Diva im Schatten: VIRGINIA ZEANI

  • Lieber Gregor,


    für Musik-Künstler bedeutet ein guter Schallplattenvertrag im Grunde eine Dokumentation ihres Könnens und eine dauerhafte Präsenz in der Zukunft, bei stetiger Beschäftigung vor dem Mikrophon eine gewisse Popularität und ein gesichertes Einkommen. Da kann es besonders am Anfang der Karriere geschehen, dass man mit seiner Gagenforderung zu hoch greift. Vor allem in den 50er und 60er Jahren war das damals 'boomende' Schallplatten-Business ein beinhartes Geschäft mit teilweise mafiösen Strukturen. Es ging vorrangig um Marktanteile und den Aufbau eines Katalogs; künstlerische Gründe waren eher sekundär. Und die Schallplatten-Produzenten waren manchmal unangenehme Zeitgenossen mit fragwürdigen Strategien: überheblich, manipulativ und wenig bereit, ihre Portemonnaies zu öffnen.


    Walter Legge schützte seine beiden ‚besten Pferde im Stall‘ (Callas und Schwarzkopf) dadurch, dass er aufstrebende Sängerinnen - die den beiden Genannten gefährlich zu werden drohten und eventuell von konkurrierenden Schallplattenfirmen ‚aufgebaut‘ werden konnten - mit einigen wenigen Aufnahmen zeitweise 'exclusiv' unter Vertrag nahm. (Im Fall ‚Callas‘ beispielsweise Antonietta Stella, Renata Scotto und Floriana Cavalli. Leyla Gencer, die an Schallplattenaufnahmen nicht interessiert war, gestand in einem späten Interview der „Opera News“, dass sie jährlich einen Scheck von Mr. Legge dafür erhielt, dass sie nicht vor das Mikrophon trat.)


    Die Vertragsverhandlungen mit Maurice Rosengarten von der „Decca“ müssen sehr unerfreulich gewesen sein, denn seine Motivation war, die Gagenforderungen bzw. Wünsche nach bestimmten Aufnahmen seiner Exclusiv-Künstler (vor allem Tebaldi und Del Monaco) und um ihnen zu zeigen, dass sie nicht unersetzlich sind, niedrig zu halten. Dafür verpflichtete er beispielsweise Anita Cerquetti, Virginia Zeani, Elena Souliotis, Maria Chiara, Giuseppe Di Stefano, Carlo Bergonzi, James McCracken und Bruno Prevedi; verlief ihre Karriere erfolgreich, umso besser. (Lisa Della Casa und Birgit Nilsson haben in ihren Autobiographien davon erzählt. Als die "Decca" den Exclusiv-Vertrag mit James McCracken - geplant waren Aufnahmen von "Il trovatore", "La forza del destino" und "Turandot" - nicht einhielt, ging dieser vor Gericht.)


    Elsa Schiller von der „Deutschen Grammophon Gesellschaft“ verfuhr wieder anders, hauptsächlich aus finanziellen Gründen. Sie machte unverbindlich ‚Probeaufnahmen‘ (mit Veröffentlichungen auf EPs) und verfolgte deren Verkaufserlös genau. Kam es bei einem positiven Ergebnis dann zu Vertragsgesprächen, achtete sie darauf, ob die Absichten ihres Gegenübers eher pekuniär waren, was für sie Anlass war, keinen Vertrag abzuschließen. Natürlich sprach sich das in der Branche herum. (Vor allem einige Tenöre gingen ihr so ‚durch die Lappen‘: Hans Beirer, Hans Hopf, Ernst Kozub und Josef Traxel.)


    Ich kann mir vorstellen, dass allein die Bitte Virginia Zeanis, ihren Gatten Nicola Rossi-Lemeni – Italiener mit türkischen Wurzeln, zeitweise Schwiegersohn Tullio Serafins, Virginia war seit 1958 seine zweite Frau - bei der „Decca“ ‚unterzubringen‘, Maurice Rosengarten negativ beeinflusst hat. Als den anderen Bassisten der „Decca“ (neben Cesare Siepi) in jener Zeit – die zwei Recitals mit der Zeani wurden im September 1956 in Florenz und im Juli 1958 in Rom gemacht – vermute ich George London, mit dem eine Aufnahme des "Boris Godunov" geplant war, eine der großen Rollen Rossi-Lemenis. (Zu Beginn der 50er Jahre hatte der Bulgare Raffaele Arié – neben Boris Christoff und Cesare Siepi ein großer Konkurrent von Nicola Rossi-Lemeni - einen Vertrag mit der „Decca“.)


    Ich weiß, dass Virginia Zeani der „Opera News“ zweimal ein großes Interview gegeben hat, worin sie u. a. als Grund für ihre hauptsächlich auf Italien beschränkte Karriere angab, dass sie ihren Sohn nicht in ein Internat geben wollte, wie es manche anderen Sängerinnen taten. (Um Genaueres zu zitieren, muss ich dafür meine „Opera News“-Jahrgänge von 1965 bis 2016 durchsuchen; weil es aber keine Jahresverzeichnisse gibt, kann das dauern.)


    Carlo

  • Carlo

    Da steckt so viel drinnen in deinem letzten Artikel über die Praktiken der Plattenfirmen in den 50/60er-Jahren. Man kann nur lernen. Vielen Dank.

    Ich habe deine Absätze ausgedruckt und bringe sie einem Opernfreund mit, der u.a. Fan der Souliotis ist und sich immer gewundert hat, warum es so wenig Aufnahmen mit ihr gibt.

  • Einen sehr schönen Artikel auf den Tod von Virginia Zeani bei Opera Lounge......


    EINE BEDEUTENDE DES BELCANTO


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)