"Werther" von Jules Massenet


  • (Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werther: Paralleldruck der Fassungen von 1774 und 1787)


    Da sich Massenets Opern hier im Forum großer Beliebtheit erfreuen, soll es hier um seine Oper "Werther" nach Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" gehen.


    Werther, Drame-lyrique in 4 Akten (5 Bilder) von Jules Massenet.
    Text von Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann nach Goethes Roman Die Leiden des jungen Werther (1774, 1787).
    Uraufführung (in der dt. Übersetzung von Max Kalbeck): 16.2.1892 Wien, Hofoper.


    Im Tamino-Opernführer hat Severina die Handlung der Oper bereits ausführlich geschildert.


    An Schallplatten und DVDs des "Werther" gibt es keinen Mangel, jeder Fan kann dabei auf seine Kosten kommen. Allein Dr. Ommer hat in seinem Verzeichnis 85 Einspielungen versammelt!


    In den folgenden Beiträgen sollen die verschiedenen Versionen vorgestellt werden.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Im Januar 2009 bringt der ZDF-Theaterkanal eine mehrfach preisgekrönte Verfilmung des Opernstoffes von Massenet "Werther":


    Werther


    Opernfilm von Peter Weigl
    CSSR / BR Deutschland 1986


    Charlotte - Brigitte Fassbaender (Mezzosopran)
    Werther - Peter Dvorský (Tenor)
    Sophie - Magdaléna Vásaryová - Magdéna Hajossyová
    Albert - Michal Docolomanský - Hans Helm
    Amtmann - Frantisek Zvarik - Péter Mikulás (Bass)


    Musikalische Leitung: Libor Pesek
    Orchester: Prager Sinfonieorchester


    Den Soundtrack auf 3 Vinyl-LPs hatte ich schon seit vielen Jahren, die Verfilmung von Petr Weigl habe ich erst viel später kennengelernt, war aber tief beeindruckt. Zudem Brigitte Fassbaender immer schon mein Schwarm war und ich den Tenor Peter Dvorsky ebenfalls sehr schätze.


    Zitat

    Von den zahlreichen Vertonungen romantischen Ursprungs erreicht keine zweite das Niveau von Jules Massenets "Werther". Im Interesse einer einheitlichen Grundstimmung vermeidet Massenet die gängigen Stilelemente der "grand opéra": der Verzicht auf glänzende und lärmende Instrumentierung, auf Arien, Duette und Chöre bedeutete für einen französischen Komponisten jener Zeit eine enorme Selbstverleugnung. Petr Weigl will in seiner filmischen Umsetzung die "extreme, opernhafte Emotionalität freilegen", jene "allgemein und immer gültigen Gefühle, die einen jeden von uns anlangen können". Das bürgerlich enge Wetzlar schien Weigl nicht der rechte Ort, um die "emotionelle Brisanz dieses Dramas" zur Wirkung zu bringen. Er verlegte die Handlung in das "opernhaft dramatische", barocke Ambiente von Schauplätzen in und um Prag.


    Die Termine im ZDF-Theaterkanal:


    Do, 01.01.2009 09:40 Uhr(100 min.)
    Di, 06.01.2009 14:40 Uhr
    So, 11.01.2009 14:40 Uhr
    Mo, 12.01.2009 09:40 Uhr
    Fr, 16.01.2009 14:40 Uhr
    Sa, 17.01.2009 09:40 Uhr
    Do, 22.01.2009 14:40 Uhr
    Fr, 23.01.2009 09:40 Uhr


    Bitte unbedingt ansehen!


    LG


    :hello:


    PS: Im Anschluß an den Opernfilm bringt der ZDF Theaterkanal auch noch ein Portrait der Sängerin Brigitte Fassbaender aus der Reihe "da capo" mit August Everding!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Der Werther scheint - zumindest in diesem Forum - nicht unbedingt sehr beliebt zu sein. Schließlich gibt es bis dato keinen Thread der sich mit diesem Werk und seinen vielen Einspielungen beschäftigt, abgesehen von dem Eintrag im Opernführer.
    Was eigentlich verwunderlich ist, denn die Musik gerade zu dieser Massenet Oper ist besonders schön. Nicht wenige ziehen diese Oper der Manon vor.


    Auf DVD gibt es auch nicht gerade viel Auswahl. Ich möchte auf die DVD aus der Wiener Staatsoper aus dem Jahr 2005 hinweisen. Die Handlung wurde hier zwar in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts verlegt, musikalisch ist sie ganz wunderbar und sehr empfehlenswert.




    Elina Garanca avancierte mit ihrer Darstellung der Charlotte endgültig zum Superstar. Marcelo Alvarez erwies sich vokal als Idealbesetzung für die Titelpartie. Phillippe Jordan's Dirigat gehört ebenfalls zu den ganz großen Stärken der Aufzeichnung.


    Gregor

  • Lieber Gregor, die von Dir genannte DVD kann mich evtl eines Besseren belehren(wobei Hampson und Graham ja nun auch nciht schecht sind..... ;) aber ich finde sowohl Manon als auchThaïs interessanter als den Werther.
    Der erste Akt hat mich leider bisher ziemlich gelangweilt. Wir hatten die Oper hier auch live in der letzten Saison, aber das hat ncihts geändert.


    Es gibt serh sehr schöne Szenen, aber als Gesamtwerk finde ich Manon viel packender.


    Geschmäcker sind eben verschieden......


    F.Q.

  • Liebe Fairy,
    im Unterschied zu dir liebe ich den Werther sehr, ich finde ihn kein bisschen langweilig. Bekehrt hätte dich sicher Villazón, der den unglücklichen Poeten nicht gespielt, sondern durchlitten hat. Ob es diese DVD schafft, wage ich zu bezweifeln, denn unsere Produktion gefällt mir zwar live sehr gut, bis auf das erste Bild, wo die Versetzung in die 50er-Jahre einfach nicht funktioniert (Ich erkläre gerne warum, falls es jemanden interessiert ;) ), sie ist aber leider überhaupt nicht fernsehtauglich. Das Bühnenbild besteht nämlich aus einem riesigen Baum, der die jeweilige Seelenlage des Helden spiegelt, ganz wie in der literarischen Vorlage die Naturschilderungen (Lindenbäume etc.) Das sieht in natura toll aus (zumindest für mich!), auf dem Bildschirm aber ziemlich merkwürdig, weil man ja meist nur Ausschnitte dieses Baumes sieht, unter dem dann die Möbel stehen.
    Großartig seind Elina Garanca und Adrian Eröd (Albert), Marcello Alvarez singt wunderbar, darstellerisch muss man leider Abstriche machen. Wobei ichsagen muss, dass er im 2. Block einige Monate später vor allem die Schlussszene viel berührender gespielt hat, aber leider wird ja immer die PR mitgeschnitten. Das alte Lied......
    lg Severina :hello:

