Neue Interpretengeneration? - Die Individualisten kommen zurück!

  • Ich weiß noch sehr gut, daß in meiner jugend und auch davor, etliche sehr individuelle, bzw eigenwillige Pianisten gab.
    Jeder drückte den Werken seinen individuellen Stempel auf, was für viele reizvoll war. Irgendwann, als die Schallplatte wichtiger schien als das Konzertereignis und die nächste Generation von Pianisten darauf angewiesen war bedeutende und weniger bedeutende internationale Klavierwettbewerbe zu gewinnen um mehr oder weniger lukrative Schallplattenverträge zu ergattern, da war folgende tendenz zu erkennen: Die Pianisten wurden technisch immer perfekter, entwickelten sich zu Klavierspielautomaten erster Güte die in dieser Disziplin alles bisher dagewesene in den Schatten stellten - jedoch die eigene Individualität blieb auf der Strecke. Man war darauf angewiesen den Juroren zu gefallen - und so entwickelte sich mit der zeit ein gewisser "Einheitsgeschmack", viele Pianisten waren kaum mehr von ihren Konkurrenten, äh Kollegen zu unterscheiden.
    Es herrschte eine gewisse sportive zeitgeistige Grundhaltung vor.
    Das Publikum hatte sich damit irgendwann abgefunden, daß die Individualisten ausstarben, deren spielerische "Unarten" ausgemerzt schienen. Falsche Töne im Konzert (Eddie Fischer schau oba ) gab es nur mehr in Ausnahmefällen - und auf Tonträge natürlich schon gar nicht.


    Seit einiger Zeit ist jedoch verstärkt der Trend zu relativ eigenwilligen, individuellen Interpretationen zu bemerken, welche (aus meiner Sicht) dazu geeignet scheinen den Klassikmark erneut zu beleben. Man möchte die Lesart des Pianisten X mit jener von Y vergleichen und darüber diskutieren, sei es in einem Internetforun oder einfach nur in der Konzertpause zwischen 2 Gläsern Sekt.


    Das wirft erneut die Frage nach der Werktreue bzw individuellen Lesart auf - was ist erlaubt, was ist erwünscht - wann wird ein Tabu gebrochen ?


    Und welches sind Eurer Meinung nach die "neuen Individualisten" deren Interpretation euch interessieren könnte ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...Seit einiger Zeit ist jedoch verstärkt der Trend zu relativ eigenwilligen, individuellen Interpretationen zu bemerken, welche (aus meiner Sicht) dazu geeignet scheinen den Klassikmark erneut zu beleben. Man möchte die Lesart des Pianisten X mit jener von Y vergleichen und darüber diskutieren, sei es in einem Internetforun oder einfach nur in der Konzertpause zwischen 2 Gläsern Sekt.


    Wen konkret hast du da jetzt im Sinn ?


    Pianomusik ist nicht unbedingt mein erstes Fach, aber ein wenig beobachte ich die Szene auch. Es gibt natürlich aktuell ganz hervorragende Pianisten, wie Perahia, Volodos oder auch Hamelin, die technisch ungemein versiert einem Werk durchaus ihren Stempel aufdrücken können.


    Daneben gibt es aber imo auch viele "Jungsternchen" bei denen die "Individualität" meines Erachtens dem Marketing geschuldet ist. Spontan fallen mir da Fray, Tokarev oder Stadtfeld ein.


    Ein Werk "anders" zu spielen, als es bisher üblich war, ist meiner bescheidenen Meinung nach, nicht zwingend ein Kennzeichen dafür, dass es auch "gut" gespielt ist, in dem Sinne, dass die neue Interpretation tatsächlich auch neue Erkenntnisse über das Werk vermittelt.


    Viele Grüße aus dem noch immer tiefverschneiten Dortmund,


    Bernd

  • Hallo Alfred !


    Ich gehe mal davon aus, daß Pianisten wie ein :
    David Fray gemeint sind , oder ??? :D


    Gruss
    Holger

    "Es ist nicht schwer zu komponieren.
    Aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen"
    Johannes Brahms

  • Hallo,


    leider ist für nicht nachvollziehbar, wie man gewissen Künstlern unterstellen könnte, ihre Individualität sei nur dem Marketing geschuldet. An welchen Kriterien soll dies denn erkennbar sein (solange sie nicht absichtlich und mutwillig eine Komposition entstellen)?
    Im Gegenteil, ich finde dass Künstler mit dem Mut zur Individualität ein außergewöhnlich hohes Risiko eingehen. Schließlich müssen damit rechnen, bei einem bestimmten Teil des Publikums (und auch der Presse) nicht anzukommen.


