Hallo zusammen,
am Dienstag, dem 27.01.2009, spielte der Pianist Herbert Schuch ein Solokonzert im Herkulessaal der Münchner Residenz (meines Wissens zum ersten Mal dort):
- Beethovens Bagatellen op. 126 und die „Appassionata“, op. 57,
und nach der Pause:
- Mozarts Adagio KV540,
- Skriabins Sonate Nr. 9 „schwarze Messe“ sowie
- Ravels „Gaspard de la Nuit“,
Dies ist ein ungemein ambitioniertes Programm, sowohl musikalisch wie technisch. Herbert Schuch spielte es insgesamt unter dem Aspekt des Nachtstückhaften und Albtraummäßigen, und in diesem Sinne bat er sich aus, dass er die drei Werke nach der Pause unmittelbar hintereinander, ohne Unterbrechungen spielen dürfe, weil es zwischen ihnen innere atmosphärische Bezüge gebe, die auf diese Art besser erkennbar würden (was das Publikum akzeptierte, es hob sich den Applaus für das Ende auf).
Schuch ist mittlerweile neunundzwanzig Jahre alt, und von daher, an heutigen Maßstäben gemessen, als „Newcomer“ auf den großen Podien eher schon fast „alt“, was sicher auch daran liegt, dass er bescheiden-selbstbewusst auftritt, ohne jedes medienwirksame Star-Gehabe. Und: der Reifungsprozess hat sich gelohnt! Was geboten wurde, war nicht nur technisch auf höchstem Niveau, sondern auch musikalisch. Es war sogar so, dass Schuch die technische Schwierigkeit des Programms fast vergessen ließ, so selbstverständlich und ohne außermusikalische Manieriertheit war das Alles gemeistert, und die musikalisch-stimmungsmäßigen Prozesse der Werke und der großen Bogen standen im Mittelpunkt. Und in dieser Hinsicht ist ihm vor Allem mit dem Teil nach der Pause ein unvergesslicher Klavierabend geglückt, ein ganz großes, düsteres „Goya-haftes“ Stimmungsbild, welches mit zwei Zugaben von Nachtstücken Heinz Holligers abgerundet wurde, zu denen er jeweils vorher das vom Komponisten mitgegebene Motto aus Gedichtzeilen des österreichischen Lyrikers Georg Trakl mitteilte.
In einigen Kritiken nach der Veröffentlichung seiner ersten drei CDs hatte ich über Schuch gelesen, er sei ein Pianist von der Statur Alfred Brendels, einer, der die philosophischen Hintergründe der Werke ausleuchte und dem es um die lyrischen Qualitäten der Musik gehe. Nach diesem Live-Abend kann ich sagen, dass da zwar etwas dran ist, dass Schuch aber sehr wohl auch eine „Pranke“ hat, die keinen Vergleich scheuen muss - in der Appassionata zum Beispiel brachte er den (übrigens wunderbar sonor klingenden) Steinway-Flügel dynamisch bis an die Grenze, und zwar bei durchweg eher raschen Tempi. Dennoch stand auch hier der musikalische Prozess im Mittelpunkt.
Nun kann man als „vorbelasteter“ Hörer in jeder Interpretation etwas finden, was man sich „eigentlich“ anders vorstellt. Für mich war dies die Tatsache, dass Schuch sich nicht ganz entscheiden wollte, den langsamen Satz der Appassionata entweder als lyrischen Ruhepunkt der Sonate zu spielen oder als Fortsetzung der Stimmung der beiden Außensätze „mit anderen Mitteln“, sondern versuchte, beides zu vereinen, was aber in meinen Ohren dazu führte, dass die Ruhepunkte eher etwas isoliert und zusammenhanglos in der Sonatenlandschaft des op. 57 auftauchten. Aber es war wohl Absicht, den Bogen von den dunklen Beethoven-Bagatellen zu immer finstereren, angsterfüllteren Stimmungen hin zu spannen, und in diesem Sinne das Zerstörerische des Werks nicht voll auszuspielen.
Fazit: ein großartiges, wohlüberlegtes Programm, von einem fabelhaften Pianisten furios dargeboten. – Das Publikum im nicht ganz ausverkauften Herkulessaal spendete zu Recht begeistert Applaus. Sollte dieser Pianist künftig in München auftreten, dann ist der Saal wohl ausverkauft, und um Karten wird man sich rechtzeitig bemühen müssen. Ich jedenfalls bin dann wieder dabei.
Gruß
Pylades