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  • Sich eine Oper in konzertanter Form anzusehen ist zwar nicht jedermanns Geschmack, aber das Ganze dann auch noch als DVD am heimischen Bildschirm zu sehen erfordert doch einiges an Durchhaltevermögen. Eine Doppel-CD hätte hierfür ausgereicht:



    Jules Massenet (1842-1912)
    Werther

    2 DVDs
    (In Massenets Bariton-Fassung von 1902.)
    Konzertante Aufführung aus dem Theatre du Chalet Paris
    Laufzeit: 137 Min.
    Künstler: Thomas Hampson, Susan Graham, Sandrine Piau, Stephane Degout, Orchestre National du Capitole de Toulouse, Michel Plasson
    ( Virgin , 2004 )


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,
    ganz deiner Meinung! Und bei aller Liebe zu Hampson macht mich die Baritonfassung irgendwie nervös, weil ich eben die Tenorversion so verinnerlicht habe, dass ich immer "Falsch!" schreien möchte. ;)
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von severina
    Liebe Fairy,
    im Unterschied zu dir liebe ich den Werther sehr, ich finde ihn kein bisschen langweilig. Bekehrt hätte dich sicher Villazón, der den unglücklichen Poeten nicht gespielt, sondern durchlitten hat. Ob es diese DVD schafft, wage ich zu bezweifeln, denn unsere Produktion gefällt mir zwar live sehr gut, bis auf das erste Bild, wo die Versetzung in die 50er-Jahre einfach nicht funktioniert (Ich erkläre gerne warum, falls es jemanden interessiert ;) ), sie ist aber leider überhaupt nicht fernsehtauglich. Das Bühnenbild besteht nämlich aus einem riesigen Baum, der die jeweilige Seelenlage des Helden spiegelt, ganz wie in der literarischen Vorlage die Naturschilderungen (Lindenbäume etc.) Das sieht in natura toll aus (zumindest für mich!), auf dem Bildschirm aber ziemlich merkwürdig, weil man ja meist nur Ausschnitte dieses Baumes sieht, unter dem dann die Möbel stehen.
    Großartig seind Elina Garanca und Adrian Eröd (Albert), Marcello Alvarez singt wunderbar, darstellerisch muss man leider Abstriche machen. Wobei ichsagen muss, dass er im 2. Block einige Monate später vor allem die Schlussszene viel berührender gespielt hat, aber leider wird ja immer die PR mitgeschnitten. Das alte Lied......
    lg Severina :hello:


    Ich denke auch, daß die Produktion aus Wien live viel besser ankommt als über den Bildschirm. Trotzdem gefällt mir die Inszenierung und im Gegensatz zu Severina finde ich, daß die Transferierung in die 50er Jahre ganz gut funktioniert. Abgesehen von Kleinigkeiten, wie die Tatsache, daß wohl auch in den 50er Jahren keine junge Frau mehr ihrer Mutter am Totenbett versprechen mußte, einen bestimmten Mann zu heiraten.
    Man fühlt sich gelegentlich an einen Hitchcock-Film erinnert, was vielleicht auch daran liegt, daß Elina Garanca wie eine typische Hitchcock-Blondine anmutet und wie Kim Novak in Vertigo aussieht.
    Ein Pluspunkt ist außerdem die tolle Chemie zwischen Garanca und Alvarez.


    Ob Villazon der ideale Werther ist, wage ich zu bezweifeln. Gespielt hat er ihn ja recht gut, dafür ist das Gesangliche auf der Strecke geblieben.


    Ich muß gestehen, daß mir auch die Manon gefällt, aber den Werther ziehe ich dann doch vor. Chacun à son gout. Die Manon hat mir stellenweise ein bißchen zuviel Zucker in der Musik, der Werther ist musikalisch etwas nüchterner und trotzdem viel romantischer als die Manon. Zudem finde ich den Charakter des Werther unheimlich interessant. Vielleicht liegt das aber auch daran, daß ich ein Mann bin. ;)


    Gregor

  • Von den mir halbwegs bekannten Massenet-Opern (es sind nur drei) ist der Werther mir am liebsten, obwohl es auch hier einige Durststrecken gibt... :stumm: Aber die Höhepunkte sind großartig, die Briefszene liebe ich sehr!


    Irgendwo habe ich gelesen, dass Werther in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland die meistgespielte französische Oper überhaupt war, noch vor Carmen. Die meistgespielte Massenet-Oper ist sie hier jedenfalls immer noch. Liegt sicher auch am Stoff.


    Ich habe das Werk vier- oder fünfmal auf der Bühne gesehen, immer in vergleichsweise konventionellen Inszenierungen. Zum letztenmal Anfang Dezember in München, in der schwer belanglosen Regie von Jürgen Rose. Absolut repertoiretauglich, es wird eine Sängerbesetzung nach der anderen durchgejagt. Diesmal waren's Marcello Giordano in der Titelrolle (rollendeckend) und Elina Garanca als Charlotte. Diese wurde natürlich unmäßig bejubelt und war in der Tat sehr gut - technisch sicher, schöner Stimmklang, wunderbare Piani, engagiertes Spiel. So ganz doll wollte bei mir der Funke aber nicht überspringen, sonst hätte ich wohl damals auch was über die Aufführung geschrieben. In der gleichen Produktion hat mir Vesselina Kasarova mindestens genausogut gefallen, mit dem dunkleren Timbre und dem stärkeren Gestaltungswillen (manche sprechen hier allerdings von Manieriertheit). Vorzüglich das Dirigat von Bertrand de Billy, der hier hör- und sichtbar in seinem Element war.



    Vom Werther existiert ja eine zu Recht als klassisch gerühmte Einspielung mit Nicolai Gedda und Victoria de los Angeles - höchste Gesangskultur bei beiden, Noblesse pur, aber auch viel Bewegendes in der von de los Angeles überragend gesungenen Briefszene. Da gibt's hier sicherlich Berufenere als mich, um noch mehr dazu zu sagen. Was mir etwas weniger gefällt, ist das nicht immer auf gleicher Höhe stehende, manchmal fast grobe Dirigat von Prêtre, der aber eh nicht zu meinen Lieblingsdirigenten zählt. Hier hat mir de Billy in München besser gefallen. Das ändert aber nichts am Rang dieser Aufnahme:





    Viele Grüße


    Bernd

  • Danke für dein statement, Bernd. Giordano kann ich mir sehr gut als Werther vorstellen, er war in Wien ein ziemlich guter DeGrieux. Kasarova's Charlotte hat mich nicht so überzeugt. Ihre Stimme scheint mir in dieser Rolle nicht ideal aufgehoben. Eigenartig fand ich die manchmal stark in die Tiefe gehenden Töne, die wirkten etwas befremdlich.