    Viele Grüße
    Frank

  • David Fray war hier sicher AUCH ein Ansatz.
    Seine Motive sind mir unbekannt, aber musikalische Individualität lässt sich - entgegen "extravagantem Erscheinungsbild und Gehabe" - man möchte fast sagen "Gott sei Dank" nicht "designen"


    Aber ich muß hier gar nicht David Fay nennen:


    Spontan fallen mir


    Valéry Afanassiev, Michael Korstick, Arthur Schoonderwoerd ein....
    Mit Sicherheit gibt es noch ein paar andere....


    Sie verweigern sich dem dezeitigen "sportiven Trend - jeder auf seine Weise


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    Original von Frank Pronath...leider ist für nicht nachvollziehbar, wie man gewissen Künstlern unterstellen könnte, ihre Individualität sei nur dem Marketing geschuldet. An welchen Kriterien soll dies denn erkennbar sein (solange sie nicht absichtlich und mutwillig eine Komposition entstellen)?
    Im Gegenteil, ich finde dass Künstler mit dem Mut zur Individualität ein außergewöhnlich hohes Risiko eingehen. Schließlich müssen damit rechnen, bei einem bestimmten Teil des Publikums (und auch der Presse) nicht anzukommen.


    Nun, da hab ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Was ich meinte, war, dass sich "Individualität", ungeachtet ihrer Qualität im einzelnen, besser verkaufen läßt. Ansonsten ist es auch recht schwierig, dem geneigten Publikum die 108. Einspielung der Goldberg-Variationen zu verkaufen. Und Risiko ist nun einmal mit jedem Geschäft - und das Verkaufen von klassischer Musik ist ein Geschäft - notwendig verbunden.


    Übrigens denke ich, dieser Hang zu einer betont eigenwilligen Spielpraxis ist nicht auf Pianisten beschränkt, sondern dürfte sich auf fast alle Instrumentengruppen beziehen. das ist imo ja auch verständlich, weil es mittlerweile von fast allen wirklich hörenswerten klassischen Werken die verschiedensten Aufnahmen gibt, so dass sich für jede Einspielung der Zwang einer gewissen Rechtfertigung gegenüber den bereits vorliegenden ergibt.


    VG, Bernd

  • Ich sehe das auch so, wie zatopek.
    Aus meiner Sicht ist der Siegeszug der Schallplatte überhaupt in gewisser Weise schuld daran, dass des öfteren vollkommen valide und großartige Interpretationen durch die Kritik abqualifziert werden. Wie viele Taminos besuchen regelmäßig Konzerte ? Wie viele gibt es, die wohl die Möglichkeit dazu hätten, aber dennoch lieber nicht live in ein Konzert gehen ? Der Tonträger dominiert eindeutig.


    Live erwartet man von einem Pianisten eine gute Interpretation des Stückes. Auf dem Tonträger erwartet man eine "neue" Interpretation, weil jemand, der beispielsweise die h-moll-Sonate einspielt, gegen eine Vielzahl berühmter Referenzaufnahmen antreten muß, die dazu noch spottbillig auf dem Markt sind. Warum sollte man sich die Aufnahme denn überhaupt kaufen, wenn sie zwar sehr gut, aber nicht wesentlich anders ist, als die anderen 5-10 Aufnahmen, die man bereits im Schrank stehen hat ? Selbst die Tonqualität ist da mittlerweile kein Argument mehr. Ein gutes Beispiel sind die ganzen erfolgreichen HIP-Produktionen.
    Ich glaube nun, diese Entwicklung übt einen gewissen Zwang zu polarisierenden Interpretationen aus, der den Werken nicht wirklich gut tut.


    Gruß
    Sascha

  • Sagitt meint:


    Exzentrische Künstler hat es doch immer gegeben. Wenn man mal die alten Tondokumente anhört, wie ein Busoni gespielt hat, zB.


