Vladimir HOROWITZ - der größte Liebhaber des Klaviers

  • Nein, die Davidsbündler hat Horowitz leider nicht aufgenommen, ich wusste gar nicht, dass er sie gespielt hat!? Wo hast du das her?

    Aus der Horowitz-Biographie von Slatkin. :) Steht zwar nicht im Inhaltsverzeichnis, habe ich aber so im Kopf. Da schaue ich nochmals nach - wird vielleicht etwas dauern!



    Holger: bspw. bei Arlequin, Florestan, Coquette, Pantalon usw. schimmert für mich - vor allem bei Horowitz - schon ein gewisser Irrsinn durch ;-) Dass CARNAVAL das Leben 'nur' spiegele, leitet sich vor allem aus Deiner Einschätzung ab, dass hier gewissermaßen der romantische Intellektuelle am Werk sei. Für mich ist der Carnaval hingegen eins von Schumanns disparatesten und auch leidenschaftlichsten Werken - die Leidenschaft verbrigt sich nur hinter Masken und tritt nicht offen ans Licht.

    Disparat? Wenn man die vier Noten nimmt (die Sphinx) als "geheimer" Bezugspunkt, dann geht es Schumann gerade um kryptische Konvergenz (nur Chopin und Paganini fallen heraus). (Rosen zieht sogar Parallelen zu Bachs WTK!) Das alles ist hochreflektiert und wenig "unmittelbar". Dass sich die Leidenschaft hinter Masken verbirgt ist doch gerade das "Objektive" des Carnaval, das Emblematische, das sich mit einer "Kreisleriana" beißt. Wo ist (E.T.A.Hoffmann, Kater Murr) im Carnaval "phantastische Überspanntheit", "herzzerreißende Ironie" die "Unruhe und Verwirrung" stiftet, "grillenhafte Phantasie, ohne Gestalt, ohne Farbe". Das paßt alles nicht und wirkt bei Horowitz aufgesetzt finde ich - widerspricht dem Gestalthaft-Emblematischen, hochrational-konstruktiven, der hintersinnigen reflektierenden Brechung anstelle von leidenschaftlicher Unmittelbarkeit (Leidenschaft natürlich ja, aber kein ungefilterter subjektiver Gefühlsausbruch). :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    wahrscheinlich liegst Du schon richtig, der Carnaval ist gewiss ein hochreflektiertes Werk. Ich finde es nur schwierig, hier mehr als in der Kreisleriana und Fantasie op. 17 den romantischen Intellektuellen und Ironiker am Werk zu sehen - als wären diese Stücke weniger konstruiert und völlig anders komponiert. Der Carnaval besteht aus kurzen Charakaterstücken, die aber auch ein Ganzes ergeben, und im Unterschied zu den anderen, ruhigeren Charakterstücken (Albumblätter, Kinderszenen, Waldszenen usw.) loten sie auch extreme Zustände aus, darin besteht für mich die Nähe zu den großen Klavierzyklen und durchaus auch zur fis-Moll-Sonate. Gewissermaßen unterschiedet sich die Form dieser Werken, aber es ist doch eine Gedanken- und Gefühlwelt, die uns auf unterschiedliche nahegebracht wird. Und beim Carnaval versteckt sie sich auch noch hinter schillernden und rätselhaften Masken. Und doch ist sie zu erkennen, die leidenschaftliche, verträumte, überschwängliche und irrwitzige Welt Robert Schumanns. Und deswegen gefällt mir auch die alles anders als perfekte Aufnahme von Horowitz hier so gut - weil sie das hörbar macht. Und er entdeckt einfach viel mehr Nuancen als die meisten seiner Kollegen.


    Viele Grüße,


    Christian

  • Das Hauptproblem bei Horowitz ist für mich die Wiedergabe auf der heimischen HiFi Anlage.


    Es bedarf einer hochauflösenden, rausch- wie verzerrungsfreien Darstellung, um zu verstehen, was dieser Ausnahmekönner an tonalen Feinheiten aus einem Flügel herausholen und damit seine Zuhörer im Livekonzert in fassungsloses Erstaunen versetzen konnte.


    Sicher erlaubt er sich alle Freiheiten, die ihm ja bekanntlich den Verweis durch Furtwängler einbrachten, so spiele man vielleicht in Amerika, aber er verdient eine echte Sonderstellung innerhalb der großen Pianisten.

