Lieber piet (oder lieber Micha?),
das wäre eine feine Idee!
Petra
Lieber piet (oder lieber Micha?),
das wäre eine feine Idee!
Petra
ZitatOriginal von petra
Ich hätte z.B. gedacht, dass "schreit" wie im Deutschen mit "schreit" übersetzt wird, und das hätte in diese leise, traurige, ein bisschen unwirkliche Stimmung zum Schluss einen Ausdruck von Wildheit und Auflehnung gebracht, der die Stimmung ganz verändert hätte (Das Kind will nicht zurück und lehnt sich dagegen auf). Wenn es klagt und weint, ist es zwar traurig, fügt sich aber in sein Schicksal.
Ein sehr berührendes Gedicht, und es ist wirklich schade, dass es nie vertont wurde.
Liebe Petra,
Genau wie die Deutsche Sprache, hat auch die Niederländische "Synonymen". Das Deutsche Verb "weinen" kann man z.B. übersetzen mit "huilen", "wenen" oder "schreien". Und genau das Niederländische "schreien" ist sogar teils ein verstummtes Weinen. Ich habe versucht (fast) wortwörtlich zu übersetzen. Solche Nuanzen kann man aber nicht gut übersetzen. Dann braucht man mehr Freiheit.
Das Deutsche "schreien" ist auf Niederländisch "schreeuwen".
Du hast also die Tragweite des Gedichtes ganz gut erfaßt.
LG, Paul
Lieber Paul,
genau über diese Synonyme war ich gestolpert: Ich hatte gedankenlos aus dem Deutschen auf das Niederländische gechlossen, und das hätte dem Ende einen ganz anderen Sinn gegeben. Daher war mir Deine wortgetreue Übersetzung des Gedichtes so hilfreich!
Petra
Ich kam, weiß nicht woher,
ich bin und weiß nicht wer,
ich leb, weiß nicht wie lang,
ich sterb und weiß nicht wann,
ich fahr, weiß nicht wohin
mich wundert's, daß ich so fröhlich bin.
Martinus von Biberach zugeschrieben.
Hallo Musika,
In der Tat . Ich versuche es auch immer wieder mit dem Endreim.
Viele Grüße
Padre
Ach, mal was von Goethen:
Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ist alles dunkel und düster;
Und so sieht's auch der Herr Philister:
Der mag denn wohl verdrießlich sein
Und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein,
Begrüßt die heilige Kapelle;
Da ist's auf einmal farbig helle,
Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergetzt die Augen!
(1827)
Hallo Medard,
Goethe ist immer ein Genuss. Nur weiß ich nicht recht, ob es sich um einen echten Kreuzreim oder um einen Schweifreim und Kreuzreim handelt?
Da ich immer noch auf der Suche nach dem idealen Reim bin, werde ich heute noch etwas bei Padre, im einfachen Endreim einstellen.
Viele Grüße
Padre
ZitatOriginal von Padre
Nur weiß ich nicht recht, ob es sich um einen echten Kreuzreim oder um einen Schweifreim und Kreuzreim handelt?
Weder - noch, lieber Padre. Kreuzreim wäre ja »abab/cdcd usw.«, ein Schweifreim wäre etwas wie »aabccb«.
In diesem Goethe-Gedicht ist das Reimschema innerhalb der Strophen komplexer und zudem in den beiden Stophen ungleich (wobei die erste Strophe eine erweiterte Form eines umschließenden Reims zeigt): abccba / deeedff (die beiden mittleren Verse der ersten Stophe reimen zudem »unrein«).
Ganz herzlich,
Medard
Hallo Medard.
Bei Goethe darf men es sich eben nicht zu leicht vorstellen. Vielen Dank für die Nachhilfe.
Padre
Zum heutigen Nikolaustag
Knecht Ruprecht
Von draus vom Walde komm' ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor,
Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann,
Da rief's mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmeltor ist aufgetan,
Alt' und Junge sollen nun
von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg' ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!"
