute Singstimme, „etwas, dass jedem Opernkompositeur von Nutzen sein kann“, wie schon Hasse einst sagte. Während des Probens, es ist schon kurz nach Mittag, kommen die beiden Hauptdarsteller des heutigen Abends ins Theater, um zu überprüfen, ob ihre Rollen denn auch schön geschrieben wurden. Giannina Catralli, die junge Primadonna aus Venedig, die ihr erstes Auslandsengagement überhaupt antritt und Vincenzo Marconi (Marco), der Kastrat, betreten das Haus und wundern sich über die komplett andere Partitur als in der Generalprobe. Es kommt wie es kommen muss, die Sänger beginnen zu streiten, da jeder annimmt, dass seine Rolle auf Wunsch des Anderen geändert wurde. Carl versucht zu schlichten und es gelingt ihm den Kastraten zu beruhigen. Nicht jedoch Catralli, die Carl mit den allerschlimmsten Wörtern bedenkt, die man sich vorstellen kann. Sie droht ihm, dass ihr Gemahl ihm die Premiere ruinieren wird. Carl trifft diese Aussage schwer, hat er doch schon genug Bammel, dass die Premiere schief gehen könnte. Carl versucht sich zu beruhigen und ruht sich ein wenig aus, denn er weiß, er wird heute noch sehr munter sein müssen.


    Es ist inzwischen Abend geworden und die Stadt wurde vom weißen Kleid des Winters überzogen. Die Laternen gingen an und Carl kleidet sich in der Garderobe des Theaters in seine Galauniform, die er auch bei Hofe trägt. Er betritt die leere Bühne, inspiziert die Kulissen und die Instrumente. Als er zum Cembalo geht, sieht er einen Mann mit dem Gesicht nach unten bewusstlos vor dem Cembalo liegen. Er dreht den Mann um, der Mann lebt, jedoch ist seine Perücke vor Blut rot gefärbt. Er sieht sich um und entdeckt Blutspuren auf den Tasten des Cembalos. Er spielt das Cembalo und es ist total verstimmt. Welch´ Katastrophe für Carl, dessen Puls nun zu explodieren scheint. Er weiß nicht, was er zuerst tun soll: Hilfe für den ihm unbekannten Mann holen oder das Cembalo stimmen, schließlich geht es bald los.


    Vor den Toren des Theaters haben sich unzählige Menschen versammelt und harren der Ankunft des Königs. Da hört man lautes Hufgetrappel, eine prunkvolle Kutsche fährt herbei. Das Volk jubelt: „Es lebe der König, es lebe Friedrich!“. Der Monarch steigt unter dem Jubel der Menschen aus der Kuppel und begibt sich mit seiner Gattin und einigen wichtigen Staatsgästen zu den Stufen des Theaters und beginnt mit seiner Rede.


    Drinnen hört Carl die Rufe des Volkes nach seinem König. Er weiß er muss schnell handeln und stimmt das Cembalo in Blitztempo, während der Mann wieder zu sich kommt. Ganz benommen taumelt er hin und her und geht auf den hochkonzentrierten Carl los. Er stößt den Komponisten weg und will das Instrument zerstören. Carl kämpft mit Löwenkraft gegen den bulligen und scheinbar übermächtigen Gegner. Da ertönt eine Stimme: „Haltet ein!“ Die beiden Kampfhähne stoppen. Es ist Anna Dorothea, Carl Gemahlin. „Ich weiß, was ihr vorhabt und ich weiß auch wer euch hergeschickt hat, Signore Catralli.“ Carl stutzt: „Ihr seit Signora Catrallis Ehegemahl?“ Ihr wolltet Rache an mir nehmen, da ich ihre Arie umgeschrieben habe?“ Der Mann nickt. Carl, kurz vor einem Nervenzusammenbruch jagt ihn aus dem Saal. Da ertönt eine Frauenstimme aus dem Hintergrund. Es ist Giannina Catralli, die junge Primadonna, die auf ihren Gemahlen trifft. Carl befiehlt sie in den Saal und teilt ihr mit, dass sie auf keinen Fall auftreten werde, da er fürchet, sie könne die Premiere absichtlich verhauen.


    Da geht das Tor auf und der König mitsamt dem Hofstaat und den Besuchern das Theater. Er sieht, überraschend, Carl, die Catrallis und Anna Dorothea. Er fragt, warum sie hier seien und nicht hinter der Bühne, das Stück habe doch noch nicht angefangen. Carl bittet seinen Herrn um einige Minuten Zeit, um das Orchester zu stimmen und das Cembalo. Der König verneint und befiehlt anzufangen. Die Welt warte auf die ersten Takte der neuen königlichen Hofoper. Carl bittet dem König erneut um einige Minuten und beginnt die Vorfälle zu erklären.
    Der König lauscht ergriffen und entbindet die Catralli aus ihrem Engagement, da er von solchen Weiberlaunen nicht viel hält. „Allerdings“, so beginnt Carl ängstlich zu entgegnen, da er merkt, dass der König nun endlich Musik hören will, „habe ich nun keine Cleopatra.“ –„Doch du hast eine! Ich habe deine Partitur gelesen und es ist die schönste Musik, die ich je gehört habe. Gott allein hat dich mit dieser Gabe gesegnet, die wahre Liebe in Musik auszudrücken. Die Liebe eines Menschen zu einem anderen. Ich bin deine Cleopatra, hier und heute und für den Rest unserer Tage.“ Carl ist den Tränen nahe als er diese Worte hört und bittet den König um Erlaubnis seine Gattin als Cleopatra zu „engagieren“. Der König stimmt zu und das Volk jubelt.


    Carl bittet das Orchester herein und die Oper beginnt. Die ersten Takte in der neuen königlichen Hofoper erklingen und Carl weiß, dass er keine Angst mehr zu haben braucht. Er hat die Gnade des Königs, die Gabe der Musik und eine ihn liebende Gattin. Der Abend wird zum Erfolg.
    Nach der Vorstellung fragt er „seine Cleopatra“, wer den Gatten der Catralli so unsanft schlafen gelegt habe. Dorothea gesteht dass sie es war, sie konnte nicht zulassen, dass ihm ein Leid geschehe. Er ist leicht erzürnt über den Gewaltausbruch seiner Gattin, als ihn der König dann zu ihm ruft und ihm im Namen der anwesenden Gäste für diesen einzigartigen und unvergessenen Abend dankt, ist auch der Zorn vergessen.


    Auch ein Rätsel gefällig? Klar-dann müsst ihr mir diese drei Fragen beantworten:
    Wer ist Carl?
    Welche Stadt ist gemeint?
    Welches Theater ist gemeint?




    Kalenderblatt 7. Dezember:


    43 vor Christus: der römische Redner Cicero wird von den Häschern Marcus Antonius ermordet. Marc Anton hatte ihn vorher auf die sog. Proskriptionsliste (ähnlich der Reichsacht im Mittelalter) setzen lassen, sodass eine Ermordung rechtlich begründbar wurde. Ciceros Leichnam wurde verstümmelt durch die Straßen Roms geschleift, sein Kopf und seine Hände wurden auf dem Forum aufgestellt.
    1431: Vlad Dracul(e)a, Fürst der Wallachei wird geboren. Er sollte später die Vorlage für Bram Stokers Dracula bilden.
    1598: Gian Lorenzo Bernini, italienischer Architekt (Kolonnaden am Petersplatz) wird geboren.
    1732: Das Royal Opera House im Covent Garden wird eröffnet.
    1742: siehe Lösung :8
    1787: Delaware wird der erste Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist auch in seinem offiziellem Beinamen „The First State“ verewigt. Delaware hatte als erstes die Verfassung der Vereinigten Staaten ratifiziert.
    1801: Johann Nepomuk Nestroy wird geboren.
    1815: Michel Ney, einer der führenden Kommandeure der Bonapart´schen Truppen wird wegen Hochverrats erschossen.
    1817: William Bleigh, Kapitän der HMS Bounty, stirbt in London.
    1863: Pietro Mascagni wird geboren.
    1881: Frankfurt: Die Oper „Das Kätchen von Heilbronn“ (Carl Reinthaler) wird uraufgeführt.
    1888: John Dunlop meldet ein revolutionäres Patent an: Den Lufreifen
    1906: Elisabeth Höngen, Opernsängerin, wird geboren.
    1917: Die USA erklären der KuK Monarchie den Krieg, Deutschland erhielt die Kriegserklärung schon im April desselben Jahres.
    1941: Der amerikanische Flottenstützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii wird von den Japanern angegriffen. Damit tritt Japan in den 2. Weltkrieg ein.
    1960: Martha Argerich stirbt.
    1962: Kirsten Flagstad stirbt.
    1965: Das Schisma von 1054 wird (endlich) für ungültig erklärt.
    1972: Der „Herminator“ erblickt das Licht der Welt.
    1998: Der englische Komponist John Addison stirbt.



    Ach ja die Lösung:


    1.


    2.


    3.




    :D




    LG Joschi


    K7

  • Nach so viel Bedenkenswertem nun ein Beitrag aus der taminesk-musikalisch-textlichen Blödelecke, nämlich ein musikalisch zu denkendes Weihnachtsmärchen. Das hat natürlich weniger mit Weihnachten zu tun als damit, wann es gespielt wird - wie schon beim Original, das ersichtlich im Sommer spielt, wenn man den Abendsegen und das Geschehen danach nicht als Erfrierungsfantasie versteht.


    Zu Zeiten der Langspielplatte gab es zuweilen statt einfachen Querschnitten eigens verfasste Kurzopern, die eine Art Reader’s Digest – Fassungen der Gesamtwerke waren. Um eine solche handelt es sich hier. Für die gemeinfreie Inspiration meiner diesjährigen Weihnachtsbastelei bedanke ich mich bei Adelheid Wette und Engelbert Humperdinck. Die Bilder sind Besetzungsideen und nicht mit den von ihnen gesprochenen Texten zu identifizieren, denn jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre selbstmurmelnd reiner Zufall.


    Hensel und Gretry


    Eine Tamino-Weihnachtsoper

    Ouvertüre

    Erster Akt


    In einer ersichtlich wohlhabenden und kunstliebenden Stube sitzen die durch Generationen heraus gemendelten zwei Söhne und die einzige Tochter einer Musikerfamilie. Fanny Hensel-Mendelson sitzt am Klavier und arbeitet an einer eigenen Komposition, der ihr leicht älterer Bruder André Gretry-Mendelson skeptisch lauscht, während der deutlich jüngere Bruder (Knabensopran) Hänschen mit seinen Erinnerungen spielt. Über ihnen, und nur bei ihren kurzen Auftritten sichtbar, schweben die großen Geister der Musik.

    FANNY

    Muse, liebe Muse,

    Das klingt noch nicht so.

    Ich kann es zwar schon singen,

    Doch macht’s mich nicht froh.

    Mir fehlt das Orchester,

    Das farbiger klagt.

    Doch führt das keiner auf,

    Ja, wer da nicht..

    HÄNSCHEN

    Meine Freundin, die Gundel...

    FANNY

    ... verzagt.

    ANDRÉ (Hosenrolle)

    Weia, au weia, Das ist eine Not!

    Das sind doch keine Noten,

    Die sind mausetot.

    Die Frau soll nur singen,

    Nicht schreiben dazu.

    Doch wenn davon was gut ist,

    Schreib’ ich es mir zu.


    Fanny springt wütend auf und fängt mit ihrem Bruder eine Balgerei an, die Hänschen kräftig anfeuert. Da erscheint PURZEL, der Musikkobold, bringt die beiden auseinander und mahnt sie:

    PURZEL

    Griesgram hinaus!

    Fort aus dem Haus!

    Stör’n auch die Töne,

    Schlimme wie schöne

    Geh’n in die Beene...

    Ich mag nur eene...

    Das ist die Kleene...


    Beschämt merkt er, dass er seinen Text vergessen hat und schleicht sich davon. Seine Mahnung verfehlt deswegen ihre Wirkung, und alle drei Geschwister streiten im Terzett:

    FANNY

    Ruhe im Haus!

    Halt's nicht mehr aus.

    Immer mich plagen,

    Tadel ertragen,

    Muß ja verzagen,

    Kann's nicht vertragen! ...

    ANDRÉ

    Oh welch ein Graus!

    Halt’s nicht mehr aus.

    Immer das Klagen,

    Weibisches Fragen,

    Zögern und Zagen,

    Kann’s nicht vertragen...

    HÄNSCHEN

    Oh, welche ein Graus!

    Kipferln sind aus.

    Kann’s nicht vertragen,

    Mir knurrt der Magen

    Muss Emmy fragen

    Die kann behagen...


    Erschöpft fängt Fanny an, Tonleitern zu spielen. Ärgerlich wischt Andre ihre Hände von den Tasten und knallt den Deckel zu.

    ANDRÉ

    Jawohl, das klingt recht schön und glatt,

    Aber leider wird man davon nur matt!

    Ach Fanny, wie lang ist's doch schon her,

    Daß wir nichts Gut's gehöret mehr?

    Sonatinen und Terzenklang,

    Kaum weiß ich noch, was Gut’s man sang.

    (dem Weinen nahe)

    Ach Fanny, ich wollt'...


    Plötzlich erscheint der lustige Papa Zeno, spielt auf seiner Panflöte eine Zwölftonleiter und verzaubert alle.

    PAPA ZENO

    Griesgram hinaus!

    Fort aus dem Haus

    ALLE

    Griesgram, Griesgram, Gräulicher Wicht,

    Griesiges, grämiges Galgengesicht!

    Packe dich, trolle dich, schäbiger Wicht!


    Während die Geschwister selbstvergessen Ringelreihen tanzen, verschwindet PAPA ZENO wieder beleidigt, weil er nicht genug beachtet wird. Dafür kommt die MUTTER aus der Schlafstube. Gleich nach ihr erscheint der Hauslehrer RAMMELEAU, der sich hastig die Kleider zuknöpft. Die Kinder, die wissen, dass die Mutter nicht nur in die Barockmusik des Hauslehrers verliebt ist, sondern ihn auch unter ihren eigenen Barock lässt, müssen ein Kichern unterdrücken. Zornig versucht die Mutter davon abzulenken, dass sie sich ertappt fühlt.

    MUTTER

    Wartet, ihr ungezogenen Wichte!

    Nennt ihr das Arbeit,

    Johlen und singen?

    Wie auf der Kirmes Tanzen und springen?

    Indes die Eltern vom frühen Morgen,

    bis in die Nacht sich mühen und sorgen?


    Nur mühsam können die beiden älteren Kinder ein Prusten unterdrücken. Deshalb jagt sie die Mutter aus dem Haus, indem sie sie an den Beginn ihres Musikunterrichts anmahnt. Seufzend kommentiert RAMMELEAU:

    RAMMELEAU

    Ach, wir armen Lehrer heute!

    Keiner hört, was ich einbläute.

    Mancher Blödmann sogar mock-

    iert sich über den Barock.

    Ral la la la, Ral la la la,

    Wenn Musik, dann nur Barock!

    Ral la la la, Ral la la la,

    Wenn Musik, dann nur Barock


    Sein Lied aufgreifend, tritt der Vater auf. Dabei stimmt er in das Lied RAMMELEAUs ein, allerdings in einer kühneren Variante mit Tristan-Akkorden im Orchester. Dabei schwenkt einen dicken Klavierauszug von Richard Wagner.

    VATER

    Ral la la la, Ral la la la,

    Der liegt schon als Schrott am Dock

    Seit Lully starb an sei’m Stock.

    Ral la la la, Ral la la la,

    Heissa, Kinder, ich bin da!

    Ral la la la, Ral la la la,

    (den Klavierauszug schwenkend)

    Bringe Glück und Gloria!


    Die Kinder aber sind nicht da, nur HÄNSCHEN. Besorgt erkundigt sich der Vater nach dem Verbleib der beiden anderen. Die Mutter erzählt ihm, sie habe sie zum Musikunterricht ans Konservatorium geschickt. Sie hätten nämlich heute ihre erste Stunde bei dem Leiter der Akademie am Ilsenstein.

    VATER (entsetzt)

    Am Ilsenstein! Ei, juckt dich das Fell?

    Wenn sie sich verirrten im Walde dort,

    Kein Stern' und Mond ist des Nachts am Ort!

    MUTTER

    O Himmel!

    VATER

    Kennst du nicht den schauerlich düster'n Ort,

    Weißt nicht, dass dort der Böse wohnt?

    MUTTER Der Böse? Wen meinst du?

    VATER

    Den Logarit

    MUTTER

    Der Logarit!?


    Der Vater nimmt einen Abacus zur Hand.

    MUTTER

    Nein! Sag' doch, was soll denn das Rechenspiel?

    VATER

    Der Abacus, Der Abacus,

    Was macht man damit,

    Was macht man damit?

    Es rechnen drauf,

    Es rechnen drauf die Rächner!

    Der Logarit haust tief im Wald,

    Von Adam dem Riesen hat er Gewalt.

    Um Mitternacht, wenn niemand wacht,

    Dann rechnet er Logarythmen aus!

    Macht Klänge daraus,

    Auf dem Rechner, o Graus.

    Und auf Stab um Stab

    Reiht er, bleich wie ein Grab

    Talente in Rudeln,

    Die macht er zu Kugeln

    Mit Terzen zum Herzen

    Und süß harten Quarten.

    MUTTER

    Entsetzlich!

