ZitatOriginal von Johannes Roehl
Die interessantesten Überlegungen zur Modernität der HIP-Bewegung (im weiteren Sinne seit Beginn des 20. Jhds.!), die mir bekannt sind, stammen von Richard Taruskin (Text and Act, Oxford 1995).
Grundlegendes und sehr viele Details zum Thema findet man bei Gutknecht: Studien zur Geschichte der Aufführungspraxis. Köln, 1997.
Dort reicht die Geschichte mit 340 Seiten bis zum zweiten Weltkrieg. Es muss also schon vor 1945 allerhand los gewesen sein.
Harnoncourt hat seinen Concentus Musicus 1953 gegründet, allerdings blieb der viele Jahre eine eher konspirative Veranstaltung (wahrscheinlich als getarnte Verschwörung zur Förderung des Regietheaters ).
Breiten- und medienwirksam begann die Geschichte 1954 mit der Gründung der Capella Coloniensis (die Namen Gröninger und Wenzinger sollte man sich hier mal merken), einer Unterformation aus HIPlern des WDR-Orchesters, die mit dem Sender natürlich eine ideale Plattform hatten.
Ein weiterer Hort der Verschwörung ist übrigens nahezu unbemerkt (wie das Verschwörungen so an sich haben sollten) mittlerweile seit über einem Dreiveirteljahrhundert aktiv: Die Schola Cantorum Basiliensis wurde 1933 von Paul Sacher gegründet (auch ein Name, den man kennen sollte, wenn man von hip spricht).
Das erst einmal zu Datierungen.
Derzeit grüble ich noch, wie man ein Zeitalter, in dem es mühelos gelungen ist, die Halbzeitpause zwischen 30- und 7jährigem Krieg mit regionalen Scharmützeln – wahlweise flächendeckenden Epidemien – aufzufüllen, bezeichnen sollte. Harmonie & Schönheit fallen mir da eher spät ein.
Aber zu den neueren hip-(Fehl)entwicklungen vielleicht noch was: Es fällt durchaus auf, dass sich inzwischen einige Solisten/Ensembles mehr dem Schönklang und damit den besseren Marktchancen verpflichtet fühlen als dem, was vielleicht einmal als Aufbruch, Wahrheitssuche, Pioniertätigkeit und mit ähnlich hochtrabendem Vokabular gekennzeichnet wurde.
Darunter rechne ich weniger die Bestrebungen , mit 'modernen' (modern sind sie nicht) Instrumenten zu hipisieren. Das geht nun mal nicht anders, wenn man altes Repertoire mit einigem (mir zu wenigem) Gewinn und konventionellen Klangkörpern erschließen will.
Auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis gibt es noch derart viele weiße Flecken, dass es schon verwunderlich ist, wieviel von dem erschlossenem Terrain mittlerweile schon wieder fröhlich zubetoniert wurde.
Wahrscheinlich ist das kein Problem der unzulänglichen Musikanten, sondern eher eine Folge des Umstandes, dass Musiker auch essen und trinken müssen. Zwar können viele ihr Leben als Orchestermitglieder fristen, aber gerade bei den Spezialisten wird es öfter mal eng, bis die erste eigene Yacht beisammen ist. Also wird gespielt, was und auch wie gewünscht wird.
Und überhaupt: Wie oft wollen wir das hier noch durchkauen?