Ich sprach: "O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat." -
"Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier;
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern." -
"Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
Christkindlein sprach: "So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"
Von draus vom Walde komm' ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
nun sprecht, wie ich's herinnen find'!
Sind's gute Kind, sind's böse Kind?
Theodor Storm
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihre Naseweise, ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin!
Es roch so nach Äpfeln und Nüssen!
Anna Ritter (1865-1921)
Engellieder
Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte in meinen Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.
Da hab ich ihm seinen Himmel gegeben,-
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwandt;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...
Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten,-
denn er muß meine einsame Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten-
seit mein Engel mich nicht mehr bewacht.
Hat auch mein Engel keine Pflicht mehr,
seit ihn mein strenger Tag vertrieb,
oft senkt er sehnend sein Gesicht her
und hat die Himmel nicht mehr lieb.
Er möchte wieder aus armen Tagen
über der Wälder rauschenden Ragen
meine blassen Gebete tragen
in die Heimat der Cherubim.
Dorthin trug er mein frühes Weinen
und Bedanken, und meine kleinen Leiden
wuchsen dort zu Hainen,
welche flüstern über ihm...
Wenn ich einmal im Lebensland,
im Gelärme von Markt und Messe-
meiner Kindheit erblühte Blässe:
meinen ernsten Engel vergesse-
seine Güte und sein Gewand,
die betenden Hände, die segenende Hand,-
in meinem heimlichsten Träumen behalten
werde ich immer das Flügelfalten
das wie eine weiße Zypresse
hinter ihm stand...
Seine Hände blieben wie blinde
Vögel, die, um die Sonne betrogen,
wenn die andern über die Wogen
zu den währenden Lenzen zogen,
in der leeren, entlaubten Linde
wehren müssen dem Winterwinde.
Auf seinen Wangen war die Scham
der Bräute, die über der Seele Schrecken
dunkle Purpurdecken
breiten dem Bräutigam.
Und in den Augen lag
Glanz von dem ersten Tag,-
aber weit über allem war
ragend das tragende Flügelpaar...
Um die vielen Madonnen sind
viele ewige Engelknaben,
die Verheißung und Heimat haben
in dem Garten, wo Gott beginnt.
Und sie ragen alle nach Rang,
und sie tragendie die goldenen Geigen,
und die Schönsten dürfen nie schweigen:
ihre Seelen sind aus Gesang.
Immer wieder müssen sie
klingen alle die dunklen Chorale,
die sie klangen vieltausend Male:
Gott stieg nieder aus seinem Strahle
und du warst die schöne Schale
Seiner Sehnsucht, Madonna Marie.
Aber oft in der Dämmerung
wird die Mutter müder und müder,-
und dann flüstern die Engelbrüder,
und sie jubeln sie wieder jung.
Und sie winken mit den weißen
Flügeln festlich im Hallenhofe,
und sie heben aus den heißen
Herzen höher die Strophe:
Alle, die in Schönheit gehn,
werden in Schönheit auferstehn.
Rainer Maria Rilke
ZitatOriginal von pbrixius
Liebe Grüße Peter
ZitatOriginal von pbrixius
Liebe Grüße Peter
sag mal, peter...
müssen wir das eigentlich interpretieren, dass deine abschieds-emoticons immer kreuz-kriegerischer werden
(nur n scherz, net bös gemeint ; )
wie auch immer, ich musste dadurch an folgendes -äh- "schöne" gedicht denken:
Ludwig Uhland
Schwäbische Kunde
Als Kaiser Rotbart lobesam
zum heil'gen Land gezogen kam,
da mußt' er mit dem frommen Heer
durch ein Gebirge wüst und leer.
Daselbst erhob sich große Not.
Viel Steine gab's und wenig Brot.
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgetan.
Den Pferden ward so schwach im Magen,
fast mußt der Reiter die Mähre tragen.