    Doch der Logarit?

    VATER

    Ja, bei Tag, o Graus,

    Ins Zahlenhaus

    Des tonal melodischen Überbaus,

    Die Kinderlein, Armsünderlein,

    mit süßen Klängen lockt er sie rein!

    Dann, übel gesinnt,

    Ergreift er geschwind

    Das arme schon beinah ertaubte Kind.

    Ihm gellen die Ohren,

    Es krümmt sich: geboren

    Wird rasch ein Kügelchen

    Und damit rechnet im Stübelchen

    Der Logarit Logarhythmen aus,

    Die unser aller Ohren Graus.

    MUTTER

    Und die kugligen Kinder?

    VATER

    Nicht mehr mit zu rechnen!

    MUTTER

    Ertaubt der Musik?

    VATER

    Ertaubt der Musik!

    MUTTER (händeringend)

    O Graus! Hilf Himmel! Die Kinder!

    Ich halt's nicht mehr aus!

    (läuft aus dem Haus)

    VATER (nimmt die Stimmgabel vom Tisch)

    He, Alte, wart doch! Nimm mich mit!

    Wir wollen ja beide zu Logas Ritt!


    Besorgt eilt der Vater der Mutter hinterher.

    VORHANG

    ZWEITER AKT

    Orchestervorspiel

    Logaritt


    Fanny und Andre kommen auf die Lichtung, ihre Instrumente spielend. Mit zwei Klöppeln gibt Fanny die Töne auf ihrem Xylophon mit elfenbeinernen Klangkörpern vor, die André auf seiner Violine umspielt.

    FANNY

    Ein Tönlein steht im Walde von Elfenbein,

    Es klingt noch etwas einsam und ganz allein.

    Lass das Männlein nicht allein,

    Gebt ihm noch zwei Töne drein

    Mit dem perlend weißen Elfenbein.


    In diesem Augenblick ertönt der Ruf eines Krauskopfes.

    KRAUSKOPF

    Krauskopf, Kopf kraus, Ei der Daus!

    FANNY

    Krauskopf, Kopf kraus, Ei der Daus!

    ANDRÉ

    Mach sie mich mit dem Kraus nicht schwach,

    Dann lieber Mozart oder Bach.


    Der Krauskopf ruft abermals. Es beginnt zu dämmern. Andre ruft ärgerlich zurück.

    ANDRÉ

    Mozart! So zart! Oder Bach!

    FANNY (trotzig)

    Krauskopf, Kopf kraus!

    ANDRE

    Kommen schwarze Kinder raus!


    Sie werden immer übermütiger und raufen. Dabei schlägt Andre Fanny seine Violine auf den Kopf. Die bekommt einen Knacks.

    FANNY

    André, was hast du getan?

    O Himmel!

    Worauf willst Du jetzt spielen, du Lümmel!

    Wart nur, das gibt ein Strafgericht!

    Denn die Mutter, die spaßt heute nicht!

    ANDRE

    Ei was, stell dich doch nicht so an!

    Dein Dickkopf hat das ja selber getan!

    FANNY

    Komm, wir müssen zum Ilsenstein!

    ANDRE

    Im Dunkeln wohl gar,

    Wie soll’n wir den suchen?

    Man sieht ja kein Fußbreit

    Vom Wege mehr!

    Es wird schon dunkel ringsumher!

    FANNY

    Ach André, André, was fangen wir an?

    Was haben wir törichten Kinder getan!

    Wir durften hier nicht so lange säumen!

    ANDRE

    Ich seh keinen Wald vor lauter Bäumen!

    (Er späht unruhig umher.)

    Fanny, ich weiß den Weg nicht mehr!

    FANNY

    O Gott, was sagst du?

    Den Weg nicht mehr?

    ANDRE

    Fanny, du musst beherzter sein!

    Wart, ich will einmal tüchtig schrei'n!

    (Er ruft durch die hohlen Hände.)

    Wer da?

    ECHO

    Erda!


    Die Kinder schmiegen sich erschrocken aneinander.

    FANNY

    Wer wallt denn da?

    ECHO

    Walhalla!


    Die Kinder schaudern zusammen. Die an den Walkürenritt gemahnende Musik zu Hernes wilder Jagd erklingt, immer wieder unterbrochen durch einen Tritonus.

    FANNY

    Schon grellt der gleiße Tritonus

    Hör’ wie er klingt und droht am Schluss!

    Er kommt schon, er kommt schon.

    Jetzt fasst er mich an.

    Tritonus hat mir ein Leid getan!


    Sie beginnt zu schreien und hält sich entsetzt die Ohren zu. Andre ist schon ernsthaft besorgt, da sieht er einen freundlichen Hund auf die Lichtung trotten. Es ist der weise Dackel Waldmann.

    ANDRE

    Sieh dort das Tierchen, Schwesterlein!

    Was mag das für ein Wesen sein?

    Zweite Szene


    WALDMANN nähert sich mit freundlichem Kopfnicken und Schwanzwedeln den Kindern, die sich allmählich beruhigen. Dann beginnt er, in einem Erdloch zu graben und schleudert ihnen dabei Sand in die Augen.

    WALDMANN

    Der kleine Waldmann bin ich, s-t!

    Euch Kleine lieb' ich innig, s-t!

    Streu’ dieser Grube Körnelein

    Euch Müden in die Äugelein;

    Die fallen dann von selber zu,

    Damit ihr schlaft in sanfter Ruh'!

    Drum träumet, träumet, Kindchen, träumet,

    Ungern mir’s an den Lefzen schäumet.

    Und unterlasst die Quengelei’n

    Gar holde Träume bringen dann Engelein!


    Er wackelt ab, nachdem er sich überzeugt hat, dass die Kinder am Einschlafen sind, weil sie vor lauter Müdigkeit nicht einmal mehr auf seine feuchte Zunge reagieren.

    ANDRÉ (schlaftrunken)

    Waldmann war da!

    FANNY(ebenso)

    Lass uns den Abendsegen beten!


    Sie knien nieder und falten die Hände.

    BEIDE

    Abends, wenn man Schafe zählt

    Stets ein schwarzes dumm mich quält:

    Mal zu meinen Häupten,

    Mal zu meinen Füßen,

    Mal zu meiner Rechten,

    Mal zu meiner Linken,

    Mal tut es aus der Ferne winken,

    Ach schwarzes Schaf, hör auf zu st...


    Sie sinken ins Moos zurück und schlummern, Arm in Arm verschlungen, alsbald ein. Völlige Dunkelheit.

    Dritte Szene

    Traumpantomime


    Plötzlich dringt von oben her ein heller Schein durch den Nebel, der sich wolkenförmig zusammenballt und die Gestalt einer zur Mitte der Bühne herabführenden Treppe annimmt. Man sieht den Traum der Kinder, in dem Palestrina von den verstorbenen Meistern der Tonkunst die Weihen der Musik empfängt. Ihnen schließen sich nacheinander in stummer Prozession Bach, Mozart und mit einem großen Hörgerät Beethoven an. Schließlich folgt Wagner im Gewand eines Hohepriesters. Er hält sich die blutende Seite. Die Komponisten, die schon einen Kreis um die Kinder geschlossen haben, öffnen ihn ehrfürchtig und vokalisieren das Vorspiel zu PARSIFAL. Bach, Mozart, Beethoven und Wagner treten in den Kreis und legen ihren Hände auf beider Häupter.

    WAGNER (sächselnd)

    Seid mild und leise...

    MOZART (weanerisch)

    ... wie er lächelt.

    Dem Bäsle besser

    Man Luft zufächelt.


    Er lässt einen fahren. Die Komponisten blicken ihn streng an.

    FANNY und ANDRÉ (im Schlaf)

    Ach, welch ein Augenblick.

    Die Töne kann ich fühlen.

    Sie sind so alt und doch so neu.

    Wie sehr ich der Musik mich freu’.

    DIE KOMPONISTEN

    Ja, liebe Kinder, gebt fein Acht.

    Wir haben sie Euch mitgebracht.

    VORHANG


    Der dritte Akt folgt später - oder auch nicht.


    :hello: Jacques Persiflagius J 15

  • 9ter Dezember ~ 9tes Türchen



    [Essen, Trinken das erhält] KV 234 / 382 e
    Kanon (C.G. Breitkopf)


    [Essen, Trinken, das erhält den Leib;
    's ist doch mein liebster Zeitvertreib,
    das Essen und Trinken!
    Labt mich Speis und Trank nicht mehr,
    dann ade, dann Welt, gute Nacht]


    So ein Brätchen, ein Pastetchen!
    Ach! Wenn die an meinem Gaumen winken,
    Dann ist mein Tag vollbracht!


    Ach! Und wenn im lieben Gläschen
    Sorg und Gram darniedersinken,
    dann aller Welt dann gute Nacht!


    ***


    "Dich erwarten Freude und Entzücken..."


    Mousse von Kürbiskernoel mit Riesengarnelen,
    Räucherlachs und Crema di Balsamico






    "LA FINTA GIARDINIERA"


    Feldsalatcremsüppchen mit weißem Löwenzahnsalat und Veilchen







    "Das ist der Teufel sicherlich"


    Krokodil an Schokolade~Chilisauce, dazu Polenta und Maiskolbenscheibchen






    "Dies Bildnis ist bezaubernd schön..."


    Mit Wildfarce gefüllte Entenkeule






    "Der Liebe himmlisches Gefühl"


    Zitronengras~Kokos~Panna Cotta







    "Auf das Wohl aller Freunde"




    Wir wünschen Euch eine besinnliche, genußvolle Advent(s)zeit!


    Bettina und Wilfried



    W24

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • 10. Dezember - 10. Türchen


    Von drauß’ vom Walde ...


    Der Student Nikolaus W. hat sich beim Arbeitsamt als Weihnachtsmann verdingt. Am „Heiligabend“ geht’s los. Der Einsatzplan ist klar.


    Vor dem Haus der ersten Familie wartet schon der Papa, überreicht Geschenke – und gibt Hinweise zur Bescherung. Dann poltert Nikolaus die Treppe hoch, schwingt die Schelle und eröffnet den beiden Kindern: „Von drauß’ vom Walde komm ich her!“ Gedichte, Ermahnungen, Lob und Lohn. „Ein Schnäpschen gefällig?“ bietet die Dame des Hauses an. Nikolaus gießt sich gleich zwei hinter den Umhängebart.


    Drei Straßen weiter das gleiche. „Von drauß’ vom Walde komm ich her, ich muß Euch sagen, es weihnachtet sehr.“ Große Kinderaugen, huldvolles Streicheln über gescheiteltes Haar. „Darf’s noch ein Cognac sein?“ Nikolaus nickt.


    Nur ein paar Häuser weiter stolpert Nikolaus dem Hausherrn in die Arme: „Tschuldigung!“ Zu den Kindern gewandt: „Also von drauß’ vom Walde, da komm ich also her, und ich muß Euch sagen, dass es sehr weihnachtet!“ Der kleine Hosenmatz: „Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich nicht so böse an!“ Nikolaus mault: „Ich schau doch gar nicht böse, Mensch!“ Einen guten alten Whisky habe man noch, meint der Vater. Nikolaus hebt den Bart, damit er trifft.


    Vierte Familie! „Von drauß’, vom Dings, vom Walde, komm ich also her, Du!“ Er schaut in seinem goldenen Buch nach, findet nichts, fasst den kleinen Buben unsicher ins Auge, gerät sichtbar ins Schwanken, muß sich an der Mutter festhalten. „Ham Sie nich mal’n Schnaps?“ Und fährt mühsam fort: „Ich muß Euch verdammt nochmal sagen: Es weih..., es weihnn..., es ist scheißkalt da draußen!“


    Die fünfte Einsatzfamilie bleibt heuer ohne ihren Weihnachtsmann; Nikolaus pennt auf dem Sofa der Familie Nummer vier. :hahahaha:


    Merke: Nicht jeder große Nikolaus – hält viele kleine Schnäpschen aus! :pfeif:



    Schöne Advents- und Weihnachtstage für Euch alle!

  • Dresden im Advent zwischen Striezelmarkt und musikalischem Adventskalenderr:


    Da Dresden für viele hier im Forum doch scheinbar eher außerhalb ihres Wirkungskreises liegt, habe ich mich entschlossen, für mein Adventstürchen etwas aus der Region zu erzählen.
    (Es bleibt natürlich schwierig für mich einzuschätzen, inwieweit diese Sachen hier auch schon außerhalb bekannt oder verbreitet sind)


    Dresden hat einen Weihnachtsmarkt, wie wohl heute fast jede Stadt. Ja, heute. Doch dieser hier, der Striezelmarkt, gilt als ältester in Deutschland (worauf Dresden unheimlich stolz zu sein scheint...) Wobei „ältester in Deutschland“ erstmal nur heißt: das man halt den ältesten Beweis besitzt.


    Ein Dokument aus dem Jahre 1434 belegt: für die Dauer eines Jahres die Abhaltung eines freien Marktes in jeder Woche an einem beliebigen Tag, eingeschlossen ein freier Markt am heiligen Abend. Bewilligt wurde dieses durch Kurfürst Friedrich II. und seinen Bruder Herzog Sigmund.
    Dieses Marktrecht bezog sich auf einen Fleischermarkt, der den Fleischbedarf der Bürger nach der vorweihnachtlichen Fastenzeit deckte. Nach und nach kamen dann auch andere Waren hinzu, wie zum Beispiel Bäckerwaren. So auch besonders das Backwerk mit dem Namen „Christbrot“ oder „Stollen“.
    Und um 1500 ging der Markt als "Striezelmontag" in die Stadtgeschichte ein, da er immer am Montag vor Christfest gehalten wurde.
    Die Bezeichnung Striezelmarkt rührt von einer älteren Bezeichnung für (Weihnachts)-Stollen her. Allerdings sagt auch hier heute niemand mehr „Striezel“ zu diesem Weihnachtsgebäck.
    (Ob die Unterscheidung in „Flüster- , Sprech- und Schreistollen“ auch nur regional geführt wird , weiß ich nicht, jedenfalls bezeichnet diese hier die Rosinendichte, d.h. die Form der Kommunkaktion, welche die Rosinen zur Unterhaltung im Gebäck wählen müssen...)


    Später wurde dann der Markt auf eine ganze Woche ausgedehnt. Und gerade ab dem 19. Jahrhundert ist so manches schriftliche oder bildliche Zeugnis über den Striezelmarkt vorhanden.
    Doch welchen Charme dieser Markt vielleicht früher einmal besessen hat, heute ist davon für mich nur noch wenig zu spüren.
    Wie wohl in vielen anderen Städten auch, lässt die Mischung aus lautem Lautsprechergedudel, Rummelplatz, Fressbuden und Ramschläden bei mir nur noch wenig weihnachtliche Stimmung aufkommen.
    Sicher ist das nur eine Seite, es gibt noch einige schöne Stände, und manches Jahr trifft man sich dort noch mit Freunden um gemeinsam Glühwein zu trinken. Aber wenn nicht- auch gut!
    Dabei mag auch die Kulisse aus stalinistischer Wohnbauten (1950er Jahre) , Kulturpalast-Zweckbau (1960er Jahre) und Kaufhaus- Investorenbau (1990er Jahre) dazu beitragen, wenn es einem wenig weihnachtlich wird (wobei ich den Altmarkt als städtebauliches Ensembles durchaus reizvoll finde)



    (zugegeben: mit Schnee und „Lichterstimmung“ sieht das noch etwas anders aus, aber ich hatte jetzt nur diese Foto aus dem Jahr 2005 zur Verfügung)


    Natürlich gibt es eine ganze Reihe weitere kleinere Weihnachtsmärkte in der Stadt, welche (zum Teil) reizvoller sind, doch möchte ich noch von einer anderen Sache berichten, die mir immer wieder die weihnachtliche Freude von Vorfreude, Überraschung und herzlicher Stimmung gebracht hat: dem musikalischen Weihnachtskalender.


    Wobei die musikalische Seite sich hier eher auf populäre Musik bezieht.
    Dieser Weihnachtskalender findet dieses Jahr hier zum fünften Mal statt.
    Organisiert wird er von dem Verein „Dresdner Stadtmusikanten“.
    Die Idee ist so simpel, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass es so etwas nur hier gibt.
    Es befindet sich an jedem Tag vom 1.-24. Dezember hinter einer (realen) Tür in der (Neu)-Stadt eine musikalische Überraschung.
    Dafür beginnt der Verein gegen Ende des Sommers mit der Suche nach geeigneten Orten (auch in unserem Hausflur hing ein Plakat als Anfrage, doch leider sind unsere Vermieter für solche Aktivitäten wohl nicht zu haben). Später, wenn die Türchen bereits verteilt sind, können sich dann Musiker um eine Teilnahme bewerben.
    Und ein oder zwei Tage vor dem ersten Dezember (nachdem vermutlich schon viel Arbeit hinter verschlossenen Türen gemacht wurde) prangt dann an 24 Haustüren eine große Zahl, die ankündigt, wann es hier eine Überraschung geben wird.



    (Ich weiß, ich weiß, ich hätte die 11 suchen müssen, aber...)