  • Gerade lese ich - täglich alle neuen Beiträge zu diesem Forum verfolgend - diesen hier. Was ich zu sagen habe, hat mit diesem nichts zu tun. HiFi-Aspekte und -Probleme habe ich lange schon als völlig irrelevantes Zeug hinter mir gelassen. (Es war mir mal sehr wichtig!)


    Dieses will ich sagen: Ich höre und sehe eben jeden Tag spät in der Nacht einzelne Passagen aus den Video-Aufzeichnungen "Horowitz in Wien" und "Horowitz in Moskau". Und jedes Mal bin ich aufs Neue hingerissen, - völlig unbeschadet der hundsmiserablen klanglichen Qualität dieser Aufnahmen.
    Horowitz ein "Blender"? Was für eine absurde Idee. Die gleichsam flüchtig verhuschte Art, wie er Schumanns "Kinderszenen" interpretiert, trifft den Geist dieser Komposition mitten ins Herz. Und von Chopins Mazurken mag ich gar nicht reden. Die kann man nirgends besser und treffender Interpretiert hören als eben von Horowitz.

  • Hallo Karl,


    ich höre seit einigen Jahren vorwiegend über den iPod mit guten Kopfhörern. Der Klang ist nicht High-End, aber er ist gewiss besser als mit einer mittelmäßigen Anlage (was an den guten Kopfhöreren liegt). Und auch unter diesen Bedingungen nehme ich die Einzigartigkeit von Horowitz' Klavierspiel wahr. Die neuen Live-Aufnahmen vom Carnaval sind ein Sonderfall, Horowitz hat sie nicht freigegeben und sie erschienen posthum. Teilweise macht er sehr viele Fehler (Boston), bei dem Mitschnitt in NY ist es etwas besser. Trotzdem liebe ich diese Aufnahme sehr.


    Viele Grüße,
    Chrisitan

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  • Hallo Helmut, hallo Christian,


    ich habe die Dokus über Horowitz und seine Konzerte fast alle auf Video beisammen und schaue sie mir immer mal wieder an.


    Oft muss ich über seinen fast kindlichen Humor schmunzeln und lachen, besonders wenn ihn seine Wanda streng anschaut und kritisiert.


    Oder wenn er seinen Steinway testet und testet und der arme Franz Mohr Schweißarbeit zu leisten hat.


    Bei diesen Gelegenheiten habe ich mir gelegentlich die Mühe gemacht und bin anschließend sofort zur Hifi Anlage und habe mir die gleichen Stücke von CD angehört.


    Aus diesen Hörerfahrungen heraus ist mein Beitrag von 18.00 Uhr zu sehen und zu verstehen.


    Ungeachtet dessen ist es schon vom Video oder einem guten Kopfhörerequipment her ein Genuss und Ereignis.


    Keine Frage, volle Zustimmung.


    von Karl

  • Zit.: "Oft muss ich über seinen fast kindlichen Humor schmunzeln und lachen, besonders wenn ihn sein Wanda streng anschaut und kritisiert."


    Ich weiß, wovon Du sprichst, denn ich kenne all diese Video-Aufnahmen auch, lieber Karl. Aber hast Du mal in sein Gesicht geschaut, wenn er im Konzert vor seinem Flügel sitzt und das jeweilige musikalische Werk wiedergibt. Da ist tiefer Ernst und vollkommenes, ja absolutes Sich-Einfinden in die Musik zu erkennen. Von dem tatsächlich manchmal albern anmutenden Getue keine Spur mehr. Der Mann wirkt wie verwandelt.
    Und Du kannst mir das glauben: Ich dürfte der einzige hier in diesem Forum sein, der Horowitz live erlebt hat (bei seinem Konzert in Frankfurt). Neben der "Winterreise" mit Dietrich Fischer-Dieskau war das mein größtes Konzert-Erlebnis.
    Und das wird es bleiben!

  • Zitat

    Helmut Hofmann: Dieses will ich sagen: Ich höre und sehe eben jeden Tag spät in der Nacht einzelne Passagen aus den Video-Aufzeichnungen "Horowitz in Wien" und "Horowitz in Moskau". Und jedes Mal bin ich aufs Neue hingerissen, - völlig unbeschadet der hundsmiserablen klanglichen Qualität dieser Aufnahmen.
    Horowitz ein "Blender"? Was für eine absurde Idee. Die gleichsam flüchtig verhuschte Art, wie er Schumanns "Kinderszenen" interpretiert, trifft den Geist dieser Komposition mitten ins Herz. Und von Chopins Mazurken mag ich gar nicht reden. Die kann man nirgends besser und treffender Interpretiert hören als eben von Horowitz.


