Aussterbende Wörter

  • Im nordhessischen ländlichen Raum (dort verbrachte ich zwangsläufig meine Kinder-und Schuljahre) nannten die Kinder ihre Tante noch Godel und der Onkel war der (ausgesprochen - "Patte"), also der Pate. Worte, die heute auch schon in Vergessenheit geraten sind, vom Oheim ganz zu schwiegen!
    Oder die Kommode, einst Vertiko genannt, etc....
    Mit lieben Grüßen,
    diotima. :hello:

  • Zitat

    Original von diotima
    Im nordhessischen ländlichen Raum (dort verbrachte ich zwangsläufig meine Kinder-und Schuljahre) nannten die Kinder ihre Tante noch Godel und der Onkel war der (ausgesprochen - "Patte"), also der Pate. Worte, die heute auch schon in Vergessenheit geraten sind, vom Oheim ganz zu schwiegen!
    Oder die Kommode, einst Vertiko genannt, etc....
    Mit lieben Grüßen,
    diotima. :hello:


    So ähnlich klingt das in der Westpfalz: "God" und "Pat".


    Zitat

    Dann mach ich mal gleich weiter mit


    Lichtspielhaus


    In meiner Heimatstadt Zweibrücken hies das erste Kino auch noch "Kammerlichtspiele". Klingt irgendwie viel interessanter als Kino, oder?


    LG
    Rosenkavalier

  • Neulich verwendete ich das Wort "Chuzpe" und erntete fragende Blicke. Da wagt man ja gar nicht mehr, das Wort "nebbich" in den Mund zu nehmen und andere herrliche und vor allem unübersetzbare Schöpfungen des Jiddischen.


    Außerdem erfuhr ich, dass jetzt "das Selbe" und "das Gleiche" identisch ist. Das nenne ich Verlust an sprachlichen Differenzierungsmöglichkeiten...


    :hello:

    ...

  • Am meisten vermisse ich "Bitte" und "Danke"


    :beatnik:


    Zitat


    Außerdem erfuhr ich, dass jetzt "das Selbe" und "das Gleiche" identisch ist. Das nenne ich Verlust an sprachlichen Differenzierungsmöglichkeiten...


    8o


    Als ob das Gleiche dasselbe wie das Selbe wär... :kotz: Welche Hirnies waren denn da am Werk? Wozu gibt es dann noch zwei unterschiedliche Ausdrücke? Dann könnte man auch gleich alle Tiere einheitlich Eier nennen, oder so... oder alle Musik mit Trompete als Sinfonie bezeichnen :pfeif:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hm...


    Es kann aber doch dieselbe Person


    a) in die selbe Vorstellung gehen (wie z.B. Alfred) und anschließend
    b) in die gleiche Vorstellung gehen (nur am andern Ort/Termin)


    ?(

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hm,


    aber "das Gleiche" und "das Selbe" sind doch relationale Begriffe, die einen Vergleich voraussetzen, oder irre ich??


    Bsp:


    Person 1: Hmm, das ist ja die gleiche Tasche, die auch Ulli hat.
    Person 2: Es ist sogar die selbe, er hat sie letztes mal hier liegen lassen.


    :hello:
    Wulf

  • Ihr macht mich noch ganz meschugge!( :hello:Edwin, ich habe Alles Jiddische immer mit Begeisterung verschlungen und bin doch nur eine Schickse! :untertauch:)


    Und wenn keiner mehr etwas zum Lichtspielhaus weiss oder sagen will, kommt hier gleich das nächste Listenwort:


    Käseigel



    Gibt es die eigentlich heute noch? Oder ist hier derselbe Verfallsmechansimus wie beim Lichtspielhaus zu bemerken, dass ein Wort ausstirbt, weil es den beannten Gegenstand nicht mehr gibt?



    Meine Mutter hat diese netten Käseigel immer gerne gemacht, wenn man einfach so abends zu späterer Stunde zusammensass.
    Meine Tochter, die schon im zartesten Alter serh viel rhetorische Chuzpe hatte, hat dem Ganzen dann aber im Kindergarten"Meine Oma macht immer Schweine- Igel!!!!" den Namen "Schweine-Igel" verpasst, womit in meinem Fall der arme Käseigel für immer gebranntmarkt sein wird...... :wacky: ;)


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Neulich verwendete ich das Wort "Chuzpe" und erntete fragende Blicke. Da wagt man ja gar nicht mehr, das Wort "nebbich" in den Mund zu nehmen und andere herrliche und vor allem unübersetzbare Schöpfungen des Jiddischen.