    Die entsprechenden Türchen werden dann jeden Tag um 19:00 geöffnet.
    Dazu sammeln sich meist etwa eine Viertelstunde vor Beginn die ersten Zuhörer vor dem Türchen (Organisatoren und Musiker sind sicher schon eher da). Um die Wartezeit zu überbrücken und mögliche Kälte zu verjagen gibt es Glühwein, mit einer kleinen Spende für die Musiker.
    Und wenn sich dann um 19 Uhr die Türen öffnen, haben sich meist schon hundert Menschen versammelt, die gespannt warten, was sie gleich zu hören und zu sehen bekommen:
    mal ist es eine Big-Band, mal ein Vocal-Group, oder mal ein Sänger mit Gitarre... alles ist möglich und es gibt immer viel Abwechslung.
    Meist wächst dann die Zahl der Zuhörer während der ca. 20 minütigen Musikeinlage noch auf 200- 250 Menschen an.
    Außer denen, die wohl zu spät kommen, sind es sicher immer auch viele die einfach gerade vorbeikommen oder von der Musik aus der Nähe angelockt wurden...
    Und so geht es auch mir oft, denn ich bin nicht unbedingt jemand, der Tag für Tag dem Kalender folgt. Aber da ich dort wohne, wo die meisten Türchen zu finden sind, kommt man oft zufällig vorbei- und genau das hat für mich den besonderen Charme dieser Veranstaltung. Wenn man gegen 19 Uhr gerade noch schnell mal zum Bäcker oder Kopiershop laufen will, und plötzlich auf eine solches kleines Konzert stößt, freue ich mich jedes Mal besonders über diese schöne Überraschung.
    Auch wenn die Qualität der Darbietungen sehr wechselhaft ist: egal! Immer ist es echte handgemachte Musik von begeisterten Musikern, und die Zuhörer (sicher auch immer Freunde der Musiker) danken es auch reichlich.












    In diesem Sinne wünsche ich allen Taminos und Paminas viele unerwartete musikalische Begegnungen, die sich hinter einer Tür verbergen, die sich plötzlich für Euch öffnet - nicht nur in einer besinnliche Adventszeit.


    pt_concours
    S11

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Ähnlichkeiten in der nachstehenden Geschichte mit dem wahren Leben sind zufällig und nicht gewünscht !



    Weihnachten kommt immer so überraschend
    Wie sich im Internet gezeigt hat, heißt das Weihnachten 2008 nicht mehr Weihnachten, sondern X-mas, also muss der Weihnachtsmann auch X-man sein! Spätestens ab März war es höchste Zeit, mit den Weihnachtsvorbereitungen zu beginnen. Verzeihung: das diesjährige Weihnachts-Roll-Out zu starten und die Christmas-Mailing-Aktion just in Time vorzubereiten. Hinweis: Die Kick-Off-Veranstaltung (früher 1. Advent) für die diesjährige SANCROS (SANta Claus Road Show) fand bereits am 29. November statt. Daher wurde das offizielle Come-Together des Organizing Committees unter Vorsitz des CIO (Christmas Illumination Officer) schon am 6. Januar 2008 abgehalten.


    Erstmals haben wir ein Projektstaus-Meeting vorgeschaltet, bei dem eine in Workshops entwickelte „To-Do-Liste“ und einheitliche Job Descriptions erstellt wurden. Dadurch sollen klare Verantwortungsbereiche, eine powervolle Performance des Kundenevents und optimierte Geschenk-Allokation geschaffen werden, was wiederum den Service Level erhöht und außerdem hilft, „X-mas“ als Brandname global zu implementieren. Dieses Meeting diente zugleich dazu, mit dem Co-Head Global Christmas Markets (Knecht Ruprecht) die Ablauf-Organisation abzustimmen, die Geschenk-Distribution an die zuständigen Private-Schenking-Centers sicherzustellen und die Zielgruppen klar zu definieren. Erstmals sollen auch so genannte Geschenk-Units über das Internet angeboten werden.


    Die Service-Provider (Engel, Elfen und Rentiere) wurden bereits via Conference Call virtuell informiert und die Core-Competences vergeben. Ein Bündel von Incentives und ein separater Team-Building-Event an geeigneter Location sollen den Motivationslevel erhöhen und gleichzeitig helfen, eine einheitliche Corporate Culture samt Identity zu entwickeln. Der Vorschlag, jedem Engel einen Coach zur Seite zu stellen, wurde aus Budgetgründen zunächst gecancelt. Stattdessen wurde auf einer zusätzlichen Client Management Conference beschlossen, in einem Testbezirk als Pilotprojekt eine Hotline (0,35 Ct/Minute) für kurzfristige Weihnachtswünsche einzurichten, um den Added Value für die Beschenkten zu erhöhen.


    Durch ein ausgeklügeltes Management Information System (MISt) ist auch Benchmark-orientiertes Controlling für jedes Private-Schenking-Center möglich. Nachdem ein neues Literatur-Konzept und das Layout-Format von externen Consultants definiert wurde, konnte auch schon das diesjährige Goldene Buch (Golden Book Release 00.1) erstellt werden. Es erscheint als Flyer, ergänzt um ein Leaflet und einen Newsletter für das laufende Updating.


    Hochauflagige Low-cost-Giveaways dienen zudem als Teaser und flankierende Marketingmaßnahme. Ferner wurde durch intensives Brainstorming ein Konsens über das Mission Statement gefunden. Es lautet: „Lets Keep the Candles Burning“ und ersetzt das bisherige „Frohe Weihnachten“. Santa Claus hatte zwar anfangs Bedenken angesichts des Corporate-Redesigns, akzeptierte aber letztlich den progressiven Consulting-Ansatz und würdigte das Know-how seiner Investor-Relations-Manager.


    _________________________________________


    Passend zu meinem Brotberuf habe ich im Internet auch diese Variante eines alten Weihnachtsliedes gefunden:



    Weihnachten fällt aus - wegen des Finanzamts!


    Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen,
    es war beim Finanzamt zu betteln und fleh'n.
    Denn das Finanzamt ist gerecht und teuer,
    verlangt vom Christkind die Einkommensteuer.


    Das Amt will noch wissen, ob es angehen kann,
    dass das Christkind so viel verschenken kann.
    Das Finanzamt hat noch nicht kapiert,
    wovon das Christkind dies finanziert.


    Das Christkind rief: "Die Zwerge stellen die Geschenke her",
    da wollte das Finanzamt wissen, wo die Lohnsteuer wär.
    Für den Wareneinkauf müsst' es Quittungen geben,
    und die Erlöse wären anzugeben.


    "Ich verschenke das Spielzeug an Kinder", wollt' das Christkind sich wehren,
    dann wäre die Frage der Finanzierung zu klären.
    Sollte das Christkind vielleicht Kapitalvermögen haben,
    wäre dies jetzt besser zu sagen.


    "Meine Zwerge besorgen die Teile
    und basteln die vielen Geschenke in Eile".
    Das Finanzamt fragte wie verwandelt,
    ob es sich um innergemeinschaftliche Erwerbe handelt.


    Oder kämen die Gelder - das wäre ein besonderer Reiz -
    von einem illegalen Spendenkonto aus der Schweiz.
    "Ich bin doch das Christkind, ich brauche kein Geld,
    ich beschenke die Kinder in der ganzen Welt."


    "Aus allen Ländern kommen die Sachen,
    mit denen wir die Kinder glücklich machen."
    Dieses wäre ja wohl nicht geheuer,
    denn da fehle nun die Einfuhrumsatzsteuer.


    Das Finanzamt - von diesen Sachen keine Ahnung,
    meinte, dies wäre ein Fall für die Steuerfahndung.


    Mit diesen Tatsachen, welch ein Graus,
    fällt Weihnachten dieses Jahr wohl aus.
    Denn das Finanzamt sieht es so nicht ein
    und entzieht dem Christkind den Gewerbeschein.



    In diesem Sinne: FRÖHLICHE WEIHNACHTEN und noch erfolgreiche X-mas Preparations !


    Michael 2, bekannt auch als Brundello

  • Weihnachten bei Theodor Storm
    Von Gertrud Storm (1865-1936)


    Unser Vater war ein echter, rechter Weihnachtsmann, er wusste jedes Fest erst recht zu einem Feste zu gestalten. Den ganzen Zauber der Weihnacht seiner Kindheit wusste er in unsere Weihnacht zu übertragen. Und so feiern auch wir, seine Kinder, unsere Weihnachtsfeste ganz im Sinne unseres Vaters. Der Weihnachtsbaum wird genau so geschmückt, wie er einst von ihm geschmückt wurde, die Kuchen nach den althergebrachten Familienrezepten gebacken, wie sie schon sein Kinderherz entzückten.


    Wenn das alte, liebe Weihnachtsfest wieder naht und ich mich in eine rechte Weihnachtsstimmung versetzen will, setze ich mich in der Dämmerung in einen tiefen Lehnstuhl. Von draussen wirft die Laterne traulich ein mattes Licht durch die Fenster. Ich schliesse die Augen und bald bin ich daheim in unserem grossen alten Hause in Husum in der Wasserreihe. Meine Geschwister und ich, wir sind wieder Kinder.


    Es wird wieder einmal Weihnachten, und wir Kinder leben in goldenen Träumen, bis das im Leben so seltene Wunder eintritt, dass diese Träume in dem brennenden Weihnachtsbaum verkörpert vor uns stehen. Draussen auf den stillen Wegen des Gartens, den Sträuchern und alten Bäumen, liegt glitzernder Schnee. Im ganzen Haus duftet es nach Tannen und braunen Weihnachtskuchen. Feststimmung guckt schon aus allen Ecken, wie eine Ahnung vom Weihnachtsabend.


    Es weihnachtet sehr - die Heimlichkeiten wachsen mit jedem Tage. Vater schliesst sich immer häufiger in seiner Studierstube ein; und wir Kinder, die wir um die Zeit der heiligen Weihnacht gerne an den Türen lauschen, hören ihn die Tür des Nussbaumschrankes öffnen und leise wieder schliessen. Dieser Nussbauschrank birgt in seinem innern alle Geheimnisse und Wunder fürs Weihnachtsfest. In einem unbewachten Augenblick treten wir doch ins Zimmer. Vater schliesst schnell den Schrank, dann nimmt er uns in seine Arme, macht ein geheimnisvolles Gesicht, sieht uns innig an und sagt mit leiser Stimme nur das eine Wort "Weihnachten".


    In der Essstube ist grosses Kuchenbacken. Unsere Mutter und die Mädchen stehen mit aufgekrempelten Ärmeln. Sie rollen weissen und braunen Kuchenteig aus, der in grossen Steintöpfen um den Ofen herum steht. Grosse schwarze Platten stehen bereit, die verschieden geformten Kuchen aufzunehmen, die dann von den Mädchen zum Bäcker getragen werden. Auch wir Kinder haben unseren Teil bekommen. Wir stehen an unserem kleinen Kindertisch, ein weisses Nachthemd über unsere Kleider, ein gezipfeltes Taschentuch auf dem Kopfe. Jedes von uns hat ein Klümpchen weissen, oder braunen Kuchenteig vor sich, der bald unter unseren geschäftigen kleinen Händen in die wunderbarsten Dinge gewandelt wird. Die Tür öffnet sich und unser Vater tritt mit dem freundlichsten Leuchten seiner blauen Poetenaugen ins Zimmer.


    "Ihr seid ja alle gewaltig in der Fabrik", neckt er und bewundert unsere herrlichen Schöpfungen, von denen man meistens nicht zu erkennen vermag, was sie vorstellen sollen. Es beginnt nun ein heimliches Geflüster zwischen Vater und uns, und es gelingt uns, Vater einige kleine Weihnachtsüberraschungen verraten zu lassen, was unsere Freude am Weihnachtsabend keineswegs verringert. "Morgen wollen wir vergolden und Netze schneiden", spricht Vater verheissungsvoll.


    Wenn wir in ein bestimmtes Alter gekommen waren, durften wir vergolden helfen und Netze schneiden. Die langen, schmalen Streifen Rauschgold wurden freilich nur von unserem Vater, mit seiner grossen, alten Papierschere geschnitten. - Morgen ist heute geworden und Vater nimmt uns mit in seine Studierstube. Die dunkle Holztäfelung der Decke, die tiefrote, behagliche Färbung der Wände, an denen rings herum Bücherregale laufen, und über dem Tische die helle leuchtende Lampe schauen uns behaglich und gar verheissungsvoll an. Auf dem Tisch ausgebreitet liegen Nüsse, Tannenzapfen, Eier und Schaumgold. Wir setzen uns alle um den Tisch und beginnen nach Vaters Anordnung Watte in Eiweiss zu tauchen, mit der wir vorsichtig die Nüsse und Tannenzapfen betupfen.


    Dann wird ein Stück Schaumgold auf die befeuchtete Stelle gelegt und vorsichtig mit Watte abgetupft. Nun werden zwölf Netze vom feinsten weissen Konzeptpapier geschnitten. Uns Kindern klopft das Herz dabei: "Wenn wir nun die Spitzen abschneiden!" In die Netze kommen grosse, viereckige Zuckerl, die wir altem Herkommen gemäss in farbige Papiere wickeln, die durchaus die Farben: Grün, Gold und Hausrot haben müssen.


    Auf diese Netze, in denen schon seine Kinderträume hingen, legte unser Vater besonderen Wert. Wer von uns zum ersten Male in seinem kleinen Leben ein solches wunderbares Netz tadellos ausgeführt hatte, kam sich vor, als sei er nun erst ein fertiger Mensch geworden. Die weissen Netze sind geschnitten und tadellos zu unseres Vaters innigster Befriedigung ausgefallen. Goldene Nüsse, Eier und Tannenzapfen heben sich leuchtend von der dunklen Tischplatte ab. Wir Kinder stehen ermüdet auf und wollen zu Bett gehen. Vater tritt ans Fenster, öffnet weit beide Flügel - Der Mond scheint, und wir Kinder sehen deutlich zwischen Vaters ausgebreiteten Armen in den beschneiten Garten. Da spricht Vater mit leiser, wie von Musik getragener Stimme:


    "Mondbeglänzte Zaubernacht,
    die den Sinn gefangenhält,
    wunderbare Märchenwelt,
    steig' auf in der alten Pracht!"


    Wir gehen still und nehmen den Zauber dieser Stimmung mit in unsere Träume, aus denen wir mit dem seligen Bewusstsein erwachen: "Heute ist er, der heilige Abend." Nun beginnt ein buntes Treiben im Hause. Vater trägt alle seine Schätze selbst ins Weihnachtszimmer, in dem die zwölf Fuss hohe Tanne schon ihres Schmuckes wartet. Wir Kinder schmücken in unserer Kinderstube ein kleines, bescheidenes Bäumchen für arme Kinder. Wir haben ihn von unserem eigenen Gelde erstanden. Vater und Mutter schliessen sich unten ins grosse Wohnzimmer ein, gleich wenn man in den Flur tritt links, und der Märchenbaum fängt an sich zu entfalten. Die Brüder Hans und Ernst kommen heim und Karl, unser stiller Musikant. Heute muss Vater alle seine Kinder um sich versammelt haben, um ein rechtes Weihnachtfestgefühl zu empfinden. Die Fenster der Weihnachtsstube sind dicht verhangen, die vielen Türen, die ins Reich der Weihnachtswunder führen, verschlossen. Wir schleichen an die Fenster und knien vor den Türen. Meine jüngste Schwester, Dodo, hat ein besonderes Talent, mit unserer Mutter, verborgen in den Falten ihres Kleides, in die Weihnachtsstube zu schlüpfen.


    Vom frühen Morgen an kommen Scharen von Kindern, die von Haus zu Haus ziehen und im Flur ihre hellen Kinderstimmen ertönen lassen: "Vorn Himmel hoch, da komm' ich her". Ein grosser Korb mit Wasserkringeln steht schon bereit, mit denen die kleinen Sänger belohnt werden. Mittags wird nach althergebrachter Sitte Kaffee getrunken und Butterbrot gegessen. Der Kaffeekanne entströmt an diesem Tage ein wundersamer Duft, so duftet er nur einmal im Jahr; und die Butterbrote schmecken uns wie der schönste Kuchen. Am Nachmittag waren wir Kinder, jedes ein Körbchen am Arm, ins Kloster St. Jürgen. Wir wollen zwei alte Grosstanten dort bescheren, "Tante Anna und Tante Christine". Tante Anna wird von uns bevorzugt. In ihrem kleinen, behaglichen Altjungfemstübchen liegen wir schliesslich auf der Erde vorm offenen Ofen und schauen in die rote Glut der verglimmenden Kohlen. Die liebe alte Tante sitzt im alten Lehnstuhl neben uns, ihr feines altes Gesicht von einer weissen Spitzenhaube umrahmt. Sie erzählt uns altmodische Kindergeschichten, an die sich immer eine Moral knüpft. Wir hören und werfen die Schalen in die rote Glut aufmerksam zu, knacken dabei Nüsse und das knistert so schön. - So vergeht die Zeit - vom Kirchturm drüben schlägt es halb fünf. Tante Anna hüllt uns sorgsam in unsere warmen Mäntel und Kapuzen und fort geht es.


    Auf den Strassen liegt tiefe Dämmerung, der Schnee knirscht unter unseren Füssen. Schwärme von Kindern begegnen uns, hier und dort dringt aus einer geöffneten Haustür Gesang zu uns heraus. Wir fassen uns an den Händen und laufen und kommen atemlos heim. Im Flur bleiben wir stehen und singen, als gehörten wir zu den Sängern. Die Köchin kommt aus der Küche gelaufen mit den üblichen Wasserkringeln. Sie jagt uns lachend und scheltend in die Kinderstube.