    Endlich kommen wir auch zu den Einspielungen dieser Oper. Die von dir genannte wurde mir schon empfohlen. Es gibt da wohl auch noch eine Aufnahme mit Carreras, die sehr gut sein soll. Carreras gefällt mir persönlich sehr gut und ich denke, daß ihm die Rolle vokal ganz gut stehen muß. TMOO-Thread gibt es über den Werther ja keinen, vielleicht kann jemand auch hier etwas zu dieser Aufnahme sagen.


    Gregor

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  • Von den zahlreichen Einspielungen der Oper habe ich rund 20 Aufnahmen in meiner Sammlung, die älteste ist von 1931, die neueste von 2006 (mit Andrea Bocelli!).
    Da ich grundsätzlich die TMO-Benotungsthreads nicht beschicke, gebe ich auch keine Qualitätsurteile ab. Mir gefallen die weniger bekannten Aufnahmen ohnehin viel besser als die Mainstream-Platten der Großkonzerne mit ihren klangvollen Namen.
    Persönlich schätze ich z.B. eine Aufnahme von 1950 aus Paris mit Cesare Valetti in der Titelpartie unter dem Dirigat von René Leibowitz höher als Gedda, Domingo oder Carreras, die ich auch habe.


    Etwas aus dem Rahmen fällt die Gesamtaufnahme aus der Winer Volksoper in deutscher Sprache mit Adolf Dallapozza in der Titelrolle.


    Wie ich in meinem Eingangsbeitrag bereits schrieb, listet Ommer rd. 85 Aufnahmen, da ist für jeden Geschmack was dabei!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Gregor
    Endlich kommen wir auch zu den Einspielungen dieser Oper. Die von dir genannte wurde mir schon empfohlen. Es gibt da wohl auch noch eine Aufnahme mit Carreras, die sehr gut sein soll. Carreras gefällt mir persönlich sehr gut und ich denke, daß ihm die Rolle vokal ganz gut stehen muß. TMOO-Thread gibt es über den Werther ja keinen, vielleicht kann jemand auch hier etwas zu dieser Aufnahme sagen.


    Gregor


    Und ob es die gibt, und ob die gut ist! Für mich sind Carreras und Frederica von Stade sogar das ideale Paar. Allerdings muss man (besonders bei Carreras) Abstriche bei der französischen Sprache machen. Dafür hat er noch die Jugendlichkeit und Leidenschaftlichkeit, die Gedda doch ein wenig abgeht.



    Leider hatte ich mir die Aufnahme seinerzeit auf Kassetten gekauft und habe sie deshalb ewig nicht mehr gehört, was mich bilang hinderte, dazu einen TMOO-Thread aufzumachen - abgesehen davon, dass ich es immer besser finde, wenn es erst einmal einen Textthread gibt, für den ich Harald dankbar bin. Aber eigentlich darf und kann doch jeder eine TMOO eröffnen. Lass Dich also nicht hindern, dann kannst Du sogar bestimmen, welche Rollen Du für wichtig genug empfindest, dort einzeln gewertet zu werden.


    Ich werde mir derweilen mal wieder die Pappano-Aufnahme anhören, denn dass Patricia Petibon dort die Sophie gibt, war mir doch glatt entfallen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Ich habe den Werther eigentlich ein bisschen lieber als die Manon, aber weniger gern als die Thais. :D Er braucht ein bisschen lang, bis die Oper wirklich "anläuft", aber spätestens ab dem dritten Akt, und das ist immerhin die Hälfte der Oper, finde ich ihn großartig! Ich mag sehr, dass das Drama so intim abläuft (im Gegensatz zur Manon), die handelnden Figuren so beschränkt sind, und überhaupt alles so auf die Seelenzustände der Protagonisten, besonders der Charlotte, zentriert ist. Die Goethe'sche Vorlage hingegen ist überhaupt nicht mein Fall. :rolleyes:


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Vom Werther existiert ja eine zu Recht als klassisch gerühmte Einspielung mit Nicolai Gedda und Victoria de los Angeles - höchste Gesangskultur bei beiden, Noblesse pur, aber auch viel Bewegendes in der von de los Angeles überragend gesungenen Briefszene. Da gibt's hier sicherlich Berufenere als mich, um noch mehr dazu zu sagen. Was mir etwas weniger gefällt, ist das nicht immer auf gleicher Höhe stehende, manchmal fast grobe Dirigat von Prêtre, der aber eh nicht zu meinen Lieblingsdirigenten zählt. Hier hat mir de Billy in München besser gefallen. Das ändert aber nichts am Rang dieser Aufnahme:




    Ich mag Nicolai Gedda sehr gerne, weil er eine schöne Stimme mit intelligenten und sensiblen Interpretationen kombiniert und außerdem eine Top-Aussprache nicht nur im Französischen hat. Auch als Werther ist er wieder stilistisch exzellent, aber auch leidenschaftlich und empfindsam - wohl einer der besten!

    Überhaupt die Charlotte ist für mich Victoria de los Ángeles, und wers nicht glaubt, der höre sich die wahrhaft überragend gesungene Briefszene an: Wie viele Nuancen sie aus ihrer Stimme zaubert, ist schier an der Grenze des Möglichen. Nicht nur, dass sie die Emotionen Charlottes in ihrer Stimme (!) deutlich macht - die Vorwürfe ("comment m'est venu ce triste courage d'ordonner cet exil et cet isolement" - man beachte die Rauheit bei "ordonner" und das Nonvibrato auf "isolement"), dann die nackte Panik ("Ah! ce dernier billet me glace et m'épouvante!" :jubel: - das herbe "glace" und das angstvolle "épouvante" spielen in einer ganz eigenen Liga!), dann die düstere Vorahnung im letzten "Tu frémiras!" -, nein, sie gibt auch, nur mit ihrer Stimme, die Gefühlsregungen von Werthers Briefen wieder: die Melancholie des "ciel gris lourd de décembre" (nach ihrem "linceul" war ich schon süchtig!), die eigenartig heiter-verzweifelte Nostalgie des zweiten Briefes, und dann die leidenschaftlich-wilde Drohung "ne m'accuse pas, pleure-moi!" mit dem sanftem Mittelteil "tu les mouilleras de tes larmes", Werthers einzigem Trost. Für alles findet sie eine eigene Farbe und adelt damit die sowieso schon schöne Musik Massenets zusätzlich! Ihre Interpretation dieser Szene zählt zu meinen kostbarsten Hörerfahrungen und kann wohl nicht leicht übertroffen werden.


