Carl Maria von Weber: Der Freischütz

  • Nicht zu vergessen, dass diese Aufnahme auch eines wenigen Tondokumente von Werner Faulhaber ist, der eine der ganz großen Hoffnungen im Bassbaritonfach war, ehe er 1953 von den Klippen der Riviera stürzte.
    Gruß
    Dieter

  • Danke, lieber Harald, dann erklärt sich natürlich der extreme günstige Preis von Centurion Classics bzw. der Unterschied zur Cantus-Edition, welcher in Wien derzeit schätzometrisch rund 10 Euro beträgt. Da werde ich irgendwann wohl die vollständige Version nachkaufen, wie ich mich kenne, und die jetzige nur im Urlaub verwenden.
    Die Beilke gefällt mir auch - eine angenehme, gut geführte Stimme.


    Meine Schellackitis hat sich in letzter Zeit fast von selbst verstärkt, vor allem weil immer mehr Angebote dieser Art auftauchen. Ich werde noch zum Horror der Sauberer-Klang-Fraktion avancieren. ;)

  • Eine weitere frühe Produktion aus Dresden, die -so ich nichts übersehen habe- noch nicht genannt wurde ist folgende:



    L. Fehenberger (Max), M. Teschemacher (Agathe)
    K. Böhme (Kaspar), E. Trötschel (Ännchen)
    A. Schellenberg (Oskar), H.. Pflanzl (Kuno)
    Staatskapelle Dresden/ Karl Elmendorff
    rec. 1943


    Wenn man mal die klanglichen Aspekte ausblendet, eine durchaus interessante Aufnahme, zumindest auch um den Zustand der Oper zu jener Zeit kennen zu lernen. Möglicherweise ist es der älteste Mitschnitt des "Freischütz"?

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Die älteste mir bekannte Freischütz-Aufnahme stammt aus dem Jahre 1929 (gekürzt) in folgender Besetzung:


    Aufnahme: 1929, Studio
    Dirigent: Hermann Weigert
    Staatskapelle Berlin
    Chor der Berliner Staatsoper


    Agathe: Elfriede Marherr
    Ännchen : Tilly de Garmo
    Eremit: Waldemar Henke
    Fürst Ottokar: Armin Weltner
    Kaspar: Eduard Kandl
    Kilian: Albert Reiss
    Kuno: Deszö Ernster
    Max: Fritz Soot
    Samiel: Rudolf Watzke


    Der Kaspar vom Dienst, Kurt Böhme, singt diese Rolle schon im Jahre 1936 in dieser Aufnahme:


    Aufnahme: 21.12.1936, Studio
    Dirigent: Heinrich Steiner
    Orchester des Reichssenders Berlin
    Chor des Reichssenders Berlin


    Agathe: Tiana Lemnitz
    Ännchen : Irma Beilke
    Eremit: Kurt Böhme
    Fürst Ottokar: Gerhard Hüsch
    Kaspar: Michael Bohnen
    Kilian: Gerhard Witting
    Kuno: Carl Schlottmann
    Max: Marcel Wittrisch


    Ist allerdings auch sehr stark gekürzt.


    Meine älteste echte Gesamtaufnahme (mit Dialogen) ist eine Rundfunkaufnahme des Reichssenders Breslau aus dem Jahre 1939; auch hier singt Kurt Böhme den Kaspar, Käthe Heidersbach die Agathe, Marie Madlen Madsen das Ännchen, Willy Treffner den Max, Chor und Orchester des Reichssenders Breslau werden geleitet von Ernst Prader.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Harald hat diese Aufnahme ja im Oberon-Thread glaub ich schon mal erwähnt. Nach ewiger Wartezeit kam nun vor kurzem Post aus Übersee ...



    Erst mal zum Negativen: Was mich gleich zu Beginn ziemlich gestört hat, war die relativ schlechte Tonqualität der Aufnahme. Es ist eine Live-Aufnahme aus dem Jahr 1973 aus Rom. Man hat aber irgendwie den Eindruck, dass die Entwicklungen der letzten 15 Jahre an den italienischen Tontechnikern recht spurlos vorübergegangen sind. Die Stimmen sind noch ok, aber das Orchester klingt leider recht dumpf und was mich noch mehr stört , es gibt einige Band-Störgeräusche, nicht ständig, aber hin und wieder knackt es da unerfreulich. Das Grundrauschen ist wohl auch ein wenig zu hoch ... Ich hätte die Aufnahme wohl auf Mitte der 50er geschätzt ...


    Weniger schwer wiegt, dass die Sänger der Nebenrollen nur unzureichende Deutschkenntnisse besitzen und man ungewollt etwas schmunzeln muss, was denn da so von sich gegeben wird ...


    Aber es gibt auch viel Positives zu vermerken: Sämtliche Hauptpartien sind ansprechend besetzt. Das fängt bei der tollen Agathe von Price an (Grümmer bleibt aber meine Favoritin). Helen Donath als Ännchen überzeugt ebenfalls vollkommen. Bei den Herren macht Ridderbusch seine Sache als Kaspar wirklich gut (hätte ich ihm so bei seiner "gutmütigen" Stimme gar nicht zugetraut ...) und James King ist ein toller Max: Er hat zwar in der Höhe ein bisschen Probleme, aber ich mag sein dunkles Heldentenor-Material und sein engagiertes, lebendiges Rollenporträt. Die Verzweiflung von Max bringt er sehr gut rüber.


    Das Dirigat von Sawallisch ist gut, leider stand im kein optimaler Klangkörper zur Verfügung.


    Insgesamt kann ich wegen der großartigen Leistung des Sängerquartetts und eines ansprechenden Dirigats eine Empfehlung aussprechen, trotz der tontechnischen Mängel.


    Florian

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  • Etwas in Eile zu Joseph Keilberths Freischütz:


    1.) makelloses Sängerensemble;
    2.) sehr guter Orchesterklang;
    3.) hervorragende Tonqualität (vor allem erstaunlich, wenn man das Produktionsdatum bedenkt);


    Fazit: im Vergleich zu Carlos Kleiber, Lovro von Matacic und Bruno Weill (insoweit ist mir ein Hörvergleich möglich) zweifellos mit Abstand die beste Aufnahme, vielleicht auch die authentischste, denn man hört förmlich den Wald rauschen.