    Besser hätte ich es nicht ausrücken können, lieber Helmut. Ich habe vor vielen Jahren das erste Mal die Kinderszenen gehört, und seitdem gehören sie zu meinen Lieblingsstücken. Gott sei Dank hat er ja auch einige Beethoven-Sonaten aufgenommen, und seine Version der Appassionata gefällt mir ausnehmend, auch wenn der Klang gewöhnungsbedürftig ist:



    Beethoven - leidenschaftlich: Klaviersonate Nr 23 in f-moll-op. 57 "Appassionata" - CD-Rezensionen und Vergleiche (2014)


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Horowitz hat sich ja erst in seinen späten Jahren Mozart zugewendet, von dem er dann sagt:


    - da ist keine Note zuviel


    - es ist viel schwieriger, ein vermeintlich leichtes Stück von Mozart zu spielen als einen Beethoven, wo man den Ernst und die Leidenschaft deutlich erkennt.


    KV 488 ist für mich eine typische, sehr persönliche Horowitzeinspielung, ein guter Kontrast dazu die von Pollini/Böhm.

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  • Horowitz-Magie, er spielt die "Elegie" von Rachmaninow vom Blatt! Ein einmaliges Dokument (mit Mikhail Pletnev):


    :) :) :)


    ... und plötzlich fängt der Flügel zu singen an! Pletnev scheint an diesem Tag sehr viel gelernt zu haben, denn so trocken wie hier hat er später nicht mehr gespielt.

  • Zitat von Helmut

    Die gleichsam flüchtig verhuschte Art, wie er...


    Wenn man sich das eingestellte Video von Holger nun anschaut, bemerkt man das bei Horowitz ausgeprägte Spiel mit flachen Fingern.


    Erfordert eine speziell dafür eingestellte Tastenmechanik.


    Und so streichelt - darf man sagen: liebkost - er Tasten und Saiten in einer Art und Weise, wie es nur ganz wenige Pianisten fertig gebracht haben.



  • Concert of the Century 18. Mai 1976, Carnegie Hall, New York


    Programm


    Ludwig van Beethoven Leonore Overture No. 3 in C major, Op. 72b: Bernstein
    - Tchaikovsky Piano Trio in A minor ("In Memory of a Great Artist"), Op. 50: Pezzo elegiaco: Mstislav Rostropovich, Vladimir Horowitz, Isaac Stern
    - Rachmaninov Sonata for cello and piano in G minor, Op. 19: Andante: Mstislav Rostropovich, Vladimir Horowitz
    - Robert Schumann Dichterliebe, Liederzyklus Op. 48: Dietrich Fischer-Dieskau & Vladimir Horowitz
    - Johann Sebastian Bach Concerto for 2 violins, strings & continuo in D minor, BWV 1043: Leonard Bernstein (Harpsichord), Yehudi Menuhin & Isaac Stern
    - Tchaikovsky Pater Noster, Liturgy Of St John Chrysostom For Chorus Lyndon Woodside
    - George Frederick Handel Hallelujah Chorus, Messiah Oratorio: Lyndon Woodside


    Solisten:


    Mstislav Rostropovich, Dietrich Fischer-Dieskau, Leonard Bernstein, Vladimir Horowitz, Yehudi Menuhin, Isaac Stern.


    Robert Schumann: Dichterliebe op. 48


    1. Im wunderschönen Monat Mai
    2. Aus meinen Tränen sprießen
    3. Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne
    4. Wenn ich in deine Augen seh
    5. Ich will meine Seele tauchen
    6. Im Rhein, im heiligen Strome
    7. Ich grolle nicht
    8. Und wüßten's die Blumen, die kleinen
    9. Das ist ein Flöten und Geigen
    10. Hör' ich das Liedchen klingen
    11. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
    12. Am leuchtenden Sommermorgen
    13. Ich hab' im Traum geweinet
    14. Allnächtlich im Traume
    15. Aus alten Märchen winkt es
    16. Die alten, bösen Lieder