    Der Rest ist aber fast genauso genial: Ihre "Tränenarie" (die von Massenet so genial komponiert ist, wenn beim letzten Satz "Tout le brise!" ("Alles zerbricht es [Charlottes Herz]"), die Musik von Moll nach Dur bricht!!!), ihr Duett mit Werther, wo ihre Stimme, als sie ihn zurückweist, so eigenartig tränenverhangen ist ("Non! Vous ne me verrez plus!"), dass ich gar nicht weiß, ob das gewollt ist oder sie sich so hineingesteigert hat, dass sie bei der Aufnahme wirklich so aufgelöst war - aber man weiß hier, was Charlotte fühlt, wenn sie sich selbst zur Strafe auferlegt, Werther nie mehr zu sehen. Unvergleichlich berührend! Und Victorias Aussprache und Stilempfinden ist ja sowieso immer hervorragend.


    Was ich an dieser Aufnahme weniger schätze, ist Mady Mesplés Sophie, aber das ist wohl Geschmackssache.


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Bei mir landet der Werther vor allem deshalb hinter der Manon, weil ich den ersten Akt zum Einschlafen finde, während ic hbei der Manon von Anfang an mit Spannung dabei bin. Die dramaturgische Konzeption ist einfach besser.
    Ausserdem gefällt mir das Sujet und die Personen besser-
    dem Werther würde ich nur zu gerne mal kräftig in den Allerwertesten treten, bei der Manon ist das kaum nötig.
    Aber die Schönheit der grossen Szenen leugne ich natürlich in keiner Weise und Werthers Arie "Pourquoi me reveiller" ist für mich der Höhepunkt frz. Tenor-Literatur ausserhalb der Perlenfischer! :jubel: :jubel: :jubel:


    Victoria de los Angeles(kein Mezzo sondern ein Sopran in dieser Rolle!) udn Gedda sind wahrscheinlich nciht zu toppen-wobei ich von Stade und Carreras allerdings noch nciht kenne.
    Mady Mesplé ist leider in Charakterrollen nie besonders interessant und die Sophie ist doch ein bisschen mehr als eine unbeschwerte Soubrette. Aber tant pis!


    F.Q.


  • Lieber Gregor,
    gerade diese "Kleinigkeit" ist für mich aber der Angelpunkt der Geschichte, der Auslöser der Tragödie, denn ohne dieses Versprechen würde Charlotte ihrem Herzen und nicht der Pflicht folgen. (Ob sie auf Dauer mit Werther glücklich sein würde, steht auf einem anderen Blatt :pfeif: ) In unserer Inszenierung nun ist sie ein modernes, recht selbstbewusstes Mädchen, der umschwärmte Mittelpunkt einer Clique junger Leute, die in erster Linie Spaß haben wollen. Dass eine solche Charlotte einen Langeweiler wie Albert heiratet, nur weil sie es Mami versprochen hat, erscheint mir ziemlich absurd.
    Auch der Flirt zwischen ihr und Werther geht mir ein bisschen zu weit, um den 3. Akt glaubhaft zu machen. Die beiden kommen doch nach der Rückkehr von der Party auf der Hollywoodschaukel ganz schön zur Sache, und man fragt sich, warum sie dann später so spröde ist. Und den "premier baiser" hat Werther auch schon längst kassiert.
    Ab dem 2. Bild passt das Regiekonzept dann perfekt, da wurde psychologisch sehr differenziert und diffizil gearbeitet - die sich in ihrer Ehe langeweilende Charlotte, der Sadismus, mit dem Albert in Werthers Wunde stochert, dann das Verhältnis der Schwestern untereinander, das zwischen Sophie und Werther - das ist wirklich Regiearbeit vom Feinsten. Nur passt eben - also für mich zumindest - die Charlotte des 1. Aktes nicht in diesen Rahmen.
    Was Villazón betrifft - lassen wir's besser, da werden wir uns nie verstehen. Muss ja auch nicht sein ;) :D
    lg Severina :hello:

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  • Zitat

    Original von Gregor

    Ob Villazon der ideale Werther ist, wage ich zu bezweifeln. Gespielt hat er ihn ja recht gut, dafür ist das Gesangliche auf der Strecke geblieben.


    Gregor


    Kann natürlich noch nicht mitreden, da ich Villazon nur sehnlichst in dieser Rolle in München erwarte (und auf eine Karte hoffe), aber höchstwahrscheinlich werde ich ihn für den besten Werther aller Zeiten halten :yes: , selbst wenn er nicht ganz so gut, wie evtl. Beczala, singen würde. Gestalterisch wird er selbst in unsrer Rose-Inszenierung ein Feuerwerk zünden. Ich bin mir nur, im Gegensatz zu Zwielicht nicht sicher, ob er die richtige Partnerin haben wird. Garanca oder Koch wären sicher auch für ihn die Traumbesetzung, aber vielleicht betört er ja auch Frau Kasarova, die mich als Charlotte leider so überhaupt nicht berührt hat, da ich in ihr mehr die verstorbene Mutter sehe und das mag nicht nur an der Optik, sondern auch an ihrer Stimme liegen. Jugendlich ist die für mich leider überhaupt nicht mehr.


    :hello: Ingrid

  • Beim WERTHER geht es mir genauso wie Philhellene: mit dieser Oper hat es Massenet m. E. geschafft, etwas noch Eindrucksvolleres als seine literarische Vorlage zu schaffen, und die hat ja bekanntlich auch schon ihre heftige Wirkungsgeschichte gehabt. Ich hoffe also, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die THAIS abgearbeitet ist, auch inhaltlich auf diese Oper noch eingehender werden zurückkommen können, denn im Verständnis der Hauptpersonen entscheidet sich m. E. auch die Präferenz für eine der nachfolgend genannten Aufnahmen (oder doch noch eine andere?).


    Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie man den ersten Akt dieser Oper als langweilig empfinden kann. Zugegeben, es dauert etwas, bis die eigentliche Liebesgeschichte in Gang kommt. Dafür kenne ich keine andere Oper Massenets, die so liebevoll die Atmosphäre um das Geschehen herum zeichnet, vor dem es erst über das routinierte Liebesdrama hinaus wachsen kann. Das gefällt mir so sehr, dass ich gerne auf den Beginn der eigentlichen Geschichte warte, zumal sie ja auch wichtige Informationen zum Charakter der Hauptpersonen enthält, deren Persönlichkeit natürlich weit weniger schillernd und spektakulär und deshalb dramaturgisch auch undankbarer ist als die der MANON.