    Wir werden nun festlich geschmückt und gehen dann in die Studierstube unseres Vaters, wo wir schon unsere Grossmutter mit ihrer getreuen Lebensgefährtin, von uns "Tante Tine" genannt, und zwei alte Freunde des Hauses in behaglichem Geplauder vorfinden.


    Seit dem Tode unseres Grossvaters schaut Grossmutter unserer Bescherung zu. Grossvater war zwar niemals bei der Bescherung zugegen, aber wir wussten doch, er sass behaglich in seinem Kontor und freute sich über die kleinen Sendungen an Geld und Lebensmitteln - meistens Rauchfleisch - die er von dort aus an Kinder und Schwiegerkinder gespendet hatte. Nun auch er in das Land der Vergangenheit gegangen ist, lässt die bunte Kinderfreude diesen Abend der Erinnerung sanft für unsere alte Grossmutter vorübergehen.


    Endlich ertönt der Klang der silbernen Glocke. Wir stürzen die Treppe hinunter, die Flügeltüren fliegen auf, wir treten ein, jung und alt. Ein starker Duft von Tannen, brennenden Lichtern und braunen Weihnachtskuchen schlägt uns entgegen - und da steht er, der brennende Baum, im vollen Lichterglanz! Ich will ihn mit meines Vaters eigenen Worten schildern: "Mit seinen Flittergoldfähnchen, seinen weissen Netzen und goldenen Eiern, die wie Kinderträume in den dunklen Zweigen hängen." - Oder wie er in einem Brief an Freund Keller geschildert wird: Der goldene Märchenzweig, dito die Traubenbüschel des Erlensamens und grosse Fichtenzapfen, an denen lebensgrosse Kreuzschnäbel von Papiermaché sich anklammern, Rotkehlchen sitzen und fliegen in dem Tannengrün, und eines sitzt und singt bei seinem Nest mit Eiern. Feine weisse Netze, deren Inhalt sorgsam in Gold und andere in Lichtfarben gewählte Papiere gewickelt ist."


    Der Märchenzweig ist eine Erfindung meines Bruders Ernst. Ein grosser Lärchenzweig ist ganz vergoldet und so in der Mitte des Baumes befestigt, dass er seine schlanken, feinen Zweige nach allen Seiten ausbreitet. Ein Freund unseres Hauses, Regierungsrat Petersen, der derzeit in Schieswig lebte, taufte den so vergoldeten Zweig "Märchenzweig". Freund Petersen und Vater tauschten alle Jahre kleine Weihnachtsüberraschungen aus. In einem Jahre brachte er Vater kurz vor Weihnachten das erste Paket "Lametta". Vater schreibt darüber:


    "Unser Tannenbaum hat in diesem Jahr besonderes Aufsehen erregt. Freund Petersen brachte am Sonntag vor Weihnachten eine Tüte märchenhafter Silberfäden. Mit diesen feinen Silberfäden wurde der Baum umsponnen, dass er aussah, wie fliegender Sommer."


    Unser Karl setzt sich ans Klavier und stimmt leise an: "Stille Nacht, heilige Nacht". Wir alle stimmen ein. Das Weihnachtslied ist verklungen, wir umstehen den Baum und lassen die Wunder der Weihnacht still auf uns wirken. Vater nickt uns bewegt zu, legt den Arm um unsere Mutter und führt wie immer sie zuerst zu ihren Gaben, die geheimnisvoll umhüllt sind. Mitten auf dem Tisch steht zu Mamas grenzenloser Verwunderung Vaters Pelzmütze. Mama erfasst sie zögernd, ihr Blick hängt fragend an dem unseres Vaters - und hervor rollt eine grosse Papierkugel. Ein Papier nach dem anderen wird abgewickelt, bis sich schliesslich in einem kleinen Kästchen verborgen ein feiner, goldener Ring dem erstaunten Blick zeigt. Eine Schlange, die sich in den Schwanz beisst, ein solcher Ring war ein langgehegter Wunsch meiner Mutter.


    Vater erwartet leuchtenden Auges die Wirkung seiner Überraschung. Meine Schwester Ebbe sagte einmal bei solcher Gelegenheit: "Vater hat ein Weihnachtslicht in den Augen." Nun führt Vater jedes seiner Kinder zu ihren Gaben, uns kleine zuerst. Puppen - wohin wir sehen, kleine und grosse - und Bücher, die durften niemals auf unserem Weihnachtstisch fehlen.


    Wir haben uns müde gespielt - wir nehmen unsere Weihnachtsbücher und setzen uns im trauten Schein des Lichterbaumes und lesen. Gar verführerisch ist es, heimlich ein Stückchen Zuckerwerk abzuzupfen und es ebenso heimlich zu verzehren. Vater tritt leise zu uns unter den Tannenbaum, streicht uns sanft mit seiner schönen schlanken Hand übers Haar und fragt: "Hab' ich's getroffen?"
    Nachdem sich das erste Entzücken gelegt hat, bringt die Köchin das messingene Kohlenkomfort, auf dem gar bald der blitzblank geputzte Teekessel ein melodisches Lied anstimmt; und der Duft feinsten Tees vermischt sich mit dem der Tanne und der braunen Weihnachtskuchen. Die beiden Mädchen in den gleichen maiengrünen Festgewändern, mit Häubchen und blenden weissen Schürzen angetan, bringen den Tee herein, wir Kinder den knusprigen Weihnachtskuchen. So sitzen wir recht traut beisammen.


    Da erklingt von draussen, vom Vorplatz, der Gesang einer tiefen, melodischen Altstimme zu uns herein:


    "O du fröhliche,
    o du selige,
    gnadenbringende Weihnachtszeit."


    Ein helles Leuchten verklärt das liebe Angesicht unseres Vaters, er steht leise auf, öffnet die Tür und zieht ein gar liebliches, kleines Bettelmädchen herein. Das Kind, mit von der Kälte geröteten Wangen, strahlenden Kinderaugen, das Gesichtchen von blonden Locken umrahmt, bleibt stumm und wie verzaubert im Türrahmen stehen.


    Wir alle umstehen sie, sie muss noch einmal ihre glockenreine Stimme hören lassen. Dann erfasst Vater eines ihrer schmutzigen kleinen Händchen und fragt sie liebreich:


    "Was willst du nun haben, etwas zu essen oder Kuchen?" - "Danke, ich habe schon gegessen", spricht das Kind zu unserer grenzenlosen Freude. Da heisst mein Vater sie, ihr Schürzchen auftun, Mütterchen nimmt vom Tisch einen vollen Teller Weihnachtskuchen und schüttet sie in die ausgebreitete Schürze.


    Voll leuchtenden Dankes schaut das Kind zu Mütterchen auf, wirft noch einen scheuen Blick auf all den Lichterglanz und die strahlenden Gesichter und fort ist sie, die kleine Lichtgestalt; denn so erscheint sie uns trotz ihrer Lumpen. Die Lichter sind erloschen, die glitzernde Pracht des Baumes leuchtet nur noch im matten Dämmerlicht der Lampen. Unsere Mutter ruft zum Festessen. Wir Kinder trennen uns schweren Herzens vom Tannenbaum, unseren Puppen und Büchern. Sauerbraten und ein grosser Apfelkuchen - Tante Moritz geheissen - bilden das Festessen, Punsch, nach Vater kurzweg "Landvogt" genannt, ist das Festgetränk.


    Wir alle sitzen an unseren Plätzen, der Punsch ist in die Gläser geschenkt, Vater erhebt sein Glas, er nickt uns allen voll innigster Befriedigung zu und sendet dann in einem kleinen Trinkspruch "einen vollen Gruss seiner Liebe" allen denen, die seinem reichen, liebevollen Herzen nah, an diesem Abend aber ferne von ihm sind. Der Apfelkuchen wird aufgetragen, nach dem unsere begehrlichen Kinderaugen schon lange ausschauen.


    Einer der alten lieben Weihnachtsgäste wirft an jedem Weihnachtsabend zu unserer heimlichen Freude die Frage auf: Ast das nicht Tante Moritz?" Und jedesmal folgt gleich die Antwort: "Ja, das ist Tante Moritz." Von Tante Moritz ist nach einer Weile keine Spur mehr, und nun geht es noch einmal zurück ins Weihnachtszimmer. Jeder von uns folgt seinen besonderen Neigungen. Meine Brüder ergreifen mit einem wahren Festtagsausdruck ihrer blauen Augen die neuen Bücher und ziehen sich mit ihnen in irgendeinen Schmunzelwinkel zurück. Wir Kinder nehmen unsere Puppen auf den Schoss und lauschen; denn Karl, unser Musikus, singt uns ein neueinstudiertes Lied von Robert Franz:


    "Einen schlimmen Weg ging gestern ich,
    einen Weg, den ich nicht wieder geh,
    zwei süsse Augen trafen mich,
    zwei süsse Augen, lieb und blau."


    Karl hat einen wunderbaren Bariton und singt einfach, mit tief zu Herzen gehendem Vortrag. Zum Schluss spielen Karl und meine Schwester Lisbeth "Nussknacker und Mäusekönig" von Karl Reinicke. Vater liest die Worte dazu. So ist es immer bei uns.


    Lautlos lauschen wir alle, eine träumerisch-selige Stimmung umfängt uns. Der letzte Ton, das letzte Wort ist verklungen. Unsere Mutter mahnt leise zum Schlafengehen. Draussen vor den Fenstern stäubt der Schnee; aber während wir Kinder bald in einen tiefen Schlaf fallen, machen die Eltern und grossen Geschwister noch einen Besuch im brüderlichen Hause in der Süderstrasse. Jahre kommen und gehen. Es ist unserm lieben Vater nicht mehr vergönnt, alle seine Kinder um den heimatlichen Weihnachtsbaum zu versammeln. Statt dessen werden Kisten gepackt und Pakete gemacht und Weihnachtsbriefe geschrieben. An Hans nach Wörth in Bayern, wo er als Arzt lebt, an Ernst noch Toftlund und an Lisbeth nach Heiligenhafen. Sie haben sich inzwischen selbst ein Heim gegründet und schmücken dort ihren Kindern den Baum.


    Und Vater klagt in einem Brief an seine "Tochter Lisbeth: "So haben wir denn das Weihnachtsfest gehabt; und ich fühle es recht schmerzlich, dass wir gar so getrennt sind. Es ist sehr schön, der Mittelpunkt einer grossen Familie zu sein, aber recht schwer, wenn so ein alter Mensch sich in so viele Teile spalten soll. Für mich fehlen zu viele von Euch, als dass das Weihnachtsgefühl so recht hätte aufkommen können."


    Noch einmal, ein letztes Mal, wird es für unseren lieben Vater "Weihnachten" Zum ersten Male fehlt eines seiner Kinder ganz, auch seine liebevollsten Gedanken vermögen es nicht mehr zu erreichen. Unser ältester Bruder Hans ist von uns gegangen. Der Baum steht noch einmal in vollem Lichterglanz, die Flügeltüren öffnen sich weit. Vater legt den Arm um Mütterchen, wir, die keine Kinder mehr sind, umstehen das Klavier und Karl stimmt leise an: "Stille Nacht, heilige Nacht." Wie wir an die Stelle kommen "Schlaf in himmlischer Ruh", da breitet Vater weit die Arme aus, Tränen stürzen aus seinen lieben Augen und leise hören wir ihn die Worte sprechen: "Unten in Bayern, da ist ein einsames Grab, darüber weht der Wind, und der Schnee fällt in dichten Flocken drauf."


    Wir singen nicht weiter, wir gehen zu ihm und nehmen sanft seine lieben Hände; und eine schmerzliche Ahnung, dass wir wohl so zum letzten Male mit unserem lieben kleinen Vater unter dem brennenden Lichterbaum stehen, durchzittert unsere Herzen. So endete das letzte Weihnachtsfest mit unserem Vater.


    17 C

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • 14. Dezember - 3. Advent



    Liebe Adventskalendertürchenöffner/innen,


    wie wir ja bereits lesen durften, ist die Adventszeit die Zeit für Märchen.
    Nun da dies so ist, möchte auch ich Euch heute am dritten Advent aus zehn verschiedenen Märchen etwas erzählen, denn eins allein reicht für diesen besonderen Tag auf keinen Fall aus. Leider habe ich vergessen, wie diese Märchen heißen und darum bitte ich Euch inständig um Eure Hilfe bei der Suche derselben. (Die Artikel am Namensanfang zählen für die Gesamtlösung nicht mit. Die Zahl in der Klammer gibt die Stelle des Lösungsbuchstaben an, diese dann bitte sortieren. Antworten bitte per PN an mich. Die Auflösungen stelle ich dann innerhalb der kommenden Woche ein.)


    Viel Spaß bei diesem kleinen Weihnachtsmärchenrätsel.


    Also:


    Es war einmal an einem schönen Sommerabend, es kann aber auch schon Spätsommer gewesen sein, so genau weiß ich das nicht, als ein Mann mit einem Sack (nein es war nicht der Weihnachtsmann) in einen Taubenschlag stieg, so dass ein jeder Inwendige glaubte er sei im Himmel.(2)


    Gleichem Irrglauben unterlag auch das vierbeinige Ungetüm, welches sich durch die Anzahl von leckerer Beute fraß, die man landläufig als Glückszahl kennt. Zu seinem Pech verzählte er sich dabei allerdings. Eine couragierte „Dame“ kam ihm zur „Hilfe“ und führte daraufhin eine Notoperation, mit einem wahrscheinlich nichtsterilen Haushaltsgerät durch. (11)

    Ja, ja verzählen kann strafbar sein, so wie auch verrechnen. So erging es wie ich las, einem raffgierigen Küstenbewohnerpaar ziemlich schlecht. Angestachelt von seiner Frau (müssen Landsleute von mir gewesen sein, denn beide sprachen platt) bettelte der Mann einen Meeresbewohner wieder und wieder an, bis diesem der Geduldsfaden riss.(1)


    Weil ich gerade vom reißen schreibe, ich reiste in diesem Jahr nach Süddeutschland und dort soll sich vor langer Zeit folgendes zugetragen haben. Einige Landsleute, schlossen sich zu einer Jagdgesellschaft zusammen und statteten sich mit den modernsten Waffen seit Menschengedenken aus. Über die großen Heldentaten dieser Truppe schweigt die Geschichte, doch seltsamer Weise soll es in der Gegend sehr viele Tiere geben die mit langen Ohren durch die Gegend hüpfen.(9)


    Ob dem Mädchen von dem ich jetzt berichte diese Tiere bekannt sind kann ich nur vermuten, aber ich denke ja. Doch ich schweife ab, denn dieses arme Kind wird doch tatsächlich für meteorologische Anomalien verantwortlich gemacht. Jedes Jahr aufs Neue zur Weihnachtszeit fällt den Menschen ein, dass es dieses Mädchen gibt und meistens wird über sie gemeckert.(6)


    Kein Meckerer sondern ein Angeber ist unser nächster Held. Nach einer zahlmäßig großen Heldentat schmückt er sich und zieht protzend durch die Welt. Er ist zwar ein Angeber, aber ein pfiffiger und darum stolpert er über keine Steine die man ihm in den Weg legt, sondern wirft lieber mit den Selben, siegt durch Verstand und natürlich bekommt er zum Schluss die Prinzessin zur Frau.(4)


    Apropos Frau – Ein junger Draufgänger, muss ein Glückskind sein, schafft es doch tatsächlich, eine alte Frau so zu beeindrucken, dass diese ihren eigenen Nachkommen drei schwere Fragen beantworten lässt und ihn dabei auch noch dreifach bestielt.(1)


    Ja, die Welt ist schlecht und Diebesgesindel läuft überall herum. So auch in einer beschaulichen Gegend mit Nussbäumen. Ein zwielichtiges, baubegabtes, gefiedertes Pärchen kehrt bei einem freundlichen Wirt ein. Sie lassen sich von diesem entsprechend beköstigen und bedanken sich bei ihm mit stechender Zeche.(9)


    Bestechend gescheit dagegen war das junge veroperte Mädchen eines vertrottelten landwirtschafttreibenden Herrn. Soweit bekannt ist, war sie zudem auch noch schön. Jedenfalls schaffte sie es, aus ihrem bescheidenen Lebensverhältnissen in die High Society einzuheiraten.(5)


    Das letzte Märchen spielt wie das vorherige in einem Königreich wo auch immer, muss aber in der Nähe sein, da es sich um ein deutsches Hausmärchen handelt. In diesem Königreich gibt es eine Prinzessin. Das allein verwundert nicht groß, doch diese hat einen Spleen. Sie hantiert an den unmöglichsten Stellen, im weitläufigem Garten ihres Herrn Papa mit einem Gegenstand umher und wundert sich dann, dass ihr dieser abhanden geht. Wie dem auch sei, letztendlich soll sie den ehrlichen Finder in ihr Bett lassen. Also wirklich, dass geht doch entschieden zu weit, zumal dieses Märchen für Kinder unter sechs Jahren zugelassen ist. Selbstverständlich wehrt sie als emanzipierte Frau sich gegen die Obrigkeit und das Begehren dieses Wüstlings mit allen ihr zur Verfügung stehenden handgreiflichen Mitteln. Das Resultat dieser Handgreiflichkeit – Heirat – und wenn sie nicht gestorben sind....(2)


    Wie die meisten Märchen enden auch diese mit dem Schluss.