    Am 18. Mai 1976 fand ein Galakonzert zum 85jährigen Jubiläum der Carnegie Hall statt, zu der eine ganze Reihe namhafter Solisten eingeladen wurden um in diversen Formationen Kammermusik zu spielen. Initiatoren waren der Geiger Isaac Stern und Julius Bloom. Der Galaabend brachte die unglaubliche Summe von 6 Millionen und 500000 Dollar Erlös ein. Horowitz, der Isaac Stern nicht mochte und wie er nur konnte ignorierte, war zur Teilnahme nur zu bewegen, weil er darauf brannte, mit Dietrich Fischer-Dieskau Schumanns Dichterliebe aufzuführen. Beide haben offenbar sehr harmonisch und intensiv zusammengearbeitet. Horowitz zu Fischer-Dieskau: „Wir harmonieren prima miteinander. Ich fühle es, wenn Sie atmen.“ Das Problem des Auftritts auf dem Podium zweier weltberühmter Künstler wurde so gelöst, dass der korpulente Fischer-Dieskau den schmächtigen Horowitz an die Hand nahm, was letzterer – zusammen mit dem Sänger den Applaus entgegennehmend – ihm gegenüber witzig so kommentierte: „Bin ich ihnen nicht wunderbar gefolgt?“


    Horowitz war beileibe kein ahnungsloser Dilettant, was Liedbegleitung anging. Teil seines Konzertexamens in Russland war die Aufführung von Schuberts Winterreise. Später führte er nicht nur – zum Erstaunen der Zuhörer sogar auswendig (!) – Schuberts komplette Winterreise mit Zoja Lodaja im Konzert auf, sondern spielte auch mit der berühmten Sopranistin Nina Koschetz eine Reihe von Liederabenden im Moskauer Winter-Theater.


    Schon wenn Horowitz anhebt mit den ersten Tönen, entsteht der Wonnemonat Mai – ein unbeschreiblicher Zauber. Was sich dann zwischen Horowitz und Fischer-Dieskau entwickelt, ist nicht ein Duo-Spiel von Gesang und Klavier, nein, dort agieren zwei Sänger. Die Grundlage dafür gibt Horowitz, der Schumanns Musik jeglicher Zwänge entledigt und mit innerer Freiheit entmaterialisierend in den Ausdruck reiner Subjektivität verwandelt, eine seelische Komplexität zutage fördert, die Fischer-Dieskau offensichtlich inspiriert hat. So leidenschaftlich, so vielschichtig, so unmittelbar hat er die „Dichterliebe“ vielleicht nie und nie mehr vorgetragen. Das ist einfach unglaublich – ich habe mir dieses einzigartige Dokument inzwischen zweimal angehört, und ein drittes mal wird bestimmt bald folgen. Es könnte gut sein, dass ich nun überhaupt keine andere Aufnahme von Schumanns „Dichterliebe“ mehr ertragen kann... :) :) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Dietrich Fischer-Dieskau kommentierte die hier angezeigte Aufführung von Schumanns "Dichterliebe" wie folgt:
    "Meine >Dichterliebe<, meine Stimmung und die Zeit verrannen. Als es endlich soweit war, nannte ich nur noch ein dünnes Stimmchen mein eigen, nahm aber voller Todesverachtung Horowitz auf seinen Wunsch unter den Arm und führte ihn dem Flügel zu. Der alte Herr hatte in dreistündigem Spiel viel Kräfte verbraucht, und seine Hand zitterte in der meinen, als er wiederholt vor sich hin sagte:
    > I am always with you. I am always with you<.
    Nun, diese Prophezeiung erfüllte sich nicht ganz, wie auf der damals entstandenen Platte zu hören ist. Dennoch kam es wie eine Selbstbeschwörung aus Horowitz´ Munde:
    "I was always with you.<"


    Damals, als die von Fischer-Dieskau angesprochene "Platte" - ein Mitschnitt des Konzerts auf Doppel-LP - erstmals erschien, kannte ich diesen Kommentar Fischer-Dieskaus noch nicht. Er findet in seinem 1987 publizierten Buch "Nachklang". Als ich diese Aufnahme von der "Dichterliebe" erstmals hörte, war ich entsetzt. Die Beiden musizierten auf heillose Weise aneinander vorbei: Fischer-Dieskau trug das Lied in der mir bekannten Weise vor und Horowitz spielte seinen Schumann, ohne dabei auch nur im mindesten darin zu einem Zusammenspiel mit dem Sänger zu kommen. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er gar nicht wahrnahm, dass da einer neben ihm steht und singt. In der vornehmen Art, die ihm als Mensch eigen war, deutet Fischer-Dieskau das behutsam mit den Worten an: "Nun, diese Prophezeiung erfüllte sich nicht ganz". Deutlicher zu werden, war seine Art nicht.


