Apotheose des Tanzes? - Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr.7

  • Liebe Taminoianer


    Die Bezeichnung "Apotheose Des Tanzes" auf diese Sinfonie bezog stammt von Richard Wagner, der sofort den Schwung entdeckte, der für dieses Werk so prägend ist, aber es gab auch andere Deutungen, so wurde behauptet die Sinfonie enthielte Anspielungen auf Napoleons Niederlage in Russland. Das dürfte jedoch reine Spekulation sein.An Deutungen hat es nie gefehlt, dementsprechend fielen auch die Interpretationen recht unterschiedlich auss



    Generell ist die Sinfonie überwiegend rhythmisch, freudig und strahlend angelegt, schon bei Ihrer Uraufführung am 8. Dezember 1813 in Wien (ein Benefizkonzert zugunsten Kriegsversehrter) war ihr ein grandioser Erfolg beschieden. Zeitgenossen empfanden sie als weniger gigantisch und "unnahbar" als ihre unmittelbaren Vorgängerinnen. Heute steht sie eher ein wenig im Schatten der "großen" Sinfonien Nr 3,5,6 und 9 - zu Unrecht wie ich meine.


    Ich lernte das Werk in meiner Jugend durch eine Aufnahme unter Bruno Walter kennen, uns die Sinfonie wurde sofort ein Lieblingswerk von mir. Daran hat sich bis heute nichts geändert.


    Welchen Stellenwert hat die Siebte Beethoven in Eurer Musikwelt, bzw welche Aufnahme haltet Ihr für besonders geglückt ?


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat von Alfred Schmidt

    Ich lernte das Werk in meiner Jugend durch eine Aufnahme unter Bruno Walter kennen, und die Sinfonie wurde sofort ein Lieblingswerk von mir. Daran hat sich bis heute nichts geändert.


    Genau wie bei mir :jubel:


    Gruß
    Heinz

  • Bevorzugte Aufnahmen:


    Carlos Kleiber - Wiener Philharmoniker
    Carlos Kleiber - Concertgebouw Orchestra Amsterdam (DVD)
    Carlos Kleiber - Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks (1975)

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Rienzi,


    wie abwechslungsreich!


    Wenn dir der Filius so gut gefällt, empfehle dir dringend, doch einmal bei Papa Erich hineinzuhören!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Alfred und alle Interessierten,
    es ging mir ähnlich. Die Siebte war eine der ersten, wenn nicht die erste Sinfonie Beethovens die ich so richtig kennen lernte. Mein 3 Jahre älterer Bruder besaß eine LP davon, keine Ahnung welches Orchester das war. Ich verbinde mit ihr so etwas wie meine ersten Erlebnisse mit der Klassik überhaupt. Bis heute ist sie eine absolute Lieblingssinfonie geblieben. Ich glaube ich kenne sie fast auswendig.
    Der zweite Satz hat bis heute noch nichts von seiner Faszination verloren.


    Und nun die Frage nach den Lieblingsaufnahmen:
    Es fällt mir schwer, hier eine Rangfolge aufzustellen. Ich finde den hier im Forum viel gerühmten Carlos Kleiber ebenfalls spitzenmäßig.
    Außerdem besitze ich: Abbado/Wiener;
    Abbado /Berliner;
    Furtwängler;
    Karajan 1962;
    Rattle/Wiener;
    Zinman;
    Klemperer;
    Bernstein/Wiener;
    Furtwängler und Klemperer kann ich nicht so viel abgewinnen, die sind mir einfach zu langsam. Aber die anderen hier genannten mag ich alle.
    Ich freue mich jedenfalls über diesen Thread, da ich auch denke, dass die Siebte völig zu unrecht im Schatten der "Größeren" steht. Ich bin gespannt auf die "Expertenrunde"
    Gruß

    Günter

  • Zitat von Alfred_Schmidt

    Die Bezeichnung "Apotheose Des Tanzes" auf diese Sinfonie bezog stammt von Richard Wagner

    Ich gesteh's: Ich habe das noch nie verstanden. Wenn schon "Apotheose", dann würde ich eher sagen "des Rhythmus". Jeder Satz entwickelt sich letztlich in seinen Hauptgedanken aus einer kleinen rhythmischen Zelle. Am deutlichesten im Schlusssatz, natürlich. Worauf man in dieser Sinfonie ernsthaft "tanzen" sollte, das ging mir an Wagners Ausspruch nie auf - es sei denn, er meinte das unüberhörbrare "orgiastische" Element, dass dieser Sinfonie mehr zu eigen ist als irgendeiner anderen Beethoven-Sinfonie...


    Im übrigen scheint sie mir nicht wirklich im Schatten von 3, 5, 6, und 9 zu stehen, hier vor Ort vergeht jedenfalls keine Konzertsaison ohne irgendeinen Aufführung dieser Sinfonie. Es ist sicher diejenige Beethovens, die ich am häufigsten im Konzert gehört habe....