    ENDE


    Eine schönen 3. Advent Euch allen.



    LG


    Maggie


    2 D

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  • Jeder Operngänger kennt das Problem: man ist von einem neuen Werk angetan, aber nach der Pause ist der Neuigkeitswert futsch, und es gelingt nicht jedem Komponisten, seine ersten beiden Akte, in denen er alles gab um deas pp Publikum zu fesseln, dennoch zu toppen. Deswegen habe ich gezögert, mein erstes Türchen zu vervollständigen. Dennoch gehorche ich dem mehrfach geäußerten Wunsch. Mein heutiges Türchen bietet deshalb nichts Neues, nur die Abrundung der Kurzoper im Türchen Nr. 8, dessen Kenntnis zum Verständnis dieses Türchens notwendig ist. Wer es also noch nicht kennt, sollte vor der Lektüre dieses Türchens zunächst dieses Posting lesen.


    HENSEL UND GRETRY

    Der TAMINO-Weihnachtsoper DRITTER AKT

    (Das Zahlenhaus)

    Vorspiel


    Während des Vorspiels werden wir Zeuge einer heftigen, pantomimisch geführten Auseinandersetzung zwischen der Knusperhexe und dem Regieteam, vor allem dem Regisseur, der auch das hanebüchen verballhornte Libretto zu verantworten hat. Die Knusperhexe empört sich über die fehlenden Backwerke und macht unmissverständliche :kotz:- Gesten gegenüber der gequält futuristischen Ausstattung. Sie weigert sich, in dieser Inszenierung aufzutreten und rauscht ab.


    KNUSPERHEXE (mit der Engültigkeit einer Kaiserin)
    ICH - WILL - NICHT !


    Hektisch wird ein Ersatz gesucht. Schließlich entscheidet sich der Regisseur für seinen sowieso immer alles besser könnenden Dramaturgen, der, ob der Chance begeistert, sofort Logarits Kostüm anlegt.

    Erste Szene


    Wie am Schluss des zweiten Aktes. Fanny und André schlafen noch fest. Die Komponisten sind verschwunden. Es wird rasch heller, und wir erkennen im Hintergrund auf einem hohen Felsen die Burg Ilsenstein, in der sich das ehrwürdige Konservatorium befindet, in dem, ähnlöich wie in Montsalvat der Gral der Musik gehütet wird.


    Wir sehen den Traum der Kinder. Über der Burg kreisen die Professoren des Konservatoriums wie die Aasgeier. Aus der Entfernung sehen sie aus wie Cherubim, als die sie sich auch gerne geben. Es sind aber konservative Lehrobim, die sich, wenn das Vorspiel einsetzt, wie auf Kommando formieren und auf die Lichtung zu fliegen, in der die Kinder schlafen. Sie landen und versammeln sich um sie herum. Als Letztes landet, gestützt von zwei kräftigen Lehrobim, der alte Cherub Ini, der Direktor des Konservatoriums, Er ist ein ersichtlich strenger Tattergreis, der mit zitternder Stimme zu seiner Belehrung anhebt.



    INI (seinen überdimensionalen Taktstock schwingend)
    Ich bin der Cherub Ini.
    Konservatoriums Kini.
    Ich trinke gerne Vini.
    Drum bin schon ziemlich hin i.


    (Er reißt sich zusammen)


    Kling! klang! kling! klang!
    Ich komm' euch mit Akkorden rein,
    Und bimse euch die Fugen ein.
    Wer Neues hier will bauen,
    Der wird von mir verhauen.
    Drum gebet Acht.
    Wer munter in früher Morgenstunde,
    Denn sie hat Gold im Munde,
    Ein Thema gleich zur Fuge machet!
    Dem lichter Tag schon lachet.
    Drum auf, ihr Schläfer, erwacht, erwacht!


    Wie aus den Kindern, die weiter schlafen, erwachen ihre beiden Doubles, die mit Staunen die folgende Einlage betrachten, die in keiner Festoper fehlen darf, und zuweilen auch darin verwickelt werden.


    INI
    Des Prüflings Prüfgesanges Bar
    Stell’ ordentlich ein Gemäße dar.
    Könnt ihr mich so ergötzen,
    Dann wird’ ich euch verse-e-e-e-e-e-etzen.


    Die Sinne beginnen ihm zu schwinden. Die ihn stützenden Lehrobim blicken besorgt. Einer kramt in der Innentasche seines rechten Flügels.


    INI
    Ein Gesäß besteht aus zweenen Backen
    Dazwischen soll der Mensch eifrig k...


    Der Lehro hat gefunden, was er suchte. Es ist ein Heftpflaster, das er Ini auf den Mund zu kleben versucht. Der aber wehrt sich, denn er kennt das schon. Plötzlich erscheint der lisztige Mepherlios mit lohender Mähne. Das Orchester spielt sein Motiv. Es ist ein Tritonus.


    TA-TA-TAMMM


    Ini hält seinem Erzfeind beschwörend den Taktstock entgegen und ruft mit letzter Kraft


    INI
    Apage Satanas!



    Mepherlios lacht nur höhnisch, wendet sich dem Orchester zu und lässt den gestrengen Lehrobim einen ungarischen Marsch blasen, der ihnen umgehend in die Beine geht. Gleich darauf aber geht alles durcheinander, denn es folgt der Marsch zum Galgen aus einer fantastischen Symphonie, bei dem keiner mehr Takt halten kann. Die Einlage entwickelt sich so zu einem wahren Hexensabbat. Das Durcheinander wird vervollständigt, indem laufend neue musikalische Charaktere aus dem Chor der Lehrobim auftauchen und wieder verschwinden, als seien sie Charaktere eines den Zuschauer hänselnden Rätsels, deren Ursprung es zu fassen gilt:



    ORFEO (schwärmerisch)
    Ja, ich habe sie erkoren



    EURIDICE (entsetzt)
    All mein Glück ist nun dahin.


    Es erscheint der Urgermane Osminix, der an einem Wagen bastelt, denn er hat gerade das Rad erfunden. Um ihn herum staunen diverse Operncharaktere.



    OSMINIX
    Wer ein Rädchen hat erfunden
    Das getreu sich dreht und scheint
    Der montier’ es statt den Füßen,
    Lass es erd’gen Boden küssen.
    Es ist treu und ist ein Freund.
    Es ist treu-eu und ist ein Freund.
    La-la-lera-la-la-lera,
    La-la-lera-tralla-lera.


    Osminix hat Schwierigkeiten, sein Gefährt zum Rollen zu bringen. Hämisch verspotten ihn die übrigen.



    CHOR DER OPERNFIGUREN
    Wird es, frag’ ich,
    Wird es, frag’ ich,
    Wird es rollen,
    He-he-he-he-he?


    Wütend schüttelt Osminix seine Faust gegen die Spötter, die in geheucheltem Gehorsam in einen ängstlichen Klagegesang ausbrechen.


    CHOR DER OPERNFIGUREN
    Flieh, Gedanke, getragen von Sehnsucht.
    Dass wir rollten in jene Gefilde,
    Wo in Freiheit wir nicht mehr nur laufen,
    Weil das Fernweh zum Haareausrau-haufen ist.


    Die Opernfiguren wischen sich die schweißnasse Stirn und legen nicht benötigte Kleidungsstücke ab, während der Troubadour Al Freddo, genannt Fredi mit seinem Piano herein gerollt wird.



    FREDI (Solo)
    Hemmend heißer, wüster Tand
    In Taminos Heimatland.
    Dort wo die Meister bau'n,
    Nicht nur die dreisten Frau'n,
    Da wär' ich gerne zu Hause.


    CHOR DER OPERNFIGUREN (verzweifelt)
    Aber der Wagen rollt nicht!


    In der Tat, der Wagen rollt nicht, denn die Räder sind noch viereckig, wie Figaro demonstriert, indem er eines hoch hebt.



    FIGARO (sarkastisch hetzend)
    Ah bravo, Osminix,
    Bravo bravissimix
    Fortunatissimix, fortunatissimix
    Fortunatissimix in verita...


    Das Hendl Serse unterbricht ihn zornig:



    SERSE
    Largo! (geringschätzig) Faktotum!


    Das Orchester und Figaro gehorchen.


    FIGARO (extrem largo)
    For-tu-na-tiss-imix in verita...


    Aus heiterem Himmel schlägt ein Blitz ein. Krachend fällt die große Eiche um, die dem Chor bislang Schatten gespendet hat. Der jetzt im prallen Scheinwerferlicht stehende Serse klagt:


    SERSE
    Ombra mai fu
    La vecchissima cara
    Non èd amabile
    Ne soave più.


    Wo vorher die Eiche stand, steht plötzlich Sarasato und gebietet dem tollen Treiben Einhalt.



    SARASATO
    Die Strahlen der Sonne
    Vertreiben die Nacht
    Die Story geht weiter.
    Ihr Kinder, erwacht.


    Auf ein Zeichen von Mepherlios setzen alle Opernfiguren Hirschgeweihe auf.


    CHOR DER OPERNFIGUREN
    Heil sei uns Geweihten,
    Wir sangen durch Nacht.
    Jetzt schmerzt uns die Iris.
    Ihr Kinder, erwacht.


    Während der Chor und die Solisten feierlich davon schreiten, gibt Mepherlios dem Orchester ein Zeichen, und es bricht urplötzlich in einen höllischen Can-can aus, der allen in die Glieder fährt.


    MEPHERLIOS (im Takt des Can-Cans)
    Kommet's a mal hin und wieder
    Auch mal in die Unterwelt...


    Ini wagt einen letzten Protest in Richtung Mepherlios.


    INI (beschwörend)
    Dass doch sterb’, wer Böses tat,
    Wer schnöden Rat gehöret hat.
    Werd’ dem Sünder die Vergeltung,
    Wenn die letzte Stunde naht!


    Zu den Klängen des erneut einsetzenden Can-can verschwinden alle Erscheinungen, auch die beiden Traumgestalten von Fanny und André, die nunmehr wieder alleine auf der Lichtung schlafen. Fanny öffnet die Augen, richtet sich halb auf und blickt verwundert um sich, während André sich auf die andere Seite dreht um weiterzuschlafen.


    FANNY
    Wo bin ich?
    Wach' ich?
    War das ein Traum?
    Hier lag' ich unterm Tannenbaum!
    Und allüberall auf den Tannenspitzen
    Gellt’ es von gar grässlichen Witzen.


    Sie bückt sich zu André nieder


    FANNY
    Sieh da, der faule Siebenschläfer!
    Wart nur, dich weck' ich!
    Ti-re-li-re-li, 's ist nicht mehr früh!
    Ti-re-li-re-li, 's ist nicht mehr früh!


    André ist während des Liedes erwacht, reibt sich die Augen und stimmt gleichfalls aufspringend munter in FannysWeise ein


    ANDRÉ
    Ki-ke-ri-ki! 's ist noch früh!
    Ki-ke-ri-ki! 's ist noch früh!
    Ja, hab's wohl vernommen,
    Der Morgen ist gekommen.
    Ki-ke-ri-ki! (reckt sich)
    Mir ist so schlimm, ich weiß nicht wie!
    So Arg’s wie heute träumt’ ich noch nie!


    FANNY
    Ach? Höre doch!
    Hier unterm Baum,
    Hatt' ich 'nen fürchterlichen Traum!


    ANDRÉ
    Richtig! Auch mir träumte was!


    FANNY
    Mir träumte, ich hört' einen Teufel klingen,
    Und Chöre der Lehrer uns Spottverse singen.


    ANDRÉ
    Hast du denn all dies auch geseh'n?


    FANNY
    Freilich! 's war gar nicht schön!
    Und dorthin sah ich sie gehen.


    Sie zeigt in die Ferne zur Burg Ilsenstein, die noch immer dräuend auf ihrem Berg sitzt.


    ANDRÉ
    Dort oben, im Konservatorium
    Dort konservieren Musik sie dumm.
    Ach Fanny, ach Fanny,
    Komm, geh’n wir nach Haus.
    Der Unterricht dort ist sicher ein Graus.


    Zweite Szene


    Fanny nickt ihm zustimmend zu. Beide sammeln ihre Siebensachen und ziehen los, nachdem André vergeblich versucht hat, aus seiner angeknacksten Geige vernünftige Töne zu gewinnen. Die gräulichen Töne lassen einen Gazevorhang aufschreien, der bislang den Hintergrund verdeckt hat. Sich die Ohren zuhaltend, stürzt er davon. Es wirkt, als zerreisse der letzte Nebel, und anstelle des Tannengehölzes erscheint glitzernd im Sonnenaufgang das Schlösschen des Logarit. Es sieht aus wie ein überdimensionaler Hollerithrechner mit zwei Türmchen in Form einer 1 und einer 2. Im Garten davor liegen lauter bunte Kugeln, die wie Billardkugeln aussehen, nur viel größer und mit einer bunteren Farbpallette bemalt sind. Jede Kugel trägt eine Zahl zwischen 1 und 12. Viele tragen zusätzliche Kreuze oder b's. Die Kugeln geben wimmernde Töne von sich, die sich zu leisen, seltsamen Mischklängen vereinen.


    FANNY
    Bleib steh'n! Bleib steh'n!


    ANDRÉ
    O Himmel, welch Wunder ist hier gescheh'n?
    Nein, so was hab' ich mein Tag' nicht geseh'n!


    Beide blicken wie verzaubert auf das Schlösschen.


    FANNY
    Wie klingt’s doch von dorten,
    O hör diese Pracht!
    Von lauter Akkorden...


    BEIDE
    ... ein Gärtlein gemacht
    Mit herrlichen Noten!
    Wie klingen sie so traut.
    So ist es geboten,
    So klingt’s nicht versaut.
    Ach wär' doch zu Haus hier
    Frau Musica fein,
    Sie ließ’ uns die Fugen
    Und Tonleitern sein.
    Die herrlichsten Klänge
    Brächt’ sie uns schon bei.
    Das ganz ohne Strenge
    Und Etüdenbrei.


    ANDRÉ
    Alles bleibt still, nichts regt sich da drinnen!
    Komm, lass uns hinein geh'n!


    FANNY (ihn erschrocken zurückhaltend)
    Bist du bei Sinnen?
    Junge, wie magst du so dreist nur sein?
    Wer weiß, wer da drin wohl im Häuschen fein?


    ANDRÉ
    O sieh nur, sieh, wie das Gärtllein uns lacht!
    Das haben wohl Engel hierher gebracht!


    FANNY
    Die Engel? Ja, so wird es wohl sein!


    ANDRE
    Ja, Fanny, sie laden gar freundlich uns ein!
    Komm, hör’n wir die Nummern an.


    BEIDE
    Komm, ja hören wir,
    Komm, ja hören wir
    Uns das mit unser’n Lauschern an!


    Sie hüpfen Hand in Hand in den Hintergrund, bleiben wieder stehen und schleichen dann vorsichtig auf Zehenspitzen in den Garten hinein. Nach einigem Zögern schlägt Andre eine grüne 3 an. Es erklingt eine Terz. Fanny klopft leise an eine violette 4, eine Moll-Quart. Nacheinander schlagen sie nun die Zahlen an, und es ertönt ein irisierender Cluster.


    Dritte Szene


    STIMME AUS DEM HÄUSCHEN
    Loge, loge, loren,
    Was klingt mir in den Ohren?


    ANDRÉ (zuckt erschrocken vor einer Zahl zurück)
    Hast du's gehört?


    FANNY (zaghaft)
    Der Wind!


    ANDRÉ
    Der Wind!


    BEIDE
    Das himmlische Kind!


    FANNY (schlägt zaghaft eine neue Kugel an)
    Fein!


    ANDRÉ
    Was ist das?


    FANNY (lässt es ihn noch einmal hören)
    Mach du doch auch was!


    ANDRÉ (tut es)
    Hei!


    BEIDE
    Hei! Hei! Hei! Hei!
    O köstliche Klänge,
    Wie klingt ihr nach mehr,
    Mir ist ja, als wenn ich
    Im Himmel schon wär'!


    STIMME AUS DEM HÄUSCHEN
    Loge, loge loren,
    Was klingt mir in den Ohren?


    ANDRÉ, FANNY
    Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!


    Der obere Teil der Haustür öffnet sich leise, und der Kopf des Logarit erscheint. Die Kinder bemerken ihn nicht und machen lustig weiter Musik.


    FANNY
    Wart, du nas’weises Mäuschen,
    Gleich kommt die Katz' aus dem Häuschen!


    ANDRÉ
    Klopfe nur zu,
    Und lass mich in Ruh'!


    FANNY
    Ha ha ha ha ha ...


    Sie lachen beide hell auf. Während des letzten Gesprächs ist die Tür des Häuschens aufgegangen. Von den Kindern zunächst unbemerkt, tritt der Logarit heraus und schleicht behutsam auf sie zu. Rasch wirft er den beiden eine 8 über den Hals und zieht sie wie mit einem Lasso zusammen.



    LOGARIT (Kontra – Tenor)
    Hihi, hihi, hihihi!


    Die Kinder blicken sich erschrocken um.


    ANDRÉ
    Lass los!
    Wer bist du?
    Lass mich los!


    LOGARIT (die Kinder an sich ziehend)
    Engelchen! Und du mein Bengelchen!
    Ihr kommt mich besuchen?
    Das ist süß!
    Musikalische Kinder ich gerne begrüß’!