    Heute weiß ich, dass es zuvor ja auch zu keiner Probe gekommen war. Das ist sicher der eine Grund für diese wahrlich miserable Aufführung des Zyklus. Der andere, der wahre Grund ist aber in der Haltung von Horowitz zu suchen. Im Gegensatz etwa zu Svjatoslav Richter war er völlig unfähig, sich in die Rolle und die Funktion eines Lied-Begleiters zu begeben. Er spielte Schumann, so wie er das - etwa bei den "Kinderszenen" - tat, wenn er allein solistisch auf der Bühne agiert.
    Was dabei herausgekommen ist, habe ich seit jeher als nichts anderes als die Dokumentation eines wunderlichen Ereignisses verstanden und mir angehört, - im Sinne eines singulären Zusammentreffens zweier wahrlich großer Interpreten von Musik. Eine gültige Aufnahme der "Dichterliebe" war es für mich von Anfang an nicht.
    Dass ich nicht nur ein Fischer-Dieskau- , sondern auch ein Horowitz-Bewunderer bin, habe ich oben ja schon bekannt. Und ihn bei einem seiner Auftritte hier in Deutschland - es war in Frankfurt - erleben zu dürfen, war für mich eines der ganz großen Geschenke, die mir zuteil wurden.

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  • Im Gegensatz etwa zu Svjatoslav Richter war er völlig unfähig, sich in die Rolle und die Funktion eines Lied-Begleiters zu begeben. Er spielte Schumann, so wie er das - etwa bei den "Kinderszenen" - tat, wenn er allein solistisch auf der Bühne agiert.

    Horowitz war nie dazu fähig, als "Begleiter" zu agieren oder Kammermusiker, der sich ein- und unterordnet wie ein Richter, Rubinstein oder eine Martha Argerich. In diesem Punkt stimme ich Dir zu, lieber Helmut. Das gilt auch für die Aufnahmen, die er zusammen mit seinem Freund Nathan Milstein machte. Das ist ebenfalls kein "Duo"-Spiel, sondern ein Nebeneinander zweier Solisten. Wenn man so etwas erwartet, wird einen Horowitz erschrecken - und natürlich alle "Liedexperten", die hier die Seriosität des kunstvollen responsiven Zusammenspiels vermissen werden. :D Das Erstaunliche finde ich sind aber die "Resonanzen" in diesem Nebeneinander. Das ist das Außergewöhnliche: Man hört einen Klavierpart, wie man ihn noch nie gehört hat und einen Dietrich Fischer-Dieskau, den ein Horowitz dazu verleitet, doch eine gewisse Freizügigkeit zu zeigen und ein Engagement, was in außerordentlicher Weise ("außerordentlich" hier wörtlich zu verstehen! ;) ) fesselt. So geht es jedenfalls mir. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • In dieser Doppel-CD sind die beiden ersten Stücken aus der Dichterliebe von diesem Carnegiekonzert enthalten:



    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S.: Ich habe eben entdeckt, dass man auf Amazon Music im Streaming-Betrieb die ganze Dichterliebe mit FischerDieskau und Horowitz hören kann.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Und hier ist die Doppel-CD mit diesem denkwürdigen Konzert:


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe das als Download auf CD-R gebrannt gehört. Klangtechnisch muss man aber sagen, dass gemessen am hohen CBS-Standard die Klangqualität gerade der größeren Ensembles eher mäßig ist. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass sie wegen so unterschiedlicher musikalischer Formationen was die Mikrophoneinstellung angeht einen Kompromiss machen mussten. Horowitz und Fischer-Dieskau sind aber gut anhörbar.