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
von hohem Wuchs und starker Hand.
Des Rößlein war so krank und schwach,
er zog es nur am Zaume nach.
Er hätt' es nimmer aufgegeben,
und kostet's ihn das eig'ne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stück
hinter dem Heereszug zurück.
Da sprengten plötzlich in die Quer
fünfzig türkische Reiter daher!
Die huben an, auf ihn zu schießen
nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht' sich nit,
ging seines Weges Schritt vor Schritt,
ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
und tät nur spöttlich um sich blicken,
bis einer, dem die Zeit zu lang,
auf ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut.
Er trifft des Türken Pferd so gut,
er haut ihm ab mit einem Streich
die beiden Vorderfüß zugleich.
Als er das Tier zu Fall gebracht,
da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
er schwingt es auf des Reiters Kopf,
haut durch bis auf den Sattelknopf,
haut auch den Sattel noch zu Stücken
und tief noch in des Pferdes Rücken.
Zur Rechten sah man wie zur Linken
einen halben Türken heruntersinken.
Da packt die andern kalter Graus,
sie fliehn in alle Welt hinaus,
und jedem ist's, als würd ihm mitten
durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
Drauf kam des Wegs 'ne Christenschar,
die auch zurückgeblieben war;
die sahen nun mit gutem Bedacht,
welch Arbeit unser Held gemacht.
Von denen hat's der Kaiser vernommen,
der ließ den Schwaben vor sich kommen;
er sprach: "Sag an, mein Ritter wert!
Wer hat dich solche Streich gelehrt?"
Der Held besann sich nicht zu lang:
"Die Streiche sind bei uns im Schwang!
Sie sind bekannt im ganzen Reiche;
man nennt sie halt nur Schwabenstreiche!"
Novalis, eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg. Aus den Weißenfelser Tagen sind einige kleine Gedichte überliefert, so auch dies:
"Hinunter die Pfade des Lebens gedreht,
Pausiert nicht, ich bitt euch, so lang es geht.
Drückt fester die Mädchen ans klopfende Herz,
Ihr wißt ja, wie flüchtig ist Jugend und Schmerz.
Laßt fern von uns Zanken und Eifersucht sein
Und immer die Stunden mit Grillen entweihn.
Dem Schutzgeist der Liebe nur gläubig vertraut.
Es findet noch jeder gewiß eine Braut."
Novalis
Viele Grüße
Padre
Karoline v. Günderode (1780-1806)
Die eine Klage
Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt was er verlohren,
Lassen muß was er erkohren,
Das geliebte Herz,
Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt' ein Wesen liebgewinnen
O! den tröstet's nicht
Daß für Freuden, die verlohren,
Neue werden neu gebohren:
Jene sind's doch nicht.
Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Giebt kein Gott zurück.
Alle, welche dich suchen
Alle, welche dich suchen,
versuchen dich.
Und die, so dich finden,
binden dich
an Bild und Gebärde.
Ich aber will dich begreifen
wie dich die Erde begreift;
mit meinem Reifen
reift dein Reich.
Ich will von dir keine Eitelkeit,
die dich beweist.
Ich weiß, dass die Zeit
anders heißt als du.
Tu mir kein Wunder zulieb.
Gib deinen Gesetzen recht,
die von Geschlecht zu Geschlecht
sichbarer sind.
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Wünsche zum neuen Jahr
aus "Mein Lied" (1911)
Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit.
Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid.
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass.
Ein bisschen mehr Wahrheit das wäre was.
Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh.
Statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du.
Statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut.
Und Kraft zum Handeln, das wäre gut.
In Trübsal und Dunkel ein bisschen mehr Licht.
Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht.
Und viel mehr Blumen, solange es geht.
Nicht erst an äbern, da blühn sie zu spät.
Ziel sei der Friede des Herzens, besseres weiss ich nicht.
Viele Grüsse
August Stramm
Vorübergehn
Das Haus flackt in den Sternen
Mein Schritt verhält und friert.