    Außerdem erfuhr ich, dass jetzt "das Selbe" und "das Gleiche" identisch ist. Das nenne ich Verlust an sprachlichen Differenzierungsmöglichkeiten...


    :hello:


    Lieber Edwin!


    Na dann Masseltow, dass Du in dem Tohuwabohu der (d)englischen Wörter heute noch jiiddische Worte findest.


    Die zwei Worte sind zwar nicht aus dem Jiddischen, aber aus dem Hebräischen.


    Nebbich bei Deiner Chuzpe wirst Du noch welche finden.


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Käseigel


    Spätestens, wenn McDoof die wieder einführt, gibt es sie wieder als cheese hedgehogs


    :P

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Liebe Fairy,


    das Lichtspielhaus und die Lichtspiele möchte ich höchst ungern ganz aufgegeben sehen, denn solange es Filme und Kinos gibt, erweisen die sich als im Wortsinne glücklichste Fügungen der deutschen Sprache.


    Der Begriff drückt nämlich genau das aus, was dort geschieht: ein Bild wird 24 mal in der Sekunde mit einem Lichtstrahl an eine entfernte und möglichst helle Fläche Wand geworfen, und da die Bilder schneller erscheinen als es dem Auge gestattet ist, Einzelheiten zu erkennen, entsteht die Illusion einer Bewegung. Das Licht spielt also mit den Bildern und macht so aus etwas Statischem etwas Bewegtes und oft, wenn die Bilder gut aufgereiht sind, auch Bewegendes.


    Auch im Fernsehmonitor geschieht im Grunde nichts anderes, nur ist die Technik der Übertragung eine andere.


    Wir sollten also den Begriff mit Klauen und Szenen verteidigen. :yes:


    :hello: Jacques Rideamus

  • Potztausend - dieser Faden ist mir eine Labsal, dient er doch zum Behufe des Erhalts der Kleinodien unserer Muttersprache. So lasset uns also fürbaß die Wählscheibe, das Gabelfrühstück, das Stelldichein, den Schlüpfer, den Abort und die Vollbeschäftigung aus ihren Gruften auf dem Sprachfriedhof exhumieren, sintemalen sich damit der um sich greifenden Anglisierung in Anbetracht des nahenden Christfestes (welches heute glaube ich Xmas heißt) trefflich entgegenwirken läßt.


    Und zu Sylvester reichen wir dann Käseigel statt Sushi, russische Eier statt Tacos, Spargel in Kochschinken statt Chili con Carne und Toast Hawaii statt Bruschetta. Ach weh, mir wird ganz blümerant - ich fühl mich wie im Wirtschaftswunderland...


    Gehabt Euch wohl,


    Cassiodor


  • Lieber Waldi!


    Blümerant - das verwendete noch Erich Kästner in "Pünktchen und Anton",


    ist aber auch schon eine Weile her, etwa in den 1950er Jahren.


    Kleinod das ist schon wirklich bedeutend seltener, da wird einem ja ganz blümerant zumute.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter.

  • Lieber Cassiodor,


    Retro ist nicht nur schick, sondern manchmal auch Glück.


    Im November hättest Du übrigens die Lichtspiele auf Deine Liste von Gedenkminuten setzen können, denn im November 1896 eröffnete Oskar Messters Lichtspielhaus als erstes öffentliches Kino in Berlin. :D


    Den gar nicht sooo altmodischen Jungspund zu feuern, geht aber nächstes Jahr auch noch, da wird er 113.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Cassiodor
    [...] Christfestes (welches heute glaube ich Xmas heißt) [...]


    ...ist sogar praeHIP:


    Zitat

    Original von Vicky P. Dia
    X'temmas ist in der englischen Sprache seit 1551 belegt [...]