    ANDRÉ
    Wer bist du, Garstiger?
    Lass mich los!


    LOGARIT
    Na, Herzchen, zier' dich nicht so groß!
    Wisst denn, zu wem ihr gewagt den Schritt.
    Ich bin der Lothar Logarit,
    Mathesikalisch stets gesinnt,
    Unschuldig wie ein kleines Kind,
    Drum hab' ich die kleinen Kinder so lieb,
    So lieb, so lieb, ach!
    Zum Abaküssen lieb!


    Er streichelt die Kinder.


    ANDRÉ (barsch abwehrend)
    Geh, bleib mir doch aus dem Gesicht!
    Hörst du! Ich mag dich nicht!


    FANNY
    Iiiiihhh- gitt!


    LOGARIT
    Hähä, hähä, hähähä!
    Was seid ihr für klangvolle Teufelsbrätchen,
    Besonders du, mein herziges Mädchen!
    Kommt, kleine Mäuslein, kommt in mein Häuslein!
    Ihr sollt gut bei mir leben.
    Auf klingenden Stängelchen schweben!


    ANDRÉ
    Ich geh' nicht mit dir, garstiger Kerl!


    FANNY
    Du bist gar zu freundlich!


    LOGARIT
    Schau, schau!
    Schau, wie schlau!
    Ihr Kinder, ich mein's doch nur gut mit euch,
    Ihr seid ja bei mir wie im Himmelreich!
    Ja, liebe Kinder, Hören und Seh'n
    Wird euch bei diesem Vergnügen vergeh'n!


    ANDRE
    Ei, meine Augen und Ohren sind gut!
    Haben wohl acht, was Schaden mir tut!
    Fanny, trau nicht dem gleißenden Wort!
    Komm, Schwesterchen, wir laufen fort!


    Er hat sich allmählich von der Schlinge befreit und will mit Fanny fortlaufen. Sie werden aber von Logarit zurückgehalten, der gebieterisch seinen Zauberstab gegen die beiden erhebt.


    LOGARIT
    Halt, Kinder, Halt!
    Seid ihr denn nicht willig,
    So brauch' ich Gewalt.


    Er stößt seinen überdimensionalen Taktstock im Logarhythmus auf den Boden. Die Bühne verfinstert sich


    LOGARIT
    Hokuspokus, Logarock!
    Rühr dich, und dich trifft der Schock!
    Nicht mehr vorwärts, nicht zurück,
    Bann' dich mit dem bösen Blick!
    Kopf steh' starr dir im Genick!


    Neue Gebärde; die Spitze des Taktstocks beginnt zu leuchten und einen grässlichen Sirenenton von sich zu geben. Die Kinder halten sich die Ohren zu und krümmen sich vor Schmerzen zu kleinen Kugeln.


    LOGARIT
    Hokuspokus, nun kommt Jokus!
    Kinder, höret den Zauberknopf!
    Rücken rund, auf’s Knie den Kopf!,
    Mach dich kugelrund, du Tropf!
    Hokuspokus, bonus jokus,
    Malus lokus, hokuspokus! usw.


    Er löst das Lasso, packt den starr auf den Knopf blickenden André und zieht ihn auf einen freien Platz zwischen den Kugeln, während Fanny weiter regungslos in der Hocke bleibt. Dann eilt er ins Haus und holt einen überdimensionalen Abacus mit zwölf verschiedenfarbigen Kugeln heraus, die ein eigentümliches Summen von sich geben und Töne erklingen lassen, sobald sie berührt werden. Das tut jetzt der Logarit virtuos, denn er „spielt“ ein - wenig erbauliches - Zwölftonthema auf den bekannten Logarhythmus. Dabei tanzt er ausgelassen.


    LOGARIT
    Hähä, hähä, hähähähähäääh!


    In wilder Freude umfasst er eine Kugel nach der anderen und schiebt sie eifrig hin und her, so dass sie ganz unterschiedlich zusammenklingen.


    LOGARIT
    Ihr Rinderchen,
    Kleinkinderchen,
    Nun rechnet mal
    Und seid nicht schal.
    So wie ich's mag,
    Am lichten Tag,
    Zieht Summen quer,
    Nehmt Wurzeln her.
    Der Logarit
    Nimmt Noten mit,
    So kommt, kein Graus,
    Musik heraus!


    Oktav und Non’
    Erklingen schon,
    Sekunden schrei’n,
    Sie klingen fein.
    Und neun ist eins,
    Und zwölf ist keins,
    Und viel ist nichts,
    Logarit spricht's!
    So rechnet er.
    Es ist nicht schwer!
    (Im Hintergrund ertönt Wagnermusik. Irritiert dreht sich der Logarit um.)
    Halt Kugeln, Halt!


    Mit einem grellen Akkord aller zwölf Töne halten die Kugel inne, denn es klingt aus der Ferne näher kommende Musik. Es ist der Walkürenritt, allerdings auf Kinderinstrumenten ziemlich verstimmt gespielt.


    LOGARIT
    Was klingt da so neu
    Und ist doch uralt?


    Aus dem Wald drängt eine bunte Schar von Volksmusikanten, angeführt vom Vater und der Mutter. Als sie sich vollständig versammelt haben, ist auch der Walkürenritt am Ende. Erregt steigern die Gartenkugeln ihre Lautstärke. Der Logarit hebt seinen Taktstock gegen den Vater.


    VATER
    Halt! Keiner rühre sich.
    Denn das Kommando führ’ jetzt ich.


    LOGARIT
    Störet meine Weise nicht,
    Wenn es euch an Mut gebricht.
    Hokuspokus Logarus...


    Bevor er seinen Zauberspruch zu Ende führen kann, der schon beim Vater zu wirken beginnt, hebt die Mutter die Hand und fängt zu dirigieren an. Die Musikanten spielen und singen den Kammerton A.


    Mutter
    Mars! Attacke!


    Hervor tritt der Indianerhäuptling Sitting Bull, der, einen Mars-Riegel schwenkend, eine schmalzende Melodie anstimmt:


    SITTING BULL
    When I’m calling youuuuu
    Hu-hu-hu-hu-hu-huuu


    LOGARIT
    Hokus Lokus ... (irritiert)
    Was soll das Gelärm?
    Nehmt euch in Acht
    Schon mein Gedärm
    Beschwerden macht.


    Man hört es. Der Zauber ist erst einmal gebrochen. Der wieder präsente Vater holt einen Geiger aus dem Orchester, der das „Gebet einer Jungfrau“ fiedelt.


    VATER
    Gebet einerr Jungfrau,
    Was ihr Herz begehrt,
    Sei es auch die Rundschau,
    Wenn sie nur richtig stört.


    LOGARIT
    Oh je, o je, oh, jeminööö
    Das ist der grause André Riööö.


    Der Logarit ist vor Schrecken wie erstarrt.


    LOGARIT
    Erbarmt euch, Leute!
    Wenn das Volk tümlich
    Ist seine Musik gar nicht rühmlich.


    Die Mutter schickt Peter Kraus vor. Er trägt das Kostüm eines Operettencowboys, singt aber mit bayerischem Dialekt.


    PETER KRAUS
    Schwarze Rose, Rosemarie
    Keine Rose blüht so wie sie.
    Wo der Missouri rauscht,
    Singt die Prärie
    Rooos - maaa - riiiiieee!


    Der Logarit wendet sich mit Grausen und richtet dabei versehentlich seinen Zaubertaktstock auf das eigene Zahlenhäuschen, das in einem Laserstrahl, den der Stock plötzlich aussendet, krachend zusammen fällt. Nur die 1 und die 2 bleiben, eine 12 bildend, kurze Zeit stehen, bevor auch sie in sich zusammenfallen.


    CHOR DER VOLKSMUSIKANTEN
    Kraus! Oh Kraus!
    Er traf das eig’ne Haus.
    O herrlich Schicksal!
    Zur Jaus!


    Dank des schwindenden Zaubers werden auch Fanny und André wieder munter. Jauchzend fallen sie ihren Eltern in die Arme.


    FANNY
    Papaaa! Papaaa! Papaaa!


    ANDRÉ
    Mamaaa! Mamaaa! Mamaaa!


    Unter den Beinen der Vorderleute kriecht Hänschen hervor:


    HÄNSCHEN
    I-aaa, I-aaa, I-aaa.


    Nun schiebt der Ochs den schockierenden Rudolf vor.



    OCHS
    Ohne dich, ohne dich, ohne dich
    Wird die Oper noch zu lang.
    Mit dir, mit dir
    Wird dem Logarit schon bang.




    SCHOCK (schluchzt nach Herzenslust)
    Allein! Immer allein! Einsam wie immer.
    Es steht ein Tenor am Waldesrand,
    Ward fortgejagt aus seinem Stand
    In dunkler Nacht. Allein und fern,
    Leuchtete ihm kein Mond, kein Stern.


    Er wendet sich zu Logarit


    SCHOCK
    Hast du beim Logeln vergessen auch mich.
    Es sehnt dein Bruder nach Liebe nur sich.


    LOGARIT
    Schock! Schwere Not!
    Du bist doch nicht tot?


    Schock richtet einen flehenden Blick gen Himmel


    SCHOCK
    Herrgott im Himmel, erbarme dich hier!
    Schick Deinen Engel jetzt hurtig jetzt zu mir.


    Vom Himmel hoch, da kommt wie bestellt der Engel Kienzle, der seine Uhren aufzieht und sie im Takt ticken lässt.



    KIENZLE
    Selig sind, die Verfolgung leiden
    Um And'rer Schlechtigkeit willen.
    Wenn ihrem Mist die Stimmen seicht.


    Selig sind nicht die Folgen, Reihen,
    Wenn sie nicht anständig klingen.
    Das Publikum rächt es sogleich.
    (Zu Logarit)
    Gelobt im Herrn sei’n deine Töne
    Denn auch das Schlimme
    Braucht das Schöne.
    Errechne sie nicht, lass' sie walten
    So bleibt Musik stets neu im Alten.


    Der Logarit verbeugt sich tief vor Kienzl


    LOGARIT
    Dein Wort genüge dir.
    Ein Hörer spricht aus mir.


    Dann sinkt er vor Schock auf die Knie.


    LOGARIT
    Brüderchen verzeihe mir
    Beide Händchen reich’ ich Dir.
    Eines links, eines rechts,
    Du bist Erbe des Geschlechts.


    SCHOCK
    Lieber Bruder, guter Mann
    Buße hast genug getan.
    Lass sie dir jetzt abgewöhnen,
    Deine Liebe zu zwölf Tönen.
    Denn bringt jeder Zahlenraster
    Einen wohl klingenden Cluster.


    Der Vater beginnt wieder zu dirigieren, und alles, was Stimme und Instrument hat, fängt an zu tönen, tröten, stöhnen – auch die Zahlenkugeln, die immer stärker vibrieren und schließlich aus ihnen lauter Kinder platzen und fröhlich herum springen.



    DIE KINDER
    Juch-hei!
    Nun macht der Logarit
    Mit uns mit.
    Er macht Musik!
    Juch-hei!
    Nun ist der Logarit
    Ganz tonal,
    Nicht mehr fatal.
    Nun ist zu End' der Graus,
    Und der Spuk ist aus!


    Sie umfassen sich und tanzen miteinander. Der Logarit dirigiert dazu das Volksmusikorchester.


    VATER
    Kinder schaut das Wunder an,
    Was der Logarit doch kann,
    Es war’n hart Terz und Quart,
    Jetzund spielt er uns’re Art!


    ALLE
    Schaut, o schaut das Wunder an,
    Was der Logarit doch kann,
    Es war’n hart Terz und Quart,
    Jetzund spielt er uns’re Art!


    VATER
    Merkt des Himmels Strafgericht:
    Rechnerklänge dauern nicht!
    Wenn die Not aufs Höchste steigt,
    Gott der Herr sich gnädig zu uns neigt!
    Ja, wenn die Not aufs Höchste steigt,
    Gott der Herr die Hand uns reicht!


    http://www.tamino-klassikforum…php?action=avatars&page=1


    ALLE
    Wenn die Not aufs Höchste steigt,
    Gott der Herr die Hand uns reicht!


    Die Kinder tanzen einen frohen Reigen um die Gruppe. Danach machen sich alle frohgemut auf den Weg über den Schönberg nach Stockhausen.


    Vorhang


    Der Vorhang hebt sich wieder und der Logarit tritt vor, nun in der Alternativbesetzung:



    LOGARIT
    Halt, Ihr Leute, geht nicht weg.
    Fehlt uns doch der Weihnacht Zweck.
    Stimmt nun an in Reih’ und Glied
    Mit uns noch ein Weihnachtslied.


    HÄNSCHEN (keck vortretend)
    Leise pieselt das Reh...


    Erschrocken legt die Mutter ihre Hand auf Hänschens Mund und zieht ihn an den Ohren in den Chor zurück. Aus Lautsprechern ertönt Verkehrslärm, der immer lauter wird, bis er auf eine Geste des Logarit abbricht.


    LOGARIT (spricht zum Dirigenten)
    Maestro, wenn ich bitten darf.



    ALLE
    Schrille Nacht. Eilige Nacht.
    Gott verschwindt. OBI lacht.
    Nur die Raute vom Kaufhaus zum Spar
    Hat Betrieb noch, der Rest ist schon klar.
    Unser Vorhang geht zuhuu.
    Feiert in himmlischer Ruh.



    FINIS



    JACQUES PARODIAMUS (erschöpft krächzend)


    Liebe Taminos,


    mit Dank an meine Inspiratoren Engelbert Humperdinck, Adelheid Wette, PDQ Bach, Gerald Hoffnung, Günther Neumann und, nicht zu vergessen, THE MARX BROTHERS AT THE OPERA, wünsche ich Euch allen eine gesegnete Weihnachtszeit.


    Im Ernst.


    :hello: Jacques Rideamus


    8R

  • "Unser Toni" las ich in diesem Forum, als von Anton Dermota die Rede war. Daraus schließe ich, dass dieser sympatische Sänger ein gern gesehener Gast hier wäre. Nun, ich lasse ihn ersatzweise etwas aus seinen Memoiren erzählen. Diese tragen den Titel "Tausendundein Abend", was sich etwas märchenhaft anhört. Sein "Sängerleben" (so der Untertitel) war dies auch teilweise, jedoch nicht seine Kindheit und Jugend. Geboren und aufgewachsen in dem slowenischen Dorf Kropa, lebten Anton und seine 10 bis 11 Geschwister - so genau wusste er es nicht mehr - in einer heute nicht mehr vorstellbaren Armut und Einfachheit. Es stehen einem die Tränen in den Augen, wenn man diese ersten Kapitel liest. Doch auch in diesem Ort und in dieser Zeit gab es Höhepunkte, und einer davon war Weihnachten:


    Es folgt ein aus folgendem copyrightgeschützten Werk entnommenes längeres Zitat


    aus: Anton Dermota, Tausendundein Abend, Mein Sängerleben,Wien 1978


    Ich wünsche Euch allen ein wunderschönes Weihnachtsfest und viel Glück und Gesundheit im Neuen Jahr!



    G 21

  • Wir haben uns sicherlich alle schon einmal darüber geärgert, dass wir bei unserem ersten heimischen Einkauf nach dem Sommerurlaub schon die ersten weihnachtlichen Lebensmittel im Supermarkt entdecken.
    Wie es dazu kam und was daraus entstehen kann, zeigt uns folgender Tatsachenbericht aus einer deutschen Großstadt (die jedoch durch jede andere Beliebige ausgetauscht werden kann).



    Advent im September


    Donnerstag, 13. September
    Schönster Altweibersommer - Noch einmal Menschen in T-Shirt und Sandalen an den Kiosken und in den Strassencafés. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der Nordstadt von Hannover. Dann plötzlich um 10:47 Uhr kommt der Befehl von Aldi-Geschäftsfuehrer Erich B.: "5 Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich!"


    Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst reagiert Minimal-Geschäftsfuehrer Martin O. eher halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse.


    15:07 Uhr
    Edeka-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.


    16:02 Uhr
    Die Filialen von Penny und Plus bekommen Kenntnis von der Offensive, können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein Weihnachtsstillstands-Abkommen bis zum 20. Oktober. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.


    Freitag, 14. September
    07:30 Uhr
    Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom studentischen Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen verhören. Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleissenden Schein von 260.000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen. Immerhin haben jetzt auch Kaufhof, REWE und Minimal den Ernst der Lage erkannt.


    09:00 Uhr
    Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse.


    09:12 Uhr
    Minimal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal.


    10:05 Uhr
    Bei Kaufhof verirren sich dutzende Kunden in einem Wald von Weihnachtsbäumen.


    12:00 Uhr
    Neue Dienstanweisung bei Lidl: An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung ein "Frohes Fest" gewünscht. Die Schlemmerabteilung von Kaufhof kündigt für den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an.


    Samstag, 15. September
    07:00 Uhr
    Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.


    08:00 Uhr
    In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte Penny-Geschäftsführer Walter S. von seinen Mitarbeitern lautstark: "Weihnachten bis zum äußersten" und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD "Weihnachten mit Michelle" über Deckenlautsprecher. Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.


    Montag, 17. September
    08:00 Uhr
    Anwohner der Schaufelder Strasse versuchen mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung die nun von Kaufhof angedrohte Musikoffensive "Adventssingen mit den Wildecker Herzbuben" zu stoppen.