    An der Aufnahme werden sich die Geister scheiden - wie man auch hier sieht. :D


    Nur noch eine Nachbemerkung: Bei Ludwig Tieck, einem Schlüsseltext für die Romantik, heißt es, solange die Musik nur "erhöhte Deklamation und Rede" sei, wäre sie "nicht unabhängig und frei". Was sich bei Horowitz vollzieht gleich zu Beginn, ist also nicht nur Willkür und Eigenmächtigkeit eines Virtuosen und Individualisten, sondern macht vor diesem Hintergrund durchaus Sinn. Er vollzieht diese Rhetorikkritik der Romantik und macht die Melodielinie wirklich "unabhängig und frei" von der rhetorischen Orientierung der Musik am Sprechtonfall. Das Problem dabei ist, dass Liedgesang natürlich immer naturgemäß rhetorisch bleibt, die romantische Emanzipation von "Deklamation und Rede" gerade niemals so rücksichtslos vollziehen kann wie das Klavier. D.h. das Klavier ist durch Horowitz in gewissem Sinne dem Gesang gegenüber "romantischer" und "freier", also ein Stück voraus, "Vorreiter" gewissermaßen und nicht "Begleiter". Das hört man auch: daraus ergibt sich weniger ein "Zusammen"-Spiel als ein schöpferischer Zwiespalt. Aber genau das finde ich so aufregend, es entsteht ein polarisierendes Gegeneinander mit Korrespondenzen, wo das Klavier die Gesangsrhetorik herausfordert, ihre Grenzen zu sprengen, "romantischer" zu werden, als sie ist. Ich finde dieses Ergebnis wirklich aufregend. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich habe ihn bei seinem zweitletzten Konzert in Hamburg / Laisz - Halle erlebt, besitze die meisten LPs- CDs von ihm. Er ist ein Massstab allen Klavierspiels für mich, einer der Pianisten, die wissen worauf es ankommt, und wie seine Musik in die Herzen von 100 000en von Menschen eingedrungen ist. Ich habe das Schonbergbuch und x Artikel über ihn gelesen,


    Er war - glaube ich - ein gänzlich unintellektueller Mann, der aber seine Fähigkeit, Klavier zu spielen, nahezu traumwandlerisch und erfolgsorientiert gesteigert hat wie sonst kaum jemand (siehe Interviews mit ihm). Wie auch immer es geschehen sein mag, sind seine Interpretationen von unmittelbarer Wirkung und bleibendem Wert. Auch wenn ihm sein Donnern zuweilen zuviel werden, ja sogar befremden kann (man muss nur mal passende Frauen fragen, wie sie dieses empfinden), findet er immer wieder in sein "Massgewand" zurück.


    Jedesmal, wenn er spielte oder aufnahm, darf man sich von neuem fragen, was er in den Details geändert hatte. Das konnte jeder zumindest diffus hören. Jeder durfte darüber spekulieren, über all die Jahrzehnte hin.


    Er scheute sich nicht, seine musikalischen Extreme offen vorzuführen und immer wieder zu praktizieren.


    In dieser Gewissheit brachte er seine Sichtweisen in die Rille, für jedermann vernehmlich...+ Man kann live verfolgen, in seinem 50 CD- Album was er verändert hat. Jeder geduldige Hörer ist Zeuge dieser Veränderungen.


    Und wie sich das auf die Wiedergabe seiner Musik ausgewirkt hat, z.B. auf die beiden Klaviersonaten, das möchte ich noch kurz ausführen.

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  • Btw, die Threadüberschrift kann unmöglich so bleiben. Es handelt sich hier nämlich um eine historisch gewachsene, allgemein anerkannte Sprach- und Sinnregelung, die diesen Ausnahmekünstler auch ausreichend würdigen muss. Was noch mehr als eine Begriffsklärung darstellen sollte. :yes::yes::yes:

  • Er war - glaube ich - ein gänzlich unintellektueller Mann, der aber seine Fähigkeit, Klavier zu spielen, nahezu traumwandlerisch und erfolgsorientiert gesteigert hat wie sonst kaum jemand (siehe Interviews mit ihm). Wie auch immer es geschehen sein mag, sind seine Interpretationen von unmittelbarer Wirkung und bleibendem Wert.

    Horowitz war, so wie ich ihn erlebt habe (in vielen Sendungen, die ich damals geschaut habe), und auch in seinem Spiel eine sehr ehrliche Natur und eher das Gegenteil von einem Blender.


    Etwas anderes sind natürlich die Anforderungen des Publikums, unter denen er offensichtlich gelitten hat. Er berichtete einmal von einem Konzert, wo eine junge Dame (die ihm offensichtlich aufgefallen war) die in der ersten Reihe saß zu ihrem Partner nach einer schwierigen Fortissimo-Stelle sagte, "pass mal auf, der kann noch mehr". Er nahm das als Aufforderung sich an der nächsten Stelle zu steigern. Als dann nochmal derselbe Satz kam, meinte er dann nur noch lakonisch: "Es kam dann doch nicht mehr".


    Man sieht hier auch die Schwierigkeit von Livekonzerten und der Interaktion zwischen Publikum und Künstler. Manchmal braucht man auch Ruhe zum Nachdenken und nicht alles, was das Publikum will ist ein wesentlicher Beitrag zur Musik.

  • Ich habe ihn bei seinem zweitletzten Konzert in Hamburg / Laisz - Halle erlebt, besitze die meisten LPs- CDs von ihm.