In deinem Schoße schläft mein Hirn.
Mich fressen Zweifel!
Voll
Schattet deine Büste in dem Fenster
Das Spähen hüllt mich lautlos
Die Sterne streifeln glühes Eisen
Mein Herz
Zerkohlt!
An deinem Fenster
Eist
Ein Windhauch Asche.
Die Füße tragen weiter leere Last!
[1913]
Besinnlich und ewig wahr -
If you can keep your head when all about you
Are losing theirs and blaming it on you,
If you can trust yourself when all men doubt you
But make allowance for their doubting too,
If you can wait and not be tired by waiting,
Or being lied about, don't deal in lies,
Or being hated, don't give way to hating,
And yet don't look too good, nor talk too wise.
If you can dream--and not make dreams your master,
If you can think--and not make thoughts your aim;
If you can meet with Triumph and Disaster
And treat those two impostors just the same;
If you can bear to hear the truth you've spoken
Twisted by knaves to make a trap for fools,
Or watch the things you gave your life to, broken,
And stoop and build 'em up with worn-out tools.
If you can make one heap of all your winnings
And risk it all on one turn of pitch-and-toss,
And lose, and start again at your beginnings
And never breath a word about your loss;
If you can force your heart and nerve and sinew
To serve your turn long after they are gone,
And so hold on when there is nothing in you
Except the Will which says to them: "Hold on!"
If you can talk with crowds and keep your virtue,
Or walk with kings--nor lose the common touch,
If neither foes nor loving friends can hurt you;
If all men count with you, but none too much,
If you can fill the unforgiving minute
With sixty seconds' worth of distance run,
Yours is the Earth and everything that's in it,
And--which is more--you'll be a Man, my son!
--Rudyard Kipling
viel witziger finde ich allerdings ernst jandls "lichtung".
und es ist so wahr!
lichtung
Hier der bekannte Text ...
(Ernst Jandl)
ZitatOriginal von pbrixius
und ich kann es sogar auswendig
Liebe Grüße Peter
kuwl!
ich selbst muss noch lernen.
dafür kann ich den "panther" und den "herbsttag" auswendig.
beide schon zu tode zitiert, aber meiner meinung nach zwei der vielen gipfel der dichtkunst.
ZitatOriginal von pbrixius
Ich habe bei Rilke nur meine Probleme mit seinen (sehr) frühen (mehr als kitschverdächtigen) Gedichten - aber später kommt ein Juwel nach dem anderen.
oh gott, ja!
da schreibt er oft mit so einer unerträglichen gleichzeitigkeit aus religiösem schwulst und romantisierter wald und wiesen-lyrik.
ich ... war damals auch erstaunt, als ich mir mal sämtliche gedichte in einem band gekauft habe. (vorher kannte ich nur einige seiner berühmten, die man im netz findet)
aber allein für die duineser elegien hat sich der kauf gelohnt. wenn der mann nur das geschrieben hätte und sonst nichts in seinem leben, dann wäre ihm wohl noch immer ein platz im poeten-himmel gesichert.
uuuuuuund! was mir gerade jetzt dazu einfällt:
Requiem für Wolf Graf von Kalckreuth (1908)
Sah ich dich wirklich nie? Mir ist das Herz
so schwer von dir wie von zu schwerem Anfang,
den man hinausschiebt. Daß ich dich begänne
zu sagen, Toter der du bist; du gerne,
du leidenschaftlich Toter. War das so
erleichternd wie du meintest, oder war
das Nichtmehrleben doch noch weit vom Totsein?
Du wähntest, besser zu besitzen dort,
wo keiner Wert legt auf Besitz. Dir schien,
dort drüben wärst du innen in der Landschaft,
die wie ein Bild hier immer vor dir zuging,
und kämst von innen her in die Geliebte
und gingest hin durch alles, stark und schwingend.
