Hallo liebe Klassikfreunde,
sicherlich hätte die von mir hier angesprochene Violinsonate auch Erwähnung in einem der bereits laufenden Threads finden können, aber ich behaupte einfach einmal keck: Ihr gebührt ein ganz eigener Thread.
Die Rede ist von Evard Grieg und seiner dreisätzigen Violinsonate Nr. 3, Op. 45.
Es handelt sich um eine sehr romantische Sonate; sie ist geprägt durch folkloristische Elemente, die Griegs Hinwendung und Bekenntnis zur eigenen nordischen Volkskultur ausdrücken. Grieg schrieb insgesamt drei Violinsonaten – diese dritte wurde 1887 (mit Grieg selber am Klavier) uraufgeführt; sie zählt zu seinen eigenen Lieblingskompositionen. Und sie zählt seit kurzem auch zu meinen Lieblingswerken dieses Genres.
Und jetzt tue ich etwas, von dem ich noch vor Tagen niemals angenommen hätte, dass ich es jemals tun würde: Ich empfehle diese Einspielung mit Jascha Heifetz aus dem Jahre 1936.
Ein kleines Wunder für mich, denn ich empfehle sie trotz der wirklich miserablen Tonqualität und trotz der Tatsache, dass es sich um eine Mono-Aufnahme handelt.
Jascha Heifetz – Rediscovered (RCA)
Nachdem diese CD seit dem Kauf vor 2 Tagen fast Tag und Nacht in meinem Player lief, machte ich mich heute noch einmal auf den Weg, um in andere Einspielungen dieser Grieg-Sonate hineinzuhören. Der Grund: Ich wollte für mich herausfinden, was genau meine Begeisterung für genau dieses Werk ausmacht.
Wirklich, ich erinnere mich nicht einmal mehr an die Interpreten jener anderen Aufnahmen – die Einspielungen erschienen mir allesamt gar zu süßlich, zu schwülstig oder zu nichts sagend, als dass es sich m.E. gelohnt hätte, die Namen zu notieren.
Heifetz hat diese Sonate 1936 aufgenommen, in der Blütezeit seines Schaffens. Und er hat sie nur dieses eine Mal eingespielt. Es gelingt diesem unglaublichen Mann, mich in diesen 22:15 Minuten nach Norwegen zu entführen: Es ist als ob man sich plötzlich klarer, kühler Luft ausgesetzt sieht, die das Atmen erschwert, so schneidend und drängend ist der Klang, den Heifetz seinem Instrument entlockt. Ach, was rede ich - das ist ja gar keine Violine mehr: Da scheint fast ein menschliches Wesen zu flehen, zu weinen, zu singen, zu triumphieren und zu jubilieren.
Die Themen wechseln häufig, aber jeglichem durch sie angeregten Gefühl scheint sich dieses Wesen hochkonzentriert hinzugeben, voller Inbrunst, Melancholie, Zärtlichkeit - dann wieder voll schwebender, lichtdurchfluteter Leichtigkeit im Wechsel mit Forschheit und Lebendigkeit. Diese Wechsel sind für mich sehr reizvoll; das verbindende Element scheint das sich in Abwandlungen wiederholende Eingangsthema zu sein, das sich mir sofort innerlich einbrannte.
Der Eindruck, den Musik bei mir hinterlässt, wird durch größtmögliche „Einfachheit“ erhöht. Einfachheit im Sine von: Klarheit, Reinheit, Nuancierung, Schnörkellosigkeit. In diesem Falle bedeutet das für mich: Manche Künstler beschwören mit ihrer Interpretation eine besondere Wärme herauf, durch die man sich bestenfalls wohlig eingelullt fühlt. Heifetz gelingt es aber m.E., diese Wärme zu bündeln zu einem einzigen Hitzestrahl, der tief ins Innerste vordringt. Ich jedenfalls höre, staune und genieße. (Ich tue mich immer noch etwas schwer mit der Beschreibung von Musikstücken und ihren Interpretationen – hoffe aber, mich einigermaßen verständlich gemacht zu haben.)
Weiterhin: Wo wir bereits beim Thema sind… Wie steht es um die weiteren Violinsonaten von Grieg? Habt Ihr Empfehlungen, Warnungen, Eindrücke, Hinweise usw.? Sind sie Euch wichtig, Eurer Meinung nach eher zu vernachlässigen?
Gruß, Cosima