    Gerade das notwendige Genrebild kommt übrigens bei der Davis-Aufnahme besonders glücklich zur Geltung, denn seine Aufnahme klingt nicht nur nach bestem Massenet, sondern wie zusätzlich um die Sensiblität eines Britten für die Notwendigkeit eines atmosphärisch überzeugenden Umfelds angereichert.


    Nachdem ich mich jetzt durch die Hälfte meiner Aufnahmen gehört habe (die nach ersten Eindrücken sehr vielversprechende Aufnahme unter Nagano mit Jerry Hadley und Anne Sofie von Otter und die DVDs mit Hampson/Graham und Alvarez/Garanca werden noch folgen), stehen zumindest meine bisherigen Präferenzen fest. (Details siehe hier: TMOO - Werther)


    Meine liebste und für mich auch beste Aufnahme, die zudem wesentlich dafür verantwortlich ist, dass der WERTHER trotz der MANON und der THAIS meine liebste Massenet-Oper bleibt, ist die von Colin Davis mit der hinreißenden Frederica von Stade und einem vorzüglichen José Carreras zu seiner besten Zeit:



    Um der großartigen, fast zu fragilen Victoria de los Angeles willen würde mich jederzeit Philhellenes begeistertem Plädoyer für die Aufnahme Georges Pretres anschließen, wenn ich die besonders warmherzige Darstellung Frederica von Stades nicht ebenso eindrucksvoll, wenn nicht sogar noch hinreißender fände. Hier spielt wohl die Prägung durch eine Aufnahme die wichtigste Rolle, und das war bei mir eben die von Colin Davis. Aber auch nach genauerem Vergleichshören fällt mir außer gelegentlichen Details, die sicher auch ein wenig Geschmackssache sind, kaum etwas auf, was Pretres Team erkennbar besser macht als das von Colin Davis - oder umgekehrt, zugegeben. Ich bin jedenfalls froh, dass ich beide Aufnahmen habe und mich nicht entscheiden muss. Müsste ich heute eine kaufen, würde ich mich wohl für Colin Davis entscheiden, das aber vor allem deshalb, weil ich fürchte, dass sie eher vom Markt verschwinden könnte.


    Wenn man doch nur die superbe Sophie Patricia Petibons aus der ansonsten deutlich schwächsten, weil unidiomatischsten Aufnahme Pappanos in eine der beiden anderen verpflanzen könnte.


    Nun bin ich sehr gespannt, ob und wie Nagano und die DVDs gegen das superbe Niveau beider Aufnahmen ankommen können. Fest zu steht für mich jedenfalls jetzt schon, dass der WERTHER zu den wahrlich nicht zahlreichen Opern gehört, die gleich mehrere nahezu optimale Aufnahmen hervor gebracht haben


    :hello: Jacques Rideamus

  • Massenet Werther
    Prager Sinfonieorchester
    Musikalische Leitung: Libor Pesek
    Opernfilm von Peter Weigl
    CSSR / BR Deutschland 1986
    Gesungen in deutscher Sprache


    Termine:
    Fr, 16.01.2009 14:40 Uhr(100 min.)
    Sa, 17.01.2009 09:40 Uhr(100 min.)
    Do, 22.01.2009 14:40 Uhr(100 min.)
    Fr, 23.01.2009 09:40 Uhr(100 min.)


    in seinen weniger gelungenen Augenblicken kann sich die Verfilmung nicht von der alten konventiellen Opernpose lösen. In seinen vielen gelungen Momenten erinnert die Wertherverfilmung an die Ästhetik von Sautets "Die Dinge des Lebens" (Frankreich 1969). Die Klangqualität ist zwar etwas historisch, aber stereo. Pesek kann Lacombe 10.01.04 (NYC) + Armiliato 14.06.07 (Wien) das Wasser reichen. Übrings hat sich Ivorys "Was vom Tage übrig bleib" in seiner Filmusik sich aus dem längeren Zwischenspiel des Werthers bedient, was aber Ivorys sehenwerten Film überhaupt nicht zum Schaden gereicht.



    :hello:

  • Amfortas08


    Danke für die Wiederholung, aber das stand alles auch schon am Anfang dieses Threads (incl. der voraufgagangenen Sendetermine)!


    LG


    :pfeif: :pfeif: :pfeif:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral
    PS: Im Anschluß an den Opernfilm bringt der ZDF Theaterkanal auch noch ein Portrait der Sängerin Brigitte Fassbaender aus der Reihe "da capo" mit August Everding!


    Frau Fassbaender hat mich in der Rolle der Charlotte fasziniert, noch dazu wenn man bedenkt, dass sie zu dieser Zeit schon über 45 Jahre alt war und man ihr das junge Mädchen (allerdings mit großer Verantwortung) sofort abnehmen konnte. Der Film erinnerte mich in vielen Segmenten an unsere Münchner Rose-Inszenierung, nur der Kirschbaum fehlte und bei uns auf der Bühne natürlich Prag ;)

    In dem Werther-Ausschnitt, während des Interviews, wurde französisch gesungen und da fand ich es doch sehr schade, dass wir nicht dieses Original zu sehen und zu hören bekamen (evtl. mit Untertitelung), denn so hat mich die deutsche Übersetzung, die sehr hölzern klang, doch unglaublich gestört. Sogar aus der Charlotte wurde eine Lotte :no:


    Egal, es hat sich trotzdem sehr gelohnt, allein schon, dass ich Herrn Everding mal wieder in Höchstform erleben durfte. Ich mochte ihn sehr gern und wahrscheinlich nehme ich den Film bei einem der nächsten Ausstrahlungen doch noch auf, incl. Interview natürlich.


    Gute Nacht :hello:
    Ingrid

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  • Nachdem ich mir im Zusammenhang mit dem Durchhören aller meiner WERTHERS (zunächst einmal) auch die beiden ersten Akte dieses Mitschnitts angesehen habe, bin ich nicht so ganz ungeteilt der Meinung.


    Natürlich wäre es interessant gewesen, diese Fassung auch in voller Inszenierung zu erleben (hatte das Chatelet keinen WERTHER im Lager, den aufzufrischen sich gelohnt hätte?), und hat es mich gewundert, dass man eine Videoaufzeichnung dieser konzertanten Aufführung produziert, so gut sie auch besetzt ist. Andererseits geben sich die Sänger schon mit sehr viel Erfolg Mühe, die Handlung mimisch sichtbar zu machen (wie viel mehr kriegt man gerade bei dieser eher statischen Oper in einer vollen Inszenierung mit?) und bereitet es auch einen besonderen Gewinn, zur Abwechslung einmal auch den orchestralenTeil dieser Oper mit besonderer Aufmerksamkeit für das erlebbare Detail mitzubekommen.