O daß du nun die Täuschung nicht zu lang
nachtrügest deinem knabenhaften Irrtum.
Daß du, gelöst in einer Strömung Wehmut
und hingerissen, halb nur bei Bewußtsein,
in der Bewegung um die fernen Sterne
die Freude fändest, die du von hier fort
verlegt hast in das Totsein deiner Träume.
Wie nahe warst du, Lieber, hier an ihr.
Wie war sie hier zuhaus, die, die du meintest,
die ernste Freude deiner strengen Sehnsucht.
Wenn du, enttäuscht von Glücklichsein und Unglück,
dich in dich wühltest und mit einer Einsicht
mühsam heraufkamst, unter dem Gewicht
beinah zerbrechend deines dunkeln Fundes:
da trugst du sie, sie, die du nicht erkannt hast,
die Freude trugst du, deines kleinen Heilands
Last trugst du durch dein Blut und holtest über.
Was hast du nicht gewartet, daß die Schwere
ganz unerträglich wird: da schlägt sie um
und ist so schwer, weil sie so echt ist. Siehst du,
dies war vielleicht dein nächster Augenblick;
er rückte sich vielleicht vor deiner Tür
den Kranz im Haar zurecht, da du sie zuwarfst.
O dieser Schlag, wie geht er durch das Weltall,
wenn irgendwo vom harten scharfen Zugwind
der Ungeduld ein Offenes ins Schloß fällt.
Wer kann beschwören, daß nicht in der Erde
ein Sprung sich hinzieht durch gesunde Samen;
wer hat erforscht, ob in gezähmten Tieren
nicht eine Lust zu töten geilig aufzuckt,
wenn dieser Ruck ein Blitzlicht in ihr Hirn wirft.
Wer kennt den Einfluß, der von unserm Handeln
hinüberspringt in eine nahe Spitze,
und wer begleitet ihn, wo alles leitet?
Daß du zerstört hast. Daß man dies von dir
wird sagen müssen bis in alle Zeiten.
Und wenn ein Held bevorsteht, der den Sinn,
den wir für das Gesicht der Dinge nehmen,
wie eine Maske abreißt und uns rasend
Gesichter aufdeckt, deren Augen längst
uns lautlos durch verstellte Löcher anschaun:
dies ist Gesicht und wird sich nicht verwandeln:
daß du zerstört hast. Blöcke lagen da,
und in der Luft um sie war schon der Rhythmus
von einem Bauwerk, kaum mehr zu verhalten;
du gingst herum und sahst nicht ihre Ordnung,
einer verdeckte dir den andern; jeder
schien dir zu wurzeln, wenn du im Vorbeigehn
an ihm versuchtest, ohne rechtes Zutraun,
daß du ihn hübest. Und du hobst sie alle
in der Verzweiflung, aber nur, um sie
zurückzuschleudern in den klaffen Steinbruch,
in den sie, ausgedehnt von deinem Herzen,
nicht mehr hineingehn. Hätte eine Frau
die leichte Hand gelegt auf dieses Zornes
noch zarten Anfang; wäre einer, der
beschäftigt war, im Innersten beschäftigt,
dir still begegnet, da du stumm hinausgingst,
die Tat zu tun -; ja hätte nur dein Weg
vorbeigeführt an einer wachen Werkstatt,
wo Männer hämmern, wo der Tag sich schlicht
verwirklicht; wär in deinem vollen Blick
nur so viel Raum gewesen, daß das Abbild
von einem Käfer, der sich müht, hineinging,
du hättest jäh bei einem hellen Einsehn
die Schrift gelesen, deren Zeichen du
seit deiner Kindheit langsam in dich eingrubst,
von Zeit zu Zeit versuchend, ob ein Satz
dabei sich bilde: ach, er schien dir sinnlos.
Ich weiß; ich weiß: du lagst davor und griffst
die Rillen ab, wie man auf einem Grabstein
die Inschrift abfühlt. Was dir irgend licht
zu brennen schien, das hieltest du als Leuchte
vor diese Zeile; doch die Flamme losch
eh du begriffst, vielleicht von deinem Atem,
vielleicht vom Zittern deiner Hand; vielleicht
auch ganz von selbst, wie Flammen manchmal ausgehn
Du lasest ´s nie. Wir aber wagen nicht,
zu lesen durch den Schmerz und aus der Ferne.
Nur den Gedichten sehn wir zu, die noch
über die Neigung deines Fühlens abwärts
die Worte tragen, die du wähltest. Nein,
nicht alle wähltest du; oft ward ein Anfang
dir auferlegt als Ganzes, den du nachsprachst
wie einen Auftrag. Und er schien dir traurig.
Ach hättest du ihn nie von dir gehört.
Dein Engel lautet jetzt noch und betont
denselben Wortlaut anders, und mir bricht
der Jubel aus bei seiner Art zu sagen,
der Jubel über dich: denn dies war dein:
Daß jedes Liebe wieder von dir abfiel,
daß du im Sehendwerden den Verzicht
erkannt hast und im Tode deinen Fortschritt.
Dieses war dein, du, Künstler; diese drei
offenen Formen. Sieh, hier ist der Ausguß
der ersten: Raum um dein Gefühl; und da
aus jener zweiten schlag ich dir das Anschaun
das nichts begehrt, des großen Künstlers Anschaun;
und in der dritten, die du selbst zu früh
zerbrochen hast, da kaum der erste Schuß
bebender Speise aus des Herzens Weißglut
hineinfuhr -, war ein Tod von guter Arbeit
vertieft gebildet, jener eigne Tod,
der uns so nötig hat, weil wir ihn leben,
und dem wir nirgends näher sind als hier.
Dies alles war dein Gut und deine Freundschaft;
du hast es oft geahnt; dann aber hat
das Hohle jener Formen dich geschreckt,
du griffst hinein und schöpftest Leere und
beklagtest dich. - O alter Fluch der Dichter,
die sich beklagen, wo sie sagen sollten,
die immer urteiln über ihr Gefühl
statt es zu bilden; die noch immer meinen,
was traurig ist in ihnen oder froh,
das wüßten sie und dürftens im Gedicht
bedauern oder rühmen. Wie die Kranken
gebrauchen sie die Sprache voller Wehleid,
um zu beschreiben, wo es ihnen wehtut,
statt hart sich in die Worte zu verwandeln,
wie sich der Steinmetz einer Kathedrale
verbissen umsetzt in des Steines Gleichmut.
Dies war die Rettung. Hättest du nur ein Mal
gesehn, wie Schicksal in die Verse eingeht
und nicht zurückkommt, wie es drinnen Bild wird
und nichts als Bild, nicht anders als ein Ahnherr,
der dir im Rahmen, wenn du manchmal aufsiehst,
zu gleichen scheint und wieder nicht zu gleichen -:
du hättest ausgeharrt.
Doch dies ist kleinlich,
zu denken, was nicht war. Auch ist ein Schein
von Vorwurf im Vergleich, der dich nicht trifft.
Das, was geschieht, hat einen solchen Vorsprung
vor unserm Meinen, daß wirs niemals einholn
und nie erfahren, wie es wirklich aussah.
Sei nicht beschämt, wenn dich die Toten streifen,
die andern Toten, welche bis ans Ende
aushielten. (Was will Ende sagen?) Tausche
den Blick mit ihnen, ruhig, wie es Brauch ist,
und fürchte nicht, daß unser Trauern dich
seltsam belädt, so daß du ihnen auffällst.
Die großen Worte aus den Zeiten, da
Geschehn noch sichtbar war, sind nicht für uns.
Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles.
Eigentlcih wollte ich das alte Jahr mit einem Dichter abschliessen, den ich 2007 erst kennen und lieben gelernt habe. Da ich das nciht mehr geschafft habe nun nachgeliefert zum Jahresbeginn: Sandor Petöfi, der ungarische Freiheitskämpfer und Dichter-Held , der in seinem viel zu kurzen kurzen Leben(1823-49) leidenschaftliche und lebensvolle politische wie private Verse geschrieben hat. Obschon sie mir nur in Übersetzung zugänglich sind und damit sicher Vieles verlieren war dieser Autor literarisch DIE Entdeckung 2007 für mich:
ein Gedciht, das mcih besonders ergriffen hat und die emphatische Unbedingtheit dieses Dichters widerspiegelt:
Ich lieb dich....
Ich lieb dich unermesslich, unsagbar lieb ich dich,
nicht deine zarte schlanke Gestalt nur liebe ich,
nciht nur die weisse Stirne, dein glänzend schwarzes Haar
die frischen roten Wangen, dein dunkles Augenpaar,
nicht nur die süssen Lippen, die kleine warme Hand,
die zärtlich ist wie keine, die jemals zu mir fand....
Ich lieb auch deine Seele, hochsinnig, sonder List
dein Herz im fühle ntiefer als jeder Bergsee ist.
Ich lieb dich, wenn du lächelst, wie wenn du weinst vor Leid
ich lieb dich in der Trauer wie in der Fröhlichkeit.
Die sonne deiner Tugend lieb ich nicht nur allein,
ich lieb dich auch wenn Fehler verdunkeln ihren Schein.
ich lieb dich unbeirrbar, so innig wie ein Mann
ein Weib auf deiser Erde in Treue lieben kann.
Du bist mein ganzes Leben, kein Wesen auf der Welt
hat je so serh mein Denken beflügelt und beseelt,
hat jemals so mein Fühlen erfüllt. Ob Nacht ob Tag .
Bist Melodie und Rhytmus für meines Herzens Schlag.
Willst du dass ich verzcihte auf Ruhm, mir fiel's nciht schwer.
doch würd ich Ruhm erwerben für dich nur umso mehr.
Den eignen Willen werfe ich gerne hinter mich
Dein Wille ist der Meine, was du willst, will auch ich.
Jedweden Wunsch erfüllen würd ich dir ohn Bedacht,
kein Opfer dafür scheuen, wenn es dir Freude macht.
Wenn du Verlust erlitten und wär er noch so klein,
mein Schmerz darüber würde gross wie der Deine sein.
Ich lieb dich unermesslich, unsagbar lieb ich dich
kein Mensch auf Erden liebte jemals so inniglich.
Ich lieb dich unermesslich und stürb ich daran gar!
Möcht alles dir in einem bedeuten immerdar.
Môcht Freund dir sein , Berater, der für dich sorgen kann
dein Bruder sein, dein Vater, Geliebter, Sohn und Mann.
Wie ich mich deinem Wesen in allem anvetrau:
sei Tochter, Schwester, Mutter, Geliebte mir nd Frau.
Ich bin dir ganz verfallen, wahnsinnig lieb ich dich
und wandle wie im Traume, verzaubert hast du mcih....
Frag ich mcih, wem gebühren nun Lob und Preis dafür
nicht ich bin deren würdig, nein sie gebühren dir!
Nur du , nur du Geliebte bist einzig ihrer wert....
denn diese grosse Liebe, du hast sie mich gelehrt.
Mensch Peter, was bist Du heute empfindsam...
ZitatOriginal von Klawirr
Mensch Peter, was bist Du heute empfindsam...
Lieber Peter,
nicht empfindsam sondern eher einfühlsam.
Vielen Dank für dieses wunderschöne Gedicht.
@medard - Ich mag solche empfindsamen Gedichte
LG
Maggie
Christian Morgenstern: Das Mondschaf
Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
Das Mondschaf.
Das Mondschaf rupft sich einen Halm
Und geht dann heim auf seine Alm.
Das Mondschaf.
Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
»Ich bin des Weltalls dunkler Raum.«
Das Mondschaf.
Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn' ist rot.
Das Mondschaf.
Bim, Bam, Bum
Ein Glockenton fliegt durch die Nacht,
als hätt' er Vogelflügel,
er fliegt in römischer Kirchentracht
wohl über Tal und Hügel.
Er sucht die Glockontönin BIM,
die ihm vorausgeflogen;
d. h. die Sache ist sehr schlimm,
sie hat ihn nämlich betrogen.
»O komm« so ruft er, »komm, dein BAM
erwartet dich voll Schmerzen.
Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm,
dein BAM liebt dich von Herzen!«
Doch BIM, daß ihr's nur alle wißt,
hat sich dem BUM ergeben;
der ist zwar auch ein guter Christ,
allein das ist es eben.
Der BAM fliegt weiter durch die Nacht
wohl über Wald und Lichtung.
Doch, ach, er fliegt umsonst! Das macht,
er fliegt in falscher Richtung.
ZitatOriginal von Maggie
@medard - Ich mag solche empfindsamen Gedichte
LG
Maggie
Liebe Maggie,
solche empfindsamen Gedichte, die das Sagbare sagen oder solche, das Unsagbare nicht sagen ? Oder solche, die das Unsagbare sagen und das Sagbare nicht sagen? Oder die, die alles sagen und die alles nicht sagen... (jene, die alles und nichts sagen, mögen uns allen wohl eher nichts sagen ).
Ganz herzlich,
Medard
ZitatOriginal von Klawirr
Liebe Maggie,
solche empfindsamen Gedichte, die das Sagbare sagen oder solche, das Unsagbare nicht sagen ? Oder solche, die das Unsagbare sagen und das Sagbare nicht sagen? Oder die, die alles sagen und die alles nicht sagen... (jene, die alles und nichts sagen, mögen uns allen wohl eher nichts sagen ).
Ganz herzlich,
Medard
Lieber Medard,
Du verwirrrrrrrrrrrrrrrrst mich.
Ich gebe Dir zur "Strafe" ein Rätsel auf. Von wem ist folgendes Gedicht?
Du
Deine vertraute Stimme beruhigt mein aufgewühltes Sein.
In mir strömt warm ihr tonvoll hallender Klang.
Ich schließe die Augen, überflutend formen sich deine Worte zu farbenspielenden Bildern,
strahlend entrückt doch greifbar und vollkommen.
Schwebend in lichtgetränkter Zufriedenheit lasse ich mich fallen,
deiner wissend, wissend ich bin.
LG
Maggie
Lieber Medard, was soll denn bitte schön heissen: heute???????
Meinst du , frischgebackene Moderatoren würden NOCH empfindsamer
Dann hilft nur noch
Liebe Maggie, ich auch! Aber ich mag auch das Gedciht von Houellebecq (obschon seine Romane mich wirklich literarisch respektvoll anekeln) und Morgenstern und Heissenbüttel und und und
F.Q.
ZitatOriginal von Fairy Queen
Lieber Medard, was soll denn bitte schön heissen: heute???????
Meinst du , frischgebackene Moderatoren würden NOCH empfindsamer
Ja, aber nicht nur empfindsamer - auch noch BLAU....
ZitatDann hilft nur noch
Ich fürchte auch! Aber eigentlich fürchte ich mich vor Rittern gar nicht; allenfalls vor Zombis... ... ...
So und jetzt kann der Blaumantel mal zur Heckenschere greifen und schonmal dieses OT im »Lieblingsgedichte«-Thread abknipsen.
Ich steh' nämlich total auf Bonsai... :wacky:
Maggie
Du bist echt gemein! Den Text kenne ich naklar nicht und kann ihn auch nicht ansatzweise zuordnen. Fällt für mich aber in die Ordnung »Sagbar« (und was sich sagt, ist gut...).
Gang, ganz herzlich,
Medard