Elina Garanca am 03.02.09 in Linz

  • Auf dem Programm:
    J. Brahms:
    Meine Liebe ist grün
    Liebe und Frühling
    Es träumte mir
    Mainacht
    Von ewiger Liebe
    R. Schumann: Frauenliebe und -leben op. 42
    G. Rossini: La regata veneziana
    J. Vitols, A.Kalnis: Lettische Lieder
    M. Falla: Siete canciones populares españolas


    Der Liederabend gestern zeigte mir 3 Dinge:


    Die manchmal fast überschwänglichen Kritiken quer durch Länder und Konzertsäle über Elina Garanca sind aus meiner Sicht nur gerecht, es handelt sich in der Tat um eine außergewöhnliche Frau, welche durch eine grandiose Präsenz und Ausstrahlung besticht, ihr Mezzosopran ist von einer so herzerwärmenden Sorte, dass nicht nur Mann ins Schwärmen gerät.
    Darüber hinaus sind ihre darstellerischen Fähigkeiten bestechend.
    So schafft sie es tatsächlich, obwohl sich nur am Flügel anhaltend oder von diesem sich kaum mehr als einen Meter wegbewegend, ganze Dramen und Lustspiele auszudrücken.
    Mit der Größe des Brucknerhauses hatte sie nicht die geringste Mühe, es schien als könnte sie auch nach mehrfachen Zugaben endlos weiter singen.
    Ihr Betreten der Bühne wurde stets zu einer Erscheinung, formvollendet der Knicks beim Verbeugen, dennoch wirkte sie keine Sekunde als "Star" oder Diva, sondern immer wie das liebe Mädchen von nebenan.
    Mit dem Pianisten Charles Spencer hat sie darüber hinaus einen musikalischen Partner, der sie geradezu auf Händen trug in seiner Begleitung.


    Dass Klassik, gehyped von den Labels wie im Falle der Garanca, der Netrebko…die Liste ließe sich fortsetzen, ein breites Spektrum an Menschen anspricht und dadurch auch befremdliche Auswüchse treibt, wurde mir gestern drastisch vorgeführt.
    Wie sonst kann es geschehen, dass das Auditorium im ausverkauften Saal - trotz Hinweis im Programmheft - so lange zwischen die Liederzyklen hineinapplaudiert, bis es der Künstlerin selber zu bunt wird und sie um Zurückhaltung bittet.
    Einigen Unverbesserlichen war selbst dieser Wink mit dem Zaunpfahl noch zu wenig, klatschten sie doch tatsächlich abermals drein!
    Programmheftgeraschel und –hinuntergefalle, Klettverschluss von Pocketfernglastasche – Aufgereiße, Gehuste, Geschnupfe und Geräusper, und als Krönung Handygebimmel zwei Reihen vor mir – der bis dahin sanft schlummernde Begleiter von zwei giggelnden Damen benötigte eine Weile, bis er sich auch tatsächlich angerufen fühlte. Und dabei nicht einmal errötete.


    Ja, wir haben eine Erkältungswelle, viele sind verschnupft. Und wir kennen den Dominoeffekt des offenbar animierenden Hustens auch aus symphonischen Konzerten, nicht wahr?
    Aber man muss schon wirklich hartgesotten und unbedarft sein, um mit dem lautstarken Räuspern nicht nur wenigstens bis zur Schlussnote der Künstlerin zu warten, sondern gnadenlos die sphärischen Schlussakkorde des Pianisten zu vernichten.


    Nach der CD Aria Cantilena, welche ich von Elina Garanca besitze, werde ich mir nun auch noch Bel Canto kaufen.
    Damit ziehe ich mich in einer geeigneten Stunde zurück und genieße zu Hause. Nachdem die Garanca wohl kaum einen Liederabend für mich alleine singen wird, die einzige Möglichkeit welche übrig bleibt.

  • Lieber klingender Wiener,


    welch ein beredter Essay eines Enthusiasten!
    Vielen Dank für diesen lebendigen Bericht. Ich habe die Göttliche leider noch nie live erlebt, und beneide Dich um den Eindruck, den Du in Deinem Herzen trägst, und den so einfühlsam und "gluschtig" (Lust-machend) in Worte fassen kannst. Eine feuilletonistisch virtuose Konzertkritik!
    Ich bin ein ausgesprochenerv Liebhaber von dunkel timbrierten Frauenstimmen und finde den Hype um Elina Garanca gerechtfertigt.


    Mit herzlichem Gruss aus Bern


    Walter