    Gibt es nicht in jeder Generation solche, die ihre Sichtweise vor die Intentionen des Komponisten stellen ?


    Hatte nicht bereits Händel damit viel Ärger und nicht nur er ?


    Die Sternchen am medialen Himmel zeichnen sich doch eher durch optische Vermarktung als durch ausgefallene Interpretation aus .


    Ich finde einen sehr individuellen Blick auf ein Werk durchaus interessant.
    Werktreue Interpretationen haben wir ja in ausreichender Zahl.


    Wenn ein Gould oder ein Pogorelich oder ein Afanassiev einen ganz anderen Zugang wählen, kann man andere Aspekte eines Werkes sehen.

  • Zitat

    Original von sagitt


    Werktreue Interpretationen haben wir ja in ausreichender Zahl.


    Der Punkt ja gerade der, dass die Auffassung der Werktreue einem zeitlichen Wandel unterworfen ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Interpretationsgeschichte von Opern, in denen der Canto fiorito eine Rolle spielt. Von Toscanini initiiert, hat uns das, vor allem in den 70er Jahren viele Aufnahmen beispielsweise unter Leitung von Muti, Abbado und Levine beschehrt, die buchstäblich partiturtreu, den Sängern jegliche Aussziehrung der Gesangslinie, selbst bei Dacapo-Arien, versagten. HIP dürfte das aber kaum gewesen sein, und folglich steht hinter der Werktreue ein großes Fragezeichen. Und nicht umsonst sind HIP-Aufnahmen der Werke, in denen - mit Bedacht - ausgeziert wird, durchaus ein Gewinn und auch erfolg auf dem Markt.
    Das wirft auch durchaus ein anderes Licht auf "Interpretationsmarotten" von beispielsweise Pianisten, die zwar vielleicht nicht dem Buchstaben des Werkes genügen, aber sich unter musikhistorischen Gesichtspunkten durchaus rechtfertigen lassen.


    Aber ich gebe Sagits letzter Bemerkung durchaus recht: Wenn mittlerweile vermarktet wird, dann ist der Ansatz ein außermusikalischer.


    Gruß
    Sascha

  • Ich bin mir jetzt nicht so ganz sicher: Geht es Euch eher um "eigenwillige" musikalische Interpretationen oder um exzentrisch auftretende Künstlerpersönlichkeiten - oder um beides?


    Wenn es um die Vermarktung geht, dann steht wohl eher die Persönlichkeit im Vordergrund. Riskante musikalische Ansichten können zwar hochinteressant sein, im Ergebnis sind sie doch wohl eher verkaufshindernd. Was meint Ihr?


    Viele Grüße
    Frank

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  • Zitat

    Ich bin mir jetzt nicht so ganz sicher: Geht es Euch eher um "eigenwillige" musikalische Interpretationen oder um exzentrisch auftretende Künstlerpersönlichkeiten - oder um beides?


    Es geht hier ausschließlich um "Interpretationen" - wobei sie nicht notwendigerweise "exzentrisch" sein müssen.Ich bin mir nicht sicher ob beispielsweise Korstick das Attribut "exzentrisch" verdient.
    Tatsache ist jedenfalls, daß er eine doch sehr persönliche Lesart der Beethoven Klaviersonaten anbietet...


    Mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eben - Korstick ist ein sehr gutes Beispiel. Ich habe ihn bereits einmal bei einer CD-Präsentation persönlich erlebt und dabei den Eindruck gewonnen, dass Korstick eine sehr zurückhaltend auftretende Persönlichkeit ohne jedes exzentrische Auftreten ist. Darum hat es auch sicherlich so lange gedauert bis er - verdientermaßen - einem größeren Publikum bekannt geworden ist.


    Doch selbst bei Korstick ist mir etwas Außermusikalisches aufgefallen, das zu seiner Bekanntheit beigetragen hat: Er wurde bisweilen unter dem Schlagwort "Dr. Beethoven" vermarktet (dem Vernehmen nach ein Spitzname aus seiner Studentenzeit). Damit sollte wohl zum Ausdruck gebracht werden, dass er den Notentext philologisch genau unter die Lupe nimmt und jeder einzelnen Note eine besondere Bedeutung beizumessen scheint. Wenn damit einige Musikinteressierte auf ihn aufmerksam geworden sind muss man zugeben: Auch das gehört zum Marketing!