    Beste Grüsse,
    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Sagitt meint:


    Ich möchte zur Siebten ein Bild aus der Werbung beitragen, das mir einen Aspekt dieser Sinfonie deutlich machte: Mächtigkeit. Da wird der Schluss des vierten Satzes in einer Zigarettenwerbung gespielt und man sieht einen Tanker, wie er sich durch das Meer seinen Weg bahnt. Alles ziemlich gigantisch- eben.


    Dieser Aspekt macht es ein wenig schwierig, andere als die großen Orchester zu schätzen. London classical Players gehen nicht in die Knie, aber sie wirken ein wenig schmächtig gegen die aufbrausenden Wiener unter Carlos Kleiber.

  • Lieber Alfred Schmidt ,
    Bruno Walter ist ausserordentlich als Beethoven-Interpret . Mein Grossvater, der 1978 mit 94 1/2 Jahren bei klarem Geist starb , hatte immer wieder auf Walter , den er sehr oft live hören konnte verwiesen .
    Die 7. habe ich , kaum zu glauben , mit Giulini erstmals ca. 1963 gehört . Die Tempi ganz anders als bei den übliche Hochleistungsrasern à la .... . Sie wissen schon . Aber welch eine grosse Architektur ! Welche Liebe zum kleinsten Detail ! Über nichts wird hinweggehuscht . Absolut auch in der EMI-Aufnahme mit dem Chicago Symphony Orchestra empfehlenswert (EMI; 2 CDs ; 2004 ).
    Leibowitz vielleicht im Wagnerschen Sinne das Mass aller Interpreten ... Wer weiss das schon . Und Kleiners und vor allem Reiners und Szells fesselnde Interpretationen . Viel inniger , aber dennoch spannend , hat der gute Willam Steinberg ( übrigens im benachbarten Köln geboren worden ) die 7te dirigiert .
    Mir geht es so : ich entdecke seit 1963 in gewissen Zeitabständen diese Symphonie immer wieder neu . es ist jedesmal faszinierend und tief bewegend .
    Ihr
    Frank Georg Bechyna

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Erstaunt stellte ich im Themenverzeichnis fest, daß der 7. Sinfonie noch kein eigener Thread gewidmet wurde, wohl aber "der Schwester", der 8. Sinfonie.


    Das soll kein Wertungskriterium sein, aber die 7. ist, bei aller Individualität in den Sinfonien Beethovens, ein ganz besonderes Werk.


    Obiger Ausspruch der "Apotheose des Tanzes" stammt von Wagner und kommt nicht von ungefähr. Keine andere Sinfonie Beethovens ist imo derart stark Rhythmus geprägt (in verschiedenen Varianten), und das erste Mal verzichtete Beethoven in einer Sinfonie auf einen langsamen Satz.


    Unter all den vielen wunderschönen Aufnahmen dieses Werkes ragt für mich eine hervor (und übertrifft imo sogar Kleiber! Oder steht ihr zumindest gleich...):



    René Leibowitz dirigierte 1961 den gesamten Beethoven Zyklus für die RCA (wenn ich korrekt informiert bin). Es war lange Jahre sehr schwer, an Aufnahmen der Sinfonie heranzukommen, bis Ende der 80er das Schweizer Label "Menuet" die Sinfonien auf CD herausbrachte. Aus diesem Zyklus besitze ich die 7., die damals mit der 8. Sinfonie erschien.


    Heute werden die Aufnahmen vom Label "Chesky" (in-akustik) vertrieben; übrigens, über 40 Jahre nach Enstehen immer noch zum Vollpreis!


    Leibowitz' Aufnahmen erreichten "Kultstatus", weil er (mit) der erste war, der sich an die Metronomangaben Beethovens heranwagte und ein vollkommen neues Beethoven-Bild lieferte.


    Was für eine Einleitung ;) .


    Herausragend an der 7. Sinfonie ist das Betonen der rhythmischen Strukturen. Leibowitz spürt Feinheiten in den Melodiebögen, den Nebenstimmen und des Zusammenspiels auf, die für die 60er unerhört waren und noch heute so gut wie konkurrenzlos sind. Ferner ist die Aufnahme von einem stetigen, positiv nervösen Vorwärtsstreben geprägt, der in einem furiosen vierten Satz gipfelt.


    Holz- und Blechbläser (ibs. sehr "kernige" Hörner) tauchen nicht im Streicherklang unter, sondern werden absolut gleich berechtigt behandelt. Das Orchesterspiel ist bis auf kleine Patzer herausragend. Es wird eine Spielfreude vermittelt, die sehr selten zu hören ist.


    Die Klangqualität ist bis auf ein leichtes Grundrauschen erstaunlich gut und sehr transparent. Es mag allerdings angehen, daß die Chesky-Aufnahmen digital remasert wurden. Die Menuet-Aufnahmen sind AAD aufgenommen worden.


    Ein Vergleich mit der ungefähr zeitgleich erschienenen Karajan-Aufnahme (1963) fördert erstaunliches zu Tage:



    Es sind weniger die Tempi, die beide unterscheiden. Im Gegenteil, Karajan ist stellenweise sogar schneller.
    Leibowitz: 10'40'', 09'08'', 07'42'' und 07'03''
    Karajan: 11'27'', 08'02'', 07'50'' und 06'38''
    (beide verzichten leider auf die Wiederholungen im ersten, dritten und vierten Satz).


    Aber dort, wo Karajan die schnelle Reiselimousine ist, die gerne einmal eine Bodenunebenheit ausbügelt, damit man bequem ans Ziel kommt, ist Leibowitz der Sportwagen, der sets im Zaum gehalten werden will, damit er nicht ausbricht (man verzeihe den Ausflug in die Autowelt ;) ).


    Eine derart von Spielfreude geprägte Aufnahme der 7. hat imo nur noch Carlos Kleiber hingelegt. Deswegen stehen beide ganz vorne an in meinen Lieblingsaufnahmen.
    Aber den Kleiber darf jemand anderes vorstellen. ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert,


    als ich den Threadtitel las, war mir doch so, als ob es so etwas schon mal hier gegeben hat. Und siehe da: der Thread zur 7. Sinfonie Beethovens.


    Dann wurde der Thread wohl noch nicht im Themenverzeichnis erfasst.
    Als Moderator kannst du ja nun selber entscheiden, ob du die Themen verknüpfen willst oder diesen Thread löschen und deine Aufnahmen im alten Thread noch einmal vorstellen möchtest.



    Liebe Grüße.
    petemonova, Moderator.

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  • Hallo petemonova,


    ich war mal so frei und habe die Themen zusammengefügt.


    Norbert, ebenfalls Moderator ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    und das erste Mal verzichtete Beethoven in einer Sinfonie auf einen langsamen Satz.


    Salut,


    ich empfinde das Allegretto schon als "langsamen Satz", würde ihn aber - zum Thema passend - gar als eine Art Marche funêbre bezeichnen.


    LG
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    besagtes Allegretto und die Frage langsamer Satz oder nicht ist einer der Knackpunkte dieser Sinfonie. Viele große Interpreten setzen sich generös über die Allegretto-Anweisung hinweg und zelebrieren den langsamen Trauermarsch, der das Stück meiner Meinung nach überhaupt nicht ist. Im richtigen, flotteren Tempo gespielt, hat der Rhythmus etwas von der manischen Getriebenheit des rastlosen Wanderers bei Schubert.


    Ein auch dahingehender Interpretationsvergleich meiner Aufnahmen folgt bei Gelegenheit (= bei mehr Zeit)


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Zitat

    Original von Norbert
    René Leibowitz dirigierte 1961 den gesamten Beethoven Zyklus für die RCA (wenn ich korrekt informiert bin). Es war lange Jahre sehr schwer, an Aufnahmen der Sinfonie heranzukommen, bis Ende der 80er das Schweizer Label "Menuet" die Sinfonien auf CD herausbrachte. Aus diesem Zyklus besitze ich die 7., die damals mit der 8. Sinfonie erschien.


    Heute werden die Aufnahmen vom Label "Chesky" (in-akustik) vertrieben; übrigens, über 40 Jahre nach Enstehen immer noch zum Vollpreis!


    Leibowitz' Aufnahmen erreichten "Kultstatus", weil er (mit) der erste war, der sich an die Metronomangaben Beethovens heranwagte und ein vollkommen neues Beethoven-Bild lieferte.


    Hallo Norbert,


    erfreulicherweise gibt es den Leibowitz-Zyklus mittlerweile für 25,-- Pfund (inkl. Porto ca. 41 Euro) in England zu kaufen (z.B. bei amazon.co.uk oder mdt.co.uk), in Deutschland auch bei jpc.de für 46,99 Euro (plus 2,99 Euro Porto) sowie im Online-Shop des Hamburger Archivs für Gesangskunst für 50 Euro (hafg.de, plus 3,90 Euro Porto):



    Ludwig van Beethoven: The Symphonies & Orchestral Works

    Disc One
    Symphony No.1 in C Major, Op.21
    Symphony No.2 in D Major, Op.36
    Leonora No.3 Overture

    Disc Two
    Symphony No.3 in E flat Major, Op.55 "Eroica"
    Symphony No.4 in B flat major, Op.60

    Disc Three
    Symphony No.5 in C Minor, Op.67
    Symphony No.6 in F Major, Op.68 "Pastorale"

    Disc Four
    Symphony No.7 in A Major, Op.92
    Symphony No.8 in F Major, Op.93
    Turkish March from "The Ruins of Athens"
    Egmont Overture (The New Symphony Orchestra of London)

    Disc Five
    Symphony No.9 in D Minor, Op.125 "Corale"
    With the participation of:
    The Beecham Choral Society
    Inge Borkh, soprano
    Ruth Siewert, contralto
    Richard Lewis, tenor
    Ludwig Weber, bass

    Royal Philharmonic Orchestra/ René Leibowitz

    Scribendum 5cds SC041


    • Recordings from 1961/62, Walthamstow Town Hall, London.


    • Previously available only as separate CDs.


    • Newly commissioned notes.


    • The top quality sound of the original recordings has been enhanced further by Ian Jones at the Abbey Road Studios


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ein nicht gar so langsames allegretto als "langsamer Satz" ist nicht so selten, gibt es öfters bei Haydn (z.B. Sinfonien 82, 85, 100, 103), auch bei Mozart (Klavierkonzert KV 459), Schubert (3. Sinfonie). Ebenso ist ein klassisches andante nicht weit vom allegretto entfernt; das andante aus Beethovens erster Sinfonie z.B.
    (Wenn man sich die Metronomziffern anschaut, fordert Beethoven für die Achtel als Zählzeit in den andante-Sätzen (3/8-Takt) der 1. und 5. 120 bzw. 92, für dieses allegretto nur 76 (allerdings werden Viertel gezählt 2/4-takt).
    Von der Metronomzahl und Tempobezeichnung abgesehen, ist m.E auch von Rhythmus und Charakter klar, dass das allegretto aus der 7. kein Trauermarsch ist: kein Auftakt, keine Punktierung, die Art wie Trp. und Pk. eingesetzt werden usw. Es ist eher ein feierlicher Schreit-Tanz (eine Pavane ist wohl so ähnlich, paßt aber auch nicht ganz vom Rhythmus).
    Das andante aus Schuberts 9. hat viel mehr von einem Trauermarsch (obwohl ich es auch nicht so nennen würde)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    ist es bei einem [Trauer-] Marsch Pflicht, dass es einen Auftakt gibt?


    Ansonsten kann ich ja deine Ausführungen gut nachvollziehen...


    LG
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo zusammen,


    schön, daß die Diskussion wieder in Gang kommt.


    @Giselher: Danke für die Tips. Da ich nicht alle Beethoven-Sinfonien mit Leibowitz besitze, werde ich mal käuflich tätig werden...


    Ulli: Grundsätzlich ist ein Allegretto ein "kleines Allegro", also imo kein langsamer Satz.


    Beethovens 7. wurde bekanntlich u.a. zusammen mit "Wellingtons Sieg" aufgeführt. In dem Kontext mag ein Trauermarsch sinnvoll erscheinen. Auch soll sich in einem Konversationsheft von 1823 die Bezeichnung "Trauermarsch" als Charakteristik für den 2. Satz finden, aber ich empfinde wenig marschartiges im Satz (siehe auch Johannes' Ausführungen). Es ist imo ein stetiger Fluß vorhanden und weniger ein "Marsch".


    pianoflo: Möge die Gelegenheit bald folgen... ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Ulli


    ist es bei einem [Trauer-] Marsch Pflicht, dass es einen Auftakt gibt?


    Vermutlich nicht (hat Chopin einen, ich glaube nicht). :D Punktierungen sind aber äußerst häufig.
    Aber die bekannten Trauermärsche der Literatur (und andere Märsche oder all marcia-Stücke Beethovens die sind aber eh meistens zu schnell) klingen für mich doch deutlich anders.
    Trotz allegretto und mäßig gehendem tempo wirkt der Satz selbstverständlich als langsamer Satz, anders als in der 8., wo m.E. weder allegretto scherzando noch Menuett so wirken.


    Irgendjemand erwähnte Schubert, das finde ich einen wichtigen Hinweis, denn besagtes allegretto hat ja den "Rosamunde"-Rhythmus, der bei Schubert so häufig ist. Auch der Variationensatz in "Der Tod und das Mädchen" geht in diese Richtung (ist allerdings langsamer, in meinem Kopf jedenfalls).
    Einen weiteren verwandten Satz (mag auch ein direkter Einfluß sein) finde ich den 2. aus Mendelssohns 4. Sinfonie A-Dur.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • hallo,


    wollte nur kurz hinzufügen, dass der allegretto-Satz von vielen auch als eine 2/4-Version einer Follia bezeichnet wird.
    Eine barocke Form, die ursprünglich im 3/4-Takt steht und rhythmisch dem Hauptthema verwandt ziemlich ist.
    Das Interessante ist, dass die Follia immer in eins (!) gefühlt und geführt wird.
    Nach dieser Theorie dann natürlich auch kein Trauermarsch (was ich persönlich auch nicht glaube, da die Artikulationsbezeichnungen auf eine eher leichtere Spielweise hinweisen und dem Gewicht eines Trauermarsches nicht entsprechen)


    mfg Raphael

  • Salut,


    nach einem kurzen Zwischenstop bei den Stilblüten [nicht Stilkopien :D ]:


    Meine Aufnahme bewegt sich im Mittelfeld zwischen Leibowitz und Karajan. Das RSO Ljubiljana [Anton Nanut] benötigt für das Allegretto 8:53 - ich empfinde zumindest den Beginn als Trauermarsch, wenn es auch keiner ist...


    LG
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo!


    Eine großartige Symphonie!
    Auch wenn sie nach und nach in meiner Hör-Gunst etwas zurückfällt, gehört sie weiterhin zu meinen Lieblingswerken in dieser Gattung. :]


    Das mit der "Apotheose des Tanzes" habe ich nie verstanden. Als leidenschaftlicher Nicht-Tänzer kann ich das wahrscheinlich ohnehin nicht nachvollziehen. :rolleyes:


    Ich hatte mal gelesen, daß einige die Symphonie als fünfsätzig auffassen, wegen der sehr langen Einleitung zum ersten Satz. Das ist wohl übertrieben, aber ich kennne glaube ich keine andere Symphonie (?), bei der die Einleitung zum Hauptsatz derart "eigenständig" ist.


    Zweiter Satz: Trauermarsch oder nicht? Beethoven äußerte sich: "denen gewidmet, die uns so viel geopfert haben" - das weist also schon in diese Richtung. Ich habe es schon immer als Trauermarsch empfunden, wenn auch kein so "100%iger" wie in op.26.


    Das Scherzo: IMO Beethovens bestes symphonisches Scherzo! Das Trio (assai meno presto, D-dur) ist angeblich einem alten österreichischem Wallfahrerlied nachempfunden. Weiß jemand näheres?


    Zum Finale: Immer wieder überwältigend, mitreißend... :jubel:
    (wenn das Finale der Fünften nicht wäre...)


    Meine Lieblingsaufnahme: :jubel:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    das Scherzo-Thema hat übrigens auch Brahms in einer seiner Sinfonien verbraten. :D


    LG
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    Du schreibst:

    Zitat

    Salut, das Scherzo-Thema hat übrigens auch Brahms in einer seiner Sinfonien verbraten.


    Warum auch nicht ? Brahms wusste eben was gut war und wenn er so etwas tut, dann in Verbindung mit seinen eigenen Intentionen.
    Er hat ja auch in der Sinfonie Nr.1 (4. Satz) Beethovens 9te zitiert und dies auch gesagt.


    :hello: Thematische Zitate anderer Komponisten zu verwenden empfinde ich als höchste Anerkennung für den zitierten Komponisten, dafür gibt es in der Klassik bis heute sehr viele Beispiele.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Salut,


    ich habe das gar nicht kritisiert; vielmehr stimme ich Dir voll und ganz zu.


    Grüße nach Bonn
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    Teil eins des angekündigten Interpretationsvergleiches:


    Bruno Walter, Georg Solti und Riccardo Muti stehen als erste auf dem Prüfstand. (In weiteren Teilen folgen die Kollegen Karajan, Bernstein, Blomstedt, Masur, Harnoncourt, Richard Edlinger, Toscanini und Zinman)


    Zweiter Satz - Trauermarsch oder nicht?


    Bruno Walter würde diese Frage wohl mit einem eindeutigen Ja beantworten, so sehr dehnt er diesen Satz. Allerdings werden alle Phrasen liebevoll ausmusiziert, so dass der Satz die Spannung behält. Man merkt dass Bruno Walter ein Dirigent ist, der vor allem auch von Bruckner und Mahler herkommt, für mich zeigt sich in diesem zweiten Satz eine romantische Grundhaltung, gerade wenn Walter für die ff-Stellen in diesem Satz das Tempo jeweils etwas zurücknimmt und staut.
    (In Zahlen braucht Walter genau 10 Minuten für diesen Satz)


    In den übrigen Sätzen ist Walter von der Tempowahl stets in dem Bereich des "Normalen". Es werden sehr viele Wiederholungen nicht gespielt, was meiner Meinung nach für ein Erkennen der formalen Strukturen nicht gut ist. Walter vermeidet dynamische und artikulatorische Extreme. Gut gefallen mir die sehr präsenten Pauken im Schluss-Satz.


    Bei Solti entwickelt sich schon im ersten Satz ein ständiges Vorwärtsdrängen, ein Sog, der von der sehr langsam gespielten Einleitung in den sehr feurig gespielten Allegro- Teil führt. Auffällig bei der ganzen Symphonie die dynamische Bandbreite, für die Solti mit seinem Chicago Symphony Orchestra ja auch berühmt-berüchtigt war. Da krachts mal so richtig. Den zweiten Satz nimmt Solti nicht ganz so langsam wie Walter, er gestattet sich auch keine großartigen Temposchwankungen, richtig glücklich macht mich auch diese Version aber nicht, trotz der exzeptionellen Qualität des Orchesterklangs. Das manisch vorwärtsdrängende des gerade auch für Schubert typischen "Wanderer-Rhythmusses", der sich durch das ganze Stück zieht, kommt nicht richtig zur Geltung.
    Der dritte Satz gibt Solti wieder Gelegenheit zum großorchestralen Effekt, hier kommt sein Orchester in den großen Ausbrüchen voll zur Geltung. Tempo ähnlich wie bei Walter, die Zeitdifferenzen entstehen aus dem Weglassen bzw. Spielen der Wiederholungen. Gerade im vierten Satz, der bei Walter 6:45, bei Solti aber 9:05 dauert, ist dieses deutlich zu bemerken. Dieses Finale ist hier bei Solti hervorragend dargestellt, gerade die Schroffheit mancher Generalpausen, die den musikalischen Fluß hier unterbrechen, wirkt auf mich sehr überzeugend.