    Das Problem dieser DVD liegt für mich woanders. Zum einen natürlich an der Bariton-Fassung, die auch mich immer wieder auf den Gedanken bringt, hier würde etwas falsch gemacht. Der würde allerdings kaum entstehen, wenn wir keine andere Fassung kennten, und Thomas Hampson als fast intellektueller Werther macht seine Sache wirklich sehr gut. Susan Graham, die wieder bestens bei Stimme ist, mir zu Beginn aber etwas zu mütterlich wirkt (eine Falle, in die viele Charlottes tappen), kommt wohl erst im zweiten Teil richtig zur Geltung. Das andere und Hauptproblem liegt für mich bei Michel Plasson und seinem erstaunlich unflexiblen Orchester, dessen dynamische Spannweite nur von laut bis besonders laut zu reichen scheint, was gerade bei diesem Werk sehr störend ist. Da fand ich seine Leistung in der Gesamtaufnahme mit Alfredo Kraus und Tatjana Troyanos erheblich differenzierter und lebendiger.


    Mehr Details in Kürze im entsprechenden TMOO-Thread, wo ich bereits meine Ansichten über die anderen Herausragenden Werthers (Carreras, Gedda, Dvorsky) und Charlottes (von Stade, de los Angeles, Fassbaender) dokumentiert habe. Hier wollte ich nur sagen, dass diese Scheiben zwar nicht unproblematisch, aber auch keineswegs so überflüssig sind, wie es weiter oben im Thread angeklungen ist. Man kann sie durchaus mit viel Gewinn hören UND sehen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Liebe Ingrid,


    Zitat

    Frau Fassbaender hat mich in der Rolle der Charlotte fasziniert, noch dazu wenn man bedenkt, dass sie zu dieser Zeit schon über 45 Jahre alt war und man ihr das junge Mädchen (allerdings mit großer Verantwortung) sofort abnehmen konnte. Der Film erinnerte mich in vielen Segmenten an unsere Münchner Rose-Inszenierung, nur der Kirschbaum fehlte...


    eine Münchner Inszenierung gibt es auch auf CD:



    Aufnahme: 18.12.1977, live, München
    Dirigent: Jesús López-Cobos
    Bayerisches Staatsorchester München
    Kinderchor der Bayerischen Staatsoper
    Inszenierung: Kurt Horres


    Albert: Hans Günter Nöcker
    Brühlmann: Hermann Sapell
    Charlotte: Brigitte Fassbaender
    Johann: Karl-Christian Kohn
    Käthchen: Helena Jungwirth
    Le Bailli: Kieth Engen
    Schmidt: Georg Paskuda
    Sophie: Marianne Seibel
    Werther: Plácido Domingo


    Zitat

    Auszug aus der Kritik der Zeitschrift FonoForum:
    "Jesus Lopez Cobos erweist sich auch hier als ein hochqualifizierter Operndirigent. Sein Musizieren mit dem Bayerischen Staatsorchester hat genau die richtige Balance zwischen Leidenschaft und Delikatesse, die das Stück vor dem Abrutschen in Sentimentalität bewahrt."


    Die Inszenierung stammte damals von dem Düsseldorfer Regisseur (und Intendant) Kurt Horres, Brigitte Fassbaender war ein paar Jahre jünger.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    das ist ja eine grandiose Besetzung! Wie schade, dass mich zu dieser Zeit der Opernvirus noch nicht gepackt hatte. Weiß aus Erzählungen, dass mir dadurch unglaublich viele wunderbare Opernabende entgangen sind. Mein Mann hätte damals sogar oftmals vergünstigte Karten bekommen können, hat aber immer dankend abgelehnt :motz: :motz: Das erfuhr ich auch erst Jahrzehnte später ;(


    Jetzt muss ich sehen, ob ich noch irgendwo an diese Aufnahme komme. Ich danke Dir auf jeden Fall für diesen guten Tipp.


    Herzliche Grüße
    Ingrid


    PS. Habe sie gerade bei Amazon gefunden. Ist die Qualität gut?

  • Liebe Ingrid,


    habe eben zufällig in den ZDF-Theaterkanal gezappt und ein Stück "Werther" gesehen.
    Ich bin baß erstaunt, dass da in deutscher Sprache gesungen wird.


    Ich habe den Film auf einer (Kauf-)DVD - die ist in französisch gesungen (mit zuschaltbaren englischen Untertiteln):



    Rideamus hat sie in TMO neulich gezeigt.


    Die Laufzeit ist übrigens nicht, wie im Fernsehen - 100 min., sondern 127 Minuten, also ungekürzt!


    Wie ich zu Anfang dieses Thread geschrieben, war mein erster Zugang die Vinyl-Plattenfassung des "Soundtracks" auf 3 LPs, natürlich in französisch, ebenso wie die heutige Supraphon-CD-Box.


    Ich wußte wirklich nicht, dass es für die TV-Fassung in Deutschland einen deutschsprachigen Soundtrack gibt.


    Erstaunte Grüße


    Harald


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Das wundert mich jetzt aber auch enorm. Zum einen der deutschsprachige Gesang (hast Du die Ausstrahlung aufgezeichnet? Singen da zum Teil andere?) und zum anderen die Längenangaben.


    Ich habe die DVD ja erst vor wenigen Tagen angesehen, und da kannte ich den WERTHER dank meines Vergleichshörens schon recht gut. Diese DVD-Fassung ist aber stark gekürzt (vor allem die Genreszenen mit den Kindern im ersten Akt fehlen weitgehend), und auch Amazon.com gibt ihre Länge mit 101 Minuten an. Ich mag meine DVD jetzt nicht noch einmal ansehen und durchstoppen, aber mir scheint da ein Übertragungsfehler vorzuliegen, denn Peter Weigl hat den Film kaum in zwei Fassungen gedreht.


    Es wäre schön, wenn jemand dieses Mysterium erhellen kann. Leider kann ich den Theaterkanal nicht empfangen, aber wenn das jemand noch bei einer der Ausstrahlungen morgen oder am 22./23. aufzeichnen und mir leihweise zur Verfügung stellen kann, wäre ich sehr dankbar - falls es wirklich eine eigene deutsche Gesangsfassung ist.


    :hello: Jacques Rideamus

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  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Singen da zum Teil andere?) und zum anderen die Längenangaben.


    Ich habe die DVD ja erst vor wenigen Tagen angesehen, und da kannte ich den WERTHER dank meines Vergleichshörens schon recht gut. Diese DVD-Fassung ist aber stark gekürzt (vor allem die Genreszenen mit den Kindern im ersten Akt fehlen weitgehend),
    :hello: Jacques Rideamus


    Lieber Jacques,


    Da der Abspann ja immer sehr schnell läuft, sah ich nur, dass unter einigen Rollen deutsche Sänger gesondert angegeben wurden, die ich mir aber nicht so schnell merken konnte.