    Beste Grüße aus - derzeit - Hannover

  • Am 22.08. veröffentlicht EMI die Keilberth-Aufnahme neu:



    Bin froh, dass ich noch die alte Ausgabe mit anderem Cover habe :D Aber letztendlich zählt ja nicht die Hülle, sondern das was drin ist. Und das ist nicht weniger als der beste Freischütz auf Tonträger!!!


    Best, DiO :beatnik:

  • Meine Lieben,


    Zu den ältesten "Freischütz"-Aufnahmen zählt diese, die 1943 in Berlin für die Deutsche Grammophon Gesellschaft entstand und 2002 , vorzüglich remastered, herauskam:



    Leider handelt es sich nur um eine - damals opportune - Kurzfassung, die man seinerzeit auf 8 Platten unterbrachte, interessant aber nicht zuletzt in technischer Hinsicht: Die Aufnahme war gekennzeichnet als Siemens Spezial - Experimentalschallplatte nach dem Silberverfahren des elektro-akustischen Forschungs-Laboratoriums. Vielleicht weiß Alfred dazu Näheres. Die Tonqualität ist jedenfalls mehr als erstaunlich. Ich hätte nie gedacht, daß zu dieser Zeit ein akustisch so großartiges Ergebnis möglich war!


    Robert Heger dirigiert das Städtische Orchester und den Chor der Staatsoper Berlin - und diese Kombination allein rechtfertigt den Kauf. Eine wunderschön-romantische Wiedergabe, fast perfekt mit nur wenigen kleinen Unreinheiten: Manchmal glaubt man, der Kaspar ist langsamere Tempi gewöhnt und hat etwas Mühe, sich Heger anzupassen - allerdings sind das nur wenige einzelne Momente). Dieser Kaspar ist ansonsten jedoch ganz ausgezeichnet - Georg Hann agiert mit prächtiger Stimme und überzeugendem Ausdruck.
    Der Fürst ist bei Willi Domgraf-Fassbaender bestens aufgehoben, ebenso der Kilian bei Reinhard Dörr (der noch im Jahr der Aufnahme bei einem Bombenangriff umkam). Dasselbe gilt für Walter Großmann als Kuno. Nur der Samiel Felix Fleischers überzeugt mich nicht sehr.
    Den Max gibt August Seider, ein Heldentenor der alten Schule. Er hat zunächst etwas Mühe, singt sich dann aber recht gut ein und bietet zwar keinen Spitzen-Max, aber einen überzeugenden. Natürlich etwas geradlinig, aber schon stimmig.
    Josef Greindl, damals noch ziemlich jung, ist ein ordentlicher, aber nicht überragender Eremit.


    Als Agathe hört man die heute kaum noch genannte Maria Müller, einst eine berühmte Wagnersängerin. Sehr gut, inniges Timbre, vielleicht eine Spur zu wenig auf Ausdruck achtend (wenn man etwa die bedeutendsten Agathedarstellerin der Nachkriegszeit vergleicht), aber zweifellos unter den Besten. An Carla Spletters Ännchen stört ein wenig, daß sie im Stimmcharakter der Agathe zu nahe kommt (im Begleittext wird auch eingeräumt, daß das Soubrettenhafte fehlt). Doch singt sie sauber und schön.
    Insgesamt bedauert man, daß es sich nur um einen ausgedehnten Querschnitt handelt. Denn dieser "Freischütz" verdient ja doch mehr als ein Dornröschenschicksal.


    Das Label "Tamino Records" gehört zu der Firma, die auch die Walhall-Serie herausbringt.


    Nicht zu verachten auch das Bonusmaterial: Lorenz Fehenberger mit einer Arie aus "Euryanthe" ( 1948 ) und Erna Berger mit vier Liedern von Weber (1943), prachtvoll bei Stimme!


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier


    Da würde ich nicht dagegen wetten, Don Ottavio wartet wahrscheinlich heute noch.....


    LG
    Rosenkavalier


    Na, bei der Bißgurn, wie es die Edda Moser im "Raimondi Giovanni Film" ist, kann er ruhig warten, er versäumt nichts.


    Bei Agathe und Max die werden sich nach einem Jahr schon bekommen, hoffentlich ist nichts vorgekommen, dass nicht Nachkommen vorkommen, bevor Vorkommen nachkommen.


    Übrigens habe ich endlich den Freischütz auf den ich schon lange gewartet habe:



    Liebe Grüße Peter. :hello: :hello: :hello:

  • Meine Lieben,


    Weil wir schon bei den frühen "Freischützen" sind, ein ausgefallener ist auch die Turiner Aufnahme von 1955:



    Wer nun glaubt, eine so durch und durch deutsche Oper kann auf italienisch nicht funktionieren, irrt gründlich. Das klingt sogar sehr gut. Vittorio Gui (mit dem Turiner Rundfunkorchester) könnte ohneweiters auch vor germanischen Puristen bestehen, er trifft - trotz unleugbarer und auch sinnvoller Zugeständnisse an den italienischen Stil - den Weberschen Ton erstaunlich intensiv. Und eine fast noch größere Überraschung ist der Max von Francesco Albanese, der geradezu eine Superleistung bietet, genau die Mitte zwischen lyrischem Liebhaber, Heldentenor und Trovatore-Klang beherrscht.
    Sena Jurinac mit all ihrer Singkultur fehlt als Agathe noch der dramatische Unterton. Erst im Finale kann sie all ihre Qualitäten ausspielen und stellt sich dann, aber nur dann, in die erste Reihe. Sie klingt meist noch recht mezzodunkel in der Färbung, was dieser Rolle nicht günstig ist. Orietta Moscucci legt sich als Ännchen tüchtig ins Zeug, keine besonders aufregende Stimme, aber Temperament und Engagement, alles in allem charmant und überzeugend.
    Boris Christoff konnte teuflische Figuren auf seine ganz eigene Art lebendig machen. Sein Kaspar ist ungewohnt, aber blendend charakterisiert; er hört sich wie ein Bravo an - und ich kann auch nur "bravo" sagen.
    Sesto Bruscantini, damals noch mit der Jurinac verehelicht, stellt einen guten Kuno dar sowie Leonardo Monreale einen guten Kilian. Emilio Renzi gibt dem Ottokar keine edel-warme Färbung (wie z.B. ein Claudio Nicolai), sondern bleibt distanzierter Aristokrat ohne sympathische Ausstrahlung, was sich aber bemerkenswert bruchlos einfügt. Ivo Vinco überzeugt als Eremit auch ohne extreme Schwärze, weil er sich auf die Mixtur zwischen autoritärem Anspruch und geistlicher Milde versteht.