    :angel:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Dank Dir, Cassiodor, für das Wort: "Behuf", denn es gefällt mir ganz ausgezeichnet! :jubel: :jubel: :jubel:
    Ich bedauere es sehr, dass dieses Wort kaum noch Verwendung findet.
    Mit lieben Grüßen,
    diotima. :hello:

  • Zitat

    Original von Ulli
    Als ob das Gleiche dasselbe wie das Selbe wär... :kotz: Welche Hirnies waren denn da am Werk? Wozu gibt es dann noch zwei unterschiedliche Ausdrücke? Dann könnte man auch gleich alle Tiere einheitlich Eier nennen, oder so... oder alle Musik mit Trompete als Sinfonie bezeichnen :pfeif:


    Da fällt mir das unbeholfen gleichmachende "Lied auf einer CD" selbst für rein Instrumentales ein, wo es besser Track oder Stück hieße.

  • Also wenn bereits die Chuzpe gefährdet ist, was is noch immer eines meiner Lieblingsworte, dann wird mer mewulwe. Sowas überhaupt zu denken, ist schon eine Chuzpe!


    Die in meinen Frühlingstagen noch allgemein verbreiteten Lichtspiele dürften in Wien inzwischen ausgestorben sein außer in Kombination mit Mega-, Giga- und ähnlichen Vorsilben, die mich sowieso gleich in die Flucht schlagen.


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Kontrapunkt
    Da fällt mir das unbeholfen gleichmachende "Lied auf einer CD" selbst für rein Instrumentales ein, wo es besser Track oder Stück hieße.


    ...oder Spur... oder... 3. Satz der 7. Sinfonie von... oder...


    :angel:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • "blümerant" hat (oder hatte bis vor kurzem) einen durchaus festen Platz im aktiven Wortschatz der Sachsen. "Mir is awwer heide blimerant zu Muhde"
    Wenn ich ehrlich sein soll, ich hätte es bis eben für einen typisch sächsischen Ausdruck gehalten :wacky:

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Kennt Jemand von Euch eigentlich noch ein "Restaurationsbrot"? Das war in meiner Jugend für Jedermann ein Begriff. Kam gleich hinter den "russischen Eiern" und wurde zubereitet von der "Kaltmamsell". Eine weitere kulinarische Offenbarung war der "Stramme Max". Und da wir gerade bei Retro sind, ein sehr beliebtes Getränk war das "Blutgeschwür", das man mit den damals gerade auf den Markt gekommenen Salzstängeln verrührte.


    :hello:


    Emotione

  • Liebe Emotione, die Kaltmamsell und den Strammen Max kenne sogar ich noch , aber ein "Blutgeschwür" und ein "Restaurationsbrot"????? Verrätst Du denn noch, was das ist?


    Lieber Cassiodor, hast Du den Kalender etwa auuch? oder woher weisst du sonst, welche Wôrter da noch erscheinen?



    Jedenfalls geht es jetzt tatsächlich weiter mit


    Schlüpfer


    Und in deisem Fall bin ich nicht unfroh, wenn und dass das Wort ausstirbt.
    Die Gebilde, die ich mir darunter vorstelle taugen jedenfalls allenfalls für die derzeitigen Temperaturen oder für Alles, was ohnehin jenseits von Gut und Böse ist.


    Ausserdem finde ich allein schon das Wort doof. Etwas zum Reinschlüpfen oder etwas "Schlüpfriges"- keine Ahnung woran bei dieser Creation gedacht wurde. ?(



    Dessous gefällt mir jedenfalls wesentlich besser. Und ist auch dem benannten Gegenstand vollkommen angemessen.
    Aber heute sagt man wohl eher Slip. :wacky:



    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Aber heute sagt man wohl eher Slip.



    Womit wir eigentlich wieder beim Schlüpfer wären, es sei denn, man bevorzugt die Übersetzung Rutscher.
    Da gefällt mir Dessous auch besser.



    audiamus



    .

  • Zitat

    Original von Philhellene


    Das Wort ist mir bisher nur bei einer meiner zugegebenermaßen etwas perversen Freizeitaktivitäten untergekommen: beim Lesen etymologischer Wörterbücher ohne Anlass in alphabetischer Reihenfolge. Demnach wäre es im 17. Jh. aus dem französischen "bleu mourant" entlehnt worden und bezöge sich auf das "schwarz vor Augen werden".