    Die Kinderchorszenen fehlten auf jeden Fall bei dieser Übertragung auch.


    Hoffe, mein Mann nimmt morgen auf und dann schicke ich Dir die DVD natürlich gerne. Könnte es notfalls auch ein Video sein?


    :hello: Ingrid

  • Zitat

    Original von Harald Kral

    Ich bin baß erstaunt, dass da in deutscher Sprache gesungen wird.


    :hello:


    Lieber Harald,


    das hat mich ja auch so gestört bei der Übertragung im ZDF-Theaterkanal (s.o.) und deshalb konnte ich mich doch nicht überwinden, diesen Werther noch einmal anzusehen, obwohl ich es vor hatte. Diese deutsche Übersetzung klingt doch echt schrecklich hölzern, stimmt's ?


    Bei einer Aufnahme muss ich deshalb ja nicht unbedingt anwesend sein :D


    Liebe Grüße
    Ingrid


  • Ich habe nun diese Aufführung ebenfalls gesehen (als TV-Mitschnitt, nicht auf der DVD) und kann die Lobeshymnen von Gregor und später Severina gerne bestätigen. Ich würde sogar noch etwas weiter gehen und bekunden, dass für mich der Baum auch auf dem Fernsehschirm eindrucksvoll funktionierte und trotz einiger Abstriche diese DVD von den mir bekannten drei als die erste Wahl bezeichnen. Allerdings kenne ich die Aufzeichnung der Inszenierung Robert Tannenbaums aus dem Badischen Staatstheater Karlsruhe (noch) nicht. Hat die mal jemand gesehen und kann was dazu sagen?


    Die Inszenierung Andrei Serbans gehört in punkto Personenführung und dem fantasievollen Einsatz der Nebenfiguren, die hier erst richtig Profil bekommen, zu dem besten, was ich an Opernregie in langer Zeit gesehen habe. Allein die Kühnheit, den eigentlich unmöglich zu inszenierenden vierten Akt, in dem der bereits tödlich getroffene Werther einen ganzen Akt lang stirbt, nicht zu kaschieren, sondern voll auszuspielen und damit nicht nur davon zu kommen, sondern dicke Zusatzpunkte zu sammeln, ist bewundernswert. Da kommt auch die sonst etwas zu sehr in Großaufnahmen verliebte Kameraführung, die besonders Marcelo Alvarez schadet, mit der unverhofften Aufsicht von oben zu einer besonderen Geltung. Die Leistungen der Hauptdarsteller sind durchweg mindestens lobenswert. Vor allem Alvarez, der zum Glück vollkommen auf den sonst gerne eingesetzten weinerlichen Ton verzichtet, aber auch Elina Garanca können da kaum genug gelobt werden. Philippe Jordan dirigiert mir etwas zu pauchal und selbstverliebt, aber wahrlich nicht schlecht. (Näheres zu den Einzelleistungen in Kürze im TMOO)


    ABER:


    die unnötige Verlegung in die 50er Jahre, die zudem die Baumsymbolik konterkariert, stört mich schon sehr, vor allem im ersten Akt. Zum einen aus den von Severina beschriebenen Gründen der Widrsprühlichkeit zwischen einer relativ modernen jungen Frau und ihrem blinden Gehorsam gegenüber tradierten Gehorsamspflichten. Zum anderen aber auch, weil sie schlicht unnötig ist. Elina Garanca als Wiedergängerin von Grace Kelly oder Kim Novak ist zwar durchaus attraktiv, und für eine kurze Passage im dritten Akt funktioniert Hitchcock-Assoziation auch perfekt, aber insgesamt erscheint sie unnötig und in der ersten Hälfte eher störend, während die Zeitlosigkeit und Intimität der beiden letzten Akte das ohnehin irrelevant macht.


    Elina Garanca hat mir sehr gefallen, wobei ihr natürlich zugute kommt, dass man sie auch spielen sieht. Rein vom Gesang her wird sie m. E. von Frederica von Stade, Victoria de los Angeles und Brigitte Fassbaender trotz eines sehr hohen Niveaus noch übertreffen. Schuld daran ist aber auch, dass sie ihre Rolle zu sehr auf die Tragödin anlegt (oder vom Regisseur dorthin geführt wird) und auch so singt, was ihren Vortrag etwas eintönig geraten lässt. Ich bin sicher, dass sie mit mehr Erfahrung in der Rolle daraus noch viel mehr wird machen können und hoffe sehr, dass dies nicht ihre letzte Aufzeichnung zu ihren besten Zeiten war. Alvarez dagegen ist ihr gegenüber zwar sehr bemüht, aber wenig überzeugend, was durch die Kameraführung leider noch unterstrichen wird. So profitieren vor allem der Albert von Adrian Eröd und die Sophie von Ileana Tonca von der konsequenten Personenregie, die ihren Figuren ganz wichtige zusätzliche Aspekte abgewinnt, die ich für legitim halte, auch wenn mir der Albert zu sehr zum Hitchcock-Schurken wird, was in Text und Partitur keineswegs vorgezeichnet ist.


    Insgesamt aber eine höchst eindrucksvolle DVD, die ich allen, welche die Oper auch insezeniert sehen wollen, gerne ans Herz lege.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Nachdem ich nun alle derzeit leicht greibaren Aufnahmen außer den mir unbekannten von Jurowski (mit Vargas und Kasarova), der Naxos-cd von Jean-Claude Casadeus und der DVD aus der Badischen Staatsoper (zu denen Stellungnahmen sehr willkommen wären) in dem TMOO-Thread besprochen habe, noch ein paar allgemeine Anmerkungen zu meiner Auffassung des Werkes, die meinen Urteilen zugrunde liegt.


    Auch wenn Massenet vor allem im dritten und vierten Bild zuweilen mit hemmungsloser Leidenschaft groß auftrumpft, ist WERTHER für mich keine verkappte große Oper, sondern ein sehr atmosphärisches Stück, dessen Kern man verfehlt, wenn man nicht auch dem leichten Ton und fast kammerspielartigen Charakter gerecht wird, der vom Stoff und seinem überschaubaren, bürgerlichen Personal vorgegeben und auch über große Strecken komponiert ist. Dirigenten wie Pappano, Plasson, Jordan und teilweise auch Pretre, die das Werk in Richtung großer italienischer Oper drängen, verfehlen seinen besonderen Charme und erschlagen es leicht. Hier sind Colin Davis und Kent Nagano vorbildlich.