    Wirklich zu kritisieren ist stellenweise nur die Tonqualität. Bei der Ouvertüre möchte man am liebsten abdrehen, um das Geschepper und Gekrächze nicht zu hören, dann wird es aber - mit einigen Ausnahmen - wesentlich besser, vor allem die Stimmen sind gut eingefangen.


    Für "Freischütz"-Liebhaber sehr zu empfehlen, für Neulinge sicher nicht.


    LG


    Waldi

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  • Hallo, diese habe ich auch: Weber, Der Freischütz, DG 1973 mit Carlos Kleiber...warum bekommt Max (Peter Schreier) von Euch kaum die Bestnote 5? Kann mir jemand beschreiben, was da fehlt? Ich kann das gar nicht begreifen, ich find' ihn so toll!


    Liebe Grüße,
    Lilith

    "Der Mensch ist nicht ganz dicht, er entweicht ins Imaginäre." (Bloch?)

  • Zitat

    Original von Lilith
    Hallo, diese habe ich auch: Weber, Der Freischütz, DG 1973 mit Carlos Kleiber...warum bekommt Max (Peter Schreier) von Euch kaum die Bestnote 5? Kann mir jemand beschreiben, was da fehlt? Ich kann das gar nicht begreifen, ich find' ihn so toll!


    Liebe Lilith,


    höre Dir einfach mal ein paar andere Mäxe an. Abgesehen davon ist 4,5 doch eine Spitzennote, eine 4 wäre es auch noch. Muss es immer eine 5 sein, auch wenn es Leute gibt, die diese Rolle besser singen? Oder geht es nur um einen Liebling, den man immer vorne sehen will, gleich was und wie er singt?


    Ich finde Peter Schreier auch toll, etwa als Schubert-Interpret. Darf ich dann seinen Max nicht mehr als das bewerten, was er nun ist?


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Lilith
    Hallo, diese habe ich auch: Weber, Der Freischütz, DG 1973 mit Carlos Kleiber...warum bekommt Max (Peter Schreier) von Euch kaum die Bestnote 5? Kann mir jemand beschreiben, was da fehlt? Ich kann das gar nicht begreifen, ich find' ihn so toll!


    Liebe Grüße,
    Lilith


    Ich würde ihm keine 5 geben, da ich seine stimme zu grell finde. Das ist ein rein persönliches Problem und nichts gegen Herrn Schreier. Eine 4 würde er aber sonst auf jedenfall bekommen.

  • Liebe Forianer,


    auf http://www.kinokalender.com kann man folgendes dazu lesen:



    Ein Schweizer Filmteam begann Anfang August mit den Aufnahmen für »Hunter’s Bride«, der Verfilmung des „Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Die Dreharbeiten für den europäischer Opernfilm finden in Sachsen statt (Foto auf der Bastei), die Tonaufnahmen für den Film wurden bereits am 7. Juli 2009 im berühmten Abbey Road Studio in London abgeschlossen. Die Premiere des Filmes ist für das Frühjahr 2010 geplant.
    Die 35mm-Kinofilmproduktion basiert auf der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Es ist ein Opernmärchen: Visionen, Zauberei und Magie vor dem historischen Panorama Dresdens im Jahre 1813 und vor der malerischen Kulisse der Sächsischen Schweiz.


    Der Film erzählt die Oper im Kontext europäischer Geschichte im historischen Panorama der napoleonischen Feldzüge 1813 in und um Dresden. Gedreht wird an Originalschauplätzen im Schloss Moritzburg, Fasanenschlösschen, im Uttewalder Grund und im Bielatal in der Sächsischen Schweiz und in Miltitz im Triebischtal. Über 300 Sänger und Statisten aus der Region Dresden wirken im Film mit. 150 Sänger des Bergsteigerchores „Kurt Schlosser“ und der „Singakademie“ spielen in den Chorszenen. Auch zahlreiche Stellen der Produktion sind mit bekannten Dresdner Filmemachern besetzt, darunter Tilo Schiemenz.


    Die Rolle des Freischütz Max singt und spielt der Tenor Michael König. Der teuflische Widersacher Kaspar ist Bassbariton Michael Volle. Den böhmischen Fürsten Ottokar verkörpert Kammersänger Franz Grundheber. René Pape wird als Eremit zu erleben sein. Olaf Bär singt die Partie des Bauern Kilian. In den weiblichen Hauptrollen werden die Preisträgerin des „Midem Classical Award“ Juliane Banse als Agathe und Regula Mühlemann als Ännchen zu hören und zu sehen sein. Die romantische Oper wurde von Weber ursprünglich als „Die Jägersbraut“ in Dresden-Hosterwitz komponiert.


    Daniel Harding dirigiert das London Symphony Orchestra. Es singt der Rundfunkchor Berlin, unter der Leitung von Simon Halsey. Die Solisten der Tonaufnahme werden auch bei den 6-wöchigen Dreharbeiten in Dresden mitwirken.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Die in diesem Thread kurz von Liebestraum angesprochene Aufnahme ist inzwischen zum low budget Preis neu herausgegeben worden:



    Sie enststand 2001 und erregte seinerzeit Aufsehen, weil sie die erste Einspielung auf Originalinstrumenten war.


    Auf bisher einfachen Wunsch ;) werde ich sie demnächst etwas ausführlicher vorstellen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Warum musste ich alles teuer kaufen? Ich sehe gerade, dass Sony die ganze Palette der ehemaligen RCA-Aufnahmen von Zauberflöte bis fliegenden Holländer für kleines Geld neu aufgelegt hat. Vielleicht sollten alle Aufnahmen hier mal veröffentlicht werden, damit Taminofreunde zuschlagen können.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Wenn man sich die im vorvorherigen Beitrag gezeigte Aufnahme kauft, darf man keinen "konventionellen Freischütz" erwarten.
    Sämtliche Dialoge wurden durch einen "Samiel-Monolog" ersetzt, wo normalerweise die Handlung in der Interaktion der Protagonisten vorangetrieben wird, charakterisiert sich Samiel quasi selbst.


    Bloß erfährt man davon im "Beiheft" (es gibt nur eine Besetzungs- und Trackliste und eine kurze Inhaltsangabe auf Englisch und Deutsch) der Zweitveröffentlichung nichts.


    Erst in der Produktinformation der immer noch erhältlichen Originalausgabe



    erfährt man u.a.


    Zitat

    Für das Problem der gesprochenen Dialoge fand Weil eine sehr unkonventionelle Lösung: Er strich die ursprünglichen Texte vollkommen aus der Partitur und ließ stattdessen den Schriftsteller Steffen Kopetzky Samiel-Monologe verfassen, in denen dieser Vertreter des Bösen in der Handlung sich selbst als "dunkler Geist des Kollektivs" charakterisiert, welcher, blind und lediglich mit traumähnlichem Bewusstsein versehen, nur mittels des negativen Verhaltens von Menschen in Aktion treten kann. Trotz des starken Eingriffs in die Substanz eine gute Idee, wie ich meine, denn sie gibt der Handlung einen bedenkenswerten neuen Bezugspunkt.


    Was Michael Wersin als "gute Idee" bezeichnet, empfinde ich persönlich als zwar geschmackvoll, aber letztendlich stilentstellend, denn auch wenn man die Dialoge als antiquiert erachtet, so gehören sie zur Oper mit dazu, ebenso wie die sprachlich ebenso antiquierten Gesangsstücke.


    Wie man aber letztendlich die Textstellen beurteilen möchte, mag man für sich selbst entscheiden.


    Ebenso "Neuland" betritt Weil in der Wahl der Instrumente (worüber das Beiheft ebenfalls nicht aufklärt). Die Capella Coloniensis des WDR spielt nämlich auf Originalinstrumenten.
    Erfreulich ist das "schlankere", transparente Klangbild, es findet kein "überromantisierter Schönklang" statt, aber schon in der Ouvertüre tritt für mich ein deutliches Manko hervor: Weil ist schnell, aber das war es denn auch schon.


    Es gelingt ihm (wie auch schon beim "Originalklang" Fliegenden Holländer) nicht, eine spannende Atmosphäre herzustellen. Man freut sich über die Virtuosität im Orchesterspiel, aber der Hörvergleich mit Keilberth, Kleiber (beide) und Harnoncourt offenbart eine gewisse Eindimensionalität oder -anders ausgedrückt- den Unterschied zwischen einem guten und einem hervorragenden Dirigenten.


    Die Sängerriege ist (zum Zeitpunkt der Aufnahme 2001) mit jungen und guten Sänger/innen besetzt und verzeichnet -erfreulich genug- keinen Ausfall, dafür aber einen -wertneutral- ausgesprochen diskutablen Max (Christoph Prégardien).


    Weil dürfte einen ähnlichen Ansatz wie Harnoncourt verfolgt haben: "Der junge Tenor Endrik Wottrich, der sich hier ein Maximum an tenoraler Selbstbeschränkung auferlegt, löst diese Rolle wie wohl keiner seiner Vorgänger von jedem heldischen Anspruch und gibt ihr somit ein völlig anderes Profil. ...


    Max ist kein forscher Weidmann, der bloß im Psychostreß vor der Hochzeit plötzlich Pech hat. Er ist ein Träumer und Phantast - was Weber in seiner Partitur klar zum Ausdruck gebracht hat..." (aus dem Beiheft zur Harnoncourt-Aufnahme)


    Prégardien, der sich u.a. als Liedsänger einen sehr guten Namen gemacht hat, vermeidet ebenfalls jeden "heldischen Ansatz", singt ausgesprochen wortdeutlich, ist aber Wottrich an Stimmschönheit und Gestaltungskraft noch überlegen. Lyrischer und verinnerlichter gestaltend habe ich die Arie "Nein, länger trag' ich nicht die Qualen... Durch die Wälder, durch die Auen" noch nie gehört. Dadurch daß er zu Beginn sehr leise agiert, muß er zum Schluß auch nicht übermäßig laut werden, um seine Verzweiflung auzudrücken - dazu fehlt seiner Stimme aber auch, ehrlich angemerkt, die Durchschlagskraft.


    Gegen beide Damen, Johanna Stojkovic als Ännchen und Petra Maria Schnitzer als Agathe, gibt es keine Einwände - im Gegenteil. Ännchen ist kein "Mauerblümchen", sondern ein kesses, selbstbewußtes Mädchen, das der "reiferen" Agathe fast den Rang abläuft, und Agathe selbst weiß durch einen anmutigen, fast zerbrechlichen Vortrag für sich einzunehmen.


    Abstriche gibt es für mich lediglich bei Georg Zeppenfeld als Kaspar. Sein Baß war 2001 noch nicht zur "schwarzen Dämonie" fähig, die 2010 seinen Vortrag als Sparafucile auszeichnete. Somit wirkt er leider etwas "leichtgewichtig". Auch sprachlich in der "Wolfsschluchtszene", die einzige mit (gekürzten und textlich leicht veränderten) Dialogen weiß er nicht zu überzeugen. Man höre diesbezüglich z.B. Walter Berry, um zu erfahren, daß man auch ungekünstelt Dämonie verkörpern kann.


    Christian Gerharher gefällt mir als Ottokar und Kilian sehr gut; bei Andreas Hörl als Eremit darf man nicht an Kurt Moll oder Franz Crass denken, wenn man seinem Vortrag lauscht, aber objektiv betrachtet gibt es gegen seine Stimme keine Einwände.


    Die Chöre gestalten recht feinsinnig, aber eine Spur zu zurückhaltend, die Klangqualität ist ohne Fehl und Tadel.


    Fazit: Weil hat den Freischütz zwar nicht neu erfunden, bietet aber Anlass für kontroverse Diskussionen. Der Verlust jeder Biedermeierlichkeit ist erfreulich, aber dazu bedarf es keines neu gestalteten Textes, sondern den erreicht man orchestral bereits durch Engagement und geschärfte Klangkonturen, siehe Harnoncourt.


    In sofern ist diese Aufnahme für mich eine interessante Alternative, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich bin mit dem Freischütz von Eugen Jochum und Richard Holm als Max, Kurt Böhme als Kaspar, Irmgard Seefried als Agathe und Rita Streich als Ännchen aufgewachsen. Zu der Idelabesetzung des Kaspar mit Kurt Böhme, der Agathe mit Irmgard Seefried und Ännchen mit Rita Streich traten noch Eberhard Waechter als Fürst und der unvergleichliche Ernst Ginsberg als Samiel hinzu.
    Später kam noch der Freischütz von Joseph Keilberth dazu mit den ebenfalls ideal besetzten Rudolf Schock als Max und Elisabeth Grümmer als Agathe. Leider sang die zweite Idealbesetzung des Kaspar, Gottlob Frick, hier "nur" den Eremiten.
    Schließlich habe ich auch seit etlichen Jahren den Freischütz mit Carlos Kleiber, wo m.E. Gundula Janowitz als dritte "ideale" Agathe zum Tragen kommt und Edith Mathis als Ännchen. Natürlich liefert hier auch Frans Crass einen großartigen Eremiten ab.
    Aber hat ein zwar an einigen Stellen antquiert wirkendes Libretto nicht dennoch den Vorteil der größeren inhaltlichen Geschlossenheit bzw. ist es nicht sogar dazu notwendig?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch wenn´s langweilig wird, ich muss noch einmal auf Carlos Kleiber und dessen Aufnahme eingehen, zu der ich eine ganz spezielle Beziehung habe. Ich war noch ein junger Musikstudent, als mir mein Vater diese Platte als Geburtstagsgeschenk überreichte. Es muss etwa 1975 gewesen sein. Ich kannte den Freischütz sehr gut, sowohl von der Partitur als auch von diversen Aufnahmen. Der Name Carlos Kleiber sagte mir nur durch den Bezug zu seinem Vater etwas. Als ich dann aber die Ouvertüre hörte, geriet ich in eine fast fortdauernde Schockstarre. Ein derart analytisches Spielen, derart akribisch herausgearbeitete Motiv-Verwandtschaften, derart wunderbare Balance zwischen den einzelnen Orchestergruppen, seine Tempi usw. - usw., all das hatte ich bis dato noch nicht gehört, nicht gelernt und auch nicht studiert. Im Vergleich dazu kamen mir die alten Großmeister wie Furtwängler auf einmal recht durchschnittlich vor.


    Damit war ich Kleiber-Bewunderer geworden und bin es bis heute geblieben. Im Zuge der Beschäftigung mit ihm erfuhr ich u.a., dass er extrem lange Probenzeiten verlangte. Häufig konnten sie ihm aus Kostengründen nicht gegeben werden, dann ließ er das Projekt eben scheitern. Aber da, wo er sie bekam, ergaben sich zwangsläufig die Resultate, die hier als Referenz tituliert werden. Was kein Wunder ist, wenn man es alleine schon mit den Probenzeiten seiner Kollegen vergleicht.


    Ich las hier im Forum, dass er in der Zeit der Plattenerscheinung nicht den "deutschen Wald" und damit eine Art "Deutschtümelei" (was auch immer das sein mag...) heraufbeschwor und somit im damaligen Zeitgeist lag. Ebenfalls las ich, dass seine Aufnahme nicht gerade als sehr romantisch einzustufen sei. Daneben kritisierte man die Leistungen seiner Sänger. Das meiste davon kann ich leider nicht teilen.


    Kleiber leitete - zumindest für mich und unzählige andere Musiker - mit dieser Aufnahme eine neue Epoche ein. Da war zum einen sein analytisches Dirigat. Dabei meißelte er z.B. Nebenstimmen heraus, die man, d.h. auch viele seiner Kollegen, zuvor wie Füllstimmen behandelt hatte. In fast allen Fällen aber wurde genau diese Beachtung von scheinbar unwesentlichen Details der Schlüssel zu einer besseren Interpretation, zu einem besseren Verständnis des gesamten Stückes.


    Für genau so atemberaubend erachte ich seine Dynamik und Agogik. In der Freischütz-Ouvertüre gibt es einen Übergang, bei dem er einen agogischen Akzent macht (d.h. einen winzigen Moment verzögert), den Ton aber im Gegensatz zu vielen anderen Interpretationen nicht absetzen läßt, um von da aus in ein fulminantes Crescendo mit A Tempo zu gehen. Diese Stelle läßt mich noch heute meinen Kopf schütteln. So etwas gleicht zwar einem Wunder, ist aber einer schweißtreibenden Probenarbeit zu verdanken, die fast all seine Kollegen als nicht bezahlbar oder als nicht vorstellbar erachteten. Und damit komme ich zu einem Punkt, der hinter der musikalischen Leistung des Carlos Kleiber steht:


    Ich könnte noch weitere Superlative seiner Interpretationen hervorheben, aber das noch Wesentlichere besteht in seiner kompromisslosen Unbedingtheit. Keine Kompromisse, wenn es Musik geht! Dieses steht als nonverbales Bekenntnis hinter fast all seinen Interpretationen. So und gerade auch hinter seinem Freischütz - und letztlich hinter seinem gesamten Leben.


    Daneben möchte ich die Dresdner Staatskapelle hervorheben, die sich als wundervolles Orchester präsentiert, einige aberwitzige Tempi mitgeht und gleichzeitig einen idealen, romantischen Klang entwickeln kann (man beachte und vergleiche bitte die Hörner). Wahrscheinlich ist es zur Zeit das einzige Spitzenorchester, das sich seinen "deutschen Klang" erfolgreich bewahrt hat.


    Angesichts all dieser herausragenden Merkmale ist es mir - offen gesagt - ziemlich egal, ob ein beteiligter Sänger in einem bestimmten Register gewisse Färbungen hat oder ob es in einer Vergleichsaufnahme einen besseren Interpreten für eine bestimmte Rolle gibt. Carlos setzt den Maßstab und der ist für mich unvergleichlich.




    Noch 2 Zitate, die ihn recht gut beschreiben:


    Ein Oboist: ein Konzert mit ihm war wie ein Rausch, eine absolute Hingabe. Aber mehr als einmal in der Woche war das nicht durchzuhalten.


    Michael Gielen: In Carlos Kleiber treffen sich in idealer Weise analytische Partitur-Genauigkeit und subjektive Empfindung und lassen eine unvergleichliche Interpretation entstehen.


    (Beide Zitate sinngemäß)

  • Nachdem Wolfgang in einem anderen Thread mal wieder den Tenor Kurt Wehofschitz erwähnte, habe ich mir mal wieder seinen "Max" zu Gemüte geführt - in einer Gesamtaufnahme aus Linz von Beginn der 50er Jahre. Das war damals die Besetzung:


    Aufnahme: 1950, Studio Linz
    Dirigent: Hans Doehrer
    Oberösterreichisches Staatsorchester (?)
    Oberösterreichischer Staatschor (?)
    Label: Remington 199-100 (3 LP)


    Agathe: Dora Palludan
    Ännchen : Hanni Löser
    Eremit: Fritz Pramböck
    Fürst Ottokar: Karl Heinz Tuttner
    Kaspar: Alfons Kral
    Kilian: Erich Klaus
    Kuno: Karl Duffek
    Max: Kurt Wehofschitz


    Keine Aufnahme, die man unbedingt haben muß!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Als der große Weber-Verehrer hier im Forum und als großer "Freischütz"-Liebhaber kann nun vermelden:


    Meine "Freischütz"-Aufnahmen habe ich nach Erwerb der Kubelik-Aufnahme nun auf dem aktuellen Stand.


    auf CD:


    Keilberth, Heger, Jochum, C. Kleiber, Kubelik, Hauschild, Janowski, Harnoncourt, C. Davis, Weil


    - die Matacic-Aufnahme kommt mir nicht ins Haus!


    auf DVD bzw. Blu-ray:


    Ludwig, Gönnenwein, Harnoncourt, Harding


    :hello: LT

  • Und wo bleiben Böhm, Erich Kleiber, Ackermann, Sawallisch, Brückner-Rüggeberg und Kray und Furtwängler und und und ?


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich könnte noch weitere Superlative seiner Interpretationen hervorheben, aber das noch Wesentlichere besteht in seiner kompromisslosen Unbedingtheit. Keine Kompromisse, wenn es Musik geht! Dieses steht als nonverbales Bekenntnis hinter fast all seinen Interpretationen. So und gerade auch hinter seinem Freischütz - und letztlich hinter seinem gesamten Leben.

    Ich verstehe genau, lieber Tastadur, warum Dich diese Aufnahme so ungeheuer begeistert. Und: Ich kann Deiner Begeisterung bis zu einem gewissen Grade auch folgen. Aber doch nur bis zu einem gewissen Grade. Jede Deiner Bemerkungen zur Orchesterleistung und zu Kleibers Realisierung der Partitur würde ich unterschreiben. Aber: für mich gehört zu einer Interpretation einer Oper schon auch, wie die Sänger das realisieren, was für sie in den Noten aufgeschrieben ist! Deshalb kann ich Dir nicht mehr folgen, wenn Du sagst:

    Angesichts all dieser herausragenden Merkmale ist es mir - offen gesagt - ziemlich egal, ob ein beteiligter Sänger in einem bestimmten Register gewisse Färbungen hat oder ob es in einer Vergleichsaufnahme einen besseren Interpreten für eine bestimmte Rolle gibt. Carlos setzt den Maßstab und der ist für mich unvergleichlich.




    Zu der "kompromisslosen Unbedingtheit... wenn es (um) Musik geht" - so Deine Worte - würde für mich auch gehören, dass man keine Besetzungen akzeptiert, mit denen die Partien nicht zufriedenstellend realisiert werden können. Bei allem Respekt, aber Schreier und Adam sind Fehlbesetzungen, die den Ansprüchen ihrer Partien nicht gewachsen waren. Der Dirigent ist doch nicht nur für das Spiel der Hörner, und der Oboen, der Violinen und der Celli verantwortlich, nicht nur dafür, dass sie gut zusammenspielen und zusammenklingen. Er ist schon auch für das Singen der Vokalsolisten verantwortlich. Und immerhin zwei der Protagonisten werden den Maßstäben nicht gerecht, deren Erfüllung man von Ihnen eigentlich erwarten müsste.


    Mich wird das nicht davon abhalten, immer wieder mal die Kleiber-Aufnahme aufzulegen. Und ich werde sie auch genießen. Genau aus den von Dir genannten Gründen. Aber ich werde mich nicht davon abhalten lassen, auch andere Aufnahmen hoch zu schätzen, in denen ich zwar eine weniger analytische und weniger durchgearbeitete Interpretation des Orchesterparts hören muss, in der ich aber adäquate Besetzungen für den Kaspar und den Max hören darf.


    Liebe Grüße



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ein Oboist: ein Konzert mit ihm war wie ein Rausch, eine absolute Hingabe. Aber mehr als einmal in der Woche war das nicht durchzuhalten.


    Michael Gielen: In Carlos Kleiber treffen sich in idealer Weise analytische Partitur-Genauigkeit und subjektive Empfindung und lassen eine unvergleichliche Interpretation entstehen.