    Bei uns zu Hause - nichtsächsisch - war das Wort durchaus noch vorhanden (allerdings mehr in der Großmuttergeneration). Was die Herleitung angeht, sind die verschiedenen Wörterbücher einig (eben dieses bleu mourant), allerdings in der Erklärung tappt man offensichtlich nach im Tief-Blau, dass es einem schwindelig wird von der Modefarbe des 17. Jahrhunderts bis dazu, dass das Blässlich-Blau die Farbe eines Ohnmächtigen ist. Nicht, dass mir da gleich blümerant wird ...


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Emotioneein sehr beliebtes Getränk war das "Blutgeschwür", das man mit den damals gerade auf den Markt gekommenen Salzstängeln verrührte.


    Da ist der Mixer gefragt, obwohl der Cocktail nicht gemixt, sondern in aller Vorsicht übereinandergegossen wird. Erst der Eierlikör und dann Cherry Brandy ...


    Liebe Grüße Peter

  • Liebe Fairy


    Ein wirklich schöner Thread - grade auch in Zeiten wo über den Anglizismus geschimpft wird, der unaufhaltsam unsere Sprache verdrängt und dann war da ja noch das Thema zur deutschen Sprache im Grundgesetz...


    Die Idee mit dem Kalender, den Dir Deine Freundin schenkt, nehme ich für 2009 auf! Danke für den Tipp!


    Ich finde diese alten Worte wunderschön, traue mich aber kaum, sie anzuwenden.


    Wer spricht heute noch von Tagewerk verrichten?
    Bin AUF Arbeit oder mein Job ist ....


    Passend dazu Müßiggang - häää? Was ist das? Chillen, Auszeit - da weiß man doch, was gemeint ist. Und "ß" ist eh OUT.

    Leider verschwinden viele Wörter wohl auch mit den dazugehörigen Gegenständen. Frag mal einen 10jährigen nach einer Schallplatte, einer Wählscheibe, einem Leibchen oder einem Feudel.


    Viele Grüße Mimi

    che gelida manina....

  • Danke, lieber Peter, genau das bezeichnete man als Blutgeschwür, kann man sich heute nicht mehr vorstellen, dass diese Mixtur einmal eine Modegetränk war.


    Ein Restauratiionsbrot war eine Scheibe Brot, auf die eine Ladung Kartoffelsalat verteilt wurde. Das Ganze wurde dann dekoriert mit allerlei Wurstsorten, Fleischsalat, Ei, nicht zu vergessen dem seinerzeit so beliebten Lachsersatz und erhielt als Krönung etwas krause Petersilie. Bei der Auswahl der Zutaten waren der Kaltmamsell keine Grenzen gesetzt. Wohl bekomms :D


    Zum Wort Schlüpfer fällt mir eigentlich nur ein, dass noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts Unterhosen mit Bändern in der Taille befestigt wurden. Da denke ich schon, dass das Wort vom englischen Verb "slip" entlehnt ist.


    LG


    Emotione

  • Also dann eine Testfrage - vielleicht vor allem an die Wiener:


    Wißt Ihr was ein "Pumpfineberer" ist?


    Hinweis: Kommt diesmal nicht aus dem Hebräischen. :D

  • Hallo Brangäne,


    als ahnungsloser Nichtwiener tippe ich mal gaaanz vorsichtig auf einen Leichenbestatter oder Sargträger. Jedenfalls ein herrlicher Frankozismus - die Aussprache auf Wienerisch gibt dem gewiß erst den besonderen Touch.


    Salve,


    Cassiodor

  • Meine Lieben,


    Zwischen Schlüpfer und Slip besteht denn doch ein erfreulicher Unterschied. Schlüpfer wird übrigens auch für Schuhe ohne Schnüre verwendet (neudeutsch: Slipper).


    Und die Herkunft unserer Pompfuneberer ist das Französische: Pompe funèbre - so hieß, wenn ich mich nicht irre, auch einst das führende hiesige Bestattungsunternehmen.


    LG


    Waldi

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose