Lieblingsgedichte

  • ... achja, ich hoffe wirklich sehr, dass ein Thread über Lieblingsgedichte nicht gegen irgendwelche Forenregeln verstößt, aber ... ich jedenfalls liebe gedichte jeglicher coleur...


    An alle, die hier Gedichte beitragen


    Für Gedichte gilt auch das Urheberrecht. Wer unsicher ist, ob das Gedicht, das er gerne einstellen möchte, nun auch eingestellt werden darf, kann dieses Gedicht mit der Angabe seines Autors mir zur Prüfung schicken.


    Auf das Posten von urheberrechtlich geschützten Texten werde ich in Zukunft umgehend administrativ reagieren.


    Da für die beiden Texte, die Marc hier eingestellt hat, auch noch die Schutzfrist gilt, habe sie beide leider löschen müssen.


    Liebe Grüße Peter

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Eins meiner Lieblingsgedichte



    Rainer Maria Rilke


    Falter und Rose


    Ein Falter, der begehrte
    die Rose. Loser Knab!
    Die Rose aber wehrte
    sein stürmisch Werben ab.
    Und wie er fort auch mühte sich,
    um keinen Deut die Blüte wich,
    Ei, hüte dich!


    's war eine Wasserrose,
    die ihm so gut gefiel.
    Jetzt trotzte er im Moose,
    gab scheinbar auf sein Spiel.
    Doch sann der kleine Wüterich:
    Bis nur der Tag verglühte sich.
    dann hüte dich!
    Und als die Nacht vom Hügel
    herabstieg. - voll Begier
    spannt er die Pracht der Flügel
    und flatterte zu ihr...
    Doch sein Triumph verfrühte sich!
    Es schloss ganz leis die Blüte sich:
    Jetzt - hüte dich!



    LG


    Maggie

  • Was für ein schöner Thread!!! Dank dafür. Ich könnte gleich 1001 Lieblingsgedcihte nennen, aber momentan habe ich Eines besonders lieb, es ist von Peter geschrieben:


    (In der Nacht
    im Wald) - da


    sieh, sieh hin,
    sieh die schwebende,
    die Elfenkönigin
    in den Lüften


    ein Strahl des Lichtes
    berührt den Rand
    ihrer flirrenden Flügel


    er bricht sich
    in Farben


    Nacht im Tag
    Tag in der Nacht


    Für einen Wimperschlag

  • Eins noch, für Maggie - weil Sie offensichtlich Rilke mag. Kein »echtes« Gedicht, sondern rhythmisierte Prosa, und nur ein Auszug...




    Rainer Maria Rilke


    Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke


    [...]


    I.
    REITEN, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten.
    Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß. Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben? Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Es muß also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.


    [...]



    (Rilke, Rainer Maria: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, in: ders.: Werke in sechs Bänden, Bd. 3,1: Prosa, Frankfurt am Main 1980, S. 93-106, hier S. 93f.)

  • Wie immer, wenn es darum geht, zu zitieren, bittet die Moderation, alle Copyrights zu beachten, da wir uns sonst wieder strafbar machen und den Thread schnell entsorgen müssen.



    Peter, MOD 006.

  • Hallo Medard,


    vielen Dank.


    Aber ich mag auch solche Gedichte.


    (c)veröffentlich in projetk-gutenberg.de


    Fritz Reuter


    En beten anners


    »Na, Jochen, segg, wo is dat nu mit di?
    Kannst mit den Leutnant di nu all verdragen?«
    »Ih, ja, dat geiht; dat Gräwst, dat is vörbi,
    Doch alle Dag' des Morrens früh
    Heww'n w' uns noch ümmer bi den Kragen
    Un slahn uns beid' de Jacken vull.«
    »Du dinen Herren? Dat wir doch dull!
    Wardst em de Jack doch vull nich slagen?«
    »Un düchtig, Brauder, segg ick di!
    Doch ein lütt Unnerscheid, de is dorbi:
    Ick buller em de Jack man ut,
    Wenn hei nich drin is, wenn hei 'rut.
    Doch min Herr Leutnant, de sleit tau,
    Wenn ick'e noch insitten dauh.«



    LG


    Maggie


    PS: Wenn Ihr es wünscht übersetze ich es.

  • Hallo Maggie,
    gegen den Reuter kann ich naklar nicht an... Aber ich mag sowas auch. Und sowas auch:



    Christian Morgenstern


    Das Gebet


    Die Rehlein beten zur Nacht,
    hab acht!
    Halb neun!
    Halb zehn!
    Halb elf!
    Halb zwölf!
    Zwölf!


    Die Rehlein beten zur Nacht,
    hab acht!
    Sie falten die kleinen Zehlein,
    die Rehlein.



    (aus: Morgenstern, Christian: Alle Galgenlieder, Frankfurt am Main (16. Aufl.) 2002. Hier allerdings zitiert nach: http://gutenberg.spiegel.de/in…Hash=53b03f02022#gb_found)

  • Zitat

    Original von Maggie
    PS: Wenn Ihr es wünscht übersetze ich es.


    Muss gestehn, beim ersten Anlauf hatte ich mit dem Verständnis große Schwierigkeiten. Übersetzt würde es den Witz und Charme aber total verlieren.
    Habe es, nach mehrmaligem Üben, sogar meinem Mann vorgetragen, aber irgendwie hat die bairisch/plattdeutsche Mischung wohl doch ziemlich seltsam geklungen, denn als Nordlicht ist er dieser Sprache eigentlich mächtig und verstand trotzdem nur Bahnhof. Umgekehrt ging es dann besser :yes:


    Danke Maggie :lips:
    :hello: Ingrid

  • Vielen Dank Ingrid,


    ich mag die Gedichte und Geschichten von Fritz Reuter natürlich sehr gern. Er ist hier ganz in der Nähe in Stavenhagen geboren. Sein Geburtshaus ist wie schon zur damaligen Zeit noch heute das erste Haus in der Kleinstadt, nämlich das Rathaus. Sein Witz, seine tiefgreifene Ironie sowie die in seinen Werken fest verankerte Liebe zu seiner Heimat und den Menschen mit ihren Eigenarten, ist für mich Heimatliteratur die ich nicht missen möchte.



    Hier ein Spruch den ich besonders gut finde.


    "Wer kummandieren will, möt ok wat können - nich kennen."


    (Fritz Reuter - Sprüche für jede Gelegenheit)


    Lieber Peter,


    wir haben zur gleichen Zeit geschrieben.


    Ja richtig. Aber wir würden es mit das "Gröbste" übersetzen. Ich gebe aber zu das bei uns im allgemeinen Sprachgebrauch sehr viele niederdeutsche Wörter benutzt werden. Viele wissen nicht mal das sie niederdeutsche Wörter benutzen, da leider nur noch sehr wenige platt sprechen geschweige denn es schreiben können.


    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    (In der Nacht
    im Wald) - da


    Dieses zarte Feengedicht hätte ich jetzt beinahe übersehen. Ich liebe es auch, selbst wenn es nicht für mich bestimmt war. "Ehre, wem Ehre gebührt"


    :hello: Ingrid

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  • Rilke scheint hier sehr beliebt zu sein. Nun denn:"
    Die Sonette an Orpheus


    Wandelt sich rasch auch die Welt
    wie Wolkengestalten,
    alles Vollendete fällt
    hier zum Uralten.


    Über dem Wandel und Gang,
    weiter und freier,
    währt noch dein Vor-Gesang,
    Gott mit der Leier.


    Nicht sind die Leiden erkannt,
    nicht ist die Liebe gelernt,
    und was im Tod uns entfernt.


    ist nicht entschleiert,
    Einzig das Lied überm Land,
    heiligt und feiert.


    Padre

  • Lieber Klawirr, ist das ein Dichter, den Du kennst?


    Der Mund mit den Violinen und der Musik verbrannter Rosen ist so wunderbar! :jubel: :jubel: :jubel:


    Ich nehme dann auch noch Eines, passend zum beginnenden Herbst:


    Es lacht in dem steigenden jahr dir,
    der duft aus dem garten noch leis,
    flicht in dem flatternden haar dir,
    eppich und ehrenpreis.


    Die wehende saat ist wie gold noch,
    vielleicht nciht so hoch mehr und reich,
    rosen begrüssen dich hold noch,
    ward auch ihr glanz etwas bleich.


    Verschweigen wir, was uns verwehrt ist
    geloben wir glücklich zu sein,
    wenn auc hnciht mehr uns beschert ist,
    als noch ein rundgang zu zwein.