    Nun zu Riccardo Muti, zu dessen Kernrepertoire Beethoven sicher nicht unbedingt gerechnet werden muss.
    Auf der Habenseite steht bei Muti gleich in der Einleitung das liebevolle Aussingen der Kantilenen, worin man den erfahrenen Theatermann erkennen kann. Die großen dynamischen Entladungen, an die er sich bei vielen Verdi-Aufnahmen durchaus herantraut, kommen ihm bei Beethoven suspekt vor, alle fortissimo-Anweisungen werden recht zurückhaltend und nobel gegeben. (Italienischer Beethoven?) Diese Interpretationshaltung zieht sich durch den gesamten ersten Satz. Man könnte dies als orchestrales Belcanto bezeichnen.
    Auch der zweite Satz setzt auf die Entfaltung des schönen Orchesterklangs, das Tempo ist ziemlich dasselbe wie bei Solti. Muti fühlt sich im Ausmusizieren der beiden Dur-Passagen des Satzes offensichtlich am wohlsten.
    Ähnliches gilt auch für den dritten Satz, die lyrischen Assai meno presto- Teile wirken deutlich geglückter als die heftigen Presto-Passagen. Auch weil Muti im Gegensatz zu seinen beiden heutigen Konkurrenten das Tempo wirklich deutlich reduziert (assai meno = deutlich weniger Presto).
    Auch im vierten Satz zeigt Muti vor allem das melodiöse Element dieser Musik bei gleichzeitiger Tendenz, die diesem Satz durchaus innewohnenden Grobheiten zu verharmlosen, was dynamische Effekte und Artikulationsvorschriften angeht.


    Abschluß des ersten Teils:


    Solti - dämonisch - hervorragende Orchesterkultur, große dynamische Bandbreite
    Walter - romantisch - schön ausmusizierte Passagen, allerdings im zweiten Satz großartig an Beethoven vorbeimusiziert
    Muti - italienisch - man weiß nicht, ob man es mit Beethoven oder Rossini zu tun hat, die Kanten der Musik werden geglättet, der "Revolutionär" Beethoven tritt in den Hintergrund.


    Das wärs für heute,


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Hallo flo,
    sehr interessant, bitte mehr davon (hast du ja schon angekündigt). Da solche Interpretationsvergleiche z.B. bei Rondo wegen des damit verbundenen Aufwandes nicht mehr gemacht werden, sind Deine Ausführungen umso interessanter, ebenso wie Deine Auswahl der Aufnahmen!

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich hatte mal gelesen, daß einige die Symphonie als fünfsätzig auffassen, wegen der sehr langen Einleitung zum ersten Satz. Das ist wohl übertrieben, aber ich kennne glaube ich keine andere Symphonie (?), bei der die Einleitung zum Hauptsatz derart "eigenständig" ist.


    für mich trifft das eher auf op 60, die 4., zu ?(


    :hello: aus (auch)beethoven-town ;)


    nb: die dirigenten der mir zur verfügung stehenden aufnahmen:
    boult, fricsay, furtwängler, gardiner, harnoncourt, c.kleiber, kubelik, leibowitz...

  • Hallo,


    nachdem pianoflo mit seiner ausführlichen Rezension den Anfang gemacht hat, habe ich heute auch mal in meinem CD-Regal gekramt und ebenfalls drei Aufnahmen zur näheren Untersuchung abgehört. In den Ring steigen:


    - John Eliot Gardiner (DG Archiv, Orchestre Révolutionnaire et Romantique) Spieldauer: 13:09; 07:45; 08:30; 09:07
    - Daniel Barenboim (Teldec, Staatskapelle Berlin) Spieldauer: 14:27; 09:37; 09:37; 08:35
    - Wilhelm Furtwängler (EMI, Wiener Philharmoniker, mono) Spieldauer: 12:54; 10:14; 08:37; 06:51 (Furtwängler beachtet nur die 1. Wiederholung im Scherzo, im Finale nur die ersten beiden, die dritte nicht, dafür aber wieder die letzten beiden)


    Beim Hören von Gardiners Interpretation hatte ich den akustischen Eindruck eines Freiluftkonzertes. Das Klangbild ist sehr offen, die Instrumente haben „Luft“, um sich zu entfalten, erscheinen dabei leicht und schwebend. Dabei merkt man sofort, dass Gardiner sehr darum bemüht ist, Streicher, Holz- und Blechbläser in einer ausgeglichenen Balance zu halten und die Klangfarben nicht zu mischen. Kein Orchesterteil dominiert die anderen, selbst die Pauken fügen sich, wenn auch akzentuiert, in das Klangbild harmonisch ein. Der Vorteil dieser Klangbalance: man kann Beethovens changierende Orchesterfarben in den verschiedenen Instrumentengruppen (Holzbläser!) ungestört genießen und die kompositorische Feinarbeit gerade in den tiefen Streichern bis in die Einzelheiten verfolgen. Dabei werden die Tempovorschriften des Komponisten recht genau beachtet: Bei „poco sostenuto“ wird das Tempo wirklich nur ein wenig verlangsamt, das „Allegretto“ hat, bei aller durchaus vorhandenen traurigen Verhangenheit des Klanges, etwas vorwärtsstrebend Tänzerisches und das Finale ist, bei allem Drive und großer Spritzigkeit, keine aus dem Ruder laufende Orgie, sondern besitzt immer noch klassisches, apollinisches Ebenmaß bei angemessener rhythmischer Straffheit. Ein Beethoven aus der Perspektive der 1. Wiener Schule.