    Viele Grüße
    Frank

  • Ich hörte gerade zum ersten Mal eine Aufnahme des Franzosen Jean-Marc Luisada, eine Schumann-Platte mit einem eher eigenartigen Cover:



    Mir gefällt diese Aufnahme außerordentlich gut. Luisada spielt mit perfektem, in allen Registern ausgewogenem Anschlag und einem schönen Ton, der mich an den von mir hochverehrten Casadesus erinnert - französische Schule eben -, und mit einem deutlichem Hang zum rubato, das aber immer durchdacht erscheint und die rhythmischen Zusammenhänge nicht zerstört.


    Außer für Schumann ist er offenbar Spezialist für Chopin. Hat denn sonst schon mal jemand etwas von ihm gehört und kann andere CDs empfehlen?


    Grüße,
    Micha

  • Luisada war u.a. Schüler von Paul Badura-Skoda. Seine erste Platte mit Chopin habe ich nie zu Gesicht bekommen, die zweite und dritte (Schumann) gibt es nur noch direkt bei Label Harmonic in Frankreich, aber es lohnt sich. Diese Chopin-CD ist eine tolle Scheibe, für die ich erst vor ein paar Wochen auch meine Frau begeistert habe.


    Die späteren Chopin-CDs bei DGG fand ich nicht so faszinierend. Allerdings finde ich CDs mit nur den Walzern oder Mazurken grundsätzlich problematisch.

  • Hallo allerseits


    Ich besuche seit vielen Jahren eine Konzertreihe, die heißt «Burleske» und findet in Luxemburg statt in einem kleinen Auditorium bis 120 Zuschauer statt. Es sind so 7-10 Konzerte pro Saison. Ich werde eine Liste der Künstler später posten. Ihr werdet staunen.


    Hierbei geht es darum, die jungen Künster zu fördern, ein Sprungbrett zu geben, daß sie Erfahrung sammeln können. Etliche haben das auch wirklich genutzt. Es kamen natürlich auch etabliertere Künstler vorbei.

    Das interessante dabei war, daß man den Künstler nach dem Konzert immer treffen kann, nicht nur schnell eine Signiert, sondern man kann mit ihm diskutieren. Ich merkte daß die Künstler (zu 90% Pianisten) ziemlich sich selbst sind, in sich gekehrt, auf die Musik fixiert und auf das Programm das sie spielen. Es ist schließlich ihr Beruf. Sie leben davon. Ich merkte dass hinter dem Künstler ein Management steht, die die Künstler (oft zu schnell) vermarkten wollen.
    Es sind die, die versuchen den Künster zu pushen, ihnen ein Stil aufzusetzen, den Künstler zu prägen.
    Nicht wenige werden fallengelassen.


    Die letzten Konzerte waren zb Ragna Schirmer, Jean-Guihen Queyras (ein fantastisches Bach-Konzert)


    gruß
    roman

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  • Alte Interpreten und neue Generationen können gleich "Individualisten" sein


    Eine sehr interessante Sendung habe ich im Bartók-Radio gehört, wo Chopins Nocturne Op. 32 h-moll in verschiedenen Interpretationen vorgestellt wurde. Dabei wurden die Zuhörer darauf aufmerksam gemacht, dass Rubinstein den Schluss, der ursprünglich in h-moll verfasst wurde, in H-dur spielt. Die anderen Pianisten - Livia Rév, Gergely Bogányi und Maurizio Pollini - haben natürlich h-moll gespielt.


    Ob so etwas auch öfter vorkommt? Vorkommen darf??


    In dieser Sendung wurde das mit der Persönlichkeit von Rubinstein erklärt, der auch in hohem Alter noch ein helles Gemüt hatte. Für ihn war es wohl nicht möglich, einen dunklen und düsteren Schluss zu spielen.


    Vielleicht gehört dieses Thema nicht hierher - aber unter dem Motto "Individualisten am Klavier" könnte man darüber auch hier diskutieren.


    Gruss :hello:

  • Zitat

    Vielleicht gehört dieses Thema nicht hierher - aber unter dem Motto "Individualisten am Klavier" könnte man darüber auch hier diskutieren

    .