    (stefan george, der alles klein schreiben wollte und den ic h"eigentlich" gar nciht mag :D)

  • Liebe Fairy Mary,
    Erich Jansen kenne ich nur über seine Gedichte und Prosa, die ich sehr, sehr gern mag. Es ist jammerschade, daß er weitgehend unbekannt geblieben ist.


    Dank übrigens nochmals an Dich für das schöne Gedicht von Else Lasker-Schüler. Sie gehört IMO zu den ganz, ganz Großen. Und George, der alles klein schreiben wollte (und auch weitestgehend alles klein geschrieben hat) auch - obwohl mir die meisten seiner Texte recht fremd geblieben sind, bewundere ich sie sehr. Vieles hat eine ungeheure poetische Kraft - und manches treibt mir arktisch-frostige Schauer über den Rücken.


    Ganz herzliche Grüße,
    Medard

  • Hallo,


    etwas hintergründig - humorvolles:


    Was gehn den Spitz die Gänse an


    von Robert Reinick (1805 – 1857)



    Es war einmal ein kleiner Spitz,
    der glaubt, er wär zu allem nütz,
    und kam ihm etwas in die Quer,
    da knurrt und brummt und bellt er sehr.


    Nun wackelt einst von ungefähr
    Frau Gans mit ihrem Mann daher,
    und vor den lieben Eltern wandern
    die Kinderchen, eins nach dem andern.


    Und wie sie um die Ecke biegen,
    da schreien alle voll Vergnügen:
    “Seht doch die Pfütze da! Kommt hin!
    Wie herrlich muss sich’s schwimmen drin!“


    Das sieht Herr Spitz und bellt sie an:
    “Weg da! Weg da! Nun seht doch an!
    Wie könnt ihr euch nur untersteh’n,
    ins Wasser so hinein zu geh’n?
    Wenn ich nicht währ dazugelaufen,
    ihr müsstet jämmerlich ersaufen!“


    Das macht der alten Gans nicht bange:
    sie zischt ihn an wie eine Schlange.
    Da zieht mein Spitz sein Schwänzchen ein
    und lässt die Gänse Gänse sein;
    doch knurrt er noch im vollen Lauf:
    “Nun wer ersaufen will, ersauf!“


    Die Gänse aber, trotz dem Spitze,
    sie schwelgen recht in ihrer Pfütze;
    und immer noch aus weiter Fern
    hört bellen man den weisen Herrn.
    Bell er, soviel er bellen kann!
    Was geh’n den Spitz die Gänse an?


    :hello:


    Elisabeth

  • Lieber Siegfried,


    jeder Mensch der Gedichte für sich entdeckt,
    tut etwas für sein Leben.
    Er denkt!


    jeder Mensch der Schönes erkennt,
    tut etwas für sein Wohl.
    Er lebt!


    LG


    Maggie


    PS: Du hast eine gute Wahl getroffen, das ist ein wirklich schönes Gedicht.

  • Medards Gedcihte sind mir immer ein besonderes Geschenk, da fast allesamt für mich unbekannt und einfach von excellentem Geschmack zeugend. :jubel: Merci!


    Hier mal eins von Oscar Wilde, den ich eigentlich eher als Essyaist und Theater-Autor kenne und liebe.


    Requiescat



    Thread lightly she is near
    under the snow
    Speak gently, she can hear
    the daisies grow.


    All her light golden hair
    tarnished with rust
    she that was young and fair
    fallen to dust


    Lily-like, white as snow
    she hardly knew
    she was a woman, so
    sweetly she grow


    Coffin-board, heavy stone
    lie on her breast
    I vex my heart alone
    she is at rest


    Peace, peace, she cannot hear
    lyre or sonnet
    all my life's buried here
    Heap earth upon it.

  • Der späte Mai


    Die roten Blätter rauschen
    Der Sommer ist lange vorbei
    Es leuchten unsere Augen
    Es blüht in uns der Mai.


    Wir können die Liebe nicht bergen
    wir sind uns viel zu gut.
    Es brennen unsere Lippen
    In den Schläfen klopft uns das Blut


    Wir reden schüchterne Worte
    Wir sehn aneinander vorbei
    Scheu wie die erste Liebe
    macht uns der späte Mai


    Was zögerst du, was zagst du?
    Wer weiss, bald fällt der Schnee
    die ungekûssten Küsse
    Das ist das bitterste Weh.