    Beneidenswert, lieber Damiro! :) Das Konzert hatte ich damals aus dem Radio auf Cassette mitgeschnitten und später auf CD-R gebrannt. Erst nach sehr vielen Jahren kam dann die CD raus.

    Er war - glaube ich - ein gänzlich unintellektueller Mann, der aber seine Fähigkeit, Klavier zu spielen, nahezu traumwandlerisch und erfolgsorientiert gesteigert hat wie sonst kaum jemand (siehe Interviews mit ihm).

    Ein Intellektueller war er nicht. Aber er las z.B. Mozarts Briefe und erzählt immer gerne die Anekdote, als seine Mutter mit ihm als Knirps Scriabin besuchte und Scriabin sagte: Er darf nicht nur Klavier spielen, sondern muss Bücher lesen und ins Theater und in die Oper gehen. Das hat er auch beherzigt!

    Er scheute sich nicht, seine musikalischen Extreme offen vorzuführen und immer wieder zu praktizieren.

    Ja - er ist ein Exzentriker im beten Sinne des Wortes! :)

    Btw, die Threadüberschrift kann unmöglich so bleiben. Es handelt sich hier nämlich um eine historisch gewachsene, allgemein anerkannte Sprach- und Sinnregelung, die diesen Ausnahmekünstler auch ausreichend würdigen muss. Was noch mehr als eine Begriffsklärung darstellen sollte. :yes: :yes:

    Die Threadüberschrift ist - finde ich auch - wird dem Ausnahmephänomen Horowitz nicht gerecht - ist geradezu eine (schlechte) Parodie! :!:

    Horowitz war, so wie ich ihn erlebt habe (in vielen Sendungen, die ich damals geschaut habe), und auch in seinem Spiel eine sehr ehrliche Natur und eher das Gegenteil von einem Blender.

    Volle Zustimmung, lieber Axel! Horowitz hatte unglaublich viele Facetten. Eine davon war, dass er durchaus "Theater" spielen konnte - z.B. das Gedonner beim Schluss von Das große Tor von Kiew. Aber - Irwing Goffman - wir spielen alle Theater - und auch so ein Virtuosen-Konzert ist immer ein bisschen wie Zirkus.


    Schöne Grüße

    Holger

  • die Threadüberschrift kann unmöglich so bleiben.

    Dem schließe ich mich vorbehaltlos an! Horowitz war ein Exzentriker im höchsten Maße, aber alles andere als ein Blender. Deshalb ist der Thread-Titel nicht mehr und nicht weniger als eine Beleidigung.

    In einer alten Besprechung der Horowitz-Aufnahme des Fünften Beethoven-Konzertes (mit Fritz Reiner, RCA) von 1953 heißt es: ".... die Aufnahme von Horowitz verdient trotz einiger geschmacklicher Mängel wegen ihrer unerhörten technischen Brillanz Beachtung. Kaum jemals werden die meist im Pedal ertrinkenden Unisonso-Läufe im Schlußsatz mit solch kristallener Klarheit gespielt; man staunt überhaupt Takt für Takt, daß ein Mensch so spielen kann ....".

    Hier ist die besprochene Aufnahme zu hören:


    Klavierkonzert 5 / Klavierkonzert 1


    Technisch war Horowitz schier unfehlbar, ähnlich wie sein Zeitgenosse Jascha Heifetz auf der Geige. Vielleicht hat er die technische Vollkommenheit manchmal über den geistigen Gehalt der Musik gestellt, aber unstreitbar war er einer der ganz großen, wenn nicht der größte aller Klaviervirtuosen des 20. Jahrhunderts. Der Vergleich mit einem Buchhalter ist vielleicht ein bißchen weit hergeholt, aber bei dem müssen zuerst einmal die Bücher stimmen, bevor auf Schönschrift geachtet wird. So ähnlich beurteile ich Horowitz' einzigartige Kunst.

    Wer mehr über diesen Ausnahmekünstler erfahren will, dem empfehle ich dieses Buch von Glenn Plaskin (*1953), einem amerikanischen Schriftsteller und Pianisten, der seine musikalische Ausbildung von keinem Geringeren als Leon Fleisher erhielt:


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    Die Biographie erschien 1983, also noch zu Lebzeiten von Horowitz. In einem kurzen Vorwort heißt es: ".... Horowitz gehört unter den Pianisten dieses Jahrhunderts zu den schillerndsten Musiker-Persönlichkeiten. Wo immer er öffentlich auftrat, riß er das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin (...) Mit dem 'letzten Virtuosen' und 'Pyrotechniker des Klaviers" jubelte man auch einer Legende zu, an deren Zustandekommen Horowitz selbst maßgeblich beteiligt war. Die wohl aufsehenerregendste Pianistenkarriere unserer Zeit möglichst objektiv zu schildern, war Plaskins selbstgestellte Aufgabe."