    09:14 Uhr
    Ein Aldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor "Adveniat", der gerade vor Karstadt zum großen Weihnachtsoratorium ansetzen wollte.


    09:30 Uhr
    Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern Christbaumkugeln gehandelt.


    18:00 Uhr
    In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der Stromversorgung als der von C&A beauftragte Rentner Erwin Z. mit seinem Flak-Scheinwerfer Marke "Varta Volkssturm" den Stern von Bethlehem an den Himmel zeichnet.


    Dienstag, 18. September
    Die Fronten verhärten sich, die Strategien werden zunehmend aggressiver.


    10:37 Uhr
    Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu Protokoll, sie sei soeben auf dem Platz von Lidl zum Verzehr von Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos.


    12:00 Uhr
    Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Kaufhof und C&A die Einkaufszone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an. Umsonst!


    14:30 Uhr
    Teile des Stadtbezirks sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel des Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen. Menschen wie du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln und in der Eisdiele ein leckeres Eis genießen wollten.


    _________________________________________________________


    In Vorfreude auf den nächsten Sommer wünsche ich allen Taminos einen besinnlichen Restadvent und eine schöne Weihnachtsstimmung zu den Feiertagen!



    Liebe Grüße,
    Peter.


    16 P

  • Weihnachten - So feiern die Schweden


    Nach einer fast einen Monat lang währenden Einstimmung ist endlich der heilige Abend da. Die Arbeit für das Jahr ist beendet, die Kinder haben Ferien und die Vorbereitungen sind abgeschlossen.


    Eine Familienangelegenheit


    Im Gedränge der Kaufhäuser hat man seine Weihnachtsgeschenke besorgt, das Essen ist eingekauft und die Wohnung geputzt und den jeweils unterschiedlichen Familientraditionen entsprechend geschmückt.


    Weihnachten ist das große Familienfest, und es gibt jedes Mal ein Hin und Her, wo die Familie gerade in diesem Jahr feiern soll. Schweden ist bekanntlich ein langgestrecktes Land, und die Reisen können für denjenigen, der Weihnachten mit der Familie vereint feiern will, recht lang werden. Flug- und Zugreisen müssen mindestens zwei Monate im Voraus gebucht werden, und wenn man mit dem Wagen fährt, sollte man sich zeitig auf den Weg machen.


    Modernisierung von Weihnachten


    Das schwedische Weihnachten ist ein Gemisch aus einheimischen und ausländischen Bräuchen, die auf ihrem Weg aus der bäuerlichen Gesellschaft in die moderne Zeit nicht nur umgedeutet, sondern auch verfeinert und kommerzialisiert worden sind. Heute feiern die meisten Schweden Weihnachten ungefähr auf die gleiche Art und Weise, und viele der regionalen Gebräuche und Spezialitäten sind verschwunden, aber dennoch erhebt jede Familie den Anspruch darauf, ein echtes und eigenes Weihnachten zu feiern. Was man isst, kann sich immer noch danach richten, wo im Lande man wohnt oder wo man ursprünglich herkommt, aber auch in dieser Hinsicht hat eine Homogenisierung stattgefunden, hauptsächlich aufgrund des einheitlichen Angebots bequemer Halbfabrikate in den Warenhäusern. Wenige haben die Zeit, den Schinken einzulegen und die Fleischwurst selbst zu stopfen. Der Oscar-gekrönte Film „Fanny und Alexander“ des großen Regisseurs Ingmar Bergman spielt zwar um die vorige Jahrhundertwende, fasst aber gewissermaßen auch das moderne schwedische Weihnachten zusammen; es ist ein helles und lebhaftes Fest, voller Überfluß, gutem Essen und Freude, aber auch eine Zeit, in der Familiengeheimnisse die Tendenz haben, an die Oberfläche aufzusteigen.


    Weihnachtsferien


    Die schwedischen Weihnachtsferien sind relativ lang und erstrecken sich noch bis zum Ende der ersten Januarwoche. Wenn der Heiligabend vorbei ist, folgt eine Reihe mehr oder weniger angenehmer – oder für manche eher pflichtbetonter – Besuche bei Verwandten und Freunden. Der Schwede legt während der Weihnachtsfeiertage viele Kilometer zurück. Den ersten Weihnachtstag bei Olssons, den zweiten Feiertag bei Perssons und anschließend eine Woche mit Svenssons in den Bergen. Weihnachten zu feiern ist heute vielleicht komplizierter denn je. Die heutigen Familienkonstellationen mit Exfrauen und früheren Ehemännern, Kindern aus neuen und alten Ehen, eingeheirateten Verwandten und Schwiegermüttern sind schwer in die Weihnachtsfeier mit der Kleinfamilie zu pressen, die sich die Schweden im Innersten wünschen. Als sei der Druck, das perfekte Weihnachten zu schaffen, nicht schon vorher groß genug gewesen.


    Hochgespannte Erwartungen


    Die Erwartungen der Schweden, was Weihnachten betrifft, sind in der Regel recht hoch. Es soll Schnee liegen, aber niederschlagsfrei sein, alle sollen gesund sein, der Schinken soll saftig und lecker und die Geschenke sollen zahlreich sein, die Kinder zufrieden und artig und das Haus warm und hell. Alle tun ihr Bestes, und vielleicht haben die Schweden besonders gute Voraussetzungen. Die vielen Lichter bilden einen feinen Kontrast zum winterlichen Dunkel, eingebettet in den Schnee sind die roten Häuschen schöner denn je, die Tannen stehen dunkel und ernst am Waldrand. Der Weihnachtsmann schleicht um die Hausecke, und am Nachthimmel pulsiert der Polarstern.


    Der perfekte Weihnachtsbaum?


    Am Tag vor Heiligabend macht sich der Schwede auf, um den perfekten Weihnachtsbaum zu finden. Dies ist eine ernste Angelegenheit; die Tanne ist das eigentliche Symbol für Weihnachten, und sie soll dicht, gleichmäßig und gerade gewachsen sein. Wohnt man in einer Stadt, kauft man den Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz, während die Menschen auf dem Lande ihn auf dem eigenen Grundstück schlagen.


    Viele glauben, sie könnten – unter Berufung auf das schwedische Jedermannsrecht (allemansrätt) – ihre Weihnachtstanne einfach irgendwo nehmen, doch das ist nicht so. Der Weihnachtsbaum wird mit der Axt, der Säge oder – wie im westlichen Värmland an der Grenze zu Norwegen – mit der Schrotflinte gefällt. Letzteres ist nicht zu empfehlen. Wie der Baum geschmückt wird, entscheidet die Familientradition. Manche schmücken ihn mit Flaggen, andere mit Lametta und Christbaumkugeln. Wegen der Brandgefahr benutzen die meisten elektrische Kerzen. Außerdem wird die Wohnung mit Wandteppichen geschmückt, auf denen Weihnachtsmänner und Winterlandschaften zu sehen sind, die Tischtücher haben Weihnachtsmuster, Leuchter, Weihnachtsmänner und Engel werden aufgestellt. Die Räume sind vom starken Duft der Hyazinthen erfüllt. Um fünfzehn Uhr sitzt ganz Schweden vor dem Fernseher. Dann wird ein Potpourri alter Disneyfilme gezeigt, die kein Schwede satt zu bekommen scheint, obwohl sie seit den sechziger Jahren wiederholt werden. Erst danach kann das Feiern beginnen.


    Essen im Übermaß


    Die Weihnachtsgeschenke liegen an ihrem Platz unter dem brennenden Weihnachtsbaum, die Kerzen leuchten und das Büfett (smörgåsbord) mit den klassischen Weihnachtsleckereien ist angerichtet: Weihnachtsschinken, Fleischwurst, Anschovis-und-Eier-Salat, Heringssalat, eingelegter Hering, hausgemachte Leberpastete, Würzbrot, Kartoffeln und Stockfisch. Der Schinken wird zuerst gekocht, dann mit einer Mischung aus Ei, Paniermehl und Senf bestrichen und überbacken. Der Stockfisch ist getrockneter Fisch, der vor der Zubereitung kräftig gewässert und in Lauge aufgegangen ist.


    Wenn alle satt und zufrieden sind, kommt der Weihnachtsmann persönlich mit den Weihnachtsgeschenken und wünscht Frohe Weihnachten.


    Quelle: http://www.sweden.se



    An dieser Stelle sollte eigentlich etwas anderes stehen. Aus zeitlichen Gründen sah ich mich nicht in der Lage, mein ursprüngliches Vorhaben zu verwirklichen. Ich bitte dieses Versäumnis zu entschuldigen und hoffe, dass der "zusammengeschusterte" Text als Adventstürchen seinen Dienst tun darf.


    Allen Musikfreunden ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.


    Davidoff


    18 D

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Beinahe hätte ich „Es wird kein 19tes Türchen geben, denn mir fällt nichts mehr ein. Ich bin absolut leer…“ geschrieben. À propos:


    ~ ~ ~


    In den 1830er Jahren hatte sich Hans Christian Andersen [1805-1875], dänischer Dichter und Schriftsteller [u.a. „Die Prinzessin auf der Erbse“, „Des Kaisers neue Kleider“, „Die kleine Meerjungfrau“] einfach leergeschrieben.


    Andersen wurde zwangsweise ausgecheckt und unternahm ab dem 22. April 1833 eine Zwangsreise gen Italien, während der er feststellt: „Reisen heißt leben! . . . Das Reiseleben ist mir die beste Schule der Bildung geworden."


    ~ ~ ~


    Auch Johannes Brahms [1833-1897], deutscher Komponist [u.a. Ungarische Tänze], fühlte sich zu Beginn der 1890er Jahre leergechrieben. Im Gegensatz zu Andersen war ihm seine künstlerische Leere bewusst – er wollte mit dem Komponieren aufhören.


    Dann lernt Brahms Anfang 1891 den Klarinettisten Richard Mühlfeld kennen und komponierte spontan das wundervolle a-moll-Trio op. 114 für Klarinette, Violoncello und Klavier.


    ~ ~ ~


    "Außerdem bin ich leergeschrieben [mit diesem Buch]. Das muß auch so sein. Der Autor muß am Ende erschöpft sein.", vermeldet Günter Grass [*1927], deutscher Schriftsteller [u.a. „Die Blechtrommel“] nach Abschluß seines Werks „Mein Jahrhundert“ [1999].


    ~ ~ ~


    Mit dem frommen Wunsch, dass ihr Euch niemals leerschreiben werdet, sende ich herzliche Adventsgrüße.


    :hello:


    Ulli



    Z4

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Halleluja, Vulgata: Alleluja:
    Vom hebräischen “halelu-Jáh“, zusammengesetzt aus dem Imperativ Plural von halal („preisen, verherrlichen, ausrufen“) und Jah, der Kurzform des Gottesnamens JHWH.
    “Preiset Jahwe“, in den Psalmen Aufruf zum Lob Gottes; in die christliche Liturgie übernommen.



    Quellen:
    Wikipedia, Stand 20.12.2008
    Meyers Lexikon online
    Der neue Brockhaus, sechste, völlig neubearbeitete Auflage, Bd.2, Wiesbaden 1978
    Leonard Cohen: Die apokryphen Schriften, Heftchen 57, Seitenzahl geheim
    Edeltraut „Mitzi“ Stradbücker: Mein liebes Tagebuch, Eintrag unter 14.7.1944 („Heute Kartoffel Resi gekeimt…“ ff), Eigenverlag
    audiamus: Was mir der Schorsch erzählt hat, mündlich überlieferte Erinnerungen, Gedanke 5, Datum unklar







    Leipzig, Abendstunde im Advent 1723






    AMB: Macht doch nüscht.


    JSB: Aber bein andern gähts doch ooch.


    AMB: Die sind aber noch nisch so oll.


    JSB: Mir ist das noch nie passiert, newohr.


    AMB: Einmal muss es ja passiern.


    JSB: Aber nisch mir, bin ja keen ganzer Mann mehr.


    AMB: Nimm doch eene andere.


    JSB: Weib, du vergisst disch!


    AMB: Seit wir in Leipzsch sind…


    JSB: In Köthen war noch alles primoo.


    AMB: Und so prächtsch…


    JSB: Die Pracht kommt schon wieder.


    AMB: Hat doch keene Eile.


    JSB: Und ob. Es drückt misch!


    AMB: Außerdem musst du noch die Mödedde fertsch machen.


    JSB: Später. Auf, wir versuchen’s nochemol!


    AMB: Nü.


    JSB: Da musste anfassn.


    AMB: Soll isch rübbln?


    JSB: Aber vorsischtsch.


    AMB: Is ja ooch ganz schön dünne.


    JSB: Dafür so lang wie eene Toccada vom sälschen Büxtehüde.


    AMB: Ist es so rescht?


    JSB: Weiter öbn.


    AMB: Sö?


    JSB: Nü.


    AMB: Tut sisch was?


    JSB: Mach Spügge druff.


    AMB: Nü.


    JSB: Blas emol.


    AMB: Hmm.


    JSB: Noch nüscht.


    AMB: Hmmmm.


    JSB: Jetzte tut sisch was.


    AMB: Hmmmmmm.


    JSB: Nü.


    AMB: Jetzt halt du fest, isch rübbl hier.


    JSB: Isch steckn rinn!


    AMB: Schnell.


    JSB: Gut festhaltn.


    AMB: Jetzt musste stochern.


    JSB: Passt nisch.


    AMB: Noch emol Spügge.


    JSB: Nü.


    AMB: Jetzt gähts. Stochern!


    CPE: Machtn ihr da?


    AMB: Och Gottschn.


    JSB: Da Bengl hot mir grad noch gefählt.


    CPE: Is das abern Stürmn und Drängn.


    JSB: Gäht disch nüscht an.


    CPE: Do-och.


    JSB: Nä.


    CPE: Wirste schon sähn.


    AMB: Jetzte verschwind!


    JSB: Und versuch driebn die wahre Art, das Clavier zu spieln!


    CPE: Als wärn sechse nisch genuch…


    JSB: Sind ja nur noch viere.


    AMB: Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen.


    JSB: Nä. Der steckt noch drinne.


    AMB: Dann schieb nach.


    JSB: Nü.


    AMB: Und zurücke.


    JSB: Nü.


    AMB: Rinn.


    JSB: Nü.


    AMB: Zurücke.


    JSB: Nü.


    AMB: Nü.


    JSB: Nü.


    AMB: Nü.


    JSB: Nü.


    AMB: Nüü!


    JSB: Nü.


    AMB: Nüüü!!


    JSB: Nü.


    AMB: Nüüüü!!!


    JSB: Jetzt kommts!


    AMB: Nüüüüü!!!!


    JSB: Üff!


    AMB: Nüüüüüü!!!!!


    JSB: Löbet den Härrn!


    AMB: …


    JSB: …


    AMB: Blas mal dursch.


    JSB: Gäht.


    AMB: Zieh.


    JSB: Gäht.


    AMB: Jetzte schmeiß den vermaledeidn Tobacksklümpn ins Feuer, isch hol dir een frischs Kraut, dann stopfst du dein neugebornes Festtagspfeifschn, und dann machste die Mödedde fertsch.


    JSB: Ollelujo!











    [SIZE=7]Gligg tu enlatsch[/SIZE]








    Liebe Taminen,


    ein besinnliches und behagliches Weihnachtsfest bar jeder irdscher Müh' wünscht Euch




    Euer





    audiamus







    9I
    .

  • Endspurt; es geht auf Weihnachten zu. Man merkt es in den Städten. Sie sind berstend voll. Das ist nun alles keiner Klage wert sondern ist vielmehr Teil einer bunten Vielfalt von Daseinsformen und unterschiedlicher ritueller Traditionsdeutung. Ich habe also die Freiheit der Wahl. Freiheit erfordert Selbstvergewisserung. Mit dieser Selbstvergewisserung halte ich inne, vier Nächte vor der Heiligen Nacht. Ich tue dies in Form eines Glaubensbekenntnisses, das kein religiöses ist, auch wenn Religiöses darin gestreift wird.


    Mein Glaubensbekenntnis


    Ich bin ein Kind dieser Welt und entstamme dem abendländischen Kulturkreis. Dadurch erfährt mein Menschsein bereits eine Einschränkung. Ohne dass ich wüsste, warum ich hier bin, weiß ich, dass ich diese Welt irgendwann wieder verlassen muss, ohne dass ich gefragt würde, ob ich gehen möchte. Zwischen diesen Polen spielt sich mein Leben ab; hier richte ich mich ein zwischen Glauben und Wissen.


    Man hat mich gelehrt, an die Freiheit des Menschen zu glauben; die Gedanken, so heißt es, seien frei, gleichviel, welche physischen Zwänge unseren Handlungen eine Richtung weisen. Aber das stimmt nicht: sie sind unfrei durch die Prägung, die ich durch das Aufwachsen in dieser Gesellschaft erhielt. Doch ist diese Erkenntnis ein erster Schritt zur wahren Freiheit. Man hat mich gelehrt zu glauben, dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei. Man hat mich gelehrt, an absolute Dinge zu glauben, verbrämt als Religion oder Ideologie, sie als lebensbestimmende Axiome hinzunehmen. Ich gebe zu, dass es bequem ist, danach zu handeln. Vieles wurde dadurch gerecht, was ich aus dem Innern meines Herzens heraus ablehne: Kriege, Verfolgungen, Foltern, Strafen, Herabsetzungen und soziale Ungerechtigkeit.


    Und ich begreife: Alles falsch.