    Bonne nuit!
    Fairy Queen :angel:

  • Lieber Peter, liebe Maria,


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Danke euch!!!


    Den Wolfram bewundere ich ehrfürchtig- aber von wem ist »Der späte Mai«??


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Lieber Medard, es ist von Hermann Löns, dem Heidedichter.


    Und weil mir gerade danach ist, jetzt noch zum Abschied ins Wochenende ein Anti-Herbstgedicht von meinem geliebten Geheimrat:


    Wenn einst der jüngste Tag anbricht,
    hält Hafis neben Gottes Thron Gericht
    .Und seine weinbelegte Stimme spricht:


    Ihr, die ihr taumeltet durhcs Leben,
    dem Lächeln und dem Frühling hingegeben
    an Mädchenlippen saugtet wie an Reben,
    ihr die ihr Brûder ward von Stern und Stier,
    besessen von den Falters Sonnengier:
    Ihr heilig Trunkenen , Zur Rechten mir!


    Doch ihr, die ihr mit eurem Herzen kargtet,
    die ihr das Leben in die Tode sargtet,
    die ihr des Herbstes braunne Blätter harktet.
    Ihr, denen nie die schönen Huris sangen,
    die ihr am Leben wie am Strick gehangen,
    die ihr im Kerker eures Hirns gefangen!
    Die ihr im Bund mit Schweinezüchtern,
    denn ihr lastertet geheim, ihr Schüchtern!
    Zur Linken mir, ihr ewig Nüchternen.


    Bon weekend à tous :hello:


    FairyQueen

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Medard, es ist von Hermann Löns, dem Heidedichter.


    Oho, das ich hätte ich nicht erwartet... Ich kenne von Löns schwerpunktmäßig einige (allerdings: unschöne) Romane (u.a. »Der Wehrwolf. Eine Bauernchronik«; »Der letzte Hansbur«) sowie eine Reihe Erzählungen und das posthum veröffentlichte Tagebuch aus dem 1. Weltkrieg. »Der späte Mai« ist aber hübsch!!


    Auch Dir ein schönes Wochenede (meines beginnt aber erst abends ;) ) !!


    Ganz herzlich,
    Medard

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  • Hallo zusammen,


    hier noch einmal eins von:


    Rainer Maria Rilke


    Zum Licht


    Nur nicht im Dunkel
    schmählich erschlaffen!
    Im Lichtgefunkel
    leben und schaffen.
    Nur im Verstecke
    nicht müd versiechen,
    kränkeln und kriechen
    nur das nicht!
    Richte und recke
    auf dich zum Licht!


    Siegende Sonne
    hellt dir die Brust,
    wogende Wonne
    wird dir bewußt.


    Unter der Decke
    ängstlicher Kleinheit
    wärmt sich - Gemeinheit;
    nur das nicht!


    Richte und recke
    auf dich zum Licht!
    So wie des Lichtes
    Funken sich heben,
    sieh, des Gedichtes
    rhythmisches Schweben,
    dass es dich wecke
    aus deinen Träumen.


    Zaudern und säumen?
    Nur das nicht
    Richte und recke
    auf dich zum Licht!




    LG


    Maggie

  • Großartig finde ich ja folgenden Vierzeiler von dem barocken Mystiker Joh. Scheffler (Angelus Silesius):


    Man weiß nicht, was man ist


    Ich weiß nicht, was ich bin.
    Ich bin nicht, was ich weiß.
    Ein Ding und nit ein Ding,
    Ein Stüpffchin und ein Kreis.


    Für mein Empfinden ist es hier gelungen einen recht abstrakten, vielleicht sogar den abstrakten Gedanken überhaupt, in eine knappe, prägnante und auch heute noch ästhetisch ansprechende Form zu bringen. Immerhin scheint das lyrische Ich in diesem Gedicht ein naher Verwandter von Descartes' philosophischem Ich aus "cogito, ergo sum" zu sein.


    LG


    :hello:

  • Mal wieder ein Herbstgedicht, mal wieder von Rainer Maria Rilke:


    Herbsttag


    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren laß die Winde los.


    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.


    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.



    (Aus "Das Herbstbuch" Insel taschenbuch.)


    Schöne Zeit


    Ulrike :hello:

  • Und noch ein Gedicht passend zu der Jahreszeit:


    Friedrich Hebbel


    Dies ist ein Tag, wie ich keinen sah!
    Die Luft ist still, als atmete man kaum,
    Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
    Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.