    Sehr wichtig ist bei dieser Partitur auch die Sprache. Ein möglichst perfektes Französisch ist also für mich eine Voraussetzung für eine perfekte Interpretation. Hier können Frederica von Stade, Susan Graham, Victoria de los Angeles und Nicolai Gedda sowie natürlich die Muttersprachler wie Roberto Alagna (der aber nur hier), Roger Soyer und ganz besonders Patricia Petibon am meisten punkten. Richtig schlecht ist aber niemand.


    Werther ist ein junger Künstler, der auf Gedeih und Verderb einer unmöglichen Liebe anheim gefallen ist und dies einerseits erkennt, andererseits aber nicht anerkennen will. Sein jugendliches Ungestüm muss von dem Titelhelden verkörpert werden, und da genügt einfach kein edler Schöngesang eines Veteranen, wie ihn Alfredo Kraus in seiner Gesamtaufnahme anbietet (in einem Rundfunkmitschnitt aus seiner Frühzeit macht er das dagegen hervorragend). Nicolai Gedda ist auch schon leicht an der Grenze, bleibt aber noch gut im Rahmen des Altersspektrums. Die idealen Sänger wären José Carreras oder Jerry Hadley. Leider haben ausgerechnet sie eine Tendenz zum Weinerlichen, und so bleiben Marcelo Alvarez (ohne Bild) und Peter Dvorsky (auch mit Bild, aber leider gekürzt) als die Besten übrig. Als eher reifer Bariton läuft Thomas Hampson etwas außer Konkurrenz, rein gesangstechnisch aber gehört auch er in die Spitzengruppe.


    Bei Charlotte daf man keinesfalls übergehen, dass auch sie noch eine sehr junge Frau ist, die nur durch die Lebensumstände gezwungen wurde, früh zu reifen und den Anforderungen ihres Umfelds zu genügen. Dennoch muss man ihr duchgehend glauben, dass auch in ihr ein unbändiges Feuer brennt und sie permanent gegen ihre eigenen Willen handelt. Elina Garanca spielt das hervorragend, singt es aber leider nicht genauso. Wer die Rolle zu mütterlich anlegt, hat schon verloren. Ebenso falsch wäre es, von Anbeginn an die spätere Tragödie mitzusingen, wie es besonders stark Angela Gheorgiu, aber ein wenig leider auch Elina Garanca und Susan Graham machen. Trotzdem gibt es für diese Rolle wunderbare Alternativen, wie es, angefangen von der jugendlichsten, fast schon zu fragilen Victoria de los Angeles, die besonders warmherzige und für mich vollkommene Frederica von Stade, die etwas kühle, aber keinesfalls leidenschaftslose und sehr schön differenzierende Anne Sofie von Otter und, mit ihrer besonderen Betonung der widerwilligen Pflichterfüllung Brigitte Fassbaender auf sehr verschiedene Weise perfekt gestalten und singen.


    Dem Albert sind nur wenige Möglichkeiten zur Variation gegeben. Am meisten beeindruckt haben mich in dieser undankbaren Rolle der sehr noble Thomas Allen, dem man die Enttäuschung glaubt, in der er seinem Rivalen schließlich die Waffe bringen lässt, und Adrian Eröd, der den Anforderungen des Regisseurs, der ihn als überforderten und schließlich bösartigen Langweiler begreift, vollauf gerecht wird - auch sängerisch.


    Sophie war für mich eine eher unbedeutende Nebenrolle, bis ich die Portraits von Patricia Petibon und Dawn Upshaw kennen lernte. Zwar schaffen auch die beiden es nicht, das deutliche jüngere Alter Sophies gegenüber ihrer Schwester gaubhaft zu machen - dazu sind Massenets Anforderungen einfach zu anspruchsvoll - aber beider Portraits machen die echte wie die gezwungene Fröhlichkeit der Sophie in sehr individueller Weise glaubhaft und beweisen, wieviel eine gute Stimmdarstellerin auch aus solchen Rollen machen kann.


    Insgesamt kann der Bewunderer von Massenets Oper also aus dem Vollen schöpfen, auch wenn es, wie fast immer, keine Aufnahme gibt, die alle Spitzenleistungen auf sich vereint. Die Aufnahmen von Colin Davis, Kent Nagano und, mit leichten Abstrichen für die fehlbesetzte Sophie der Mady Mesplé und das Dirigat von Georges Pretre, der aber immer noch deutlich besser ist als Plasson, Pappano oder Jordan, kommen dem Ideal aber schon sehr nahe.


    Die DVDs können kaum miteinander konkurrieren, denn jede hat eine entscheidende Schwäche, seien es die konzertante Aufführung, die starken Kürzungen des Spielfilms oder die überflüssige zeitliche Verlagerung. Da Letztere am wenigsten stört und hier auch alle Hauptrollen auf einem sehr hohen Niveau agieren und singen, würde ich zu der Wiener Aufnahme mit Alvarez und Garanca raten.


    Was ich nach dieser Überdosis an WERTHERN erst recht nicht mehr verstehen kann, ist, wie man diese Oper nicht mindestens bewundern kann. Ich liebe sie jetzt mehr denn je.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zu Beginn dieses Threads habe ich bereits geschrieben, dass allein Ommer 85 Aufnahmen der Oper listet, und wenn ich mich so umsehe, kommen ständig neue Aufnahmen hinzu. Leider fehlt es mir an Zeit, mich da durchzuhören (wie geschrieben, meine älteste Aufnahme ist von 1931....).
    Eine Ergänzung sei mir erlaubt zu der Mattia Battistini-Fassung (für Bariton): Hier gibt es eine interessante Alternative aus Brüssel zu Thomas Hampson, die seinerzeit (Dez.2007) auch bei OperaShare angeboten wurde:


    Zitat

    After the glamorous Werther of Thomas Hampson in the bariton-version
    (made for Mattia Battistini) in New York and Paris is here a more
    down-to-earth-performance (more human if you like) by Ludovic Tézier
    with the always moving Jennifer Larmore as his Charlotte.


    Jules Massenet: Werther

    Werther - Ludovic Tézier
    Charlotte - Jennifer Larmore
    Sophie - Hélène Guilmette
    Le Bailli - Gilles Cachemaille
    Albert - Jean-Luc Chaignaud
    Schmidt - Yves Saelens
    Johann - Lionel Lhote
    Käthchen - Anneke Luyten
    Brühlmann - Olivier Berten


    Théâtre Royal de la
    Monnaie, Brussels, 21 December 2007
    Conductor: Kazushi Ono


    (ob die Links noch in Betrieb sind, weiß ich nicht)


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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