    Barenboims Sicht auf Beethovens Siebte unterscheidet sich hiervon markant. Schon das Klangbild ist weniger frei, kompakter, „dunkler“, dafür „wärmer“. Insbesondere bei den Streichern nimmt man die dunklen, klanggesättigten Farben traditionell deutscher Prägung wahr. Da ist es kein Wunder, dass diese Streicher, zusammen mit den ebenso dunklen, bronzefarbenen Blechbläsern in ihrer satten Sonorität die eher fragilen Holzbläser so stark dominieren, dass deren Details im romantischen Mischklang eher untergehen bzw. sogar unhörbar bleiben. Insbesonders dann, wenn die Hörnergruppe in großer, herausfahrender Geste vom „Revolutionär Beethoven“ kündet und die Pauke wild einherdrischt (vor allem im Finale), dass man glaubt, man habe es hier mit einem Paukenkonzert mit obligater Orchesterbegleitung zu tun. Ebenso traditionell wie der Klang ist auch Barenboims Interpretation: die Temporelationen werden extremisiert, Langsames wird langsamer, Schnelles schneller gespielt, der 2. Satz ist „natürlich“ der überlieferte „Trauermarsch“, der großformatig ausgefahren und zelebriert wird (dafür aber mangels zureichender Rhythmisierung etwas „durchhängt“) und das Finale die oftzitierte „Apotheose“ mit einem, wie ich finde, unnötigen Accellerando am Ende. Ein Beethoven, wie man ihn wohl noch vor 40 oder 50 Jahren in deutschen Konzertsälen hören konnte.


    Wer jetzt glaubt, die Interpretation Wilhelm Furtwänglers würde sich von der Barenboims wenig unterscheiden, sieht sich getäuscht. Obwohl das Klangbild (1950er Studioaufnahme in Mono mit Bandgeräuschen) zeitbedingt mäßig ist, nimmt man hier dennoch mehr von Beethovens Klangfarben wahr. Zwar dominieren auch hier Streicher und Blechbläser, aber dennoch wirken die einzelnen Gruppen wesentlich besser in den (erzromantischen) Gesamtklang integriert als beim heutigen Nachfolger an der Berliner Staatsoper. Teilweise nimmt sie Furtwängler sogar, wie im 3. Satz, zugunsten der Holzbläser so sehr zurück, dass diese sich frei atmend wunderbar weiträumig entfalten können. Erwartungsgemäß geht Furtwängler mit den Tempi sehr freizügig um. Aus dem „poco sostenuto“ des 1. Satzes wird eine übergroße Verlangsamung mit schwer lastenden Gewichten, was dem darauf folgenden „Vivace“ etwas äußerst Lebendiges verleiht . Auch der 2. Satz kommt anfangs als sehr langsamer Trauerzug daher, allerdings versteht es Furtwängler, durch rhythmisch stärkere Akzentuierung den Eindruck des Stockenden zu vermeiden und dem Ganzen dadurch, bei aller Langsamkeit, den Eindruck des sich natürlich Entfaltenden und Fließenden zu geben. Im 3. Satz kontrastiert er zwei radikal langsam musizierte Trio-Durchgänge mit drei sehr schnell genommenen Scherzo-Abläufen, um dann im Finale alle Hemmungen abzulegen und eine dionysisch vorantaumelnde Tanz-Orgie vorzuführen, die allerdings nicht ganz so derwischhaft extrem verläuft wie die Berliner Live-Aufführung vom November 1943.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • hallo,


    wie bereits einige meiner vorschreiber kann ich mit dem 'tanz' bei der VII. nichts anfangen. keine einzige stelle habe ich jemals damit verbunden. ich weiß nicht, wie wagner darauf kam ?(


    die großartigste aufführung, die ich erleben konnte, war die mit dem amerikanischen komponisten und dirgenten lukas foss (und einem amerik. orchester ...vergessen) ,
    solch einen 4. satz habe ich seitdem nie wieder gehört mit einzelheiten in der schlußstretta in den kontrabässen !!!!! ungeheuer: dramatik, drive pur.


    eine göttergleiche interpretation einer göttergleichen symphonie eines göttergleichen komponisten :D:jubel::jubel::jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo,


    Folge zwei des Interpretationsvergleichs dreht sich um folgende drei Dirigenten bzw. Aufnahmen:


    David Zinman mit dem Tonhalle Orchester Zürich,
    Nikolaus Harnoncourt mit dem Chamber Orchestra of Europe und
    Richard Edlinger mit dem Zagreb Philharmonic Orchestra.