    Liebe Kopiroska,


    im Gegenteil - genau DAS ist das Thema.


    Die Interpretationsgeschichte verläuft offenbar in Wellen:
    Auf eine Phase der "freien Gestaltung" folgt eine der "absoluten Werktreue" die ihrerseits wieder von einer Welle der "freien Notenauslegung" abgelöst wird ..etc. etc. etc.


    Die derzeitige Phase, der absoluten Notentreue, und dem (vergeblichen) Streben nach Authenzität (die allerdings oft seltsame Blüten trägt) dürfte allmählich ausklingen, man hat offensichtlich mehr Mut zur eigenen Auslegung...


    Man singt teilweise wieder Verzierungen, schreibt eigene Kadenzen zu Konzerten, ändert eigenmächtig die Tempi - und erzielt damit oft erstaunliche Ergebnisse...


    Ich nenne jetzt keine Namen, weil ich dies Euch überlasse.


    Prinzipiell wäre beispielsweise Glenn Gound solch ein "mutiger " Künstler - wäre er nicht schon verstorben, bzw seine Karriere wäre nicht schon soo lange.


    Aber ich bin überzeugt, Ihr findet jede Menge von Dirigenten, Sänger, Pianisten, Cellisten, Violonisten , Sänger etc etc die ihr hier mit jeweils einer Aufnahme vorstellt - je neuer - desto besser.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tach auch,


    ich will es mal so formulieren: der interessante Musiker zeichnet sich dadurch aus, dass er einerseits werktreu agiert, andererseits dem Werk dennoch eine individuelle interpretatorische Note gibt, erst diese Dialektik führt zu einer spannenden Interpretation, alles andere ist eine billige Ausrede für Unvermögen.


    Ach ja, zu Glenn Gould: der ist in vielem werktreuer als man so denkt - und gerade er hat Live-Auftritte verabscheut


    Gruß aus dem Wiesengrund

  • Es gibt in Ungarn eine ganze Reihe von jungen und sehr begabten Pianisten, die in die Fußstapfen von Kocsis, Ránki und Schiff treten. Einer von ihnen ist Gergely Bogányi, der in Konzerten den älteren Stil eines Paderewski usw. ein bisschen auferstehen lässt. Seine Chopin-Interpretationen sind in letzter Zeit besonders berühmt geworden. Aber wenn es um CD-Aufnahmen geht, scheint er ein bisschen zurückhaltender zu sein. Es ist bestimmt nicht leicht, gegen den alten Strom zu rudern.


    Die Geschichte der Interpretationsarten und der Interpretationsphilosophie ist genauso interessant wie die Geschichte der Wissenschaften, glaube ich.


    :hello:

  • So - und nur war genug Zeit - einerseits für neue Pianisten um sich zu entwickeln, andrerseits haben wir neue Mitglieder dazubekommen. Und auch ich hatte Zeit nachzudenken, wie ich deas Threadthma besser formulieren kann:
    Es geht also hier nicht vordergründig darum - um jeden Preis anders zu spielen als die anderen - sondern vor allem darum "persönlich" zu spielen - etwas das vor einigen Jahren völlig aus der Mode gekommen war. Und zwar deshalb, weil man sich - vor allem als junger Pianist - vorzugweise darum bemühte, so zu spielen, daß es der Jury bei Klavierwettbewerben gefiele. Daraus entwickelten sich dann mehr oder weniger "Standardinterpretationen".
    Ich glaube, daß diese Phase heute überholt ist. Man spielt wieder (fast) so individuell wie vor 80 Jahren.....
    Und das ist auch gut so. Denn wie gesagt: Auf Tonträger wird oft eine "neue Sicht" eines Werkes erwartet - Allerdings darf diese "Neue Sicht" die sogenannte "Werktreue" nicht wesentlich beeinträchtigen - Ein kaum sch schaffender Spagat, der da von den Interpreten verlangt wird - aber letztlich ist er scheinbar doch zu schaffen, wie zahlreiche Neuaufnahmen beweisen.
    Oder aber ist es vielleicht nur so, daß man im Alter durch jahrelanges Hören und (oft unfreiwilliges) Vergleichen von Einspielungen, bzw Interpretationen aus sehr feine Unterschiede hören kann, die einem in der Jugend entgangen wären?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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