    Ich glaube an Gott. Warum glaube ich nicht an Allah? Warum nicht an eine Kette von Wiedergeburten bis hin zum Eingang ins Nirwana? Ich begreife, dass der Gott, an den wir Menschen glauben, eine menschliche Fiktion ist, in dessen Namen wir eine Moral verkünden, ohne zu wissen, ob es die Seine ist. Welch abnorme Vorstellung: Schlachtopfer seien Ihm wohlgefällig, ja er ginge sogar soweit, uns Menschen ein Schlachtopfer zu schicken, dem wir in unserer Einfalt die Gottessohnschaft zuerkennen, und das seine vorbestimmte Erfüllung am Kreuzesstamm zu finden hat, von nichts menschlich-allzu menschlichem verunreinigt, so dass eine Jungfrau ihm das Leben schenken musste. War es nicht derselbe Gott, Jahwe genannt, der Abraham davon abhielt, seinen Sohn Isaak zu opfern? Wie ungerecht sind wir diesem Menschen Jesus gegenüber, der uns Güte, Nächstenliebe und Verzeihen lehrte, und der von der Richtigkeit seines Tuns so überzeugt war, dass er eher das Kreuz wählte, als auch nur einen Fingerbreit von seiner Einsicht in das Richtige abzuweichen und der somit an unserer Menschlichkeit scheiterte. Und ich sage bewusst “Menschlichkeit”, denn alles was der Mensch tut, ist menschlich; seine tiefsten Abgründe sind menschlich, denn die übrige Kreatur ist dazu nicht fähig.


    Weil ich Christ bin, glaube ich nicht an die Kirche, sondern an den Menschen, für den sie da ist. Ich glaube nicht an den Staat, sondern an den Menschen, für den er da ist. Ich glaube an die Gemeinschaft der Menschen. Viele dieser Menschen -die meisten von ihnen habe ich noch nie gesehen- arbeiten auch für mich und ich fühle mich in ihrer Schuld. Sie bauen Häuser und Straßen, backen Brot und bestellen das Feld und ich suche meinen Platz in dieser Gemeinschaft.


    Ich glaube an das Leben als etwas sich stetig Wandelndes. Leben zu lernen endet nie und wird allein durch den Tod beschlossen. Eine allgemeingültige Moral lehne ich ab, denn sie hat schon zu viele Menschen davon abgehalten, einen eigenen Weg zu finden, auch und vor allem zu einem anderen Menschen, und vieles was als Liebe begann, in ein Korsett geschnürt, in dem diese ersticken musste.


    Ich glaube an ethische Vernunft und Einsicht, die ihren Weg in die Gesellschaft findet wie ein Stein, der ins Wasser geworfen, kreisförmige Wellen ausschickt. Hat man je erlebt, dass diese Wellenbewegung eine zeitlich unendliche sei und räumlich unbegrenzt?


    Ich glaube an die Liebe als ein tiefempfundenes Gefühl der Zuneigung zu einem geliebten Menschen, das keinerlei Bestätigung durch einen gesellschaftlichen Vertrag bedarf. Vielmehr scheint es mir eine Reise in ein anderes Ich zu sein, die abzuschließen und zu beenden ein menschliches Leben nicht ausreicht, wenn sie sehend und fühlend begangen wird. Sie ausschließlich als eine Folge erotischer Reize zu sehen habe ich zu allen Zeiten als lächerlich empfunden und bin mit zunehmendem Alter davon überzeugter denn je.


    Ich glaube an die Nächstenliebe als die einzige Kraft, die menschliches Leben und Zusammenleben gestalten kann. Gesellschaftliche Hierarchien lehne ich ab, vor allem solche, die durch Geburt und Geld und nicht durch menschliche Leistung bestimmt werden. Ein reicher Mensch ist reich im Herzen. Reichtum an Geld hingegen verarmt den Menschen oft.


    Ich glaube an die Freiheit des Menschen und verachte die Gewalt, mit der Menschen versuchen, sich andere Menschen untertan zu machen. Ich glaube an die Freiheit, die dann eine wahre Freiheit ist, wenn sie sich mit der Freiheit anderer Menschen zu messen vermag und unter Abwägung aller Widrigkeiten dem einzelnen Menschen ermöglicht, in der Gemeinschaft der Menschen zwischen den lebensbestimmenden Polen Geburt und Tod seinen eigenen Weg zu gehen.


    Das alles glaube ich. Heute.


    Einen ruhigen 4. Advent und ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest wünscht


    Euch der Thomas :hello:


    3T

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Vorweihnachtszeit. Das ist für uns griechisch-römische Exklave in Osthessen auch die Zeit, an Nikolaus Aspirinus zu denken. Den aufrechten und unbeugsamen Bekenner Gottes, dessen Beispiele an Nächstenliebe und Weisheit viele Bände füllen. So viele, dass einige Ketzer mutmaßen, ein einziges Leben könne niemals ausgereicht haben, diese Taten zu begehen. Es war auch der Exilgrieche Alexos Knoppos, der behauptete, sein Urgroßvater, Deimos Knoppos, habe die Figur des Aspirinus erfunden. Deimos Knoppos behauptete aber auch, er wüßte, wo Gott wohnt (Schaffrathstraße, Ecke Plagenweg, Gelsenkirchen), von daher sind die Aussagen mit Vorsicht zu genießen.


    Wer aber die tiefe Menschlichkeit des Nikolaus Aspirinus in sein Herz lässt, der wird sich mit Fragen des ob und des aber gar nicht beschäftigen. Der, der mit dem Herzen sieht, wird wissen, dass Aspirinus irgendwie in uns allen wohnt.



    Aspirinus und der falsche Glaube


    Aspirinus kam auf seinen Wanderungen durch den Taurus auch einmal nach Aspendos. Die Menschen dort waren aber verstockt und wollten Gott als ihren Herrn nicht anerkennen. Lieber huldigten sie dem Mammon, der Wollust, dem Wein und einer alten, schäbigen Kaffeetasse, die der Dorfälteste unter einer einsamen Zypresse verwahrt hielt.


    „Was macht ihr mit der Kaffeetasse?“ fragte Aspirinus, als er erfolglos auf dem Marktplatz gepredigt hatte.

    „Wir holen sie einmal in der Woche hervor, beten sie an und dann geht alles den rechten Gang“, sagte der Dorfälteste stolz.


    „Was geht seinen Gang?“


    „Nun, die Sonne dreht sich weiter um die Erde, der Mond dreht sich um die Sonne. Unten ist unten, oben ist oben, so was halt“, sagte der Dorfälteste mit einem herzlichen Lachen, als hätte er einem kleinen Jungen erklärt, warum man gelben Schnee nicht essen sollte.


    „Das heißt, wenn ihr dies nicht tun würdet, dann würde sich die Sonne nicht um die Erde drehen, der Mond nicht um die Sonne, unten würde oben, oben würde unten werden?“


    „Ganz richtig“, sagte der Dorfälteste.


    Da nahm Aspirinus die Kaffeetasse, tat so, als ob er sie ehrfürchtig betrachten wollte, rannte so schnell er konnte zum Eurymedon und warf die Tasse in die Fluten. Der Dorfälteste, der trotz seines Alters über schnelle Beine verfügte, sprang verzweifelt in den Fluss, um die Tasse zu erretten, allein er schaffte es nicht und nach einer Stunde kam er erschöpft aus dem Wasser. Ohne Tasse.


    Aspirinus aber zeigte zum Himmel und sagte: „Allein der Herr entscheidet, was oben und was unten ist, was sich dreht und was sich nicht dreht und was sich überhaupt um was dreht. Nicht eine alberne Kaffeetasse.“


    Die Menge, die aufgebracht an den heiligen Mann herangerückt war, zeigte sich für einen Augenblick beeindruckt, denn weder hatte sie ein Blitz getroffen, noch wurden sie von der Erde verschlungen. Selbst die Vögel zwitscherten unbekümmert weiter.
    „Und was ist mit dem Mammon?“ fragte einer aus der Menge.


    „Was soll mit dem Mammon sein?“ fragte Aspirinus, denn er wusste wohl, dass sie Mammon huldigten, aber nicht auf welche Weise und was die Huldigungen bewirken sollten. Der Dorfälteste, mittlerweile wieder trocken, erklärte es ihm. Da nickte Aspirinus weise und sagte: „Ladet alles Gold auf meinen Esel und ihr werdet sehen, dass dieses Dorf trotzdem nicht in einem morastigen Loch verschwindet.“


    Und die Menschen eilten in ihre Häuser, rafften alles Gold und Geschmeide zusammen. Und es waren fünf große Säcke, die sie dem armen Esel aufbürdeten. Aspirinus schaute zufrieden. „Es ist für einen wahren Christen immer eine Freude, den Menschen Last abzunehmen, die ihm auf dem Weg in das Himmelreich im Wege steht.“ Und als der Esel beladen war und Aspirinus kraft seines Gebisses die Qualität der Münzen begutachtete, sahen die Menschen, dass ihr Dorf nicht in einem Morast versank und auch kein Blitz vom Himmel fiel.


    „Und was ist mit dem Wein?“ fragte ein anderer aus der Menge.


    „Was ist mit dem Wein?“ fragte Aspirinus, denn er wußte wohl, dass sie dem Wein huldigten, aber nicht auf… okay, er konnte es sich denken. „Schüttet allen Wein in den Fluss und überlasst mir ein großes Gebinde.“


    Die Menschen von Aspendos jubelten und taten, wie er ihnen geheißen hatte. Sie schütteten allen Wein in den Fluss, allein ein großes Gebinde überreichten sie Aspirinus, der davon kostete. Der Wein war köstlich und Aspirinus kostete weiter. Und weiter. Bis die Amphore geleert war. Er war dieses Opfer schuldig, dachte er…


    „Und jezz die Wolllllusst“, sagte er und schwankte bedenklich.


    „Ja, die Wollust. Nimm uns auch den falschen Glauben der Wollust.“


    „Was ha.. hat esss mit.. hicks.. der Wolluuusssst auff sich?“ fragte er unschuldig und begann schon mal den Gürtel seines Gewandes zu lösen.


    „Wir frönen der Wollust jedes Jahr mit einer speziellen Jungfrau, die ausgelost wird“, sagte der Dorfälteste und half Aspirinus auf, der beim Versuch, die Sandalen auszuziehen, gestürzt war.


    „Ah jaa…“, sagte Aspirinus, der Schwierigkeiten hatte, sein Gewand richtig zu falten. „Wassnso speziell?“ fragte er mit dem Lächeln eines Samariters, der sich freut, gleich etwas Gutes zu tun.


    „Es ist die jeweils älteste Jungfrau, die das Dorf vorweisen kann“.


    „Ich werde euch übez… ebüz… überzeugen… hicks… das auch die... dieser Glaube vom Teu... Teufel stammmmmt.“


    Da teilte sich die Menge und eine alte Frau trat hervor. Ihr dürrer, faltiger Körper steckte in einem aschgrauen Sack, die grauen Haare standen ungebändigt vom skelettartigen Schädel, in ihren halbblinden Augen schimmerte die Dankbarkeit der Geretteten und als ihr zahnloser Mund die Freude nicht verhehlte, da sagte Aspirinus, der wunderbarerweise wieder völlig bekleidet war mit beinah klarer Sprache: „Ah ja… in diesem Fall habt ihr in Übereinstimmung mit der Schrift gehandelt, das ist soweit – hicks- alles in Ordnung, diesen Dings, Kelch da, das müsst ihr… alleine und so… ihr versteht?“


    Und er schwang sich auf den Esel, der sich unter der Last ächzend aus dem Dorf bewegte. Wieder hatte Aspirinus einen falschen Glauben entlarvt und ein selbstloses Opfer dargebracht.


    U 19

  • Weihnachten



    Im Stall stehen
    Maria und Josef
    gehüllt in feinstes Linnen.
    Die Krippe eine wunderschöne Drechselarbeit.
    Trachten aus Südtirol.


    Die Hirten kommen
    das Kind anzuschauen
    mit fetten Schafen.
    Ein jeder trägt flauschigen Flanell.
    Ist frisch rasiert.


    Oberhalb
    eine Tanne
    aus Skandinavien.
    Geschmacklos geputzt, viel Lametta.
    Orange ist Modefarbe.


    Hässliche Kerzen
    außen golden,
    innen doch nur
    eine Mischung aus Stearin und Paraffin.
    Sprühende Wunderkerzen.


    Nach der Orgie
    ohne Worte
    ein jeder zu seinem Haufen
    überflüssiger Geschenke.
    Nur der Stern schaut ein bisschen traurig.



    Aus: Martin Bauer: Gedichte 2000-2005, ungedr.


    H10

  • Drei kurze Texte sollen nun die bunte Reihe der Adventstürchen beschließen. Der erste stammt aus dem 9. Jahrhundert. In der großartigen Vision wird hier im Muspilli der Kampf von Elias mit dem Antichristen dargestellt, der mit dem Jüngsten Gericht endet.


    Muspilli


    so daz Eliases pluot in erda kitriufit,
    so inprinnant die perga, poum ni kistentit
    enihc in erdu, aha artruknent,
    muor varsuuilhit sih, suilizot lougiu der himil,
    mano uallit, prinnit mittilagart,
    sten ni kistentit, uerit denne stuatago in lant,
    uerit mit diu uuiru uiriho uuison:
    dar ni mac denne mak andremo helfan uora demo muspille.


    Wenn des Elias' Blut auf die Erde tropft,
    so entbrennen die Berge, Bäume bleiben nicht stehen,
    keiner auf Erden, die Wasser vertrocknen,
    das Moor verschlingt sich, schwelt in der Lohe der Himmel,
    der Mond fällt, es brennt der Erdkreis.
    Dann steht auf Erden keine Eiche, es fährt der Gerichtstag ins Land,
    fährt mit dem Feuer, heimsucht die Menschen:
    Da kann kein Verwandter dem anderen Verwandten helfen vor dem Weltuntergang.


    Der zweite Text feiert in mystischen Worten die Liebe Gottes zum Menschen und die Liebe des Menschen zu Gott


    Mechthild von Magdeburg (1202-1282): Swenne ich schine


    Swenne ich schine so muost du lühten,
    swenne ich vlüsse, so muost du wuethen,
    swen du süfzest, so zühest du min götlich herze in dich.
    swenne du weinest na mir, so nim ich dich an den aren min;
    swenne du aber minnest, so werden wir zwöi ein,
    und wenne wir zwöi alsust eines sin, so mag da niemer geschehen scheiden,
    mere ein wonenklich beiten wonet zwüschent uns beiden.
    herre so beit ich denne mit hunger und mit durste,
    mit jagen und mit luste,
    vnz an die spilenden stunde
    das us dinem götlichen munde
    vliessen die erwelten wort,
    die von nieman sin gehort,
    mere von der sele alleine,
    die sich von der erde entkleidet
    und leit ir ore für dinen munt –
    ja die begriffet der minne funt.


    Wenn ich scheine, so musst du leuchten,
    wenn ich fließe, so musst du rasend dahin strömen,
    wenn du seufzt, so ziehst du mein göttliches Herz in dich.
    wenn du nach mir weinst, so umarme ich dich;
    wenn du liebst, so werden wir zwei eins,
    und wenn wir zwei so eins sind, so kann da nie mehr Trennung geschehen;
    fortan wohnt ein wonnigliches Verharren bei uns beiden.
    Herr, so warte ich denn mit Hunger und mit Durst,
    mit hastiger Eile und mit dem Vergnügen,
    bis an die fröhliche Stunde,
    dass aus deinem göttlichen Munde
    fließen die auserwählten Worte,
    die von niemanden gehört werden
    nur von der Seele allein,
    die sich von der Erde entkleidet
    und legt ihr Ohr vor deinen Mund –
    ja, die begreift den Fund der Liebe.



    Mit dem Autoren, mit dem ich begonnen habe, ende ich nun auch:


    Klabund: Weihnacht


    Ich bin der Tischler Josef,
    Meine Frau, die heißet Marie.
    Wir finden kein' Arbeit und Herberg'
    Im kalten Winter allhie.


    Habens der Herr Wirt vom goldnen Stern
    Nicht ein Unterkunft für mein Weib?
    Einen halbeten Kreuzer zahlert ich gern,
    Zu betten den schwangren Leib. –


    Ich hab kein Bett für Bettelleut;
    Doch scherts euch nur in den Stall.
    Gevatter Ochs und Base Kuh
    Werden empfangen euch wohl. –


    Wir danken dem Herrn Wirt für seine Gnad
    Und für die warme Stub.
    Der Himmel lohns euch und unser Kind,
    Seis Madel oder Bub.


    Marie, Marie, was schreist du so sehr? –
    Ach Josef, es sein die Wehn.
    Bald wirst du den elfenbeinernen Turm,
    Das süßeste Wunder sehn. –


    Der Josef Hebamme und Bader war
    Und hob den lieben Sohn
    Aus seiner Mutter dunklem Reich
    Auf seinen strohernen Thron.


    Da lag er im Stroh. Die Mutter so froh
    Sagt Vater Unserm den Dank.
    Und Ochs und Esel und Pferd und Hund
    Standen fromm dabei.


    Aber die Katze sprang auf die Streu
    Und wärmte zur Nacht das Kind. –
    Davon die Katzen noch heutigen Tags
    Maria die liebsten Tiere sind.





    Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage ...


    L23

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