    O stört sie nicht, die Feier der Natur!
    Dies ist die Lese, die sie selber hält,
    Denn heute löst sich von den Zweigen nur.
    Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.


    (Aus Herbstbuch Insel-Taschenbuch)


    Schönen sonnigen Sonntag


    Ulrike

  • ... passend zur Jahreszeit


    Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland


    Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
    Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
    Und kam die goldene Herbsteszeit
    Und die Birnen leuchteten weit und breit,
    Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
    Der von Ribbeck sich beide Taschen voll.
    Und kam in Pantinen ein Junge daher,
    So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«
    Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
    Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«


    So ging es viel Jahre, bis lobesam
    Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
    Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
    Wieder lachten die Birnen weit und breit;
    Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
    Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
    Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
    Trugen von Ribbeck sie hinaus,
    Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
    Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
    Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
    »He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«


    So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
    Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
    Der neue freilich, der knausert und spart,
    Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
    Aber der alte, vorahnend schon
    Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
    Der wußte genau, was er damals tat,
    Als um eine Birn' ins Grab er bat,
    Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
    Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.


    Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
    Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
    Und in der goldenen Herbsteszeit
    Leuchtet's wieder weit und breit.
    Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
    So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«
    Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
    Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«


    So spendet Segen noch immer die Hand
    Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.


    (Theodor Fontane)


    :hello:


    Elisabeth

  • HUGO BALL

    wolken

    elomen elomen lefitalominal
    wolminuscaio
    baumbala bunga
    acycam glastula feirofim flinsi


    elominuscula pluplubasch
    rallalalaio


    endremin saxassa flumen flobollala
    feilobasch falljada follidi
    flumbasch


    cerobadadrada
    gragluda gligloda glodasch
    gluglamen gloglada gleroda glandridi


    elomen elomen lefitalominai
    wolminuscaio
    baumbala bunga
    acycam glastala feirofim blisti
    elominuscula pluplusch
    rallabataio

  • zwei kleine Gedichte, einmal nicht von Rilke oder Celan:


    Eduard Mörike, 1804 - 1875


    Septembermorgen


    Im Nebel ruhet noch die Welt,
    noch träumen Wald und Wiesen.
    Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
    den blauen Himmel unverstellt
    herbstkräftig die gedämpfte Welt
    in warmem Golde fließen.


    Theodor Storm, 1817 - 1888


    Das grüne Blatt


    Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
    ich nahm es so im Wandern mit.
    Auf dass es einst mir möge sagen,
    wie laut die Nachtigall geschlagen,
    wie grün der Wald, den ich durchschritt.


    :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Elisabeth
    ... passend zur Jahreszeit
    Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
    Elisabeth


    Liebe Elisabeth,


    herzlichen Dank für dieses wunderschöne Gedicht. Wir "durften" es damals in der Schule lernen und einiges ist noch hängen geblieben.


    :hello: Ingrid

  • Danke!


    Diesen Fontane gab´s in meiner Schulzeit, und er beeindruckt mich noch heute:


    John Maynard
    von Theodor Fontane, 1885



    John Maynard!
    "Wer ist John Maynard?"


    "John Maynard war unser Steuermann,
    Aus hielt er, bis er das Ufer gewann,
    Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
    Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
    John Maynard."


    Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
    Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
    Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
    Die Herzen aber sind frei und froh,
    Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
    Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
    Und plaudernd an John Maynard heran
    Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
    Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
    "Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."


    Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
    Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
    "Feuer!" war es, was da klang,
    Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
    Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
    Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.


    Und die Passagiere, bunt gemengt,
    Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
    Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
    Am Steuer aber lagert sich´s dicht,
    Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
    Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -


    Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
    Der Kapitän nach dem Steuer späht,
    Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
    Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
    "Noch da, John Maynard?"
    "Ja,Herr. Ich bin."


    "Auf den Strand! In die Brandung!"
    "Ich halte drauf hin."
    Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
    Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -


    "Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
    Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
    Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
    Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
    Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
    Rettung: der Strand von Buffalo!


    Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
    Gerettet alle. Nur einer fehlt!


    Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
    Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
    Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
    Ein Dienst nur, den sie heute hat:
    Zehntausend folgen oder mehr,
    Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.


    Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
    Mit Blumen schließen sie das Grab,
    Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
    Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
    "Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
    Hielt er das Steuer fest in der Hand,
    Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
    Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
    John Maynard."


    LG, Elisabeth

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