    Dem kann ich nur beipflichten. In den beiden letzten DVDs die jetzt mit Carlos Kleiber herausgekommen sind, kommen u.a. Mitglieder verschiedener Orchester zu Wort, die ähnliches über ihn berichten. Soweit und so gut. Ich zähle auch zu seinen Bewunderern. Aber Schreier und Adam waren für den Freischütz nicht erste Wahl. Es gibt in der Tat bessere Interpreten, da muss ich Caruso beipflichten. Dennoch, orchestral reißt einen schon die Ouvertüre vom Stuhl, von der Waldschlucht-Szene ganz zu schweigen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Aber Schreier und Adam waren für den Freischütz nicht erste Wahl. ...


    Ich denke schon. Zumindest mir fällt ad hoc niemand wirklich besserer ein, den die DG damals hätte einsetzen können. Und die beiden sind wirklich nicht so schlecht, dass sie die Bezeichnung "Fehlbesetzung" verdienen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich denke schon. Zumindest mir fällt ad hoc niemand wirklich besserer ein, den die DG damals hätte einsetzen können. Und die beiden sind wirklich nicht so schlecht, dass sie die Bezeichnung "Fehlbesetzung" verdienen.


    Wenn man denn nur die Sänger in Betracht zieht, die bei der DGG einen Exklusivvertrag hatten, mag es 1973 vielleicht keine wirkliche Alternative zu Schreier gegeben haben. Aber das zeigt geradezu krass das gesamte Dilemma der Vertragspraxis der DGG!


    Natürlich wären James King, Charles Craig und vielleicht auch noch Jess Thomas in Frage gekommen - aber das nicht idiomatische Deutsch der beiden Amerikaner und des Briten dürfte wohl dagegen gesprochen haben. Ein Max mit Migrationshintergrund war vielleicht doch nicht das, was die Herren von der DGG suchten.
    Aus dem Grunde werden wohl auch Placido Domingo (hätte ich mir auch wirklich nicht gewünscht)
    und Sandor Konya (Vielleicht zu der Zeit auch schon nicht mehr in bester Verfassung?) nicht in Frage gekommen sein.
    Aber gab es wirklich keine Alternativen?


    Immerhin hatte zu der Zeit Karl-Josef Hering an der Deutschen Oper Berlin seine grossen Erfolge als Bacchus, Siegfried und eben als Max - - -
    und Robert Schunk ( noch in Karlsruhe) hatte seine ersten Erfolge und war in einem Stadium seiner Karriere, in der er unter einem Dirigenten wie Kleiber sicher einen guten Max gesungen hätte. Er war noch lyrisch und hatte bereits genug heldische Möglichkeiten.


    Reiner Goldberg war bereits nach Dresden gewechselt und wäre damals sicher eine optimale Besetzung der Partie gewesen!


    Spass Wenkoff hatte den Max zu der Zeit schon in Magdeburg und wohl auch in Halle (ich bin nicht ganz sicher) gesungen!


    Ich hätte mich aber vielleicht für Alberto Remedios entschieden von dem ich in der damaligen Sadlers Wells Opera - 1972 - einen hinreißenden Max gehört habe.
    Das war zwar eine Aufführung in englischer Sprache, aber bekanntlich sprach Remedios ausgezeichnet deutsch und er hat ja wenig später u.a. auch Szenen aus dem Siegfried und aus der Götterdämmerung eingesungen und da kann man sein idiomatisches Deutsch und seine exzellente Artikulation bewundern. Vor allem kann man auch bewundern, wie kantabel und lyrisch erfüllt er singen konnte ohne dass man den heldischen Ton vermissen musste. Er war ein so musikalischer Sänger und kluger Musiker, dass eine Kleiber-Einspielung mit ihm sicher ein Fest geworden wäre.


    Ich bin mir sicher, dass es an Bühnen, die ich nicht so im Blick hatte, weitere Tenöre gab, die zwar noch nicht allgemeiner bekannt waren aber in dem Fach Hervorragendes leisten konnten.
    Aber wenn die DGG einen Freischütz unter Kleiber macht, braucht sie dann unbedingt einen Tenor, dessen Name bereits am Markt eingeführt und als absatzfördernd bewährt ist?


    Ich habe mal in den 70er Jahren mit einem Mitarbeiter der DGG über die Besetzungspolitik des Labels gesprochen und gefragt, warum denn Domingo wirklich für Alles und Jedes eingesetzt wird obwohl es doch für die eine oder andere Partie bessere Besetzungen gäbe. Der gute Mann verstand meine Frage bestens. Er antwortete aber, dass man so viel Geld investiert habe, um Domingo aufzubauen und als Marke zu etablieren, dass man nun nicht anfangen könne, einen neuen Tenor aufzubauen "nur weil er für eine Einspielung der Meistersinger die bessere Bestzung wäre!"
    Das Ergebnis ist bekannt!




    ...

    ;) - ;) - ;)


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  • Und wo bleiben Böhm, Erich Kleiber, Ackermann, Sawallisch, Brückner-Rüggeberg und Kray und Furtwängler und und und ?


    Genau das hätte ich auch gefragt. Der Zugang zum FREISCHÜTZ ist doch nicht eine Frage von Stereo oder Mono. Zumal für jemanden nicht, der sich als großer Liebhaber dieser Oper ausgibt. Die Technik macht eine Aufnahme nicht besser. Sie steigert allenfalls deren Wirkung. Was Keilberth oder Furtwängler mit ihren Deutungen für dieses Werk getan haben, kann gar nicht genug geschätzt werden. Sie haben es vom altdeutschen Dunst befreit, was dringend geboten schien.


    Was die Aufnahme unter Carlos Kleiber anbelangt, so sehe ich Schreier und Adam nicht nur nicht als erste Wahl - wie das Bernward sehr diskret ausdrückte - sondern als glatte Fehlbesetzung. Nur muss auch in Betracht gezogen werden, dass es sich seinerzeit um eine deutsch-deutsche Gemeinschaftsproduktion handelte. Die DDR-Firma Eterna hatte dabei auch ein gewichtiges Wort mitzureden und eine Interesse daran, Schreier und Adam zu platzieren. Schade. Wenn sie auftreten, wirds immer ein bisschen altmodisches Kasperletheater. Sie konterkarieren Kleibers atemberaubende neue Sichtweise, die nach meinem Eindruck ohne Keilberth und Furtwängler gar nicht möglich gewesen wäre.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Aber wenn die DGG einen Freischütz unter Kleiber macht, braucht sie dann unbedingt einen Tenor, dessen Name bereits am Markt eingeführt und als absatzfördernd bewährt ist?

    Ja natürlich, so tickt die Branche. Du hast ja die Frage selbst in den weiteren Ausführungen beantwortet. Als weiteren Namen hätte ich mir zu dieser Zeit eigentlich René Kollo ganz gut vorstellen können. Aber den hätte die Decca damals wohl nicht hergeliehen...


    Nun sind das aber alles nur hypothetische Überlegungen und wir bellen eigentlich den falschen Baum an. Denn wie mir in der Zwischenzeit wieder eingefallen ist, handelt es sich beim Kleiber-Freischütz ja gar nicht um eine DG-Aufnahme!


    Diese Oper wurde vom VEB Deutsche Schallplatten Berlin produziert. Sie ist damit ein Glied in der langen Kette von Opernaufnahmen, die diese Schallplattengesellschaft mit der Staatskapelle Dresden produziert hat. Und wenn man sich die Opernproduktionen Ende der 60er und Anfang der 70er anschaut, dann findet man die "Zwillinge" Peter Schreier und Theo Adam praktisch in jeder Oper, wo dies besetzungstechnisch möglich war. Bei den Damen finden sich Helen Donath und Edith Mathis des öfteren. Diese Aufnahmen wurden auch in der DDR veröffentlicht und von dort aus vertrieben (heute Eterna und Berlin Classics), aber einige dieser Einspielungen wurden auch von westlichen Plattenfirmen mitproduziert (z.B. EMI-Meistersinger-Karajan, DG-Freischütz-Kleiber, DG-Fidelio-Böhm, DG-Entführung-Böhm...). Die brachten neben dem Geld auch einige Künstler mit ein und erhielten die Exklusivrechte für die westliche Welt. Für den Freischütz brachte die DG offenbar Gundula Janowitz und Carlos Kleiber mit nach Dresden, der "Rest" sind die bewährten Kräfte des VEB und heißen unter anderem auch Peter Schreier und Theo Adam.


    :hello:

    Ciao


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  • Diese Oper wurde vom VEB Deutsche Schallplatten Berlin produziert. Sie ist damit ein Glied in der langen Kette von Opernaufnahmen, die diese Schallplattengesellschaft mit der Staatskapelle Dresden produziert hat. Und wenn man sich die Opernproduktionen Ende der 60er und Anfang der 70er anschaut, dann findet man die "Zwillinge" Peter Schreier und Theo Adam praktisch in jeder Oper, wo dies besetzungstechnisch möglich war.

    Nur muss auch in Betracht gezogen werden, dass es sich seinerzeit um eine deutsch-deutsche Gemeinschaftsproduktion handelte. Die DDR-Firma Eterna hatte dabei auch ein gewichtiges Wort mitzureden und eine Interesse daran, Schreier und Adam zu platzieren. Schade. Wenn sie auftreten, wirds immer ein bisschen altmodisches Kasperletheater. Sie konterkarieren Kleibers atemberaubende neue Sichtweise, die nach meinem Eindruck ohne Keilberth und Furtwängler gar nicht möglich gewesen wäre.


    Natürlich ist das richtig und es erklärt die eklatanten Fehlbesetzungen.


    Wenn ich aber heute - h e u t e - über Freischütz-Aufnahmen spreche, dann interessieren mich weder die historischen Umstände noch das geschäftspolitische Kalkül der Produzenten.
    Dann interessiert mich das künstlerische Profil und die Qualität der Produktion.
    Tastadur hat die begeistert gepriesen. Ich habe ausdrücklich unterstrichen, dass es dafür gute Gründe gibt! Kleibers Interpretation des Partitur ist schon phantastisch!
    Aber gerade weil Kleiber mit seiner Aufnahme " eine neue Epoche einleitet" (so Tastadur) ist es doch dem Hörer von heute nicht zu verübeln, wenn er anmerkt, dass zwei der entscheidenden Stimmen fehl besetzt sind! Hätte Kleiber solche Fehlbesetzungen bei den Hörnern oder den Oboen akzeptiert?


    Theophilus meinte nun, ihm würden gar keine Alternativen zu Schreier und Adam einfallen. Da habe ich denn doch mal ein paar Namen nennen wollen, die damals bessere Besetzungen für den Max abgegeben hätten. Ob es realistisch gewesen wäre, den einen oder den anderen zu verpflichten und in der Kopoduktion mit der ETERNA durchzusetzen, ist eine ganz andere Frage. Wenn Kleiber und die Verantwortlichen der DGG es gewollt hätten, wäre es ihnen sicher möglich gewesen! Beim Tristan haben sie beispielsweise in den Hauptpartien ausschliesslich westliche Sänger eingesetzt.
    Es gibt ja genug Beispiele dafür, dass Kleiber seine Verträge gebrochen hat, weil er nicht mit den verpflichteten Sängern einverstanden war und glaubte, dass er seine musikalischen Vorstellungen mit ihnen nicht würde durchsetzen können. Das wird immer als sein Rigorismus und als seine kompromisslose Suche nach dem künstlerischen Optimum gepriesen.
    Ich frage mich deshalb schon: warum hat er Schreier und Adam (dass beide in einem anderen Fach vorzügliche Leistungen gebracht haben, steht hier überhaupt nicht zur Diskussion!!!) akzeptiert?
    Tastadur sagt: "...aber das noch Wesentlichere besteht in seiner kompromisslosen Unbedingtheit. Keine Kompromisse, wenn es (um) Musik geht! Dieses steht als nonverbales Bekenntnis hinter fast all seinen Interpretationen. So und gerade auch hinter seinem Freischütz - und letztlich hinter seinem gesamten Leben."
    So leid es mit tut, aber Schreier und Adam sind nicht einfach nur Kompromisse! Sie sind - ich habe es oben schon gesagt - als Max und Kaspar eklatante Fehlbesetzungen!



    :( Caruso41 :(



    .

    ;) - ;) - ;)


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