    Wer Zinman kennt, weiß, dass sich dessen Orientierung an Beethovens Metronomzahlen für unsere Ohren sehr schnell anhört. Genauso geht es einem auch zu Beginn der Einleitung, die wirklich flott gespielt wird, flotter als bei allen anderen mir bekannten Aufnahmen. Nun, die Tempovorschrift ist ja auch lediglich Poco Sostenuto und nicht Adagio. Zinman gestattet sich keine Verzögerungen, um dolce-Episoden auszukosten, er zieht sein Tempo durch. Dadurch geht teilweise etwas verloren, was diese Sinfonie aber unbedingt haben sollte: Charme
    Auffällig ist, dass der Vivace-Teil des ersten Satzes gar nicht schneller als bei anderen gespielt wird, die Temporelationen zwischen Einleitung und Hauptteil wirken etwas ungewohnt, aber wenn es der große Meister (Beethoven, nicht Zinman) so wollte, okay.
    Auch im zweiten Satz ist Zinman (natürlich) schneller als die Konkurrenz, ein Konzept, das mir durchaus liegt. Trotz des schnellen Tempos (7:28 im Vergleich zu 10:00 bei Bruno Walter) wirkt das Ganze nie gehetzt, sondern stets kontrolliert. Ein Schwelgen in den Dur-Episoden des Satzes erlaubt sich Zinman nicht, er marschiert stets eisern vorwärts.
    Die beiden letzten Sätze werden auch rasant gespielt, wobei vor allem die unglaubliche Präzision des Schweizer Luxusorchesters immer wieder beeindruckt. Das Presto des dritten Satzes gewinnt hier unglaublich an Energie, während in den Assai meno Presto- Teilen etwas mehr Abgeklärtheit und Ruhe gut täten. Auch dynamisch könnte man sich extremere Auslotung des Spektrums vorstellen.


    Nikolaus Harnoncourt und das Chamber Orchestra of Europe präsentieren hier eine unglaublich spannungsgeladene Aufnahme der siebten Sinfonie. Feinnervig lotet der Dirigent die Kontraste in der Einleitung aus, sowohl die Fortissimo-Schläge des Orchesters als auch die Kantilenen kommen zu ihrem Recht, auch die Verzögerungen am Ende der Einleitung wirken zwingend logisch und erhöhen die Spannung vor dem Eintreten des Vivaces, in das sich Harnoncourt dynamisch "reinschleicht". Gespielt wird das Hauptthema hinreißend schön, mit Wiener Charme und Präzision.
    Den zweiten nimmt Harnoncourt etwas langsamer als Zinman, aber immer noch weit entfernt von jeder Trauermarsch-Attitüde. Harnoncourt lässt sowohl das Vorwärtsdrängen in den Moll-Teilen, als auch die Ruhe-Oasen in den Dur-Episoden hören und kommt meiner Idealvorstellung von diesem Satz doch ziemlich nahe.
    Das Scherzo gewinnt durch die dynamischen Kontraste, die Harnoncourt hier entfaltet, die etwas ruppige, burschikose Herangehensweise. Im Gegensatz dazu dürfen sich die Assai-Meno-Presto (Trio-) Teile ruhig und entspannt präsentieren, obwohl die Fortissimo-Entladungen durchaus heftig erfolgen.
    Das Finale zeigt die virtuosen instrumentalen Fähigkeiten des Orchesters, mit welcher Schärfe das Blech die Sf-Schläge präsentiert, einfach herrlich, detailliert und abwechslungsreich gestaltet.


    Nun der große Unbekannte im Test, Richard Edlinger. (Richard who?)
    Und siehe da, eine Überraschung. Ein schlanker Klang des Zagreber Orchesters wird kultiviert, Tempi sind durchaus frisch und flott. Leider kann das Orchester nicht immer mit dem hohen Standard der anderen Ensembles im Test mit halten, auch die Klangqualität (Naxos) ist teilweise etwas stumpf.
    Die Tempowahl wirkt durchweg überzeugend. Der zweite Satz mit sehr schlankem Sound des Orchesters und zügiger Interpretationshaltung ist das Highlight dieser Aufnahme.
    Zügig auch die Wahl der Tempi in den letzten beiden Sätzen. Während das Scherzo recht überzeugend gelingt, klingt im Finale nicht alles hundertprozentig perfekt gespielt, die Geigen klingen manchmal etwas verwischt und unsauber. Auch dynamisch wäre einiges mehr rauszuholen, die große Emphase liegen allerdings Dirigent und Orchester fern. Im Finale fehlen die Wiederholungen, vielleicht waren Herrn Edlinger die Schwächen, die ich angesprochen habe, bewusst (???).


    So, nun ein Zwischenstand der ersten sechs besprochenen Aufnahmen:


    1. Harnoncourt
    2. Solti
    3. Walter
    4. Zinman
    5. Edlinger
    6. Muti


    In der nächsten Ausgabe des großen Vergleiches kommen die drei Titanen Karajan, Bernstein und Toscanini unter die Lupe, ich bin selbst gespannt, wie es da aussieht.


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

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