Verblüffend und vielleicht typisch: Es gibt zwar einen Thread „Sex sells“ und einen anderen „Erotik in der Musik“, aber das Thema Liebe kommt nur bei Einzelwerken vor, der Sinfonie fantastique, der Turangalila-Sinfonie und Carmen. Anders als die oft zitierte Zuschreibung durch Wagner als „Apotheose des Tanzes“ ist für mich Beethovens 7. Sinfonie eins der schönsten Beispiele für Liebe in der Musik.
Es steht ganz in der Nähe von Hölderlins „Hyperion“ und seiner Beschreibung der Athenerin Diotima. Beethoven geht sehr klassisch vor. Alle Rhythmen sind klassischen Versmaßen nachgebildet. Der Ton klingt klassisch, oder so, wie sich das vielleicht vorstellen lässt, wo es keine Überlieferung gibt, wie die griechische Musik geklungen haben mag.
Niemand wird jemals wissen, was und wie Beethoven in den Jahren ab 1810 bei seinen Besuchen bei Antonie Brentano auf dem Flügel phantasiert hat, um sie in ihrer Trauer zu trösten. Der erste Satz zeichnet ein herrliches Frauenporträt – beginne ich jetzt zu phantasieren – und der zweite Satz schildert die Gefühle einer Frau, die den Verlust ihres Vaters und ihrer Kindheit zu ertragen lernen muss, aus der Sicht des sie liebenden Mannes.
Das alles nicht in wilden, dionysischen Ausbrüchen, sondern in vollendeter Form. So entsteht ein Ideal an Harmonie. Da kann es sicher geschehen, dass nicht eine wirkliche Frau, sondern nur das klassische Bild einer Frau „geliebt“ wird, zumal ein längst vergangenes Ideal, eine kalte Statue aus Marmor.
Doch der letzte Satz „beweist“ das Gegenteil. Antonie ist in ihren innersten Gefühlen angesprochen und findet dank Beethovens Spiel zur seelischen Balance zurück. Seine Musik vermag ihren Verlust zu stillen. Sie fühlt sich geliebt und kann die Liebe erwidern. Darauf antwortet wiederum der letzte Satz.
Hier scheint mir am besten ein berühmter Satz von Musil zu passen: "Es hieße also ungefähr soviel wie schweigen, wo man nichts zu sagen hat; nur das Nötige tun, wo man nichts Besonderes zu bestellen hat; und was das Wichtigste ist, gefühllos bleiben, wo man nicht das unbeschreibliche Gefühl hat, die Arme auszubreiten und von einer Welle der Schöpfung gehoben zu werden!"
Aus den gleichen Jahren sind auch die ersten Skizzen der Freuden-Melodie der 9. Sinfonie überliefert, die im Grunde stärker zur 7. als zu den anderen Ideen einer 10. Sinfonie passen, mit denen sie später zusammengefügt wurden.
Leider gibt es keine Aufnahme, die mich ganz überzeugt. Am besten gefällt mir auch bei dieser Sinfonie die Einspielung von Erich Kleiber mit Concertgebouw Orchestra.
Schöne Adventsgrüße,
Walter