    Auf nicht weniger als 456 Seiten ist das Buch eine angemessene, höchst interessante und spannend zu lesende Würdigung des großen Pianisten Vladimir Horowitz.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Btw, die Threadüberschrift kann unmöglich so bleiben.

    Auch ich teile diese Meinung völlig. Als ich kürzlich erstmals diese Rubriküberschrift las, habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt - bevor ich deinen Beitrag und die Folgebeiträge überhaupt gelesen habe. Für ein seriöses Klassikforum ist eine solche Rubriküberschrift geradezu rufschädigend.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Horowitz war ein Exzentriker im höchsten Maße, aber alles andere als ein Blender. Deshalb ist der Thread-Titel nicht mehr und nicht weniger als eine Beleidigung.

    Abolut d'accord. Eigentlich erstaunlich, dass diese Betitelung seit fast 18 Jahren (!) so besteht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Moderatoreneischub (Zum nachträglichen Löschen bestimmt)


    Also:

    1) dem Ruf des Forums hats offensichrlich NICHT geschadet

    2) Ich hänge nicht an dem Titel

    3) Offenbar wollte der nicht mehr in Forum befindliche (zumindest nicht unter diesem Namen !) Aufmerksamkeit erregen

    4) Das wollte der altmeister indes auch in dem er in Einsteinscher Manier dem Publikum die Zunge heisste, was von der Presse als "Altherrencharm" bezeichnet wurde:hahahaha::hahahaha::hahahaha:

    5) Ich sehe den Wandel der zeit, wo sich jeder datum kümmert ob ein Witz jemand kränken kann oder ein Nickname diskriminierend etc etc-

    Einst hat man sich -wie man sieht - um solche Belanglosigkeiten nicht gekümmert


    MOD 001 Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Horowitz - der erste und größte aller Blender?

    Deshalb ist der Thread-Titel nicht mehr und nicht weniger als eine Beleidigung.

    Sieht den niemand das Fragezeichen im Titel ?

    Kann eine Frage an sich schon beleidigend sein?

    Es wird doch keine Behauptung aufgestellt sondern eine Frage gestellt.

    Für ein seriöses Klassikforum ist eine solche Rubriküberschrift geradezu rufschädigend.

    Da gibt es im Forum aber Beiträge mit Behauptungen (nicht mit Fragen!), die den Ruf bedeutend mehr schädigen könnten.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Das hat mich doch neugierig gemacht - die CD ist bestellt, klingt ja wohl trotz Mono recht ordentlich.....

  • Horowitz - der erste und größte aller Blender?

    Sieht den niemand das Fragezeichen im Titel ?

    Kann eine Frage an sich schon beleidigend sein?

    Es wird doch keine Behauptung aufgestellt sondern eine Frage gestellt.

    Da gibt es im Forum aber Beiträge mit Behauptungen (nicht mit Fragen!), die den Ruf bedeutend mehr schädigen könnten.

    Ich kann die Kritik am Titel auf jeden Fall nachvollziehen. Solche Suggestivfragen als Überschrift bewegen sich auf BILD- oder Regenbogenpressenniveau à la "Prinz Harry - gar nicht der leibliche Sohn von Charles?" oder "Michael Schuhmacher - sein dunkelstes Geheimnis aufgedeckt?", bei denen eine besonders reißerische Überschrift zum Klick/Kauf verleiten soll, die in der Überschrift provokant erwähnte Begebenheit aber in Wahrheit gar nicht existent ist oder "aus einer Mücke ein Elefant" gemacht wird.


    Zudem passiert es auch sicher häufig, dass - gerade im Internet - nur die Überschrift gelesen wird, der Rest des Artikels/Threads aber nicht und die negativierende Überschrift so im Gedächtnis verbleibt. Das unterstelle ich hier niemandem, ich denke aber, dass ein seriöses Klassikforum solch plumpe Mittel nicht braucht (Ich kann mich zum Glück nicht noch an weitere ähnliche Überschriften hier erinnern).


    Liebe Grüße

    Amdir

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